Königliche Baugewerkschule und Königliche Maschinenbauschule in Görlitz — Teil 3

Die König­li­che Bau­ge­werk­schu­le und König­li­che Maschi­nen­bau­schu­le Gör­litz befand sich jen­seits der Nei­ße am Fried­richs­platz (heu­te Par­ty­zan­tów 4, 59–900 Zgor­zel­ec) in der frü­he­ren Gör­lit­zer Ost­stadt. Aus der Ost­stadt ist nach dem 2. Welt­krieg das heu­ti­ge pol­ni­sche Zgor­zel­ec her­vor­ge­gan­gen. Die Monats­zeit­schrift Stadt­BILD hat in ihrer Aus­ga­be vom März 2013 einen Auf­satz von Wolf­gang Stil­ler ver­öf­fent­licht, in dem His­to­ri­sches über die ehe­ma­li­ge Schu­le behan­delt wird:

1905-Königliche-Baugewerkschule

Anmer­kung: Leser zum Arti­kel der Bau­ge­werk- und Maschi­nen­bau­schu­le (Teil 1) Zunächst eine Berich­ti­gung. Ein Leser infor­mier­te mich, dass der Archi­tekt der Rothen­bur­ger Ver­si­che­rung (Gebäu­de der Hoch­schu­le) nicht der Bau­ge­werk­schul­leh­rer Prof. Hugo Behr gewe­sen ist, son­dern der bekann­te Gör­lit­zer Archi­tekt Ger­hard Röhr. Natür­lich hat der Leser Recht, und ich möch­te mich für die­se Ver­wechs­lung entschuldigen.

Ein wei­te­rer Leser meint, dass vor der Inge­nieur­schu­le für Maschi­nen­bau in die­sem Hau­se die Inge­nieur­schu­le für Schie­nen­fahr­zeu­ge ansäs­sig gewe­sen sei. Dies konn­te ich nicht über­prü­fen, da mir dazu kei­ne Quel­len zur Ver­fu­gung stehen.

Nach Erschei­nen des Arti­kels im Teil 1 über die Bau­ge­werk- und Maschi­nen­bau­schu­le infor­mier­te mich Frau Star­ke von der Melan­chthon­stra­ße, dass ihr Vater Hans Beckert vom 5.3.1932 bis zum 14.2.1934 an der Tech­ni­schen Staats­lehr­an­stalt für Maschi­nen­we­sen in Gör­litz stu­diert habe und sie im Besitz einer Rei­he von Doku­men­ten sei. Bei einem Treff konn­te ich die Zeit­zeug­nis­se ein­se­hen, und Frau Star­ke gab mir die Erlaub­nis, dar­über zu berichten:

Hans Beckert wur­de 1912 gebo­ren, besuch­te von 1918 bis 1927 die Volks- bzw. Grund­schu­le und wur­de aus der Ober­klas­se entlassen.

Von 1927 bis 1931 erlern­te er bei der Fir­ma Rein­hold Hil­brich in der Hother­stra­ße 1 das Schlos­ser- und Dre­her­hand­werk, wel­ches er mit dem Prä­di­kat “sehr gut” been­de­te, und für sein Gesel­len­stück erhielt er ein Diplom. Bereits in die­ser Zeit nahm er an Abend­kur­sen der Maschi­nen­bau­schu­le teil.

Vom Dezem­ber 1931 bis Febru­ar 1932 war er Volon­tär bei der Spe­zi­al­gie­ße­rei Trab­ner und Co, Jau­er­ni­cker Stra­ße 40. Vom 5.3.1932 bis zum 14.2.1834 besuch­te Herr Beckert die Tech­ni­sche Staats­lehr­an­stalt für Maschi­nen­we­sen in Gör­litz am Fried­richs­platz. Das Stu­di­um schloss er mit dem Prä­di­kat “Mit Aus­zeich­nung bestan­den” ab.

Reifezeugnis Vorderseite

Reifezeugnis Rückseite

An die­ser Anstalt gab es auch die Tech­ni­sche Ver­ei­ni­gung Staat­li­cher Maschi­nen­bau­schü­ler “Lusa­tia” Görlitz.

Nach dem Stu­di­um war er zunächst vom 19.2.1934 bis 31.7.1935 als Maschi­nen­tech­ni­ker im tech­ni­schen Büro Abt. Zie­ge­lei­ma­schi­nen der Fir­ma Rau­pach Maschi­nen­fa­brik beschäf­tigt und wech­sel­te dann am 1.8.1935 zur Wumag, Abt. Maschi­nen­bau. Dort war er als Dampf­ma­schi­nen-Kon­struk­teur und spä­ter als Mon­tag­e­in­ge­nieur für Dampf­tur­bi­nen tätig.

Klassenfoto

Im Okto­ber 1944 wur­de er zur Wehr­macht nach Lie­gnitz ein­be­ru­fen, Anfang 1945 zum Bau von Schüt­zen­grä­ben in Deutsch Ossig ein­ge­setzt und von dort ohne Vor­ankün­di­gung und Ver­ab­schie­dung von der Fami­lie an die Front ver­la­den. Die letz­te Feld­post kam aus Neu­ham­mer bei Sagan, datiert vom 12.2.1945, erreich­te die Fami­lie aber erst  Ende Febru­ar 1945.

Burschenschaft

Bereits beim ers­ten Kampf­ein­satz am 15.2.1945 in Dober­pau­se bei Sagan am Queiß wur­de er so schwer ver­wun­det, dass er an den Fol­gen ver­starb. Wo er sei­ne letz­te Ruhe fand, ist trotz Nach­for­schun­gen nicht bekannt.

Von der König­li­chen Maschi­nen­bau­schu­le zur Tech­ni­schen Staats­lehr­an­stalt für Maschi­nen­we­sen Gör­litz zur höhe­ren Tech­ni­schen Staats­lehr­an­stalt für Maschi­nen­we­sen Gör­litz. Im Besitz der Fami­lie Star­ke befin­det sich auch die Fest­schrift zur 40-Jahr-Fei­er der Höhe­ren Tech­ni­schen Staats­lehr­an­stalt für Maschi­nen­we­sen Gör­litz 1898 — 1938. Ein ein­ma­li­ges Doku­ment über die Geschich­te der Anstalt, die nicht ein­mal in den Gör­lit­zer Archi­ven vor­han­den ist.

