Die Geschichte des Zollinlandplatzes

Den Zollin­lands­platz kennt wohl jeder Bre­mer­ha­ve­ner. Auch den Fans des im Jah­re 1893 gegrün­de­ten ehe­ma­li­gen Fuß­ball­ver­eins Bre­mer­ha­ven 93 ist der Zollin­lands­platz nicht fremd. Schließ­lich befand sich auf die­sem Platz das Ver­eins­sta­di­on – das Zollinlandstadion.

Die ers­ten Spu­ren des Namens Zollin­lands­platz fin­det man in der Zoll­ge­schich­te der ehe­ma­li­gen deut­schen Klein­staa­ten. Um 1790 gab es in Deutsch­land für heu­te unvor­stell­ba­re 1.800 Zoll­gren­zen. Schick­te zum Bei­spiel jemand Waren von Königs­berg nach Köln, wur­den die­se rund 80 mal kon­trol­liert und besteu­ert. Allein der Staat Preu­ßen ver­füg­te noch gegen Ende des 18. Jahr­hun­derts über 67 Zollgrenzen. 

Geographische Blätter

Bre­mer­ha­ven war die­sen Zöl­len nicht unter­wor­fen, da der bre­mi­sche Staat als unab­hän­gi­ges Staats­we­sen kei­ne Zöl­le ent­rich­ten muss­te. Bre­mer­ha­ven und Geest­e­mün­de bil­de­ten mit ihren Häfen ein ein­heit­li­ches Zoll­aus­schluss­ge­biet. Um das Schmug­geln in der neu gegrün­de­ten Stadt Bre­mer­ha­ven zu bekämp­fen, grün­de­ten Bre­men und Han­no­ver schon 1827 ein Zoll­kar­tell. 1866 unter­zeich­ne­ten Preu­ßen und Bre­men einen Ver­trag über eine Zoll­ab­fer­ti­gungs­stel­le am Neu­en Hafen, die 1867 errich­tet wur­de. Eine zwei­te Zoll­ab­fer­ti­gungs­stel­le wur­de 1872 am Alten Hafen eingerichtet. 

Zollinlandbahnhof

Die Zoll­gren­ze zwi­schen Alt-Bre­mer­ha­ven und Lehe (Zollin­land) war mit einem Grenz­zaun gesi­chert. Den Grenz­über­gang in der Hafen­stra­ße ver­sperr­te ein Schlag­baum. Ger­ne gin­gen die Leher in Alt-Bre­mer­ha­ven ein­kau­fen, da sie ihre Waren dort zoll­frei kau­fen konn­ten. Das erreg­te natür­lich den Miss­mut benach­tei­lig­ten Leher Kauf­leu­te. Erst als Bre­men 1888 dem Deut­schen Zoll­ver­ein bei­trat, fie­len die Zoll­schran­ken zwi­schen Alt-Bre­mer­ha­ven und Lehe. Damit gehör­ten die Gele­gen­hei­ten zum bil­li­gen Ein­kauf in Alt-Bre­mer­ha­ven der Ver­gan­gen­heit an. Aber die Bezeich­nun­gen “Frei­ge­biet”, “Zollin­lands­platz” und “Zollin­land­stra­ße” sind als Spu­ren der Zoll­schran­ken erhal­ten geblieben.

1892 wur­de in Lehe in der Molt­ke­stra­ße ein Güter- und Ran­gier­bahn­hof gebaut. Weil sich der Bahn­hof im ehe­ma­li­gen Zollin­land­ge­biet befand, bekam er den Namen “Zollin­land­bahn­hof“. Eine lan­ge Lebens­dau­er hat­te der Bahn­hof aller­dings nicht. Im Rah­men der Hafen­er­wei­te­rung änder­te man in Bre­mer­ha­ven auch die Stre­cken­füh­rung der Eisen­bahn. Die soge­nann­te Hafen­bahn, die die ver­kehrs­rei­che Hafen­stra­ße in Lehe über­quer­te, wur­de eingestellt. 

Als Fol­ge wur­de der nun nicht mehr benö­tig­te Zollin­land­bahn­hof 1923 geschlos­sen, die Glei­se ent­fernt und das Ran­gier­ge­län­de an die Stadt Bre­mer­ha­ven ver­kauft. Die rich­te­te auf dem Gelän­de für meh­re­re Bre­mer­ha­ve­ner Sport­ver­ei­ne – dar­un­ter eben Bre­mer­ha­ven 93 – eine Sport­an­la­ge ein. Das Zollin­land­sta­di­on war gebo­ren. Auf eine Tri­bü­ne muss­ten Sport­ler und Zuschau­er aller­dings noch bis 1956 war­ten. Trotz­dem hat die­ser klei­ne Sport­platz, der etwa 5.000 Zuschau­ern Platz bot, Geschich­te geschrieben. 

1949 Bremerhaven 93

Auf dem lie­be­voll “Zöl­li” genann­ten Platz war immer eine Bom­ben­stim­mung, und die Zuschau­er saßen unmit­tel­bar am Ran­de des Spiel­fel­des. Sonn­tag für Sonn­tag pil­ger­ten die Fans zum Platz, um “ihre” erfolg­rei­che Mann­schaft Bre­mer­ha­ven 93 zu unter­stüt­zen. Beson­ders den 6. Dezem­ber 1959 wer­den Fans und Spie­ler von Bre­mer­ha­ven 93 und Ham­burg St. Pau­li wohl lan­ge in Erin­ne­rung behal­ten haben. An die­sem Tag stan­den sich die Mann­schaf­ten auf dem Zollin­land­platz gegenüber:

Der schwarze Mann

Für den Ober­li­ga­ver­ein Bre­mer­ha­ven 93 sah es nicht gut aus, St. Pau­li führ­te bereits in der Halb­zeit 2:0, in der 71. Minu­te ver­kürz­te Bre­mer­ha­ven 93 auf 2:1. Dann geschah das Wun­der – oder auch das Unglück. Der Bre­mer­ha­ve­ner Nie­me­th köpf­te den Ball auf das geg­ne­ri­sche Tor – und  ein Zuschau­er half nach. Er stand am Pfos­ten, lenk­te den Ball mit der Faust ins Tor und ver­schwand im Gewühl der 10.000 Zuschau­er. Der Schieds­rich­ter erkann­te auf Tor, und die von den St. Pau­lia­nern schon gewon­nen geglaub­te Par­tie ende­te mit dem Ergeb­nis 2:2. Der unbe­kann­te Zuschau­er ist als schwar­zer Mann vom Zollin­land in die Ver­eins­ge­schich­te eingegangen.

