Gründerzeithaus in der Rickmersstraße kommt auf den Sperrmüll

Frü­her muss es mal sehr hübsch aus­ge­se­hen haben, das stuck­ver­zier­te Grün­der­zeit­haus Num­mer 77a an der Bre­mer­ha­ve­ner Rick­mers­stra­ße. Lei­der lie­ßen die Eigen­tü­mer es ver­fal­len, und nun muss­te es abge­ris­sen werden.

Bremerhavener Rickmersstrasse 77a

Die Grün­der­zeit­häu­ser 77 und 77a zähl­ten vie­le Jah­re zu den Pro­blem­häu­sern in der Rick­mers­stra­ße. Aber im Jah­re 2008 nahm der Eigen­tü­mer viel Geld in die Hand und ließ das Haus Num­mer 77 von Grund auf sanie­ren und zum Gäs­te­haus Alba­tros umbauen.

Bremerhavener Rickmersstrasse 77a

Die Eigen­tü­mer­ge­mein­schaft des Hau­ses 77a hin­ge­gen lie­ßen ihre Immo­bi­lie ver­fal­len. Die letz­ten Mie­ter sind schon vor lan­ger Zeit aus­ge­zo­gen. Nun wohn­ten nur noch Tau­ben und ande­res Getier in dem Haus. Als der durch das offe­ne Dach ein­drin­gen­de Regen begann, das Gäs­te­haus Alba­tros in Mit­lei­den­schaft zu zie­hen, schlug deren Ver­wal­ter Alarm. Er schal­te­te einen Rechts­an­walt ein, der den Eigen­tü­mern des Hau­ses 77a die Kos­ten für die Besei­ti­gung der Schä­den auf­ge­ben sollte.

Aber auch für die Bewoh­ner der ande­ren umste­hen­den sanier­ten Mehr­fa­mi­li­en­häu­ser der Gewo­ba war die ver­las­se­ne Schrott-Immo­bi­lie all die Jah­re ein Ärger­nis. Und zugleich ein gefähr­li­cher Spiel­platz für die Kinder.

Die Stadt Bre­mer­ha­ven lässt sich von sanie­rungs­un­wil­li­gen Eigen­tü­mern schon lan­ge nicht mehr auf der Nase her­um­tan­zen. Den Eigen­tü­mern wur­de bereits im Jah­re 2013 ein Zwangs­geld auf­er­legt. Und in einem wei­te­ren Ver­fah­ren wur­de Ihnen auf­ge­ge­ben, die Stand­si­cher­heit der Immo­bi­lie durch ein Gut­ach­ten nachzuweisen.

Bremerhavener Rickmersstrasse 77a

Nach­dem ein Gut­ach­ter beschei­nigt hat­te, dass sich die Schrott­im­mo­bi­lie im Ver­fall befin­det, ver­füg­te das Bau­ord­nungs­amt auf Grund­la­ge der Lan­des­bau­ord­nung den Abriss des Hau­ses. Damit sind die Eigen­tü­mer nun beschäftigt.

Ein Novum für die Stadt­ver­wal­tung, der es mit ihrem kon­se­quen­ten Vor­ge­hen so das ers­te Mal gelun­gen ist, den Abriss einer Schrott­im­mo­bi­lie ohne den Ein­satz öffent­li­cher Gel­der her­bei­zu­füh­ren. Nun ist der Abbruch, der mit Rück­sicht auf das Gäs­te­haus Alba­tros in Hand­ar­beit erfolg­te, nahe­zu been­det. Der Geschäfts­füh­rer des Gäs­te­hau­ses ist dar­über sehr froh.
Quel­len:
Chris­ti­an Hes­ke: Der fau­le Zahn des Quar­tiers, Sonn­tags­jour­nal vom 29.6.2013
Chris­ti­an Hes­ke: Fau­ler Zahn wird gezo­gen, Sonn­tags­jour­nal vom 29.3.2015

Deutsch-Französischer Stammtisch streift durch die Geschichte

Seit dem Jah­re 2007 tref­fen sie sich jeden ers­ten Mitt­woch im Monat im Restau­rant “La Ciga­le” in der Goe­the­stra­ße 31 in Lehe und plau­dern sin­gen und genie­ßen den Abend.  Am Deutsch-Fran­zö­si­schen Stamm­tisch, von dem hier die Rede ist, wird natür­lich flie­ßen Fran­zö­sisch gesprochen.