Mitgliedsausweis

Die Ein­rich­tung wur­de, wie bereits erwähnt, 1898 auf Anre­gung des hie­si­gen “Tech­ni­schen Ver­eins“ im neu errich­te­ten Gebäu­de am Fried­richs­platz gemein­sam mit der Bau­ge­werk­schu­le ein­ge­rich­tet. Die Stadt muss­te sich jedoch ver­pflich­ten, für die unent­gelt­li­che Unter­brin­gung der Schu­le zu sor­gen und einen erheb­li­chen Betriebs­kos­ten­zu­schuss für den Unter­halt zu zah­len. Der Staat über­nahm nur die Kos­ten für das Lehr­per­so­nal, die Unter­hal­tung des Inven­tars und der tech­ni­schen Einrichtungen.

Die Schu­le bestand zunächst aus einem 4‑klassigen Werk­meis­ter­un­ter­richt und einer Fort­bil­dung für Maschi­nen­bau­er, Schlos­ser und Schmie­de. An die­ser Ein­rich­tung wur­de bereits 1910 neben dem Direkt­stu­di­um das Abend- und Sonn­tags­stu­di­um mit 6 auf­stei­gen­den Klas­sen mit wöchent­lich 10 Unter­richts­stun­den eingeführt.

Im Som­mer 1905 wur­de mit dem Bau des maschi­nen- und elek­tro­tech­ni­schen Labo­ra­to­ri­ums begon­nen und die­ses am 1.10.1906 ein­ge­weiht. Die Stadt stell­te für des­sen Bau 50.000,- Mark bereit, und das Minis­te­ri­um für Han­del und Gewer­be bewil­lig­te für die Anschaf­fung von Maschi­nen und Appa­ra­ten 45.000,- Mark. Wei­te­re Aus­tat­tungs­ge­gen­stän­de wur­den durch Spon­so­ren zur Ver­fü­gung gestellt.

Staatslehranstalten

Im August 1914 wur­de wegen der Ein­be­ru­fun­gen die Anstalt geschlos­sen und im Som­mer­halb­jahr 1915 der Unter­richt im sehr beschränk­ten Umfan­ge wie­der auf­ge­nom­men. Tei­le der Schu­le wur­den vom Land­sturm­ba­tail­lon des IR 19 bis 1916 belegt, und spä­ter wur­de in den obe­ren Räu­men ein Reser­ve­la­za­rett des DRK ein­ge­rich­tet. Danach fand vom Novem­ber 1918 bis April 1919 noch ein­mal eine mili­tä­ri­sche Ein­quar­tie­rung durch das Frei­korps Fau­pel statt, so dass erst danach ein ordent­li­cher Schul­be­trieb wie­der mög­lich war. Im Som­mer­se­mes­ter 1919 waren es 93 Stu­den­ten. In den Jah­ren von 1924 bis 1930 war in der Ein­rich­tung die Hee­res­fach­schu­le mit 3 Klas­sen mit je 20 bis 30 Hee­res­an­ge­hö­ri­gen zusätz­lich belegt.

Mit der Welt­wirt­schafts­kri­se Anfang 1930 wur­den vie­le Schu­len auf­ge­löst, und die Gör­lit­zer Ein­rich­tung soll­te das glei­che Schick­sal erei­len. Zähl­te doch die Ober­lau­sitz durch beson­ders hohe Arbeits­lo­sig­keit zum Not­stands­ge­biet, und das führ­te zu sehr gerin­gen Ein­schrei­bun­gen an die­ser Anstalt.

Dage­gen wehr­ten sich die Stadt, die hie­si­ge Indus­trie, Post und Bahn mit Erfolg. Das Reichs­er­zie­hungs­mi­nis­te­ri­um stimm­te dem Wei­ter­be­trieb der Anstalt zu, leg­te aber fest, dass mit Wir­kung vom 1.10.1936 die Gör­lit­zer Schu­le in eine “höhe­re Tech­ni­sche Staats­lehr­an­stalt für Maschi­nen­we­sen“ umzu­ge­stal­ten sei mit dem­entspre­chend ver­än­der­ten Lehrplänen.

Indem 10% der Schul­geld­ein­nah­men für Stu­di­en­bei­hil­fen bzw. Schul­geld­be­frei­un­gen für bedürf­ti­ge Stu­den­ten ver­wen­det wer­den konn­ten und die Indus­trie Frei­stel­len und ein­ma­li­ge Unter­stüt­zun­gen zur Ver­fü­gung stell­te, stie­gen die Stu­di­en­teil­neh­mer­zah­len wie­der erheb­lich an. Ab 1937 waren dies nur an der Abend­schu­le zwi­schen 112 und 146 Teilnehmer.

Raupach

Segens­reich war von Anfang an die Unter­stüt­zung Gör­lit­zer Unter­neh­men, ins­be­son­de­re der Fir­ma Richard Rau­pach, Maschi­nen­fa­brik Gör­litz. Bereits im April 1914 wur­de der Anstalt die “Richard Rau­pach Stif­tung“ mit einem Betrag von 15.000,- Mark über­ge­ben. Aus den Zin­sen soll­ten bedürf­ti­ge Stu­den­ten mit Wohn­sitz in Gör­litz ein Sti­pen­di­um erhal­ten. Anspruch hat­ten aber in ers­ter Linie Schü­ler, die in der Fir­ma Rau­pach gelernt hat­ten. Im Jah­re 1918 errich­te­te Kom­mer­zi­en­rat Rau­pach erneut eine Stif­tung in Höhe von 20.000,- Mark, die der För­de­rung und Aus­bil­dung von Kriegs­in­va­li­den zu Werk­meis­tern und Tech­ni­kern die­nen soll­te. Lei­der ging die­ses Ver­mö­gen mit der Infla­ti­on verloren.

Dar­über hin­aus gab es für die Schu­le die “Lou­is Queiß­ner Stif­tung“, die “Ein­tracht Stif­tung“ und die “Wein­berg Stif­tung“. Wei­te­re Fir­men, Pri­va­te und Gemein­den stell­ten ein­ma­li­ge oder lau­fen­de Beträ­ge zur Ver­fü­gung, so dass ein Schul­stif­tungs­ver­mö­gen von 11.000,- Mark ent­ste­hen konn­te. Aus des­sen Zin­sen in Höhe von 800,- Mark konn­ten wei­te­re Unter­stüt­zun­gen an Bedürf­ti­ge gewährt werden.