Zolli

Heu­te kämp­fen auf dem “Zol­li” kei­ne Fuß­ball­mann­schaf­ten mehr um Sieg oder Nie­der­la­ge. Das schon seit Jah­ren ver­wais­te Sta­di­on wur­de der Vege­ta­ti­on über­las­sen. Die Zuschau­er­tri­bü­nen sind längst abge­ris­sen. Nur das Gebäu­de, das zum Umklei­den der Mann­schaf­ten dien­te und Toi­let­ten und einen klei­nen Shop beher­berg­te, steht noch ver­lo­ren auf dem Gelände.

2014 Zolli

Aller­dings bemü­hen sich vie­le Akteu­re, für den Platz eine neue Ver­wen­dung zu fin­den. Der Platz soll umge­stal­tet wer­den, Wege und Grün‑, Spiel- und Begeg­nungs­flä­chen erhal­ten. Eigent­lich soll­ten die­se Maß­nah­men schon bis Ende Sep­tem­ber 2014 umge­setzt sein. Für die­ses Jahr sol­len noch Inves­ti­ti­ons­mit­tel aus der Städ­te­bau­för­de­rung in Höhe 200.000 Euro zur Ver­fü­gung ste­hen. Am 20. Sep­tem­ber 2014 hat es auch schon ein gro­ßes Fest zur Umge­stal­tung des “Zol­li” gege­ben. Allein, es fehlt wohl doch der poli­ti­sche Wil­le. Jeden­falls sind bis heu­te kei­ne Umbau­maß­nah­men festzustellen.

Quel­len:
F. Sei­del: Das Armuts­pro­blem im deut­schen Vor­märz bei Fried­rich List, Sei­te 4
C. Nagel und M. Pahl: FC St. Pau­li – Alles drin: Der Ver­ein und sein Vier­tel
Her­bert Kört­ge: Die Stra­ßen­na­men der See­stadt Bre­mer­ha­ven, Sei­te 137
Y. Gott­hardt: Zol­li erwacht aus dem Schlaf, Nord­see-Zei­tung vom 22.09.2014
C. Boll­mann: War­ten auf die Zol­li-Lösung, Nord­see-Zei­tung vom 30.10.2014
C. Hes­ke: Ein­gän­ge und Wege für den Zol­li, Sonn­tags­jour­nal vom 22.06.2014
Har­ry Gab­cke: Bre­mer­ha­ven in zwei Jahr­hun­der­ten – 1827–1918, Sei­te 138
Har­ry Gab­cke: See­stadt Bre­mer­ha­ven – frü­her und heu­te, Sei­te 22
Deut­sche Geo­gra­phi­sche Blät­ter, Heft 1 und 2, Band XXXIII
Georg Bes­sell: Die ers­ten  Jah­re Bre­mer­ha­vens, Sei­te 552
Groundhopping.de 15.09.2002 — FC Bre­mer­ha­ven ./. SV Meppen
juwiversum.bplaced.net/

Zum Volkstrauertag 2014

Nun ist auch er dahin, der Okto­ber, der in die­sem Jahr ganz gewiss wie­der ein gol­de­ner war. Jetzt lässt die Kraft der Son­ne merk­lich nach, und das Jahr neigt sich dem Ende zu. Und nach katho­li­scher und evan­ge­li­scher Tra­di­ti­on endet am Abend vor dem ers­ten Advent­sonn­tag auch das Kir­chen­jahr. Und zwei Sonn­ta­ge vor dem ers­ten Advent­sonn­tag bege­hen wir in Deutsch­land seit 1952 den Volkstrauertag.

Gefallenen-Ehrenmal in Rauschwalde

Der Volks­trau­er­tag gehört zu den “Stil­len Tagen”, an dem der Toten zwei­er Welt­krie­ge an den Fron­ten und in der Hei­mat” gedacht wird. Das ist auch immer ein Tag für die Poli­ti­ker, die in ihren Reden all­ge­mein zur Ver­söh­nung auf­ru­fen und um Völ­ker­ver­stän­di­gung und zum Erhalt des Frie­dens mahnen.

Lei­der fal­len die Mah­nun­gen zu sel­ten auf frucht­ba­ren Boden. Bereits im Jah­re 1926, so schrieb der His­to­ri­ker Dr. Ernst Kret­sch­mar in der Stadt­BILD Nr. 77 vom Novem­ber 2009, ver­sam­mel­ten sich am Sonn­tag, dem 5. Sep­tem­ber, in Rausch­wal­de Ein­woh­ner und Ehren­gäs­te, um ein Ehren­mal für die im Welt­krieg 1914 – 1918 gefal­le­nen Sol­da­ten ein­zu­wei­hen. Zahl­rei­che pri­va­te und mili­tä­ri­sche Ver­ei­ne nah­men am Fest­zug teil.