Deutsch-Französischer Stammtisch

Vom Pfäl­zi­schen Erb­fol­ge­krieg bis zum Zwei­ten Welt­krieg — Deut­sche und Fran­zo­sen führ­ten seit Jahr­hun­der­ten Krieg gegen­ein­an­der. Erst mit dem Ély­sée-Ver­trag aus dem Jahre1963 soll­te die “Erb­feind­schaft” end­lich been­det wer­den. Und das, was da einst vom deut­schen Bun­des­kanz­ler Kon­rad Ade­nau­er und vom fran­zö­si­schen Staats­prä­si­den­ten Charles de Gaul­le unter­zeich­net wur­de, hat Bestand. 70 Jah­re ohne Krieg ließ aus den eins­ti­gen Erb­fein­den Freun­de werden.

Quartiermeisterei Lehe

Am Sonn­abend, 13. Juni 2015, will der Deutsch-Fran­zö­si­sche Stamm­tisch in der Lan­gen Nacht der Kul­tur mit his­to­ri­schen Bil­dern und Lie­dern den “Lan­gen Weg zum Frie­den zwi­schen Frank­reich und Deutsch­land” von 1789 bis heu­te prä­sen­tie­ren. Die Prä­sen­ta­ti­on fin­det von 18.30 bis 20 Uhr in der Quar­tiers­meis­te­rei in der Uhland­stra­ße 28 in Bre­mer­ha­ven statt.
Quel­le:
Ulrich Mül­ler: “Der lan­ge Weg zum Frie­den”, Nord­see-Zei­tung vom 28.5.2015

Stadtarchiv informiert über “Persilscheine” von der Entnazifizierungsstelle

Der Begriff des “Per­sil­scheins“, mit dem sich mut­maß­li­che natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Straf­tä­ter durch die Aus­sa­gen von Ent­las­tungs­zeu­gen „rein waschen“ konn­ten, ist noch heu­te in der kol­lek­ti­ven Erin­ne­rung ver­an­kert und wird mit dem Pro­zess der Ent­na­zi­fi­zie­rung verknüpft.

Entnazifizierung

Doch wie lief die­ses Ver­fah­ren eigent­lich ab? Und konn­te man damals all­ge­mein gül­ti­ge Ant­wor­ten auf der Suche nach der Schuld der ein­zel­nen Bür­ger fin­den? Fra­gen, die auch heu­te noch aktu­ell sein können.

Die Ent­na­zi­fi­zie­rung in Weser­mün­de und Bre­mer­ha­ven“ – so lau­tet der Titel des Work­shops, der einen Ein­blick in den Pro­zess der Ent­na­zi­fi­zie­rung in Weser­mün­de und Bre­mer­ha­ven geben soll. Anhand von Bei­spie­len aus Bre­mer­ha­ve­ner und Bre­mer Akten kön­nen die Teil­neh­mer des Work­shops, zu dem das Bre­mer­ha­ve­ner Stadt­ar­chiv am 1. Juli 2015 ein­lädt, den Gang der Ent­na­zi­fi­zie­rung  nach­voll­zie­hen und dabei ein wich­ti­ges Stück Bre­mer­ha­ve­ner Nach­kriegs­ge­schich­te erleben.

Jeder Deut­sche über 18 Jah­ren muss­te nach dem Gesetz zur Befrei­ung vom Natio­nal­so­zia­lis­mus und Mili­ta­ris­mus einen Fra­ge­bo­gen aus­fül­len. Die Lei­te­rin des Bre­mer­ha­ve­ner Stadt­ar­chivs, Frau Dr. Julia Kah­layß, beschreibt in der Nord­see-Zei­tung die dama­li­ge Vor­ge­hens­wei­se: “Falls bei einer ers­ten Über­prü­fung nichts gefun­den wur­de, wur­de ein ‚Nicht­be­trof­fe­nen­be­scheid‘ aus­ge­stellt. Die Betrof­fe­nen wur­den in die Kate­go­rien Haupt­schul­di­ge, Belas­te­te, Min­der­be­las­te­te, Mit­läu­fer und Ent­las­te­te ein­ge­teilt, und die Anga­ben anschlie­ßend durch die Spruch­kam­mern überprüft.

