Der DeichSPIEGEL macht Urlaub

Lie­be DeichSPIEGEL-Freunde,

der Som­mer läuft seit ein paar Tagen auf Hoch­tou­ren. Da möch­te auch ich nicht an mei­nem Schreib­tisch sit­zen und arbei­ten. Ich ver­ab­schie­de mich in die Som­mer­pau­se. Bestimmt wer­de ich in etwa 4 Wochen mit vie­len neu­en Ideen und Ein­drü­cken zurückkehren.

Viel­leicht habt ja auch Ihr Wün­sche oder Ideen, was ich anders machen kann oder wor­über Ihr Euch mal einen Arti­kel wünscht. Schreibt mir doch einfach.

Also bis in 4 Wochen

Euer Deich­SPIE­GEL

Als Wesermünde brannte — unbekannte Fotos aufgetaucht

Als Weser­mün­de brann­te — unbe­kann­te Fotos aufgetaucht

Es gibt schö­ne Erin­ne­run­gen und böse Erin­ne­run­gen. Die schö­nen Erin­ne­run­gen sind manch­mal ver­blasst, ver­schüt­tet in den Tie­fen unse­res Gedächt­nis. Scha­de! Aber es gibt auch die quä­len­den Erin­ne­run­gen, die tag­ein und tag­aus prä­sent sind, die man nie los wird. Sie sind immer da — die bösen Erinnerungen.

Bre­mer­ha­vens Stadt­his­to­ri­ker Dr. Man­fred Ernst hat über böse Erin­ne­run­gen ein Buch geschrie­ben. Ein Buch über böse kol­lek­ti­ve Erin­ne­run­gen. Es ist ein Buch über die Bre­mer­ha­ve­ner Bom­ben­nacht vom 18. Sep­tem­ber 1944.

Dr. Ernst hat kei­ne eige­nen Erin­ne­run­gen an die Nacht, in der die gro­ße Kata­stro­phe über Bre­mer­ha­ven (Weser­mün­de) her­ein­brach. Aber er kann sich an die Erzäh­lun­gen sei­ner Groß­el­tern erin­nern. Viel­leicht ja auch an Erzäh­lun­gen ande­rer Men­schen. Jeden­falls weiß Dr. Ernst zu berich­ten, dass sei­ne Groß­el­tern in der Keil­stra­ße 25 ein Geschäft hat­ten. Milch, But­ter und Käse konn­te man hier kau­fen. Aber nur bis zum 18. Sep­tem­ber 1944. Danach gab es kein Geschäft mehr — und auch kei­ne Milch, kei­ne But­ter und kein Käse mehr. Danach war das Nichts.Als Wesermünde brannte - unbekannte Fotos aufgetauchtDr. Ernst erzählt, dass er in der Bom­ben­nacht mit sei­nen Ange­hö­ri­gen im Kel­ler des Hau­ses Keil­stra­ße 25 geses­sen hat. Und als der Luft­an­griff vor­über war, gab es kei­ne St. Mari­en­kir­che mehr, und auch das Milch­ge­schäft war über den Köp­fen der im Kel­ler aus­har­ren­den Schutz­su­chen­den zusam­men­ge­bro­chen. Ohne frem­de Hil­fe hät­te es kein Ent­rin­nen gege­ben. Ein Mari­ne­sol­dat war es, der die Mut­ter, die Groß­el­tern und den ein­jäh­ri­gen Man­fred befreit hat. Anschlie­ßend ist die Fami­lie zur Klapp­brü­cke gelau­fen, dort fand sie Unter­schlupf in einem Röh­ren­bun­ker. Der Mari­ne­sol­dat, der unbe­kann­te Lebens­ret­ter, ist nie wie­der auf­ge­taucht, nie­mand weiß, woher er kam und wohin er ging.Als Wesermünde brannte - unbekannte Fotos aufgetauchtDr. Ernst hat nun vie­le Erin­ne­run­gen, pri­va­te und kol­lek­ti­ve, zu einem Buch zusam­men­ge­fasst. Es sind Erin­ne­run­gen von Lesern, die ihre ergrei­fen­den Erleb­nis­se auf­ge­schrie­ben und zum 60. Jah­res­tag des schreck­li­chen Luft­an­grif­fes an die Nord­see-Zei­tung gesandt haben.

Wer das Buch liest kann viel­leicht die Situa­ti­on der Men­schen vor dem Bom­ben­alarm nach­füh­len. Der Leser kann viel­leicht auch die Panik nach­emp­fin­den, die  die Men­schen über­kam, als die Bom­ben auf den Schutz­raum fie­len. Und viel­leicht kann er auch die Fas­sungs­lo­sig­keit der Men­schen begrei­fen, die voll­kom­men ori­en­tie­rungs­los waren, als sie wie­der ans Tages­licht kamen.Als Wesermünde brannte - unbekannte Fotos aufgetauchtDr. Man­fred Ernst wur­de bei sei­nen Recher­chen eben­so vom Bre­mer­ha­ve­ner Stadt­ar­chiv unter­stützt wie vom Hei­mat­bund der Män­ner vom Mor­gen­stern. Auch mit aus pri­va­ten Samm­lun­gen stam­men­des Bild­ma­te­ri­al konn­te Dr. Ernst sei­ne Recher­chen kom­plet­tie­ren. Gleich­wohl muss­te Dr. Ernst gegen­über der Nord­see-Zei­tung bedau­ern, dass eini­ge Fra­gen unge­klärt blie­ben: “Es gibt eini­ge Auf­nah­men, da konn­te mir bis­her nie­mand sagen, wo sie foto­gra­fiert wur­den, um wel­che Stra­ßen und Gebäu­de es sich han­delt. Viel­leicht gibt es ja noch Augen­zeu­gen, die sich erin­nern. Zwei Bil­der zei­gen Rui­nen irgend­wo in der Stadt, auf einem Bild ist eine Dro­ge­rie zu erken­nen – mög­li­cher­wei­se in Geest­e­mün­de. Und auf dem vier­ten Bild sei ein Platz abge­bil­det, auf dem zer­stör­te Fahr­zeu­ge gesam­melt wurden.”