Frontseite Denkmal Rauschwalde

Dr. Kret­sch­mar gab in sei­nem Auf­satz auch die heroi­sche Wei­he­re­de wie­der, die Pfar­rer Ber­ne­witz an dem Sonn­tag im Jah­re 1926 hielt: “Mehr als zehn Jah­re sind ver­gan­gen seit dem Tage, an dem deut­sche Hel­den hin­aus­zo­gen, um für ihr Vater­land zu kämp­fen und ihre Hei­mat vor dem Fein­de zu schüt­zen. Sie haben es erreicht in har­tem todes­mu­ti­gem Kampf, dass der Krieg nicht auf die deut­schen Flu­ren getra­gen wur­de… Es ist geblie­ben der Glau­be an die deut­sche Zukunft…Und an uns ist die Pflicht des Dan­kes, sol­cher zu geden­ken, die im Tode das Ver­mächt­nis hin­ter­las­sen haben, die Lie­be zur deut­schen Hei­mat über alles zu stel­len und sol­che Lie­be ein eini­gen­des Band für alle wer­den zu lassen.”

Natür­lich muss­te auch der dama­li­ge Stadt­schul­rat Dr. Mayr­ho­fer eini­ge Wor­te sagen: “ Ein Sym­bol der Ein­tracht soll die­se Denk­mal sein, und wenn der Dra­che Zwie­tracht sein Haupt zu hoch erhebt, dann wol­len wir unse­re Bli­cke auf die­ses Mal rich­ten und wol­len sei­ne Mah­nung befolgen.”

Land­rat Schrö­ter hob in sei­ner Rede her­vor, “dass alle, die sich zur Wei­he ein­ge­fun­den haben, das Gefühl des Dan­kes ver­eint und in tie­fer Ergrif­fen­heit aller Gedan­ken bei jenen wei­len, die ihr Leben für das Vater­land, für die Hei­mat und auch für die Ange­hö­ri­gen… hin­ge­ge­ben haben. Ein Unrecht ist es daher, im Bru­der­zwist ein­an­der zu bekämp­fen, nur weil der ande­re eine abwei­chen­de Mei­nung vertritt…”

Ehrendenkmal Rauschwalde

Dr. Kret­sch­mar berich­tet wei­ter, dass auch der sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Abge­ord­ne­te Hugo Eber­le anwe­send gewe­sen sei. Er unter­stütz­te die “Mah­nung, ehrend und in Dank­bar­keit der Toten zu geden­ken und die­sen Dank auch dadurch zum Aus­druck zu brin­gen, dass wir uns den Leben­den zuwen­den und den Hin­ter­blie­be­nen mit der Tat der Hil­fe, soweit es mög­lich ist, den Dank abzu­stat­ten, den wir den Toten schul­den. Wohl sol­len wir bereit sein, das Vater­land mit unse­rem Leben zu schüt­zen, aber unser Stre­ben soll sein, die Schre­cken eines neu­en Bru­der­mor­des zu verhüten.”

Ein Jahr vor­her, am 26. April 1925, wur­de Paul von Hin­den­burg im Alter von 77 Jah­ren zum Reichs­prä­si­den­ten gewählt. Und in jenen Jah­ren wur­den über­all in Deutsch­land Mahn­ma­le und Krie­ger­ge­denk­stät­ten errich­tet, ent­hüllt und ein­ge­weiht. Auch wenn sich die poli­ti­schen Par­tei­en bis aufs Mes­ser bekämpf­ten, bewahr­ten sie doch Anstand und Ehr­furcht vor den Toten.

Gleich­wohl haben die Mah­nun­gen bekannt­lich nichts bewirkt. 1933 berief Hin­den­burg Adolf Hit­ler zum Reichs­kanz­ler. Die benann­ten den Volks­trau­er­tag schon ein Jahr spä­ter in Hel­den­ge­denk­tag um und ver­än­der­ten sei­nen Cha­rak­ter. Nicht mehr der Toten wur­de gedacht, die­ser Tag galt jetzt der Hel­den­ver­eh­rung. Und damit nah­men die schreck­li­chen Ereig­nis­se ihren Lauf, und nur 25 Jah­re nach dem Ende des Ers­ten Welt­krie­ges fie­len die Natio­nal­so­zia­lis­ten wie­der über unse­re Nach­bar­län­der her.

Totengedenken

Zum dies­jäh­ri­gen Volks­trau­er­tag blickt der Prä­si­dent des Volks­bun­des, Mar­kus Meckel, auf den vor hun­dert Jah­ren begin­nen­den Ers­ten Welt­krieg zurück und bestä­tigt, dass der Krieg “zu Recht die Urka­ta­stro­phe des 20. Jahr­hun­derts genannt wird. Die zivi­li­sier­te Welt fiel in Abgrün­de. Doch damit nicht genug: Vor 75 Jah­ren begann nach dem Hit­ler-Sta­lin-Pakt der Zwei­te Welt­krieg, der Schre­cken und Gewalt ins Unfass­ba­re steigerte.”

Mar­kus Meckel mahnt auch, “dass der Blick zurück unse­re Auf­merk­sam schär­fen kann und uns war­nen, was kom­men kann, wenn wir unacht­sam wer­den… Bald aber wird es kaum noch Zeit­zeu­gen und Ange­hö­ri­ge geben. Die Fried­hö­fe wer­den mehr und mehr Orte des Geden­kens und Ler­nens und kön­nen auch so ihre gesell­schaft­li­che Bedeu­tung bewah­ren. Damit das aber mög­lich ist, müs­sen wir sie bes­ser erklä­ren, die his­to­ri­schen Zusam­men­hän­ge benen­nen, die ver­schie­de­nen Opfer und ihre Situa­ti­on stär­ker in den Blick nehmen.”

Erich Kästner

Vor dem Hin­ter­grund der zwei Welt­krie­ge soll­ten die Kri­ti­ker des Euro doch ein­mal beden­ken, dass Euro­päi­sche Uni­on mehr ist als eine Wäh­rungs­ge­mein­schaft. Was mit der Mon­tan­uni­on begann, führ­te zur Aus­söh­nung mit Frank­reich und zu einem dau­er­haf­ten und bis heu­te anhal­ten­den Frie­den.  Die Euro­päi­sche Uni­on ist ein Frie­dens- und Ver­söh­nungs­werk, das erhal­ten wer­den muss. Gera­de im Ange­sicht der Kri­sen in der Ukrai­ne, in Paläs­ti­na und in Syri­en muss uns bewusst sein und bewusst blei­ben, dass jeder von uns mit sei­nen Mög­lich­kei­ten für einen Frie­den ein­tre­ten muss, der uns Frei­heit und Unab­hän­gig­keit sichert.