Die heu­te 87-Jäh­ri­ge Wal­traut Sch. hat von 1947 bis 1948 Ent­na­zi­fi­zie­rungs­bü­ro gear­bei­tet und soge­nann­te Nicht­be­trof­fe­nen­be­schei­de aus­ge­stellt. Für die Nord­see-Zei­tung erin­nert sie sich: Wir haben in der Geschäfts­stel­le der Spruch­kam­mer die Lis­ten durch­ge­ar­bei­tet und die Beschei­de für die Bür­ger aus­ge­stellt, die von dem Gesetz nicht betrof­fen waren“.

Die Spruch­kam­mern sol­len Mit­te 1948 auf­ge­löst wor­den sein.
Quel­le:
Nord­see-Zei­tung vom 09.06.2015

10 000 Nachkriegsfotos für das Historische Museum Bremerhaven

Das His­to­ri­sche Muse­um Bre­mer­ha­ven hat im letz­ten Jahr den foto­gra­fi­schen Nach­lass des Bre­mer­ha­ve­ner Repor­ters und Pres­se­fo­to­gra­fen Georg Rog­ge (1910 Dort­mund — 1975 Bre­mer­ha­ven) erhal­ten. Die Stif­tung umfasst sei­ne kom­plet­te Foto­aus­rüs­tung sowie sein Foto­ar­chiv, bestehend aus 7500 Nega­ti­ven und 2500 Fotoabzügen.

Hochhaus | Historische Museum Bremerhaven

Mit die­ser Samm­lung hat unser Muse­um das visu­el­le Gedächt­nis der Nach­kriegs­zeit erhal­ten. Es han­delt sich um eine ein­ma­li­ge Doku­men­ta­ti­on der Geschich­te Bre­mer­ha­vens und Nord­deutsch­lands von 1945 bis 1960 sowie der Anfän­ge der Pres­se­ge­schich­te nach dem Zwei­ten Welt­krieg“, resü­miert Muse­ums­di­rek­to­rin Dr. Anja Ben­scheidt, die den Nach­lass aus Fami­li­en­be­sitz ent­ge­gen­ge­nom­men hat. Rog­ges Ehe­frau Ger­trud hat­te die Samm­lung ihres Man­nes nach sei­nem Tod auf­be­wahrt.
Georg Rog­ge kam als Auto­di­dakt zum Jour­na­lis­mus und zur Foto­gra­fie. Den gebür­ti­gen Dort­mun­der zog Ende der 1920er Jah­re die See­fahrt nach Bre­mer­ha­ven, und hier schlug er Wur­zeln. Nach Ende des Zwei­ten Welt­kriegs, den er als Sol­dat in Däne­mark ver­brach­te, fand Rog­ge eine Anstel­lung bei den ame­ri­ka­ni­schen Streit­kräf­ten. Par­al­lel dazu begann sei­ne jour­na­lis­ti­sche Tätig­keit, ab 1947 als Lokal­re­dak­teur und Chef­re­por­ter bei der Nord­see-Zei­tung, die seit Sep­tem­ber wie­der erschei­nen durf­te. Der dama­li­ge Chef­re­dak­teur Wal­ter Gong lob­te Rog­ges Prä­zi­si­on und sei­ne „Nase“ für tages­ak­tu­el­le Din­ge, die manch einer nie­mals erwer­ben wür­de. Ein wei­te­rer Plus­punkt für Rog­ge war sei­ne pro­fes­sio­nel­le Kame­ra­aus­rüs­tung und sein eige­nes Foto­la­bor zu Hau­se, bei­des kei­ne Selbst­ver­ständ­lich­keit in der Nach­kriegs­zeit. So war Georg Rog­ge mit sei­ner Kame­ra und sei­nem BMW-Cabrio als „rasen­der Repor­ter“ bekannt, der über­all schnell vor Ort war.