Kofferfabrik in Moys

Als ein ganz wich­ti­ges Ziel gestal­te­te sich an die­ser Ein­rich­tung die Begab­ten­för­de­rung, indem Jugend­li­che aus nicht ver­mö­gen­den Ver­hält­nis­sen ein Stu­di­um auf­neh­men konn­ten. Die Schul­bi­blio­thek umfass­te 40.000 Lehr­bü­cher und Fach­zeit­schrif­ten zur kos­ten­lo­sen Aus­lei­he. Im Ver­lau­fe der 40 Jah­re (1898–1938) sind in 69 Semes­tern 1843 Stu­die­ren­de ein­ge­tre­ten, davon haben 1302 Stu­die­ren­de das Rei­fe­zeug­nis erhal­ten, das sind 70 % der Ein­ge­tre­te­nen. Den Fir­men, die in unei­gen­nüt­zi­ger Wei­se die Staats­lehr­an­stalt und ihre Stu­die­ren­den durch Gewäh­rung von Bei­hil­fen und der kos­ten­lo­sen Über­las­sung von Maschi­nen und Ein­rich­tun­gen unter­stützt hat­ten, wur­de aus Anlass des 40-jäh­ri­gen Bestehens der Schu­le ins­be­son­de­re gedankt.

Arnade, Koffer und Lederwarenfabrik Görlitz

Das waren unter ande­rem fol­gen­de Gör­lit­zer Ein­rich­tun­gen und Unter­neh­men: Stadt Gör­litz; Stadt­wer­ke Gör­litz; Indus­trie- und Han­dels­kam­mer Gör­litz; Wumag Abtei­lung Wag­gon­bau und Abtei­lung Maschi­nen­bau; Richard Rau­pach, Maschi­nen­fa­brik Gör­litz; Roscher Maschi­nen­fa­brik Gör­litz; Wies­ner, Maschi­nen­fa­brik Gör­litz; Fischer, Feu­er­lösch­ge­rä­te­fa­brik Gör­litz; Chris­toph & Unmack, Maschi­nen­fa­brik Nies­ky; Sau­er­stoff­werk Gör­litz; Ernst Bulow & Co, Metall­wa­ren­fa­brik Gör­litz; Ernst Bent­zin, Werk­stät­ten für pho­to­gra­phi­sche Appa­ra­te Gör­litz; Arna­de, Kof­fer und Leder­wa­ren­fa­brik Gör­litz; Mauksch, Fur­nier- und Säge­werk Gör­litz; Paul Tesch, Auto­zen­tra­le Gör­litz; Nord­mann & Sohn, Heiz- und Koch­ge­rä­te Gör­litz und andere.

Wiessner

Hier tru­gen die Unter­neh­men noch Ver­ant­wor­tung für die Aus­bil­dung des Nach­wuch­ses. Als bedeut­sam ist fol­gen­de Fest­stel­lung zu wer­ten. Die ver­hält­nis­mä­ßig kur­ze Aus­bil­dungs­zeit für das Inge­nieur­stu­di­um zwang die ver­ant­wort­li­chen Lehr­stät­ten, den Unter­richt auf das unbe­dingt not­wen­di­ge Maß zu beschrän­ken. Der jun­ge Inge­nieur muss mit dem wis­sen­schaft­li­chen Rüst­zeug aus­ge­stat­tet wer­den, mit dem er über­all die an ihn her­an­tre­ten­den Auf­ga­ben meis­tern kann. Für den Unter­richt ist des­halb nicht Aus­wei­tung, son­dern Beschrän­kung und Ver­tie­fung die For­de­rung. Bei der heu­te ver­zweig­ten Tech­nik wäre es grund­falsch, Son­der­ge­bie­te zu för­dern. Es hat sich viel­mehr der Unter­richt auf die Grund­la­gen und Haupt­fach­ge­bie­te zu beschrän­ken. Auf­ge­schrie­ben wur­de die­ses 1938 — könn­ten dar­aus Schluss­fol­ge­run­gen gezo­gen wer­den, von wel­chem Bal­last heu­te Stu­die­ren­de befreit wer­den könnten?

Autor: Wolf­gang Stil­ler, Dres­de­ner Str. 28, 02826 Görlitz
Nach­druck mit Geneh­mi­gung des Stadt­BILD-Ver­la­ges Görlitz

Nach Ver­öf­fent­li­chung des ers­ten Auf­satz­tei­les bat mich Herr Wolf­gang Stil­ler per E‑Mail, auch die Tei­le 2 und 3 sei­nes Auf­sat­zes zu ver­öf­fent­li­chen. Bis­her lie­ßen sich kei­ne Doku­men­te fin­den, ob und wie die Schu­le wäh­rend des Zwei­ten Welt­krie­ges von 1939 bis 1945 funk­tio­nier­te. Beson­ders inter­es­siert ist der Ver­ein Ober­lau­sit­zer Berg­leu­te e. V. an Mit­tei­lun­gen und Zeit­do­ku­men­ten der Berg­vor­schu­le (1901 – 1904 an die­ser Ein­rich­tung), da es auch in den Gör­lit­zer Archi­ven dazu kein Mate­ri­al gibt.

Seit 1945 steht der Stadt Gör­litz durch die Grenz­fest­le­gung nach dem 2. Welt­krieg die­se Bil­dungs­ein­rich­tung nicht mehr zur Ver­fü­gung. Heu­te beher­bergt die­ses an der Uli­ca Par­ty­zan­tów 4 (ehe­ma­li­ge Fried­richs­platz) gele­ge­ne alte Gebäu­de der frü­he­ren Bau­ge­wer­ke- und Maschi­nen­bau­schu­le das Gim­naz­jum Łuży­ckie (Gym­na­si­um) und das  Lice­um Ogól­noksz­tałcące im. Bra­ci Śnia­de­ckich (All­ge­mein­bil­den­des Lyzeum).
König­li­che Bau­ge­werk­schu­le – Teil 1
König­li­che Bau­ge­werk­schu­le – Teil 2

Eine neue Moschee für Bremerhaven

Im Nor­den der Stadt Bre­mer­ha­ven sol­len drei Kir­chen abge­ris­sen wer­den, und im Süden ent­steht der­zeit auf dem Grund­stück Georg-See­beck-Stra­ße 2 eine gro­ße Moschee, die noch in die­sem Jahr fer­tig gestellt sein soll.