Quel­len:
Dr. Ernst Kret­sch­mar, Stadt­BILD Nr. 77 vom Novem­ber 2009, Sei­ten 12 — 19

Schulschiff Deutschland” liegt in Bremerhaven im Dock

Das ehe­ma­li­ge Aus­bil­dungs­schiff der Han­dels­ma­ri­ne, die “Schul­schiff Deutsch­land“, muss­te  ihren Lie­ge­platz in Bre­men-Vege­sack ver­las­sen. Sie wur­de nach Bre­mer­ha­ven geschleppt, weil hier umfang­rei­che erfor­der­li­che Sanie­rungs­ar­bei­ten aus­ge­führt wer­den sol­len. Dafür muss das Schiff ein­ge­dockt werden. 

2014-10-23 | Schulschiff Deutschland an der Seebäderkaje

In Bre­men-Vege­sack liegt das Muse­ums­schiff schon seit 1996. Der Deut­sche Schul­schiff-Ver­ein betreibt es als Hotel­schiff. Aus Sicher­heits­grün­den wird der alte Seg­ler regel­mä­ßig einer Inspek­ti­on unter­zo­gen. Dabei wur­den am Rumpf erheb­li­che Rost­schä­den ent­deckt, die im Bre­do-Dock besei­tigt wer­den sol­len. Die geschätz­ten Repa­ra­tur­kos­ten von mehr als einer Mil­li­on Euro wer­den zu rund zwei Drit­tel vom Bund, der Stadt Bre­men und der Stif­tung Denk­mal­schutz über­nom­men; der Rest soll über Spen­den finan­ziert werden.

1927-06-14 | Stapelllauf Schulschiff Deutschland

Die “Schul­schiff Deutsch­land” wur­de 1927 vom Deut­schen Schul­schiff-Ver­ein als vier­tes Schul­schiff in Auf­trag gege­ben. Am 14. Juni 1927 lief sie bei der Joh. C. Teck­len­borg-Werft in Geest­e­mün­de vom Sta­pel. Von Anfang an wur­de auf dem Schiff der see­män­ni­sche Nach­wuchs für die Han­dels­ma­ri­ne aus­ge­bil­det. Die 29 Aus­bil­dungs­fahr­ten führ­ten das Drei­mast-Voll­schiff in den Jah­ren 1927 bis 1939 nach Süd­ame­ri­ka, Süd­afri­ka und in die Nord- und Ostsee.

Im Krieg wur­de die “Schul­schiff Deutsch­land” für eine kur­ze Zeit als Laza­rett-Schiff ein­ge­setzt. Des­halb muss­te sie nicht als Repa­ra­ti­ons­leis­tung abge­ge­ben wer­den und wur­de kurz nach sei­ner Beschlag­nah­me durch die Alli­ier­ten an den Deut­schen Schul­schiff-Ver­ein zurück­ge­ge­ben. Der nutz­te das Segel­schiff von 1949 bis 1952 als Jugend­her­ber­ge, setz­te es dann aber als sta­tio­nä­res Schul­schiff für See­manns­schü­ler ein.

2014-10-23 | Schulschiff Deutschland an der Seebäderkaje

Seit Früh­jahr 1995 liegt sie als aner­kann­tes schwim­men­des Denk­mal in Bre­mer-Vege­sack. Noch bis zum Jah­re 2002 wohn­ten an Bord in Aus­bil­dung ste­hen­de Schiffs­me­cha­ni­ker. Seit die­se Aus­bil­dung in Bre­men nicht mehr statt­fin­det, gibt es in Bre­men auch kei­ne See­manns­schu­le mehr. Das mari­ti­me Denk­mal steht jetzt für Über­nach­tun­gen zur Ver­fü­gung. Auch für Ver­an­stal­tun­gen, Fei­ern, Semi­na­re und Aus­stel­lun­gen kann es genutzt wer­den.
Quel­le:
Nord­see-Zei­tung, Sei­te 14, vom 24. 10.2014

Das Restaurant Delphin in der ehemaligen Leher Deichstraße

Die Leher Stra­ße “Auf den Sül­ten” wur­de um 1860 ange­legt. Sie ist eine der ers­ten öst­li­chen Sei­ten­stra­ße der mitt­le­ren Hafen­stra­ße. Der Name geht zurück auf eine Salz­sie­de­rei, die ein Bre­mer Bür­ger im Jah­re 1550 an der Gees­te anleg­te. Das Wort Sül­ten bedeu­tet Sulfhaus, also Salz­haus. Damit kann auch ein Lager­haus für impor­tier­tes Salz gemeint sein.

Auf den Sülten mit Blick zur Hafenstraße

Heu­te ist es nahe­zu in Ver­ges­sen­heit gera­ten, dass die Stra­ße einst den Namen “Deich­stra­ße” trug. Erst als im Jah­re 1925 aus die Orte Geest­e­mün­de und Lehe  zur Stadt Weser­mün­de wur­den, bekam die Stra­ße den Namen “Auf den Sülten”.

Auf den Sülten in Bremerhaven Lehe| Blick Richtung Geeste

Noch bis heu­te ist die Stra­ße eine beschau­li­che Gas­se mit einem Fahr­weg aus roman­ti­schem Kopf­stein­pflas­ter geblie­ben. Am öst­li­chen Aus­gang der Gas­se kommt man auf die Werft­stra­ße, in der sich in den spä­ten 1870er Jah­ren eine klei­ne Boots­werft ange­sie­delt hat – die spä­te­re Del­phin-Werft.  Und hier, an der Eimün­dung der Deich­stra­ße in die Werft­stra­ße steht das Eck­haus mit der ehe­ma­li­gen Anschrift Deich­stra­ße Nr. 17.