Eisenhower in Bremerhaven

Rog­ge berich­te­te in Wort und Bild über hoch­ran­gi­ge Poli­ti­ker­be­su­che, Film­stars, Schiffs­an­künf­te, Sta­pel­läu­fe, Fes­te, Sport­ver­an­stal­tun­gen und vie­les mehr. Über­re­gio­na­le Beach­tung fan­den bei­spiels­wei­se sei­ne Bericht­erstat­tun­gen zur Spren­gung, Beset­zung und Befrei­ung Hel­go­lands 1947 bis 1952 oder zur Blink-Affä­re 1954. Dane­ben doku­men­tier­te er aber auch foto­gra­fisch die Kriegs­zer­stö­run­gen und den Wie­der­auf­bau der Stadt.
Mit der kon­ser­va­to­ri­schen Siche­rung und der wis­sen­schaft­li­chen Auf­ar­bei­tung der Stif­tung beschäf­tigt sich das Muse­ums­team bereits seit Som­mer letz­ten Jah­res. „Jedes Foto erzählt eine Geschich­te, die wir zu ent­schlüs­seln ver­su­chen. Dafür sind teil­wei­se inten­si­ve Recher­chen not­wen­dig“, erzählt Dr. Anja Benscheidt.

Ab 27. Juni 2015 wer­den eine Aus­wahl der Fotos und die Foto­aus­rüs­tung in einer Son­der­aus­stel­lung mit dem Titel „Die Nach­kriegs­zeit auf Bre­mer­ha­ve­ner Pres­se­fo­tos“ im His­to­ri­schen Muse­um Bre­mer­ha­ven zu sehen sein.
Quel­le:
Pres­se­no­tiz vom 21.05.2015 | His­to­ri­sches Muse­um Bremerhaven

Café National – einst das vornehmste Café an der Unterweser

Lieb­ha­ber des Bre­mer­ha­ve­ner Tra­di­ti­ons­ca­fé Natio­nal konn­ten es nicht län­ger ertra­gen, dass das Café mehr als zwei Jah­re leer stand. Sie schlos­sen sich zu einer Betriebs­ge­sell­schaft zusam­men, moder­ni­sier­ten die Ein­rich­tung und eröff­ne­ten das Café am 19. Mai 2015 wieder. 

Café National

Man schrieb das Jahr 1874. Auf dem Grund­stück an der nörd­li­chen Ecke der Lloyd­stra­ße zur Bür­ger­meis­ter-Smidt-Stra­ße stand ein Wohn­haus mit einem Tabak­la­den im Erd­ge­schoss. Erst mit der Bebau­ung des benach­bar­ten Grund­stü­ckes Lloyd­stra­ße 38 wur­de der Grund­stein für den Beginn der Gas­tro­no­mie an die­ser Ecke gelegt. Her­mann Kap­pen­burg ver­ei­nig­te näm­lich 1898 bei­de Gebäu­de und ver­pach­te­te sie.

Damit begann das “Zeit­al­ter” des Café Natio­nal, das eine gro­ße Zeit vor sich haben soll­te. Ein A. Eulen­stein ließ die Häu­ser im Jah­re 1904 von der Leher Bau­fir­ma Kist­ner zu einem zwei­ge­schos­si­gen Jugend­stilgebäu­de aus­bau­en und mit einem Kon­zert­saal, einer gro­ßen Gale­rie und einem Bal­kon versehen. 

Café National

Als nach meh­re­ren Eigen­tü­mer­wech­sel Ende der 1930er Jah­re Rudolf Wede­mey­er das Café Natio­nal erwarb, war die Zeit des Jugend­stils schon lan­ge vor­bei, und so ließ er die Jugend­stil­fas­sa­de ent­fer­nen. Wie soviel ande­re Bre­mer­ha­ve­ner Gebäu­de über­leb­te auch das Café Natio­nal den Luft­an­griff vom 18. Sep­tem­ber 1944 nicht. Den­noch war es nicht das Ende des Tra­di­ti­ons­ca­fés: 1955 kauf­te Josef Voß­hans das Grund­stück und bau­te das Café wie­der auf.