Viel­leicht kön­nen Deich­SPIE­GEL-Leser wei­ter­hel­fen. Dann wäre es schön, wenn Ihr mit mir Kon­takt auf­neh­men würdet.

Der in einer Auf­la­ge von 1.500 Stück am 11. Sep­tem­ber 2014 erschie­ne­ne Gedenk­band ent­hält vie­le Brie­fe und Doku­men­te und mehr als 70 Fotos. 
Quel­len:
Nord­see-Zei­tung vom 18.07.2014
Dr. Man­fred ErnstAls die Stadt brann­te — Der 18. Sep­tem­ber 1944 in Bre­mer­ha­ven- Wesermünde
128 Sei­ten (gebun­de­ne Ausgabe)
Carl Schü­ne­mann Ver­lag | 19,90 Euro
ISBN 978–3–944552-31–6

Ein Schutzengel für den Leher Verein “Rückenwind”

Es schien so, als wür­de der Leher Ver­ein “Rücken­wind” sei­ne Arbeit ein­stel­len müs­sen. Fünf Ange­stell­te sol­len ihre Kün­di­gung bereits erhal­ten haben. So war es jeden­falls am 09.07.2014 in der Nord­see-Zei­tung zu lesen. Dabei hat­ten alle Ange­stell­te bereist Opfer gebracht und auf die Hälf­te ihres Gehal­tes verzichtet.

Rückenwind

Rücken­wind für Leher Kin­der e.V.“ ent­stand im August 2003 als gemein­nüt­zi­ger Ver­ein auf Initia­ti­ve von Erwerbs­lo­sen, Rent­nern und Pen­sio­nä­ren unter­schied­li­cher Natio­na­li­tä­ten aus päd­ago­gi­schen, hand­werk­li­chen und künst­le­ri­schen Beru­fen. Sie alle woll­ten mit Kin­dern aktiv wer­den und arbei­ten für den Ver­ein ehren­amt­lich. Dank vie­ler Spen­den und der finan­zi­el­len Unter­stüt­zung der Stadt Bre­mer­ha­ven mit 30.000 Euro pro Jahr konn­te der Ver­ein fünf Fach­leu­te als fes­te Mit­ar­bei­ter gewinnen.

Seit 2009 nimmt die Spen­den­be­reit­schaft rapi­de ab. Es sind nur noch 29.000 Euro in der Ver­eins­kas­se. Um die 60 bis 80 Kin­der ver­nünf­tig betreu­en und ihnen täg­lich eine war­me Mahl­zeit anbie­ten zu kön­nen, benö­tigt “Rücken­wind” jähr­lich etwa 180.000 Euro. Auch die Kos­ten für Mie­te, Gehäl­ter, Hono­rar­kräf­te, Ener­gie, Pro­jekt­ta­ge und Son­der­ak­tio­nen müs­sen hier­von bezahlt wer­den. Für das Jahr 2015 rech­net der Ver­ein mit einem Fehl­be­trag von 150.000 Euro. So scheint eine Auf­lö­sung des Ver­eins bis zum Jah­res­en­de unausweichlich.

Aber jetzt scheint der Him­mel extra für den Ver­ein einen spe­zi­el­len Schutz­en­gel abge­stellt zu haben. Der Kri­sen­be­richt in der Nord­see-Zei­tung hat bei vie­len Bür­gern Gehör gefun­den. Aus dem gesam­ten Bun­des­ge­biet sol­len sich Men­schen gemel­det haben, die den für die­ses schwie­ri­ge Wohn­vier­tel so wich­ti­gen Ver­ein unter­stüt­zen wol­len. “Ich wer­de einen Dau­er­auf­trag von hun­dert Euro monat­lich für Rücken­wind ein­rich­ten. Die Leher Kin­der brau­chen es“, soll ein ehe­ma­li­ger Bre­mer­ha­ve­ner auf die Face­book-Sei­te der Nord­see-Zei­tung notiert haben. Ein wei­te­rer Spen­der stellt fest: “Wenn Rücken­wind schlie­ßen muss, ist das ein Armuts­zeug­nis für die Stadt.”

Die Leis­tung des Leher Ver­eins hat in der Ver­gan­gen­heit bun­des­weit für Auf­se­hen gesorgt. Im Jahr 2009 wur­de Rücken­wind mit dem Bun­des­ver­dienst­kreuz aus­ge­zeich­net. Der Ver­ein “Rücken­wind für Leher Kin­der e.V.” freut sich über jede Unter­stüt­zung: Spen­den auf das Kon­to des För­der­ver­eins sind genau­so will­kom­men wie eine bei­trags­pflich­ti­ge Mit­glied­schaft im “Freun­des- und För­der­kreis Rücken­wind e.V.”.

Sail 2015: Ein Schiff wird (nicht) kommen

Mehr als 200 Tra­di­ti­ons­schif­fe, Hoch­see­yach­ten und Groß­seg­ler aus 20 Natio­nen wer­den am 12. August 2015 ihren Kom­pass auf Bre­mer­ha­ven zur Sail 2015 aus­rich­ten und sich weser­auf­wärts drän­geln. Aber ein Wind­jam­mer wird die­ses Mal nicht dabei sein kön­nen: Das Segel­schul­schiff der Deut­schen Mari­ne “Gorch Fock”.

Sail 2015 | "Gorch Fock"

Der Inspek­teur der Mari­ne und ehe­ma­li­ge Kom­man­dant der Drei­mast-Bark, Vize­ad­mi­ral Axel Schimpf, ließ wis­sen, dass der Groß­seg­ler im Som­mer 2015 für eine Welt­rei­se fit gemacht wer­den soll.