Um 1910 Auf den Sülten in Lehe

Foto: Stadt­ar­chiv Bremerhaven

Die Gast­stät­te, die sich im Erd­ge­schoss des Hau­ses befand, hieß “Restau­rant Del­phin” ‑gleich gegen­über befand sich ja die “Del­phin-Werft”. Bis 1927 führ­te ein bekann­ter Maler das Lokal, dann über­nahm es eine Wit­we, die es bis 1938 führ­te. Das Lokal soll noch bis min­des­tens 1962 bewirt­schaf­tet wor­den sein.

Restaurant Delphin in Lehe

An den Bil­dern kann man erken­nen, dass das sanier­te Gebäu­de — viel­leicht im Rah­men der Sanie­rungs­maß­nah­men — sein Türm­chen ver­lo­ren hat. Das “Restau­rant Del­phin” gibt es nicht mehr.
Quel­len:
Peter Raap: Nie­der­deut­sches Hei­mat­blatt Nr. 728 vom August 2010
Her­bert Kört­ge: Die Stra­ßen­na­men der See­stadt Bremerhaven

Windmühlen an der Unterweser — Teil 1

Wind­müh­len an der Unterweser 

Einst haben auch in Bre­mer­ha­ven und umzu vie­le Wind­müh­len an der Unter­we­ser gestan­den. Eini­ge haben als Muse­um den Sprung in die Gegen­wart geschafft, ande­re sind längst in Ver­ges­sen­heit gera­ten. Nur noch die Namen von Stra­ßen und Plät­ze zeu­gen von ihrer frü­he­ren Exis­tenz. Der Deich­SPIE­GEL begibt sich ab heu­te auf die zwar ver­blassten aber teil­wei­se doch noch vor­han­de­nen Spu­ren, die die Wind­müh­len hier an der Unter­we­ser hin­ter­las­sen haben.

Dreschmaschine mit eingebautem Göpel

Wo das ers­te Getrei­de land­wirt­schaft­lich ange­baut wur­de, kann nicht mehr ermit­telt wer­den. Auf jeden wur­de schon vor mehr als 10.000 Jah­ren im Nahen Osten Getrei­de ange­baut und gezüchtet.

Es hat lan­ge gedau­ert, bis durch Züch­tun­gen aus Süß­grä­sern das uns heu­te bekann­te Getrei­de ent­stan­den ist. Alle Getrei­de­sor­ten wie Wei­zen, Rog­gen, Gers­te, Hafer, Hir­se, Mais und auch Reis wur­den aus Süß­grä­ser gezüch­tet. Für den Ver­zehr wer­den die Früch­te nach der Rei­fe zunächst durch Dre­schen von der abge­mäh­ten Pflan­ze befreit. Anschlie­ßend wer­den die so gewon­ne­nen Kör­ner gemah­len, um die Scha­le zu ent­fer­nen. In grau­er Vor­zeit wur­de das gemah­le­ne Getrei­de ein­fach mit Was­ser ver­mengt und als Brei geges­sen. Spä­ter gab man den Brei auf hei­ße Stei­ne und buk Fladenbrot.

Sattel-Steinmühlen

Die Ägyp­ter stell­ten schon vor über 5.000 Jah­ren Brot her, es war ihr Haupt­nah­rungs­mit­tel. So gab man den Ägyp­tern in der Anti­ke auch den Bei­na­men Brot­esser. Mit Hil­fe von Sat­tel-Stein­müh­len zer­rie­ben die ägyp­ti­schen Frau­en täg­lich die Kör­ner von Emmer­wei­zen oder Gers­te zu fei­nem Mehl. Anschlie­ßend ver­kne­te­ten Bäcker das Mehl mit Treib­mit­tel und Was­ser zu einem Teig, den sie mit Milch, Gewür­zen, Honig oder Früch­ten ver­fei­ner­ten und eine Zeit lang gehen lie­ßen. Dann füll­ten sie den Teig in zwei­tei­li­ge Ton­töp­fe und stell­ten die­se auf glü­hen­de Koh­len. Am Ende der Back­zeit wur­den die Töp­fe aus dem Feu­er geholt und die Lai­be mit kräf­ti­gen Stock­schlä­gen aus den Gefä­ßen geklopft.

Die Römer impor­tier­ten gro­ße Men­gen Getrei­de aus Ägyp­ten. Sie bau­ten die ers­ten gro­ßen Müh­len, mit denen sie sehr fei­nes Mehl her­stel­len konn­ten. Römi­sche Legio­nen sol­len das Getrei­de dann wei­ter in den Nor­den gebracht haben.

Das Getreide wird geerntet. Eine schwere Arbeit

Wie aber wei­ter oben schon erwähnt, muss das Getrei­de zunächst zu Mehl gemah­len wer­den. Ende des 16. Jahr­hun­derts kamen die moder­nen Hol­län­der­wind­müh­len auf, bei denen sich nicht mehr das gan­ze Müh­len­ge­häu­se son­dern nur noch die Turm­hau­be dreh­te. Beson­ders nörd­lich der Mit­tel­ge­bir­ge fan­den im nord­eu­ro­päi­schen win­di­gen Tief­land die Wind­müh­len vom Mit­tel­al­ter bis zum aus­ge­hen­den 18. Jahr­hun­dert eine gro­ße Verbreitung.

In der ers­ten Hälf­te des 19. Jahr­hun­derts wur­de in Preu­ßen die Gewer­be­frei­heit ein­ge­führt und 1810 zunächst in Preu­ßen und bis 1866 im gesam­ten deut­schen Gebiet das Bann­recht abge­schafft. Das Bann­recht oder auch Müh­len­zwang ver­pflich­te­te alle Unter­ta­nen eines Grund­herrn, ihr Getrei­de aus­schließ­lich in der Bann­müh­le mah­len zu las­sen. Damit wur­de ein Wett­be­werb zwi­schen den Müh­len ver­hin­dert und der Mül­ler hat­te ein gere­gel­tes Ein­kom­men. Mit Abschaf­fung des Bann­rechts nahm die Wind­müh­len­in­dus­trie einen deut­li­chen Auf­schwung. 1895 gab es im Deut­schen Kai­ser­reich 18.362 Windmühlen.