Baustellenschild

Obwohl in den Bau der Moschee sehr viel Eigen­leis­tung inves­tiert wird, geht es zügig vor­an. Selbst die gro­ße Beton­kup­pel krönt bereits das Flach­dach des impo­san­ten Gebäu­des, das beim Betrach­ter einen respek­ta­blen Ein­druck hin­ter­lässt. Wann hat man in Deutsch­land schon mal die Mög­lich­keit,. den Neu­bau einer Moschee zu verfolgen!

Straßenansicht der Fatih-Moschee in Bremerhaven

Geplant war zwar, dass der rund eine Mil­lio­nen teu­re Neu­bau bereits fer­tig gestellt  sein soll­te, doch auf­grund des hohen Eigen­leis­tungs­an­teil kann der Bau­herr, der “Ver­ein der isla­mi­schen Uni­on”, den Fer­tig­stel­lungs­ter­min nicht genau pla­nen. Gleich­wohl  geht es zügig vor­an, und man ist bereits mit dem Innen­aus­bau beschäf­tigt. Aller­dings wer­den die Flie­sen­ar­bei­ten im Gebets­raum nicht in Eigen­leis­tung aus­ge­führt. Die­se Auf­ga­be wur­den einem aus­län­di­schen Fach­mann über­tra­gen, der auch die Wän­de mit Kali­gra­phien und Hand­ma­le­rei­en tra­di­tio­nell ver­zie­ren soll.

Rückansicht der Fatih-Moschee in Bremerhaven

Noch ist das Bau­stel­len­ge­län­de schlecht zugäng­lich. Aber schon bald soll das Grund­stück gepflas­tert wer­den, damit dann end­lich auch mit den Auf­räu­mungs­ar­bei­ten begon­nen wer­den kann. Spä­ter, wenn die Moschee fer­tig ist, soll die Tür für  Jeder­mann geöff­net sein. Nach­dem ich neu­gie­rig durch die Fens­ter geschaut habe und nichts erken­nen konn­te, wer­de ich der Moschee bestimmt nach der Eröff­nungs­ze­re­mo­nie einen Besuch abstatten.

Die Finan­zie­rungs­mit­tel für den Moschee­bau sol­len übri­gens allein durch Mit­glieds­bei­trä­ge und Spen­den zusam­men­ge­kom­men sein. Ein  Kraft­akt, den man bei den Mit­glie­dern christ­li­cher Kir­chen oft­mals ver­misst. Zur Grund­stein­le­gung am 20.03.2011 hielt Ober­bür­ger­meis­ter Melf Granz eine Rede.

Aus drei alten Kirchen soll eine neue Kirche werden

Keine schöne Bilanz für Bremerhavens nördliche Kirchengemeinden. Im Jahre 2013 hat die Johanneskirche 107 Mitglieder (53 Austritte) verloren. Die 1955 eingeweihte Markuskirche verlor im gleichen Jahr 25 Mitglieder (17 Austritte) und die 1964 mitten im Neubaugebiet eingeweihte Lukaskirche zählt 61 Mitglieder (28 Austritte) weniger. 

2014 Johanneskirche

Sin­ken­de Mit­glie­der­zah­len bedeu­ten für die Kir­che weni­ger Ein­nah­men. Gleich­zei­tig belas­ten stei­gen­de Kos­ten für Ener­gie und Instand­hal­tung der Gebäu­de die Haus­halts­kas­sen der drei Kir­chen­ge­mein­den. Und so haben sich die Kir­chen­vor­stän­de Gedan­ken gemacht, wie sie die­ses Ungleich­ge­wicht zwi­schen Ein­nah­men und Aus­ga­ben wie­der in die rich­ti­ge Balan­ce brin­gen können.

Gro­ße Wirt­schafts­un­ter­neh­men haben es eben­so vor­ge­macht, wie die regio­na­len Spar­kas­sen: Redu­zie­rung der lau­fen­den Kos­ten durch Fusi­on.  Und genau den glei­chen Weg wol­len die Nord-Gemein­den beschrei­ten. Weg mit dem Bal­last der Ver­gan­gen­heit. Her mit einem neu­en Gemein­de­zen­trum und mit einem neu­en Kirchengebäude.

2014 Markuskirche

Hin­ter Leher­hei­des Stadt­teil­bi­blio­thek liegt eine 10 000 Qua­drat­me­ter gro­ße städ­ti­sche Bra­che. Die­sen Platz haben sich die drei bis­he­ri­gen Kir­chen­ge­mein­den für ihr neu­es Gemein­de­zen­trum aus­er­ko­ren und bereits eine Bau­vor­anfra­ge für ein neu­es Gemein­de­zen­trum mit Kir­chen­ge­bäu­de bei der Stadt ein­ge­reicht. Aller­dings müss­te der Bebau­ungs­plan geän­dert wer­den, in dem das betref­fen­de Gebiet als Grün­flä­che aus­ge­wie­sen ist.

Lukas‑, Mar­kus- und Johan­nes­ge­mein­de wol­len bis 2018 ihre alten Kir­chen­ge­bäu­de und Gemein­de­zen­tren auf­ge­ge­ben haben. Da kommt es wohl gera­de gele­gen, dass Gut­ach­ten vor­lie­gen sol­len, die kei­nes der drei alten Gemein­de­häu­ser für sanie­rungs­wür­dig hal­ten wol­len. Eine Sanie­rung wäre unver­hält­nis­mä­ßig teu­er, und das ener­ge­ti­sche Ergeb­nis wür­de nicht dem heu­ti­gen Stan­dard entsprechen.

2014 Lukaskirche

Der Finan­zie­rungs­be­darf für das neue Gemein­de­zen­trum soll noch nicht ermit­telt wor­den sein. Aller­dings soll ein Volu­men von 1,5 Mil­lio­nen nicht über­schrit­ten wer­den. Die Lan­des­kir­che wird sich mit einem Drit­tel betei­li­gen, den Rest müs­sen Kir­chen­kreis und Gemein­den aufbringen.