Trotz­dem wird es in den Häfen ein gro­ßes Gedrän­gel geben. Ein gutes Dut­zend gro­ßer Wind­jam­mer haben ihr Kom­men bereits zuge­sagt, dar­un­ter auch die Bark “Alex­an­der von Hum­boldt” II, die an Stel­le der “Gorch Fock” die Auf­ga­be des Flagg­schiffs über­neh­men wird.  Außer­dem sol­len sich die Vier­mast-Bar­ken “Sedov“ und “Kru­sen­s­tern“ (Russ­land), das Voll­schiff “Dar Mlod­zie­zy“ (Polen), die “Pog­oria“ (Polen), die “Stats­raad Lehm­kuhl“ (Nor­we­gen), der Vier­mast-Scho­ner “San­ta Maria Manue­la“ (Por­tu­gal), die “Mir­cea“ (Rumä­ni­en), die “Groß­her­zo­gin Eli­sa­beth“ (Deutsch­land) und die “Arte­mis“ (Nie­der­lan­de) ver­bind­lich ange­mel­det haben.

Quel­le:
bremerhaven.de

Jubiläum! Die 40. Festwoche in Bremerhaven

40. Bremerhavener Festwoche

Vom 23. — 27. Juli 2014 fei­ern die Bre­mer­ha­ve­ner ihr Fest­wo­chen-Jubi­lä­um. Seit 40 Jah­ren beglei­tet die Welt der Schiff­fahrt Bre­mer­ha­vens Festwochen.

40. Festwoche

Ihren Ursprung hat das größ­te mari­ti­me Fes­ti­val an der Nord­see am 3. Sep­tem­ber 1974. Die Eröff­nung des Natio­nal­mu­se­ums Deut­sches Schif­fahrts­mu­se­um hat dem mari­ti­men Bewusst­sein Bre­merhavens neue Impul­se gege­ben. Seit 40 Jah­ren beglei­ten die Fest­wochen am Alten und Neu­en Hafen alle Etap­pen der Wirt­schaft in den Berei­chen Schiff­bau und Schiff­fahrt im wei­tes­ten Sinne.

Auch in die­sem Jahr soll den Gäs­ten aus dem Bin­nen­land gezeigt wer­den, was Schiff­fahrt bedeu­tet und wie viel­fäl­tig sie ist. Die Fest­wo­chen sind das mari­ti­me Schau­fens­ter der gro­ßen See­ha­fen­stadt Bre­mer­ha­ven. Und so wird auch zur 40. Bre­mer­ha­ve­ner Fest­wo­che das gesam­te Spek­trum der Schiff­fahrt und des Schiff­baus – von der Han­se­kog­ge des Mit­tel­al­ters über Segel­schif­fe, Dampf­schif­fe bis hin zu den vie­len Spe­zi­al­schif­fen – prä­sentiert wer­den."Dar Mlodziezy"Ein gro­ßes Begleit­pro­gramm an Land, zu Was­ser und in der Luft mit viel Musik, Feu­er­werk und Lich­ter-Shows wird das Küs­ten­spek­ta­kel abrun­den. Natür­lich wer­den im Alten und Neu­en Hafen auch wie­der vie­le, vie­le Schif­fe zu bestau­nen sein. Mit dabei sein wer­den das Segel­schul­schiff “Dar Mlod­zie­zy“, die Bark “Arte­mis“ und der Scho­ner “Albert Johannes“.

Geestemünde in alten und neuen Ansichten — Teil 10

Geest­e­mün­de in alten und neu­en Ansich­ten — Teil 10

Im Volks­mund gibt es vie­le Gelän­de­be­zeich­nun­gen, die für den Ein­hei­mi­schen eine genaue Orts­an­ga­be dar­stel­len. Die­se oft­mals schon vie­le hun­dert Jah­re alten Bezeich­nun­gen gera­ten lang­sam in Ver­ges­sen­heit. Dar­um ist es wich­tig, die­se alten Flur­be­zeich­nun­gen für unse­re Nach­kom­men zu erhal­ten, sind sie in ihrer Bedeu­tung doch ein Stück Hei­mat und Geschichte.

In Geest­e­mün­de gibt es die Bezeich­nung “Pasch­vier­tel”. Das Wort “Pasch“ soll vom Nie­der­rhein stam­men und setz­te sich auch im nord­deut­schen Sprach­ge­brauch durch. Sei­nen Ursprung fin­det es jedoch in der latei­ni­schen Spra­che. Es stammt von “pascua” ab, was Wei­de oder Wei­de­land bedeu­tet. Wer heu­te durch die mit dich­ten Häu­ser­rei­hen bebau­te Pasch­stra­ße geht, kann sich viel­leicht nicht mehr vor­stel­len, dass die­ses Gebiet ein­mal Wei­de­land gewe­sen sein soll.

Paschviertel

Geest­en­dorf ent­stand wohl aus dem bereits 1139 erst­ma­lig erwähn­ten  Kirch­dorf Ges­ten­thor­pe. Das mit­tel­al­ter­li­che Geest­en­dorf gehör­te zum Amts- und Gerichts­be­zirk Viel­and und befand sich auf dem Geest­rü­cken rund um die Mari­en­kir­che. 1813 leb­ten in Geest­en­dorf 491 Men­schen, noch 1823 sol­len es nur 576 gewe­sen sein. Doch mit der Grün­dung der Stadt Bre­mer­ha­ven und den Häfen kamen immer mehr Men­schen in das ver­schla­fe­ne Geest­en­dorf. Bereits 1858 leb­ten hier 2.296 Ein­woh­ner. Vor allem Arbei­ter und Hand­wer­ker sie­del­ten sich hier an, da in Bre­mer­ha­ven und dem 1845 eben­falls neu ent­stan­den Geest­e­mün­de die Zuzugs­be­din­gun­gen sehr restrik­tiv waren.

Paschviertel

Das Are­al des heu­ti­gen Neu­mark­tes befand sich im Eigen­tum des Amts­ho­fes, dem spä­te­ren Amt Viel­and. Der Amts­hof lag schräg gegen­über der Mari­en­kir­che und war mit ver­schie­de­nen Wohn- und Wirt­schafts­ge­bäu­den bebaut. Auch gehör­ten ein gro­ßer Gar­ten und umfang­rei­che Län­de­rei­en dazu. Die­se erstreck­ten sich im Nor­den bis zur Bucht­stra­ße und wur­den im Osten durch die Bül­ken­stra­ße begrenzt.