          Die Windmühle in der Deichstraße

Unterweser Gallerie-Holländermühle von Heinrich Dohrmann auf dem Geestdeich

Auch in der heu­ti­gen Deich­stra­ße stand für kur­ze Zeit eine reet­ge­deck­te Gal­le­rie-Hol­län­der­müh­le. Sie wur­de 1835 im Auf­trag des Bre­mer Bür­gers Hein­rich Dohr­mann auf dem Geest­deich errich­tet, etwa dort, wo seit 1863 die Ram­pen­stra­ße in die 1857 ange­leg­te Deich­stra­ße mündet.

Unterweser Die Mühle auf dem Geestedeich wurde 1888 abgerissen

Zur dama­li­gen Zeit war es noch üblich, den Brot­teig selbst zuhau­se her­zu­stel­len und zum Backen zum Bäcker zu brin­gen. Dazu kauf­te man das Mehl in der Müh­le oder ließ das auf dem Lan­de bil­lig beschaff­te Getrei­de in der Müh­le zu Mehl malen.

In der Nähe der Rampenstraße stand die Mühle von Heinrich Dohrmann

Schon 1846 trenn­te sich Hein­rich Dohr­mann von sei­ner Müh­le. Er gab sie an den Lebens­mit­tel­händ­ler Carl Johann Fried­rich Hasha­gen ab. 1888 wur­de die Müh­le abge­ris­sen. Heu­te erin­nert nur noch der Name “Müh­len­stra­ße” an die einst gro­ße Wind­müh­le an der Deichstraße.

Quel­len:
Mari­an­ne Töl­le: Leben­di­ge Geschich­te | Im alten Ägypten
Har­ry Gab­cke: Bre­mer­ha­ven in zwei Jahr­hun­der­ten 1827 – 1918
Gise­la Tie­de­mann: Wind- und Was­ser­müh­len zwi­schen Elbe und Weser
Hei­mat Nord­see­küs­te 2014 – Von Land und Leu­ten an Weser und Elbe

Aktionstag für Familien auf Museumsschiff “Gera”

Zum letz­ten Mal in der Sai­son 2014 fin­det auf dem Muse­ums­schiff FMS “Gera” bei frei­em Ein­tritt ein Akti­ons­tag mit ehe­ma­li­gen Hoch­see­fi­schern statt. Am Sonn­tag, den 12. Okto­ber 2014, heißt es von 10 bis 18 Uhr “Open Ship“ auf dem letz­ten deut­schen Sei­ten­traw­ler mit Lie­ge­platz im Schau­fens­ter Fischereihafen.

Museumsschiff "Gera" im Fischereihafen in Bremerhaven

Der Akti­ons­tag rich­tet sich ins­be­son­de­re an Fami­li­en, denn das Pro­gramm bie­tet zahl­rei­che Ange­bo­te für Kin­der und Erwach­se­ne. An die­sem Tag dreht sich alles um den Fisch und die har­te Arbeit auf Seitentrawlern.

Neben Rund­gän­gen über das schwim­men­de Muse­ums­schiff mit Muse­ums­päd­ago­gin Kat­rin Scha­per erle­ben die Besu­cher/-innen auch zwei Vor­füh­run­gen zum pro­fes­sio­nel­len File­tie­ren von Frisch­fisch auf dem Fang­deck des Schif­fes. Fisch­lieb­ha­ber und Hob­by­kö­che erfah­ren, was bei der gelun­ge­nen Zube­rei­tung von See­fisch­ge­rich­ten beach­tet wer­den soll­te. “Erfah­re­ne Hoch­see­fi­scher sind die bes­ten Frisch­fisch­ken­ner und wis­sen, wor­auf es hier­bei wirk­lich ankommt“, erzählt der ehe­ma­li­ge Hoch­see­fi­scher und das lang­jäh­ri­ge Vor­stands­mit­glied des För­der­krei­ses des His­to­ri­schen Muse­ums Bre­mer­ha­ven und der “Gera” Micha­el Schultz-Brum­mer, der die Vor­füh­run­gen präsentiert.

Einholung der Fischernetze auf dem Museumsschiff "Gera"

Kapi­tän Gott­fried Hil­ger­den­aar steht den Besu­che­rin­nen und Besu­chern auf der Brü­cke der “Gera” für Fra­gen zum Arbeits­all­tag in der Hoch­see­fi­sche­rei zur Ver­fü­gung und erklärt die nau­ti­schen Gerä­te. Kin­der haben an die­sem Tag unter ande­rem die Mög­lich­keit, an einer span­nen­den Ral­lye über die FMS “Gera” teil­zu­neh­men und nach einer bestan­de­nen Prü­fung auf der “Gera” als Leicht­ma­tro­sen anzu­heu­ern. Die Klei­nen gestal­ten in ange­lei­te­ten Bas­tel­ak­tio­nen fan­ta­sie­vol­le Mobi­les mit Fischen und erfül­len sich den Traum vom ers­ten eige­nen Schiff.

Quel­le:
museumsschiff-gera.de

Ein Stadtrundgang auf Bremerhavens Radarturm

Bre­mer­ha­vens 114 Meter hoher Richt­funk­turm liegt im Her­zen der Stadt. Von der Aus­sichts­platt­form hat man aus 65 Metern Höhe einen fan­tas­ti­schen Pan­ora­ma­blick auf die City. Und nun haben sich die Gäs­te­füh­rer der Stadt etwas wirk­lich Tol­les ein­fal­len lassen.

