Träumen die Bremerhavener von der Rückkehr der Straßenbahn?
“Wünschen Sie sich die Straßenbahn zurück?“ Zu dieser kürzlich von der Nordsee-Zeitung gestellten Frage gaben 493 Leser ihr Votum ab: 77 Prozent stimmten dafür, nur 23 Prozent waren dagegen.
Die Baukosten für die Wiedereinführung der Straßenbahn sollen wohl bei etwa 10 Millionen Euro pro Kilometer liegen. Natürlich gehen die Meinungen der Finanzierbarkeit auseinander, je nach Votum. Die Befürworter sehen in einer neuen Straßenbahn ein Beitrag zum Klimaschutz. Andere glauben nicht an eine finanzielle Machbarkeit.
Am 28.04.2012 titelte die Nordsee-Zeitung “Keine Zukunft für eine Straßenbahn” und unterstrichen, dass es “eine Renaissance für eine Straßenbahn in der Stadt nicht geben wird”.
Das Sterben der Bremerhavener Straßenbahn sei ein über 20 Jahre währender Prozess gewesen. Schließlich sei die Strecke und das Material so verschlissen gewesen, dass aus wirtschaftlicher Sicht eine Weiterführung der Straßenbahn nicht zu vertreten war. Und der Chef von Bremerhaven Bus hob hervor: “Aus heutiger Sicht ist damals kein Fehler gemacht worden“. An diesem Ergebnis habe sich bis heute auch nichts geändert, da in einer Stadt mit etwas mehr als 100 000 Einwohnern das Fahrgastaufkommen nicht ausreiche, um eine Straßenbahn wirtschaftlich zu betreiben.
Wer aber träumt dann von einer Rückkehr der Straßenbahn nach Bremerhaven? Am Donnerstag, 29.08.2013, haben das Nord-Süd-Forum Bremerhaven und der Verkehrsclub Bremerhaven (CD) im Klimahaus die Broschüre “Die Straßenbahn. Für die Zukunft Bremerhavens” vorgestellt. Man ist der Meinung, dass man die Straßenbahn nur wirklich haben wolle, dann würde sich auch eine Möglichkeit finden, den Wusch zu realisieren. Ein Verzicht auf die Straßenbahn halten die Befürworter jedenfalls für einen großen verkehrspolitischen Fehler. Eine Straßenbahn brauche pro Fahrgast und 100 Kilometer Strecke nur das Äquivalent zu 1,56 Liter Treibstoff, ein Gelenkbus mit 3,12 Liter doppelt soviel und ein Auto mehr als fünfmal so viel.
Eine Straßenbahnlinie von Leherheide nach Wulsdorf mit einer Abzweigung nach Grünhöfe würde im Einzugsbereich von 80 000 Menschen liegen. Dadurch würde der öffentliche Personenverkehr auch für Autofahrer wieder attraktiv werden. Das Gros der Bevölkerung könne mit etwa 20 Straßenbahnen von den Wohngebieten in die wichtigen Zielgebiete transportiert werden. Bremerhavens CDU-Fraktionsvorsitzende soll der Meinung sein, dass die Abschaffung der Straßenbahn im Jahre 1982 ein Fehler war. Es wäre aber ein erneuter Fehler, sollte man sie heute wieder einführen.
Abschließend möchte ich die Frage zur Diskussion stellen, ob in Anbetracht der steigenden Strompreise eine Straßenbahn wirklich so wirtschaftlich fährt, wie von den Befürwortern dargestellt wird. Außerdem wäre die Frage nach der Umweltfreundlichkeit zu diskutieren. In seiner aktuellen Ausgabe Nr. 36 vom 02.09.2013 beschreibt der SPIEGEL in dem Aufsatz “Das Strom-Phantom”, wie der planlose Ausbau von Solaranlagen und Windrädern die Energiewende gefährden soll und indirekt zu Klimakillern werden. Bei Windstille und bewölktem Himmel müssen stinkende Kohlekraftwerke die Unterproduktion auffangen.