Die Zahl ihrer Gemein­de­mit­glie­der ist von ehe­mals 24 000 auf aktu­ell knapp 11 000 gesun­ken. Und für 2025 wird eine Mit­glie­der­zahl von nur noch 7 500 pro­gnos­ti­ziert. Da wol­len die Kir­chen­vor­stän­de gegen­steu­ern und ihr Schiff recht­zei­tig auf den rich­ti­gen Kurs brin­gen.
Quel­len:
Nord­see-Zei­tung vom 10. Mai 2014
Sonn­tags­jour­nal vom 10. Mai 2014

Wann zieht wieder Leben in den Wasserturm ein?

Zwei Ver­su­che, das Wahr­zei­chen von Geest­e­mün­de wie­der mit Leben zu fül­len, schei­ter­ten. Doch dann war mit der Eröff­nung des Restau­rants Langerbeck’s eine Pha­se des jah­re­lan­gen Leer­stan­des end­lich vor­bei. In dem 1889 erstell­ten Was­ser­turm auf dem Neu­markt wur­den die Gäs­te mit deut­schen und fran­zö­sisch-medi­ter­ra­nen Gerich­ten bewir­tet. Doch seit Okto­ber 2013 zählt auch das Langerbeck’s nur noch zu den Epi­so­den der Vergangenheit.

Wasserturm in Geestemünde

In den für die Bre­mer­ha­ve­ner Was­ser­ver­sor­gung nicht mehr benö­tig­ten Was­ser­turm wur­den im Jah­re 2005 rund 1,2 Mil­lio­nen Euro aus dem Urban-II-Pro­gramm der Euro­päi­schen Uni­on inves­tiert. Neben einer umfang­rei­chen Sanie­rung erhielt der Turm einen glä­ser­nen Restaurantanbau.

2009 kamen die Hand­wer­ker zurück und bau­ten in den Turm für 80.000 Euro eine Zwi­schen­de­cke ein. Eigent­lich ein Unding bei einem denk­mal­ge­schütz­ten Gebäu­de. Aber er muss­te sein – der Turm hat­te einen unstill­ba­ren Ener­gie­hun­ger. Den 38 Meter hohen Turm bis hin­auf zum Was­ser­tank zu hei­zen wur­de bei den stän­dig stei­gen­den Ener­gie­kos­ten unbe­zahl­bar. Alle Päch­ter schei­ter­ten letzt­end­lich in ers­ter Linie an  den  hohen Heizkosten.

Und die Inves­ti­ti­on wur­de belohnt! Jetzt fan­den sich end­lich wie­der Päch­ter, die im August 2010 unter dem Namen “Langerbeck’s“  ein  Restau­rant, Bis­tro und Café eröff­ne­ten. Ins­ge­samt ste­hen  im  Inne­ren  des  Turms  und im glä­ser­nen Anbau 65 und für Gesell­schaf­ten 80 Plät­ze bereit. Auf der Ter­ras­se fin­den 80 wei­te­re Gäs­te Platz – mit Blick auf das Markt­ge­sche­hen auf dem Konrad-Adenauer-Platz.

2013 - Wasserturm Geestemünde

Alles ließ sich gut an – aber dann muss­te erneut saniert wer­den. Im März 2013 wur­de der Was­ser­turm nahe­zu kom­plett ein­ge­rüs­tet, um Frost­schä­den zu besei­ti­gen. Für die Dau­er der Sanie­rungs­maß­nah­me wur­de dem Restau­rant eine Zwangs­pau­se ver­ord­net. Im Okto­ber 2013 haben die Brü­der Mathi­as und Tho­mas Lan­ger­beck die Reiß­lei­ne gezo­gen und das Restau­rant aufgegeben.

Um dem Was­ser­turm wie­der neu­es Leben ein­zu­hau­chen, ist die Eigen­tü­me­rin swb seit eini­ger Zeit im Gespräch mit meh­re­ren poten­ti­el­len Pacht-Inter­es­sen­ten. Wer der swb ein gutes Kon­zept mit einem schlüs­si­gen Busi­ness­plan vor­le­gen kann, könn­te sei­nen Betrieb im Was­ser­turm sofort star­ten. Die Wän­de sind frisch gestri­chen und Mobi­li­ar und Geschirr ste­hen bereit.

1910 - Wasserturm Geestemünde

Im Zwei­ten Welt­krieg wur­de auch der Was­ser­turm stark beschä­digt. 1976 muss­te er wegen Bau­fäl­lig­keit vor­über­ge­hend still­ge­legt wer­den. 1977 und 1978 wur­de er restau­riert und bis 1996 von den dama­li­gen Stadt­wer­ken wei­ter als Trink­was­ser­spei­cher genutzt. Im Zuge der Umge­stal­tung des Kon­rad-Ade­nau­er-Plat­zes begann 2003 die gas­tro­no­mi­sche Nut­zung des Was­ser­turms. Den Was­ser­turm habe ich bereits beschrie­ben.
Quel­len:
Maga­zin der IHK Bre­mer­ha­ven vom Dezem­ber 2012, Sei­te 28
Nord­see-Zei­tung vom 22.11.2013 und 24.05.2014
Stä­wog-Mie­ter­zei­tung vom Juni 2010, Sei­te 4
Sonn­tags­jour­nal vom 03.08.2013

Der Jedutenberg in Wulsdorf

Bei der Wuls­dor­fer Dio­ny­si­us­kir­che befin­det sich eine etwa fünf Meter hohe Anhö­he natür­li­chen Ursprun­ges, der Jedu­ten­berg genannt wird. Bei  einem Jedu­ten­berg han­delt es sich um einen Denk­mal­typ, der in den nie­der­säch­si­schen  Land­krei­sen Fries­land und Weser­marsch vorkommt. 

Jedutenberg

Foto: Nie­der­deut­sches Hei­mat­blatt Nr. 743 vom Novem­ber 2011

Da die Wikin­ger Anfang des 9. Jahr­hun­derts beson­ders die an den schiff­ba­ren Flüs­sen gele­ge­nen Küs­ten­län­der häu­fig über­fie­len und plün­der­ten, befahl Karl der Gro­ße, an den Fluss­mün­dun­gen Ver­tei­di­gungs­an­la­gen zu errich­ten. Zu die­sen Ver­tei­di­gungs­an­la­gen gehör­ten unter ande­rem auch der Tüür-Lüürs-Berg in Bramstedt, der Jedu­ten­berg in Wuls­dorf, der Büt­te­ler Berg in Lehe, der Pasch­berg in Lan­gen und die Pipins­burg in Sievern.