Vom Richtfunkturm - Bremerhaven bei Nacht

Ab sofort kann man eine zwei­stün­di­ge Son­nen­un­ter­gangs-Run­de auf dem Turm buchen – mit Räu­cher­fisch-Imbiss und Geträn­ken zum Abschluss. Wenn dann die Son­ne hin­ter dem Hori­zont ver­schwun­den ist und die Dun­kel­heit ihren Man­tel über Bre­mer­ha­ven aus­brei­tet, liegt den Turm­be­su­chern der Hafen mit sei­nen vie­len Lich­tern zu Füßen.

Natür­lich wer­den die Besu­cher nicht allei­ne gelas­sen. Vier stadt­kun­di­ge Gäs­te­füh­rer infor­mie­ren und unter­hal­ten mit tages­ak­tu­el­len Fak­ten und vie­len Anek­do­ten die Gäs­te. Da wird schon mal Goe­thes Faust rezi­tiert, um vom Bau des Alten Hafen zu berichten. 

Legen­där ist die Geschich­te von Käpt’n Griep, der auf einen Fisch­damp­fer ange­heu­ert hat­te. Nach jeder Rei­se stopf­te er sich sei­ne Heu­er in die Taschen und ging von Bord – nur um sofort die nächs­ten Knei­pe anzu­steu­ern. Dort sah man ihn erst wie­der raus­kom­men, wenn sein Fisch­damp­fer able­gen wollte.

Ja, und wer weiß schon, dass die Deut­sche Mär­chen­stra­ße, die in Hanau beginnt, hier beim Kla­bau­ter­mann in Bre­mer­ha­ven ihren End­punkt findet. 

Museums-Flagschiff Seute Deern in Bremerhaven

Und mit Sicher­heit spin­nen die welt­erfah­re­nen Gäs­te­füh­rer kein See­manns­garn, wenn sie von der ers­ten Rei­se der “Seute Deern” berich­ten. Die wur­de näm­lich gleich auf ihrer Jung­fern­fahrt von der Mann­schaft ver­las­sen und trieb jah­re­lang als Geis­ter­schiff durch die Karibik.

Den zwei­stün­di­gen “Stadt­rund­gang auf dem Radar­turm” für min­des­tens 15 Teil­neh­mer kann man beim Ver­an­stal­ter “Erleb­nis Bre­mer­ha­ven” über Natur Pur (Tele­fon 0471/414141) buchen. Der Spaß kos­tet pro Per­son 24 Euro, inklu­si­ve Räu­cher­fisch und Geträn­ke. Also Ihr Land­rat­ten, nix wie hin!

Vom Bremerhavener Volksgarten zur ersten Stadthalle

In fast jeder Stadt gab es Gebäu­de, von denen heu­te kaum noch jemand etwas weiß. Nur noch alte Bil­der und Ansichts­kar­ten geben dar­über Aus­kunft. Und nur noch anti­qua­ri­sche Bücher erzäh­len uns die zeit­ge­nös­si­schen Geschich­ten über die alten Häu­ser. Sonst wür­den sie wohl für immer aus unse­rer Erin­ne­rung verschwinden.

Auch dass es einst in Bre­mer­ha­ven in der Deich­stra­ße einen “Volks­gar­ten” gab, weiß heu­te kaum noch jemand:

Stadttheater und Volksgarten 1901 in der Deichstraße in Bremerhaven

Schon früh begann in Bre­mer­ha­ven auch das kul­tu­rel­le Leben. In den 1860er Jah­ren gab es bereits vie­le Gesangs­ver­ei­ne. Noch viel frü­her haben in Bre­mer­ha­ven gele­gent­lich rei­sen­de Schau­spie­ler­grup­pen  für Unter­hal­tung gesorgt. Zunächst wur­de in einem Hin­ter­haus an der  Fähr­stra­ße in den 1840er Jah­ren eine dau­er­haf­te Unter­hal­tungs­mög­lich­keit ein­ge­rich­tet. Spä­ter fan­den die Vor­stel­lun­gen in der Wirt­schaft von Claus Meyn statt. Das war an der Ecke Bür­ger­meis­ter-Smidt-Stra­ße und Mit­tel­stra­ße. Heu­te steht an dem Ort die Sparkasse.

Aber auch an ande­ren Orten wur­de Thea­ter gespielt. So stell­te zum Bei­spiel der Schiff­bau­er Cor­ne­li­us sei­nen Besitz an der Gees­te zur Ver­fü­gung. Für Cor­ne­li­us war sei­ne “Kunst­bu­de” ein gutes Geschäft, befand sich doch im Saal sein Schank­tisch, an dem er wäh­rend der Vor­stel­lung Bier aus­schenk­te. An rot gestri­che­nen Tischen  konn­te man in aller Gemüts­ru­he sein Bier trin­ken und sei­ne Pfei­fe rau­chen, wäh­rend auf der Büh­ne die Lei­den­schaf­ten tob­ten. Soll­te das Stück nach den Zwi­schen­ak­ten fort­ge­führt wer­den, soll Cor­ne­li­us zur Büh­ne rüber­ge­brüllt haben: “Noch nich wed­der anfan­gen. De Her­rens hefft eren Grog noch nich ut!” Und über den Köp­fen der Zuschau­er saus­ten auch schon mal Rat­ten durch das Gebälk.

Gruß aus dem Volksgarten Bremerhaven aus dem Jahre 1901

1868 kauf­te Musik­di­rek­tor Schwie­fert das Grund­stück des Cor­ne­li­us und bau­te es groß­zü­gig zum  wohl größ­ten Saal- und Gar­ten-Eta­blis­se­ment um – dem “Volks­gar­ten” auf der Deich­stra­ße. Neben einem gro­ßen Saal ent­stan­den ein Kon­zert­gar­ten und ein neu­es Thea­ter­ge­bäu­de. Hier fand fort­an das Bre­mer­ha­ve­ner Gesell­schafts­le­ben statt. Im Som­mer waren im Kaf­fee­gar­ten abends bei Lam­pion­be­leuch­tung Kon­zer­te der belieb­ten Albert-Kapel­le. Im gro­ßen Saal fan­den Ver­eins­fes­te, Bäl­le und Tanz­un­ter­richt statt.