1936 Bismarckstrasse

Nach der Grün­dung von Bre­mer­ha­ven und Geest­e­mün­de nahm Geest­en­dorf – wie bereits erwähnt – als Wohn­vor­ort für die bei­den klei­nen Hafen­or­te inner­halb weni­ger Jahr­zehn­te einen erheb­li­chen Auf­schwung. Als Fol­ge hat­te sich die Wohn­be­bau­ung in Geest­en­dorf erheb­lich Rich­tung Osten und Nor­den erwei­tert und Geest­en­dorf wuchs ent­lang der heu­ti­gen Georg­stra­ße all­mäh­lich auf Geest­e­mün­de zu.

1905_Bülkenstrasse

Zur glei­chen Zeit ent­stand für die vie­len Neu­bür­ger auf einem nörd­lich des Geest­en­dor­fer Geest­rü­ckens gele­ge­nen Wei­de­land ein neu­es Wohn­ge­biet, dass man spä­ter in Anleh­nung an die alte Flur­be­zeich­nung den Namen “Pasch­vier­tel” gab. Die­ses von  der Georg­stra­ße, der Bis­marck­stra­ße, der Schil­ler­stra­ße und der Bucht­stra­ße begrenz­te Wohn­ge­biet besteht aus eng bei­ein­an­der lie­gen­den Gas­sen, die in einem leich­ten Bogen ver­lau­fen und von der Bucht­stra­ße schräg ange­schnit­ten wer­den. Das Pasch­vier­tel ent­wi­ckel­te sich zu einem dicht­be­sie­del­ten Orts­teil, der vom alten Geest­en­dor­fer Dorf­kern räum­lich getrennt war.

Mit dem Eisen­bahn­bau und der Erwei­te­rung der Geest­e­mün­der Hafen­an­la­gen wur­de für das Pasch­vier­tel 1856 eine wei­te­re Aus­deh­nung unmög­lich gemacht. Als 1863 der Handelshafen,der Nord­ka­nal und der Quer­ka­nal fer­tig­ge­stellt waren, muss­te die Chaus­see um das neu ent­stan­de­ne Zoll-“Freigebiet” her­um­ge­führt wer­den. Die zwi­schen 1859 und 1862 gebau­te Leher Stra­ße (spä­ter Bis­marck­stra­ße)  und  die  Leher  Chaus­see (spä­ter  Rhein­stra­ße) bil­de­ten die Bebau­ungs­gren­ze für das neue Wohn­vier­tel. Und der 1877 ange­leg­te Holz­ha­fen mach­te klar, dass es für das Pasch­vier­tel kei­ne wei­te­re Aus­deh­nung in nörd­li­cher Rich­tung geben kann.

1912 Buchtstrasse Ecke Keilstrasse

Also wur­de gen Süden wei­ter­ge­baut — zunächst ent­lang der bereits vor­han­de­nen Pasch­stra­ße, Bül­ken­stra­ße und Kur­ze Stra­ße (heu­te Tul­pen­stra­ße) — bis man die Bucht­stra­ße erreich­te. Hier war dann auch wie­der Schluss, denn das  jen­seits der Bucht­stra­ße gele­ge­ne Amts­hof­ge­län­de bil­de­te eine wei­te­re Gren­ze und so wur­de aus dem “Pasch”, ein­ge­zwängt zwi­schen Bucht­stra­ße und Bis­marck­stra­ße,  ein eng begrenz­tes und dicht­be­sie­del­tes Vier­tel mit klei­nen Arbei­ter- und  Hand­wer­ker­häu­sern  vom Typ “Leher Haus“.

Nelkenstraße

Zwi­schen Pasch­stra­ße, Bül­ken­stra­ße und Kur­ze Stra­ße wer­den wei­te­re Stra­ßen gebaut; Anfang der 1860er Jah­re ent­steht die Rosen­stra­ße und Mit­te der 1860er Jah­re die Nel­ken­stra­ße, in der heu­te noch ein paar Gebäu­de des Typ “Leher Haus” erhal­ten sind.

Die Grund­stü­cke waren sehr klein, sie reich­ten nur etwa zehn Meter in die Tie­fe. Dar­aus erga­ben sich Grund­stücks­grö­ßen von maxi­mal 100 Qua­drat­me­ter, oft­mals waren sie sogar noch klei­ner. So waren auch die Wohn­räu­me, jeden­falls gemes­sen an den heu­ti­gen Wohn­ver­hält­nis­sen, recht klein. Häu­fig muss­ten die Gewer­be­trei­ben­den auch ihre Werk­statt in den Woh­nungs­grund­riss ein­pla­nen, da die klei­nen Grund­stü­cke kein zusätz­li­ches Werk­statt­ge­bäu­de zuließen.

Kleingärten

Zwi­schen den Gebäu­den gab es schma­le Gän­ge, die zu den sehr klei­nen Hof­räu­men führ­ten. Die Anla­ge von Haus­gär­ten war in den klei­nen Hin­ter­hö­fen aller­dings nicht mög­lich. Zur Auf­bes­se­rung ihrer gerin­gen Ein­künf­te waren die Bewoh­ner dar­auf ange­wie­sen, in außer­halb gele­ge­nen Klein­gär­ten etwas Gar­ten­bau und auch Klein­vieh­hal­tung zu betrei­ben. Die­se Gär­ten wur­den am Ran­de des Pasch­vier­tels öst­lich der Schil­ler­stra­ße und Rhein­stra­ße ange­legt und zogen sich bis zum Gebiet des heu­ti­gen Haupt­bahn­ho­fes hin. Die Gär­ten ver­schwan­den erst in den 1950er Jahren.

Malergeschäft B. Hayen in der Friedrichstraße Ecke Tulpenstraße

Nur dort, wo irgend­wann ein­mal zwei Grund­stü­cke zusam­men­ge­legt wur­den, konn­ten die Hand­wer­ker und ande­re Gewer­be­trei­ben­de ihre Werk­statt außer­halb des Wohn­rau­mes unter­brin­gen. Nörd­lich der Fried­rich­stra­ße wur­den die Grund­stü­cke im Bebau­ungs­plan vom Anfang der 1850er Jah­re groß­zü­gi­ger ver­mes­sen. Hier konn­te man des­halb auch präch­ti­ge­re Gebäu­de mit grö­ße­rem Wohn­raum erstellen.