Auf den Erhe­bun­gen stand ein mit einem Aus­guck besetz­ter höl­zer­ner Turm. Näher­ten sich feind­li­che Schif­fe der Küs­te, wur­de vom Wach­pos­ten ein Warn­feu­er ent­zün­det, das im wei­ten Umkreis die Bevöl­ke­rung alar­mier­te. Von Hügel zu Hügel wur­de das Signal bei­der­seits der Unter­we­ser wei­ter­ge­ge­ben, um vor dem dro­hen­den Über­fall zu war­nen. Ab Ende des 10. Jahr­hun­derts wur­den die Über­fäl­le immer weni­ger. Irgend­wann kamen die Wikin­ger nicht mehr, und die Befes­ti­gungs­an­la­gen ver­lo­ren ihre Bedeutung.

Wulsdorfer Kirche um 1920

Als Ergeb­nis einer kürz­lich vor­ge­nom­me­nen Pol­len­ana­ly­se geht man nun davon aus, dass zumin­dest die mehr als drei Meter hohe Sand­auf­fül­lung des Jedu­ten­ber­ges in Wuls­dorf 500 Jah­re jün­ger sei, als bis­her ange­nom­men. Mit etwa 1000 Kubik­me­ter Boden aus der nähe­ren Umge­bung sol­len die Men­schen irgend­wann ab 1300 nach Chris­tus die ursprüng­li­che Düne zum Jedu­ten­berg auf­ge­türmt. War­um das geschah, weiß man bis­her nicht. Auf jeden Fall wol­len die Wis­sen­schaft­ler nicht bestrei­ten, dass der Jedu­ten­berg als Aus­guck gedient hat.

Kriegerdenkmal auf dem Jedutenberg

Wie dem auch sei, heu­te umsäumt ein alter Baum­be­stand den Wuls­dor­fer Jedu­ten­berg, auf dem nach dem deutsch-fran­zö­si­schen Krieg 1870 bis 1871 ein Denk­mal für die Gefal­le­nen errich­tet wur­de. Und zum Rodeln ist er ein belieb­ter Abhang – wenn  es denn mal einen Schnee­win­ter gibt.

Quel­len:
Nord­see-Zei­tung vom 15.05.2014
Egon Stuve: Nie­der­deut­sches Hei­mat­blatt Nr. 743 vom Novem­ber 2011

Die alte Schmiede in der Lange Straße 136 in Lehe

Als es noch Pfer­de­fuhr­wer­ke gab, war auch die nächs­te Schmie­de nicht weit. Hufe muss­ten beschla­gen und Pfer­de­wa­gen repa­riert wer­den. Ein Schmied hat­te in die­ser Zeit gut zu tun. Auch in Lehe war das bis in die 1930er Jah­re so. Lang­sam ver­dräng­ten aber die Auto­mo­bi­le mehr und mehr die Pfer­de­ge­span­ne, und die Schmie­de­meis­ter muss­ten sich ande­re Betä­ti­gungs­fel­der suchen.

1957 notier­te die Nord­see-Zei­tung, dass in der Stadt Bre­mer­ha­ven in den letz­ten 10 Jah­ren 7 Betrie­be geschlos­sen haben und es nun nur noch 5 Schmie­den gibt. Und eine die­ser Schmie­den befand sich in der Lan­ge Stra­ße 136 in Lehe, genau dort, wo heu­te ein gro­ßer Wohn­block das Stra­ßen­bild dominiert.

Heu­te weiß wohl nie­mand mehr so genau, wann an die­ser Stel­le die ers­te Schmie­de ent­stand. Der aus Imsum stam­men­de letz­te Schmied Hein­rich Bock­hop erwähn­te im Jah­re 1956 gegen­über der BBZ, dass sei­ne wind­schie­fe und ruß­ge­schwärz­te Schmie­de wohl schon 200 Jah­re alt sei. Alten Auf­zeich­nun­gen zufol­ge soll der ers­te hier täti­ge Schmie­de­meis­ter der mit Rebec­ca See­beck ver­hei­ra­te­te Johann Diede­rich Wes­sel gewe­sen sein. Der Sohn Johann Died­rich Wes­sel hei­ra­te­te am 10. August 1821 Rebec­ca Erichs. Johann Died­rich Wes­sel ließ sich 1856 ein Wohn­haus, eine Schmie­de und einen Wagen­schup­pen bau­en. Am 5. April 1856 starb Johann Died­rich, und sein am 14. Dezem­ber 1827 in Lehe gebo­re­ner Sohn Chris­toph führ­te die Schmie­de nun weiter.

Chris­toph Wes­sel hei­ra­te­te am 2. Mai 1862 Min­chen Mei­er. Aus die­ser Ver­bin­dung gin­gen sie­ben Kin­der her­vor, dar­un­ter als zweit­äl­tes­te Kind der am 19.01.1865 gebo­re­ne Jun­ge Johann Diede­rich. Als der Vater Chris­toph im Jah­re 1876 ver­starb, über­nahm tra­di­ti­ons­ge­mäß der Sohn die Schmie­de und beschäf­tig­te vie­le Gesel­len, die sich wäh­rend ihrer damals übli­chen Wan­der­jah­re vor­über­ge­hend in Bre­mer­ha­ven auf­hiel­ten. Einer die­ser “Wan­der­bur­schen” war der aus Din­gen stam­men­de Schmie­de­ge­sel­le Hein­rich Bockhof.

Johann Diede­rich ver­kauf­te sei­ne Schmie­de etwa 1920 an die Fir­ma “Hen­schen und Jans­sen – Huf­be­schlag, Wagen­bau und Schlos­se­rei. Bereits fünf Jah­re spä­ter über­nahm die Klemp­ner­fir­ma Gebrü­der Bohn­hardt die Schmie­de, behiel­ten sie aber eben­falls nur für eine kur­ze Zeit.