Quellen:
Nordsee-Zeitung vom 28.04.2012, 28.08.2013 und 30.08.2013
Ich selbst habe die Stillegung der Straßenbahn 1982 — wenn auch als Kind — miterlebt. Ich kann mich nicht erinnern — und Freunde älteren Jahrgangs, die die Straßenbahn noch weitaus besser kennen als ich bestätigen das — das die Straßenbahn weit weniger verschlissen war, als das heute immer behauptet wird. Die Bahnen fuhren mit raschem Tempo, ohne großartig zu schaukeln und die 5 Gelenkzüge fuhren bis vor einigen Jahren noch in Rumänien — sie müssen also auch noch relativ gut erhalten gewesen sein. In Polen gibt es Straßenbahnbetriebe, die in weitaus schlechterem Zustand sind als es in Bremerhaven der Fall war.
Das man für Straßenbahnen mehr als 100 000 Einwohner braucht — die hat man ja in Bremerhaven, zumindest noch — halte ich auch für Quatsch. Es gibt in den neuen Bundesländern viele Straßenbahnbetriebe in Städten, die weitaus kleiner sind als Bremerhaven — Görlitz zb oder Gera. Selbst Dorfstraßenbahnen in Rüdersdorf und Woltersdorf bei Berlin gibt es. Dort hat man nachweisen können, das sich ein Straßenbahnbetrieb durchaus rechnet. Die Frage ist immer, wie man an diese Berechnung herangeht und ob man wirklich alle Faktoren einbezieht. Aber in Bremerhaven ist leider der Wille nicht vorhanden und bei dem, was einige der Verantwortlichen so von sich geben, scheint auch der erforderliche Sachverstand in Sachen Straßenbahn vor Ort nicht vorhanden zu sein. Sachlicher Unverstand gepaart mit Nichtwollen und einseitige (Auto)Verkehrspolitik hat zu den Zuständen in Bremerhaven geführt, wie wir sie heute haben: einen Rest — Busbetrieb mit mageren Takten und einer im Vergleich zu 1975 halbierten Fahrgastzahl(damals ca 25 Millionen heute nur noch 11–13).
Die Straßenbahn hat daher solange in Bremerhaven keine Chance bis es zu einem Wechsel in der Verkehrspolitik und auch in den Köpfen kommt.
Thorsten, ich stimme Dir voll zu. Ich habe drei Jahre, von 2009 bis 2011 in Görlitz verbracht, und ich fand es toll, dass dort die Straßenbahn noch fuhr und heute noch fährt. Gleichwohl gibt es auch in Görlitz Kräfte, die die Straßenbahn immer wieder mal abschaffen wollen, aber sie fährt immer noch! Auch wenn sie seit dem Jahre 2001 der Berliner Veolia Verkehr GmbH gehört (französischer Konzern), konnte die Straßenbahn im Jahre 2007 ihr 125-jähriges Betriebsjubiläum feiern. Nach mehreren Streckenstilllegungen noch zu DDR-Zeiten erschließt die Straßenbahn heute die Neubaugebiete Königshufen im Norden, Weinhübel im Süden sowie den ehemaligen Vorort Biesnitz im Westen. Mit einer Gesamtstreckenlänge von 13,6 km durchquert sie dabei die Innenstadt.
Ich glaube auch nicht daran, dass sich ein Schienennetz erst ab 100.000 Einwohner rechnet. Görlitz hat etwa 55.000 Einwohner. Gut, die Straßenbahn soll dort auch defizitär fahren, aber das tun Busse schließlich auch. Für Bremerhaven könnte ich mir beispielsweise eine Strecke vorstellen, die die Hauptdurchgangsstrecke von Langen bis nach Wulsdorf abfährt, mit einem Abzweiger am Flötenkiel über die Hafenstraße, Deichstraße zum Bahnhof. Man muss es, wie Du schon sagst, nur wollen. Doch hier träumt man lieber von einem Oberleitungsbus, so ein Quatsch. Ich finde, es ist genug Geld da, es muss nur richtig eingesetzt werden.