Heute gibt es hier auch das Malergeschäft von B. Hayen längst nicht mehr.

So befand sich etwa das Maler­ge­schäft B. Hay­en seit 1888 in dem klei­nen im Grün­der­haus­stil erbau­ten Wohn- und Geschäfts­haus an der Ecke Fried­rich­stra­ße und Tul­pen­stra­ße. Ein ande­res Gebäu­de, dass hier drei­ßig Jah­re lang stand, wur­de abgerissen.

Auch die heu­te noch bestehen­de Bäcke­rei Engel­brecht ent­stand hier zum Anfang des letz­ten Jahr­hun­dert an der Ecke Fried­rich­stra­ße zur Schil­ler­stra­ße in einer bereits vor­han­de­nen Bäckerei.

Bäckerei Engelbrecht in der Schillerstraße Ecke Friedrichstraße

Neben dem Maler­ge­schäft B. Hay­en ent­stan­den im Pasch­vier­tel vie­le ande­re Betrie­be. Max Sieg­hold, spä­te­rer Besit­zer der bekann­ten Sieg­hold-Werft, pach­te­te 1925 in der Nel­ken­stra­ße 2 von Fried­rich Nagel eine Schmie­de und begann sei­nen Betrieb mit einem Lehrling.

Möbelfabrik Schlüter

Pols­ter­meis­ter Lou­is Schlü­ter begann in der Nel­ken­stra­ße in einer klei­nen Werk­statt, bevor er um die Wen­de zum 20. Jahr­hun­dert sei­ne Möbel­fa­brik aufbaute.

Möbelfabrik Schlüter

Für die Tisch­ler­ar­bei­ten stell­te Lou­is Schlü­ter den im Jah­re 1898 gebo­re­nen Tisch­ler­meis­ter Karl Jüch­tern ein. Auch meh­re­re Gesel­len waren in der Möbel­fa­brik beschäftigt.

Möbelfabrik Schlüter

Der Betrieb bestand noch bis weit in die 1970er Jah­re hinein.

Karl Jüch­terns Vater hieß Hein­rich Jüch­tern, der hat­te ein klei­nes Transportunternehmen.

Transportunternehmen Heinrich Jüchtern

Mit sei­nem Pfer­de­fuhr­werk trans­por­tier­te er unter ande­rem das Gepäck der Rei­sen­den von und zum Bre­mer­ha­ve­ner Bahnhof.

1910 | Bierverlag Lehnert

Schräg gegen­über von Engel­brecht befand sich der Bier­ver­lag von Hein­rich Leh­nert, der eigent­lich eine Fleischwaren‑,  Margarine‑,  Bier- und Spi­ri­tuo­sen­groß­hand­lung war. Zwar gibt es das Leh­nert­sche Anwe­sen eben­falls nicht mehr, aber das

2014 | wieder aufgebaute Eckhaus an der Schillerstraße Ecke Raabestraße

Eck­haus wur­de zusam­men mit wei­te­ren Gebäu­den für einen Super­markt der­art wie­der auf­ge­baut, dass optisch eine his­to­ri­sche Ver­bin­dung zum alten Leh­nert­schen Gebäu­de­kom­plex her­ge­stellt wurde.

15. Mai 2014 Paschstrasse Blick Richtung Kreuzstrasse

Über das All­tags­le­ben im Pasch­vier­tel gibt kaum Auf­zeich­nun­gen. Es scheint aber ein Vier­tel gewe­sen zu sein, in dem die wohn­bau­li­chen und auch die hygie­ni­schen Ver­hält­nis­se anspruchs­los waren. Auch die Kana­li­sa­ti­on soll so unzu­rei­chend gewe­sen sein, dass die tie­fer gele­ge­nen Grund­stü­cke bei star­ken Regen­fäl­len unter Was­ser standen.

Paschschule

Dadurch, dass das Amts­hof­ge­län­de für die Geest­en­dor­fer Neu­bau­be­bau­ung eine Gren­ze dar­stell­te, blieb der Cha­rak­ter des Geest­en­dor­fer Orts­kern mit sei­nen alten Bau­ern­häu­sern bis weit ins letz­te Vier­tel des 19. Jahr­hun­derts erhal­ten. Das Pasch­vier­tel bekam sogar eine eige­ne Schu­le. 1863 wur­de in der Schil­ler­stra­ße 14 die Pasch­schu­le gebaut.

25. Mai 2014 | An der Schillerstraße/Ecke Raabestraße wurde im Frühjahr 1863 die neue vierklassige Paschschule bezogen.

1902 bezog die Katho­li­sche Volks­schu­le das Gebäu­de und blieb hier 37 Jah­re – bis zum Ver­bot im Jah­re 1939. Neben 13 wei­te­ren Schu­len wur­de durch den Luft­an­griff im Sep­tem­ber 1944 auch die Pasch­schu­le zerstört.

Kirche

Bei die­sem Angriff wur­de auch die 1911 ein­ge­weih­te Hei­li­ge Herz-Jesu-Kir­che durch Brand­bom­ben erheb­lich beschädigt.

Die alt­ein­ge­ses­se­nen Bewoh­ner Geest­en­dorfs blie­ben also “unter sich”, wäh­ren im Pasch­vier­tel die in Bre­mer­ha­ven und Geest­e­mün­de beschäf­tig­ten Arbei­ter ihre neue Hei­mat fan­den. Aber auch klei­ne­re Hand­werks­be­trie­be wie Bäcke­rei­en, Schlach­te­rei­en, Schus­te­rei­en und Milch­ge­schäf­te oder Koh­len­hand­lun­gen fan­den hier ihr Auskommen.