In die­sen Jah­ren hat­te der Schmie­de­ge­sel­le Hein­rich Bock­hop gehei­ra­tet und mit sei­ner Ehe­frau Wil­hel­mi­ne Sud­hop sei­ne Söh­ne Hein­rich und Her­mann bekom­men. Er leg­te sei­ne Prü­fung zum Schmie­de­meis­ter ab, und als die Schmie­de 1931 von der Klemp­ner­fir­ma Gebrü­der Bohn­hardt zum Ver­kauf ange­bo­ten wur­de, griff er zu. Finan­zi­ell waren es schwie­ri­ge Anfangs­jah­re für den neu­en Betriebs­in­ha­ber. Als der Krieg aus­brach und die Gesel­len zum Kriegs­dienst ein­ge­zo­gen wur­den, fehl­ten Hein­rich Bock­hop auch noch die hel­fen­den Hände.

Nach dem Krieg waren die Auf­trags­bü­cher wie­der gut gefüllt. Allent­hal­ben muss­te etwas repa­riert oder ange­fer­tigt wer­den, und auch Hufe wur­den wie­der beschla­gen. In der Schmie­de wur­den nun zwei Gesel­len beschäf­tigt, der Sohn Hein­rich und Max West. In der Schmie­de­es­se brach­ten sie die Huf­ei­sen zum Glü­hen und pass­ten es den Pfer­den an. Wenn das glü­hen­de Eisen mit dem Huf des Pfer­des in Berüh­rung kam, zisch­te es gewal­tig und ein Geruch von ver­brann­tem Horn erfüll­te die Umge­bung. Die Schmie­de war ein ste­ter Aben­teu­er­platz der Nachbarschaftskinder.

Mietwohnblock in Lehe, Lange Strasse 136

Foto: 03.06.2014, Her­mann Schwiebert

Hein­rich Bock­hop war bereits 76 Jah­re alt, als er sich aus dem Schmie­de­be­trieb zurück­zog. Als er 1965 starb, gab es die Schmie­de schon nicht mehr. Sie wur­de 1964 abge­ris­sen. Und schon kurz dar­auf erstell­te eine Bau­ge­sell­schaft an die­sem Ort einen gro­ßen Wohn­block mit Mietwohnungen.

Quel­len:
Peter Raap: Nie­der­deut­sches Hei­mat­blatt Nr. 760 vom April 2013
Peter Raap: Nie­der­deut­sches Hei­mat­blatt Nr. 772 vom April 2014
Hans Klaus­ter­mey­er: Erin­ne­run­gen – Lan­ge Stra­ße (1924–2014)

Nach­trag vom 30.10.2014
Der Deich­SPIE­GEL bedau­ert sehr, dass er auf Drän­gen von Peter Raap  zwei Zeich­nun­gen, die die Schmie­de zeig­ten, aus Grün­den des Urhe­ber­rechts ent­fer­nen muss­te und sei­nen inter­es­sier­ten Lese­rin­nen und Lesern lei­der nicht mehr zur Ver­fü­gung stel­len darf.

Die Redaktion vom DeichSPIEGEL kann wieder arbeiten

Es erwisch­te mich, wie es wohl jeden schon mal erwischt hat. Mei­ne Schreib­ma­schi­ne (Lap­top) hat gestreikt. Das Geblä­se war wohl ver­staubt, und so über­hitz­te wäh­rend der Arbeit der Pro­zes­sor. Ist eine bestimm­te Tem­pe­ra­tur erreicht, schal­tet sich der Lap­top ein­fach aus. Tja, und dann geht erst mal gar nichts mehr.

Also mach­te ich mich auf den Weg und besorg­te mir einen neu­en Lap­top. Da ver­gin­gen ein paar Tage, bis ich das für mich Ent­spre­chen­de gefun­den habe. Es soll­te kei­ne Renn­ma­schi­ne sein, ich will ja nur Tex­te schrei­ben, Bil­der bear­bei­ten und scan­nen. Lei­der hat­ten die ört­li­chen Geschäf­te vor­nehm­lich Gerä­te mit dem vor­in­stal­lier­ten Betriebs­sys­tem Win­dows 8 vor­rä­tig. Ich woll­te aber beim bewähr­ten Win­dows 7 blei­ben. Also muss­te ich ins Inter­net und wur­de bei Ama­zon fün­dig. Dort erwarb ich ein Fuji­tsu-Lap­top mit einem vor­in­stal­lier­ten 64 Bit-Betriebs­sys­tem Win­dows 7. Der flitzt für mei­ne Anfor­de­run­gen rich­tig gut ab.

Naja, dann ging ich dar­an, die über­flüs­si­ge Tri­al-Soft­ware zu löschen, die ja auf alle Rech­ner instal­liert wer­den. Ist schon ein ärger­li­cher Kram, das Ent­fer­nen der unge­wünsch­ten Soft­ware kos­tet viel Zeit und die Regis­try ist schon von Anfang an mit unnüt­zen Ein­trä­gen zugemüllt.

Schließ­lich habe ich die Fest­plat­te noch par­ti­tio­niert. Aus Sicher­heits­grün­den tren­ne ich immer das Betriebs­sys­tem von den Pro­gram­men. Dann ver­wen­de ich nach Mög­lich­keit auch nur por­ta­ble Pro­gram­me, das erspart die dau­ern­de Neu­in­stal­la­ti­on, wenn man Win­dows mal neu auf­set­zen muss.

Nun war alles start­klar – aber der Scan­ner lief nicht. Lei­der lie­fert Micro­soft für das 64 Bit-Sys­tem kei­ne Scan­ner­trei­ber mit. Einen neu­en Scan­ner woll­te ich nun doch nicht kau­fen, mein alter HP-Scan­jet arbei­tet doch noch tadel­los. Was machen? Nun, ich habe schließ­lich mei­nen aus­ran­gier­ten Lap­top zer­legt, das Geblä­se gerei­nigt und Win­dows XP instal­liert. Nun ver­wen­de ich den alten Lap­top wei­ter­hin für Arbei­ten mit mei­nem Oldie-Scanner.

Und nun freue ich mich, Euch wie­der mit his­to­ri­schen und aktu­el­len Geschich­ten aus Bre­mer­ha­ven und umzu unter­hal­ten zu kön­nen. Und natür­lich wer­det Ihr hier auch wie­der die eine oder ande­re unter­halt­sa­me Geschich­te oder Anek­do­te aus Gör­litz und der Ober­lau­sitz finden.