Der Bür­ger­club mit sei­nem Wohl­tä­tig­keits­ba­sar war beson­ders beliebt. Wochen vor­her wur­de gestrickt, gehä­kelt und gestickt. Dann wur­de im gro­ßen Saal eine Buden­stadt auf­ge­baut, und es wur­de alles ver­kauft. Aber an einem Stand konn­te man kei­ne Hand­ar­bei­ten kau­fen. Hier boten rei­zen­de Sou­brett­en und belieb­te Schau­spie­le­rin­nen ihre locken­den Lip­pen zum Küs­sen an – aber es gab kei­nen Kuss unter zehn Mark für die Wohlfahrtskasse.

Sub­ven­tio­nen bekam der Musik­di­rek­tor für sein “Stad­thea­ter” nicht. Es war sein rein pri­va­tes Unter­neh­men, um das sich die Stadt nicht küm­mer­te.  Um einen zer­schlis­se­nen Vor­hang erset­zen zu kön­nen, wur­de zwi­schen den Akten ein Vor­hang mit Rekla­me gezeigt. Die Rekla­me allein mach­te es bei der chro­ni­schen Kas­sen­lee­re mög­lich, einen neu­en Vor­hang anzuschaffen.

Um die Zuschau­er anzu­lo­cken, wur­den vor­wie­gend unter­halt­sa­me Stü­cke gespielt. Kaba­rett­ein­la­gen, Varie­té­vor­stel­lun­gen und sogar Ring­kämp­fe gehör­ten zum Pro­gramm, um die Thea­ter­kas­se zu füllen.

1927 Stadthalle in der Deichstraße in Bremerhaven

Aber auch anspruchs­vol­le Auf­füh­run­gen bekam man im “Stadt­thea­ter Bre­mer­ha­ven” zuse­hen. Die Dar­bie­tun­gen des “Gemisch­ten Chors” unter Musik­di­rek­tor Wol­te­mas fand bei der Bre­mer­ha­ve­ner Bevöl­ke­rung gro­ße Zustim­mung. Und ab 1872 gab es sogar Opern zu sehen. Mit Ver­dis “Trou­ba­dour” fing es an, und vie­le wei­te­re bedeu­ten­de Wer­ke folg­ten. Mit “Lohen­grin” und “Tan­nen­häu­ser” stan­den in der Sai­son 1877 sogar Wer­ke von Richard Wag­ner auf dem Spielplan.

Anfang der 1880er Jah­re hat ein Kon­sor­ti­um den “Volks­gar­ten” gekauft und an der Stra­ßen­sei­te ein gro­ßes Haupt­ge­bäu­de bau­en las­sen. Gleich­wohl fan­den die Thea­ter­auf­füh­run­gen wei­ter­hin in den alten Räu­men an der Gees­te statt. 1903 wur­de der Thea­ter­saal wegen Feu­er­ge­fahr geschlos­sen. Die Feu­er­po­li­zei ver­füg­te den Abriss. Nun muss­te man auf die recht unzu­läng­li­che Büh­ne des gro­ßen Saa­les im “Volks­gar­ten” ausweichen.

1927 Straßenfront der Stadthalle in Bremerhaven in der Deichstraße

Zu Beginn der 1920er Jah­re befass­te sich die Stadt Bre­mer­ha­ven mit dem Gedan­ken, eine schö­ne reprä­sen­ta­ti­ve Stadt­hal­le zu bau­en. Kon­gres­se soll­ten hier tagen und Ver­an­stal­tun­gen abge­hal­ten wer­den. So beschlos­sen die Stadt­ver­ord­ne­ten 1925, den “Volks­gar­ten” ent­spre­chend umzu­bau­en. Nach den Plä­nen von Stadt­bau­rat Hage­dorn ent­stand eine schö­ne und leis­tungs­fä­hi­ge Stadt­hal­le mit einer Gar­ten­an­la­ge. Mit­tel­punkt war der vom alten “Volks­gar­ten” über­nom­me­ne gro­ße Saal mit sei­ner pracht­vol­len Akus­tik. Der Neue Saal mit 400 Sitz­plät­zen und eine Rei­he von klei­ne­ren Sälen und Neben­räu­men wur­den neu gebaut.

1927 Konzertgarten der Stadthalle in Bremerhaven

Am 30. April 1927 fand die Hun­dert­jahr­fei­er Bre­mer­ha­vens statt, und die Stadt­hal­le an der Deich­stra­ße wur­de der Bevöl­ke­rung über­ge­ben. 1.400 Besu­cher fan­den in dem gro­ßen Saal Platz. Kon­zer­te, Bäl­le, Aus­stel­lun­gen, Varie­té, Par­tei­ver­samm­lun­gen, sport­li­che Wett­kämp­fe und vie­le ande­re Ver­an­stal­tun­gen wur­den hier abge­hal­ten. Bei gutem Wet­ter ging man gern in den ter­ras­sen­för­mig für 1.500 Besu­chern ange­leg­ten Kon­zert­gar­ten am Geesteufer.

Lei­der war die Hun­dert­jahr­fei­er auch das größ­te Ereig­nis, das in der Stadt­hal­le gefei­ert wer­den konn­te. Nur 17 Jah­re spä­ter fiel auch sie den Luft­an­grif­fen auf die Stadt zum Opfer. Nach dem Krieg wur­de sie nicht wie­der auf­ge­baut, heu­te steht an die­ser Stel­le die Goetheschule.

Quel­len:
Georg Bes­sel: Geschich­te Bremerhavens
Georg Bes­sel: Die ers­ten 100 Jah­re Bre­mer­ha­vens – von 1826 bis 1927
Har­ry Gab­cke: Bre­mer­ha­ven in zwei Jahr­hun­der­ten 1827 – 1918
Jür­gen Krü­ger: Stadt und Leu­te Ges­tern und Heu­te, 150 Jah­re Bremerhaven