Bülkenstraße

Das blieb so, bis das Wohn­ge­biet durch den Luft­an­griff am 18. Sep­tem­ber 1944 fast völ­lig zer­stört wur­de und die an Stel­le der einst­mals klei­nen Wohn­häu­ser gebau­ten gro­ßen Wohn­blö­cke dem Vier­tel einen voll­kom­me­nen ande­ren Cha­rak­ter gaben.
Quel­len:
Dr. Hart­mut Bickel­mann, Nie­der­deut­sches Hei­mat­blatt Nr. 757 aus Janu­ar 2013
Daten zur Geschich­te der Katho­li­schen Schu­le…
His­to­ri­sche Bül­ken­stra­ße in neu­em Gewand (pdf-Datei)
Hart­mut Bickel­mann: Von Geest­en­dorf nach Geestemünde,
de.wikipedia.org

Geestemünde geht zum Wasser

Geestemünde geht zum Wasser” – mit diesem Freiraumkonzept soll Geestemünde wieder attraktiver gemacht und die unmittelbare Lage am Wasser wieder in den Fokus der Bevölkerung gerückt werden. Stadtplanungs‑, Umweltschutz- und Gartenbauamt haben gemeinsam Ideen entwickelt, wie man Geestemünde mit dem Weserdeich verbinden kann. Die Geestemünder waren aufgerufen, eigene Vorschläge einzubringen.
2014-06-19 Grafik Plesse-Eck und Yachthafen
Durch einen neuen Fuß- und Radweg vom Holzhafen zum Yachthafen soll eine Verbindung vom Zentrum Geestemündes bis ans Wasser entstehen.
Die Bagger waren bereits tätig und haben auf der Grünfläche zwischen Holzhafen und Elbinger Platz den ersten Teilabschnitt des Projektes “Geestemünde geht zum Wasser” umgesetzt. Bäume und Büsche wurden gestutzt, jetzt liegt der Yachthafen wieder im Blickfeld. 
2014-06-25 Holzhafen-Bismarckstrasse
Auf dem Grundstück um die  von dem deutschen Bildhauer Gerhart Schreiter geschaffene ”Memento-maris“-Skulptur   entstand ein neuer Weg mit schönen Pflastersteinen, der quer über die Grünanlage mit dem ebenfalls neuen Rasen zum Elbinger Platz führt. Links und rechts vom Weg wurden Halterungen in den Boden eingelassen, an denen dicke Eichenbalken befestigt sind. Sie sollen schwimmendes Holz im “Stichkanal“ darstellen.  Schöne Holzbänke mit Rückenlehne laden zum Verweilen ein. Die Gesamtkosten von 260.000 Euro werden mit 130.000 Euro von der Europäischen Union finanziert. Weitere 43.000 Euro stammen aus Förderungsmitteln des Bundes und 87.000 Euro wurden im städtischen Haushalt eingeplant.
Plesse-Eck und Bismarckstraße
Nun folgen die Anschlussarbeiten am Plesse-Eck. Vom Elbinger Platz kommend soll die vorhandene Rechtsabbiegespur auf 70 Meter verkürzt werden und künftig in eine neue Verkehrsfläche mit Parkplatzcharakter an der Ulmenstraße und Kaistraße münden. Radfahrer und Fußgänger werden zwischen dem AOK-Gebäude und dem Plesse Eck getrennte Wege erhalten. Aus der nicht mehr benötigten Fahrbahnfläche am Elbinger Platz wird ein Grünstreifen gestaltet. 
1972 Plesse-Eck
Am Yachthafen werden die Wege erneuert und ebenfalls neue Bänke zum Ausruhen aufgestellt. Und im nächsten Frühjahr – so die Planung – wird das nördliche Ufer des Yachthafens ebenfalls umgestaltet und mit einer kleinen Holzterrasse versehen. Die “Stiftung Wohnliche Stadt” hat für die Umgestaltung dieses Areals und für die Terrasse einen Betrag von 40.000 Euro zur Verfügung gestellt.
Plesse-Eck, Datum nicht bekannt
Insgesamt investiert die Stadt mit Unterstützung durch EFRE-Fördermittel der Europäischen Union rund 360.000 Euro in diese nächste Ausbaustufe.

Quel­len:
Nord­see-Zei­tung vom 17.01.2014 und 19. Juni 2014
bremerhaven.de
efre-bremen.de

Das war meine Werft – Folge 9

Zu den bekann­tes­ten Werf­ten in Bre­mer­ha­ven gehör­te sicher­lich die Rick­mers-Werft. In ihrer 150-jäh­ri­gen Fir­men­ge­schich­te fan­den hier Tau­sen­de Schiff­bau­er, Nie­ter und Schwei­ßer aus Bre­mer­ha­ven  und dem Umland Arbeit. Und die Bewoh­ner rund um der Geest­hel­le hat­ten sich mit dem fort­dau­ern­den Lärm der Niet­ham­mer eben­so arran­giert wie mit dem nächt­li­chen Auf­blit­zen der Schweißgeräte.

Zeitgenössisches Ölgemälde Rickmer Clasen Rickmers (1807–1886)

Im Jah­re 1832 stie­gen auf Hel­go­land der 25-jäh­ri­ge Holz­schiff­bau­er Rick­mer Cla­sen Rick­mers und sei­ne Ehe­frau Etha in eine selbst gebau­te Scha­lup­pe und segel­ten nach Bre­mer­ha­ven. Rick­mers hat­te auf sei­ner Hei­mat­in­sel Hel­go­land das Schiff­bau­hand­werk erlernt und auf wei­ten Rei­sen nach Bra­si­li­en, Mexi­co und USA vie­le Erfah­run­gen gesam­melt. Kaum in Bre­mer­ha­ven ange­kom­men, begann Rick­mers sei­ne Tätig­keit als Meis­ter­knecht auf der Werft von Cor­ne­li­us Jant­zen Cor­ne­li­us. 1834 mie­te­te der Hel­go­län­der einen klei­nen Zim­me­rer­platz an der Oster­stra­ße, auf dem er nur in den Som­mer­mo­na­ten klei­ne­re Boo­te her­stel­len und repa­rie­ren konn­te. 1836 lief das ers­te Schiff vom Sta­pel. Es war der 23 BRT gro­ße Kahn “Catha­ri­na”, den Rick­mers im Auf­trag des Geest­en­dor­fer Kapi­täns Len­the baute.