Von Wursten nach Amerika — Arbeit und Reichtum lockten

1866 muss­te die han­no­ver­sche Armee im Deut­schen Krieg gegen­über den preu­ßi­schen Trup­pen kapi­tu­lie­ren. Preu­ßen ent­thron­te die Wel­fen und annek­tier­te das König­reich Han­no­ver, das damit sei­ne Unab­hän­gig­keit ver­lor. Aus dem han­no­ver­schen Mili­tär wur­de das preu­ßi­schen X. Armee-Korps gebil­det.

Von Wursten nach Amerika

Wir treu­en Han­no­ve­ra­ner wol­len kei­ne preu­ßi­schen Sol­da­ten wer­den, deren Drill ist doch allen zu hart”, sind die über­lie­fer­ten Wor­te des Wre­mer Rudolf Theo­dor Lüt­jens. Und so zogen es auch vie­le Bewoh­ner des Lan­des Wurs­ten vor, ihrer Hei­mat den Rücken zu keh­ren und nach Ame­ri­ka auszuwandern.

In der Aus­ga­be vom 21. Janu­ar 1882 berich­te­te das Wurs­ter Wochen­blatt, dass “die Aus­wan­de­rung aus Wurs­ten nach Ame­ri­ka immer grö­ße­re Dimen­sio­nen annimmt. Außer vie­len Jugend­li­chen besteht die Zahl der Aus­wan­de­rer in letz­ter Zeit vor­wie­gend aus ver­hei­ra­te­ten Arbei­tern”. Die Haupt­ur­sa­che such­te die Zei­tung “in der Tat­sa­che des hier herr­schen­den Arbeitsmangels”.

Auswanderer

Die Aus­wan­de­rungs­wel­le stell­te für die preu­ßi­sche Armee ein gro­ßes Pro­blem dar, und die preu­ßi­schen Ver­ord­nun­gen beson­ders jun­gen Män­nern gegen­über wur­den erheb­lich ver­schärft. Das Wurs­ter Wochen­blatt wuss­te am 27. Juli 1867 zu berich­ten, dass sich kurz vor der Abfahrt ein ame­ri­ka­ni­scher Kapi­tän wei­ger­te, zwei kräf­ti­ge jun­ge Wurs­ter einem preu­ßi­schen Offi­zier aus­zu­lie­fern. Es bedurf­te der Dro­hung des Offi­ziers, das Schiff “mit Kano­nen in den Grund zu boh­ren”, damit der Kapi­tän ein­lenk­te und die bei­den Aus­wan­de­rer aus­lie­fer­te. Per­so­nen, die das Land ver­las­sen haben, um sich dem Mili­tär­dienst zu ent­zie­hen, konn­ten sich inner­halb von sechs Mona­ten den Behör­den stel­len. Nur dann soll­te ihnen auf­grund eines “Gna­den­er­las­ses” “Par­don gewährt werden”.

Auswanderer

Den­noch, der Haupt­grund für das enor­me Anwach­sen der Zahl der aus­wan­de­rungs­wil­li­gen Deut­schen lag nicht pri­mär im poli­ti­schen Bereich. Viel­mehr waren es die wirt­schaft­li­chen Nöte, dass Ende der 1860er Jah­re hun­dert­tau­sen­de Deut­sche ihre Hei­mat für immer ver­lie­ßen. Der nord­ame­ri­ka­ni­sche Bür­ger­krieg war 1865 been­det wor­den, und in den USA begann ein wirt­schaft­li­cher Auf­schwung. In den 1866 preu­ßisch gewor­de­nen Län­dern wie Hes­sen und Han­no­ver (Land Wurs­ten) flüch­te­ten vie­le jun­ge Men­schen förm­lich vor Steu­er­erhö­hun­gen und Ver­län­ge­rung der Wehrpflicht.

Auswanderer

So such­ten mehr und mehr Men­schen ihr Glück im “weit­hin gelob­ten Land Ame­ri­ka”, um der Arbeits­lo­sig­keit zu ent­kom­men. Ande­re wie­der­um woll­ten ein­fach das schnel­le Geld machen und hat­ten gro­ße Träu­me. Es kur­sier­te näm­lich das Gerücht, dass es in Ame­ri­ka für alle genü­gend Arbeit gäbe und man sehr viel Geld ver­die­nen kön­ne. So prahl­te der Wre­mer Hein­rich Wede­kind bereits im Früh­jahr 1839, dass er jetzt sei­ne Sachen packen wol­le um über den gro­ßen Teich nach Ame­ri­ka aus­zu­wan­dern: “Das Gold liegt dort auf den Stra­ßen, wenn ich wie­der­kom­me, kau­fe ich mir einen Bau­ern­hof”, soll er sich ver­ab­schie­det haben. Nie­mand hat ihn jemals wie­der gesehen.

Auswanderer

Und so bezwei­fel­te auch die in Ham­burg erschei­nen­de Zei­tung “Omni­bus” in einem Arti­kel über die Aus­wan­de­run­gen, “dass sich alle Wün­sche auch wirk­lich erfül­len wer­den”. Aber nie­mand ließ sich von die­sen Zweif­lern auf­hal­ten. “Die tätigs­ten und kräf­tigs­ten Per­so­nen wan­dern nach Ame­ri­ka aus”, resi­gnier­te 1871 der Wre­mer Pas­tor Juli­us Schünemann.

Am 5. Febru­ar 2014 wuss­te die Nord­see-Zei­tung zu berich­ten, dass es tat­säch­lich vie­le Wurs­ter in den USA zu Wohl­stand gebracht haben. So soll der Aus­wan­de­rer Johann Lübs aus Wre­men 1880 nach Sav­an­nah im süd­li­chen US-Statt Geor­gia aus­ge­wan­dert und dort durch Immo­bi­li­en­ge­schäf­te zu gro­ßem Wohl­stand gekom­men sein. Er selbst habe im Zen­trum der Stadt Sav­an­nah eine Vil­la mit 22 Zim­mern bewohnt.

Quel­len:
Nord­see-Zei­tung vom 05.02.2014
de.wikipedia.org
Anja Ben­scheid und Alfred Kube:
Brü­cke nach Über­see, Sei­te 33
ISBN 3- 86509–501‑1
His­to­ri­sches Muse­um Bre­mer­ha­ven
Deut­sches Auswandererhaus