Der Betrieb ent­wi­ckel­te sich so gut, dass Rick­mers beim Amt­mann um einen grö­ße­ren Platz an der Gees­te dicht ober­halb der Fäh­re nach­such­te. Zunächst wur­den sei­ne Gesu­che abge­lehnt, doch 1839 erhielt er end­lich das gewünsch­te grö­ße­re Grund­stück. Bereits 1843 lief ein Voll­schiff mit einer Kiel­län­ge von 35 Meter und einer Trag­fä­hig­keit von 850 Ton­nen vom Sta­pel. Das für dama­li­ge Zei­ten rie­si­ge Schiff wur­de auf den Namen “Bre­men” getauft.

1854 ließ  Rick­mers den ers­ten deut­schen Clip­per, die “Ida Zieg­ler”, vom Sta­pel lau­fen. In der Fol­ge­zeit bau­te er so vie­le Schif­fe, dass Rick­mers 300 Arbei­ter beschäf­ti­gen konn­te. So wur­de auch die­ser Platz zu klein, und Rick­mers mach­te sich erneut auf die Suche nach einem grö­ße­ren Stand­ort. Die­sen fand er auch, aber nicht in Bre­mer­ha­ven son­dern auf Geest­e­mün­der Gebiet in Geest­hel­le. Geest­hel­le gehör­te ursprüng­lich zu Lehe, wur­de aber auf Betrei­ben des Amt­manns dem han­no­ver­schen Geest­e­mün­de zugeschlagen.

Visitenkarte

1856 bau­te Rick­mers auf der Geest­hel­le (auf dem Gebiet um die vor­letz­te Gees­t­e­schlei­fe vor der Mün­dung) also einen moder­nen Werft­be­trieb, der 1857 eröff­net wur­de. Bis zum Tode des Grün­ders 1886 wur­den nur Holz­schif­fe gebaut, da R. C. Rick­mers den Eisen­schiff­bau ablehnte.

"Etha Rickmers"

Doch das größ­te Schiff der Rick­mers­werft war der mit einem Hilfs­mo­tor aus­ge­stat­te­te Fünf­mas­ter “R. C. Rick­mers”. Rick­mer Cla­sen Rick­mers hat den Sta­pel­lauf des von ihm geplan­ten in sei­ner Art größ­tem Schiff der Welt nicht mehr erlebt. Er starb am 27. Novem­ber 1886.

"Herzogin Sophie Charlotte"

Nach dem Tod des Grün­ders R. C. Rick­mers stell­ten sei­ne Söh­ne Andre­as Cla­sen Rick­mers (1835–1924), Peter Andre­as Rick­mers (1838–1902) und Wil­helm Hein­rich Rick­mers (1844–1891) die Werft auf den moder­nen Eisen­schiff­bau um. 1894 wird das ers­te Stahl­schiff gebaut, die Vier­mast­bark “Her­zo­gin Sophie Char­lot­te”.

1889 wur­de die Werft in eine Akti­en­ge­sell­schaft umge­wan­delt, sämt­li­che Akti­en blie­ben im Besitz der Fami­lie. Dass Fami­lie Rick­mers ein tra­di­tio­nell patri­ar­cha­li­sches Fir­men­ver­ständ­nis pfleg­te, kommt bei der Ein­rich­tung des gro­ßen Werft­ge­län­des zum Aus­druck. Die Fami­lie plant auch eine werf­t­ei­ge­ne Arbei­ter­sied­lung. In der Mit­te der zwei recht­wink­lig ange­ord­ne­ten Häu­ser­zei­len errich­tet der Patri­arch eine Fami­li­en­vil­la mit Garten.

Rickmers Werft

Nach Aus­bruch des Ers­ten Welt­krie­ges wur­de die Werft 1914 vor­über­ge­hend still­ge­legt, doch schon 1915 wur­den für die Reichs­ma­ri­ne Minen­such­boo­te gebaut. Als ers­tes Schiff nach Ende des Krie­ges lief 1920 die “Sophie Rick­mers” vom Sta­pel. Doch dann erreich­te die Wirt­schafts­kri­se 1924 auch die Rick­mers­werft, und zwar so hef­tig, dass sich der Lei­ter Paul Rick­mers ent­schließt, den Betrieb stillzulegen.

1928 ist die Rickmers-Werf tnoch stillgelegt

Sei­ne Ent­schei­dung, die Werft­to­re zu schlie­ßen, bedeu­te­te für 380 Mit­ar­bei­ter den Weg in die Arbeits­lo­sig­keit. Nur eini­ge Jah­re spä­ter ereil­te das glei­che Schick­sal auch vie­le ande­re deut­sche Werf­ten. Für die­se gab es zumeist kei­ne Ret­tung, sie wur­den demon­tiert. Für die Rick­mers-Werft zeig­te sich mehr als zehn Jah­re spä­ter, dass die Ent­schei­dung Paul Rick­mers klug war. Die zum größ­ten Teil ver­al­te­te Fisch­damp­fer­flot­te muss­te repa­riert oder ersetzt wer­den. Ab 1936 beka­men die Werf­ten an der Unter­we­ser wie­der zahl­rei­che Aufträge.

1937 wird auf der Rickmers-Werft wieder gearbeitet

Im Hin­blick auf die­se erfreu­li­che Ent­wick­lung ent­schloss sich 1937 auch Paul Rick­mers, sei­ne Werft­to­re wie­der zu öff­nen. Zunächst beschäf­tig­te er 40 Leu­te, um die still­ge­leg­te Werft wie­der betriebs­be­reit zu machen. Die teil­wei­se ver­rot­te­ten Hel­gen muss­ten repa­riert und erneu­ert wer­den. Neu­es moder­nes Werk­zeug wur­de ange­schafft, das Ersatz­teil­la­ger auf­ge­füllt und eine neue Slip­an­la­ge für Schif­fe bis 1500 Ton­nen gebaut. Als sich das Jahr 1937 dem Ende zuneig­te, ver­dien­ten bereits wie­der 266 Arbei­ter ihr Brot auf der Rick­mers-Werft – vie­le Beschäf­tig­te waren ehe­ma­li­ge Werftangehörige.

Eingangstor zur Rickmers-Werft mit Gaststätte Hermann Waterstraat

Die Werft erhält vie­le wei­te­re Auf­trä­ge. Die KdF-Schif­fe “Der Deut­sche” und “Sier­ra Cor­do­ba” wer­den instand gesetzt, Ber­gungs­schif­fe wer­den repa­riert und die Fisch­damp­fer “R. Walt­her Dar­ré” und “Carl Röwer” müs­sen umge­baut und aus­ge­bes­sert wer­den. Zusätz­lich ist die Werft mit zahl­rei­chen Neu­bau­ten wie Küs­ten­mo­tor­schif­fe, klei­ne Frach­ter und auch Fisch­damp­fer gut ausgelastet.

Dann rüs­tet das NS-Regime für einen Krieg auf, die Pro­duk­ti­on für die zivi­le Schiff­fahrt wird ein­ge­stellt. Die Kriegs­ma­ri­ne lässt nun haupt­säch­lich Minen­such­boo­te bauen.

Minensuchboote

Die Werft wird aus­ge­baut und beschäf­tigt 1940 bereits 840 Men­schen, 1943 sind es mehr als 1000 Men­schen, dar­un­ter über 200 Zwangs­ar­bei­ter. Bei dem Bom­ben­an­griff auf Bre­mer­ha­ven am 18. Sep­tem­ber 1944 wird das Rick­mers­ge­län­de durch 2000 Brand­bom­ben zum gro­ßen Teil zer­stört. Auch die meis­ten Wohn­häu­ser und die Rickmers’sche Vil­la wur­den Opfer der Bom­ben oder des anschlie­ßen­den Feu­ers. Wäh­rend des Krie­ges wer­den auf der Rick­mers-Werft kei­ne Schif­fe mehr gebaut oder repariert.

Stapellauf

Nach dem Krieg durf­ten auf­grund des Pots­da­mer Abkom­mens deut­sche Werf­ten kei­ne Schif­fe mehr bau­en. So war es ein Glück, dass die Rick­mers-Werft Repa­ra­tur­auf­trä­ge für die US-Navy bekam.

Da die Fami­li­en­vil­la der Rick­mers ja zer­stört war, wohn­ten die­se nun eine Zeit­lang in einem Gebäu­de, in dem auch das tech­ni­sche Büro unter­ge­bracht war. Die Arbei­ter soll­ten tra­di­ti­ons­be­wusst sein. Der ers­te Absatz aus einem Merk­blatt für Lehr­lin­ge aus dem Jah­re 1956 lau­tet: “Du bist ein Lehr­ling der Fir­ma Rick­mers-Werft Bre­mer­ha­ven. Die­ses Bewusst­sein muss Dich stolz machen. Dein Stolz sei aber nicht Über­heb­lich­keit son­dern Verpflichtung.”

Küstenfrachter

Auch Küs­ten­mo­tor­schif­fe und Fische­rei­fahr­zeu­ge durf­ten her­ge­stellt wer­den. Aus den Fische­rei­fahr­zeu­ge ent­wi­ckel­te die Rick­mers-Werft in den 1950er Jah­ren die Heck­traw­ler. Schließ­lich lie­fen an der Geest­hel­le auch wie­der Fracht­schif­fe für Deutsch­land und für das Aus­land vom Stapel.

Werftarbeiter

Da die tech­ni­schen Anfor­de­run­gen an die Schif­fe immer anspruchs­vol­ler wur­den, ließ die Rick­mers-Werft 1967 im Fische­rei­ha­fen einen moder­nen Repa­ra­tur­be­trieb mit Krä­nen auf der mehr als 450 Meter lan­gen Pier­an­la­ge bau­en. Nun wur­de der Betrieb für Repa­ra­tu­ren- und Umbau­ar­bei­ten in den Fische­rei­ha­fen aus­ge­la­gert. Auch Neu­bau­ten wur­den hier nun ausgerüstet.

Rickmers-Werft

Mit­te der 1980er Jah­re wird es wie­der schwie­rig. Wegen der asia­ti­schen Kon­kur­renz waren deut­sche Schif­fe schwer zu ver­kau­fen, die Werft bekam finan­zi­el­le Schwie­rig­kei­ten. Der Mehr­zweck-Con­tai­ner­frach­ter “Brit­ta Thien” war der letz­te Neu­bau, der vom Sta­pel lief. Ein Anfang 1985 ver­such­ter Ver­gleich schei­ter­te, und ein Jahr spä­ter muss­te  der Kon­kurs bean­tragt werden.

Helgen-Portaldrehkran der Rickmers-Werft

Noch heu­te erin­nert der grü­ne Hel­gen-Por­tal­dreh­kran vor dem Gebäu­de des Arbeits­am­tes an die Rick­mers-Werft. Das gro­ße Arbeits­amts­ge­bäu­de gab es frü­her noch nicht. Auf dem Grund­stück stand die Schiff­bau­hal­le. Und in dem heu­te ver­schlick­ten und mit hohen Grä­sern bewach­se­nen Fluss­bo­gen war der “Schlipp”.

Steinfragmente auf dem ehemaligen Werftgelände

Auch das his­to­ri­sche Ein­gangs­tor ist noch erhal­ten und steht unter Denk­mal­schutz. Wie vie­le Arbei­ter mor­gens und abends wohl die­ses Tor pas­siert haben mögen?

Werkstor heute

Auf den Weg zur Arbeit benutz­ten vie­le den “schwar­zen Weg” am Geest­e­bo­gen. Es war ein Fahr­rad­weg, der nach Geest­e­mün­de führ­te. Am Weg stand eine Erfri­schungs­bu­de mit einer Feu­er­lösch­platt­form. Und dort, wo heu­te das Kapi­täns­vier­tel beginnt, schlos­sen sich die Büros an.

Als sich die Werft­to­re für immer schlos­sen, waren bei Rick­mers 1.200 Mit­ar­bei­ter beschäftigt.

Quel­len:
Har­ry Gab­cke: Bre­mer­ha­ven in zwei Jahr­hun­der­ten 1827 — 1918
Har­ry Gab­cke: Bre­mer­ha­ven in zwei Jahr­hun­der­ten 1919 — 1947
Nord­see-Zei­tung vom 29.08.2012
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