Café National

Für die Bre­mer­ha­ve­ner war das Café Natio­nal schon immer ein belieb­ter Treff­punkt. Wer im Archiv der Nord­see-Zei­tung blät­tert, wird über­rascht sein, wie viel Lieb­schaf­ten hier began­nen – und heu­te noch bestehen.

Carl Fried­rich etwa lern­te vor dem Ers­ten Welt­krieg sei­ne Bäckers­toch­ter Emma bei einem Schö­ne-Bei­ne-Wett­be­werb im Café Natio­nal ken­nen und lud sie zu einer Tas­se Kaf­fee ein. Die zwei­te Tas­se Kaf­fee muss­te sie zwar selbst bezah­len, den­noch wur­de geheiratet.

Café National

Und im Juli 1944 hat sich die Säug­lings­schwes­ter Ella aus dem St.-Josef-Hospital mit ihrer Freun­din ins Café Natio­nal auf­ge­macht. Das Lokal war voll, aber an einem Tisch waren noch zwei Plät­ze frei. An dem Tisch saßen zwei Mari­ne­sol­da­ten – einer hieß Niko­laus, der Ella einen Monat nach dem Luft­an­griff zur Frau nahm und mit ihr im Jah­re 2004 Dia­man­ten­hoch­zeit fei­ern konnte.

Die Jugend ging damals ger­ne ins Café Natio­nal, hier hat­te man die Mög­lich­keit, ein Mädel ken­nen­zu­ler­nen. Auch der Mari­ne­sol­dat Fried­rich lern­te 1942 sei­ne Loui­se 1942 hier ken­nen und hei­ra­te­te sie zwei Jah­re später.

Es war eine ande­re Zeit damals. Ein Mäd­chen ein­fach auf der Stra­ße anspre­chen, das ging gar nicht. Aber Matro­se Huber­tus hat sich im kal­ten Win­ter 1943 bis über bei­de Ohren in sei­ne Milch­ver­käu­fe­rin Lisa ver­liebt und sie vorm Café Natio­nal ange­spro­chen, um sie  zu einem wär­men­den Getränk ein­zu­la­den. 1943 wur­de in der Kreuz­kir­che gehei­ra­tet und im Jah­re 2008 die Eiser­ne Hoch­zeit gefeiert.

Das Archiv der Nord­see-Zei­tung ist voll von Lie­bes­ge­schich­ten, die im Café Natio­nal ihren Anfang nah­men. Auch in den 1950er Jah­ren, nach­dem das Café wie­der auf­ge­baut war, lern­ten sich hier vie­le “Hei­rats­wil­li­ge” ken­nen. Jür­gen etwa hat bei Irm­traud einen guten Ein­druck hin­ter­las­sen, als sich die bei­den im Jah­re 1963 im Café Natio­nal das ers­te Mal begeg­ne­ten. Als sie ihm im Jah­re 1965 das Jawort gab, hol­te er sie in einem wei­ßen Zwei­spän­ner ab.

Café National

Im Jah­re 2003 über­nahm das Ehe­paar Manue­la und Hei­ko Blanck das Tra­di­ti­ons­ca­fé. Im Win­ter stell­te der Kon­di­tor­meis­ter sei­ne belieb­ten Sah­ne­tor­ten mit Scho­ko­la­de oder Mar­zi­pan her. Beson­ders nach­ge­fragt wur­de die so lecke­re “Him­mels­tor­te”, ein kuli­na­ri­scher Genuss aus Sah­ne, Zimt und Man­deln. Im Som­mer wur­de Fruch­ti­ges ser­viert: Gebäck-Krea­tio­nen mit Oran­gen, Kir­schen, Sta­chel­bee­ren oder Rhabarber.

Ger­ne wur­den die Lecke­rei­en in der ers­ten Eta­ge ver­zehrt. Aus dem run­den “Bal­kon” konn­te man so schön das Gesche­hen in der Fuß­gän­ger­zo­ne beob­ach­ten. Aber dann wur­de in Gast­stät­ten und Restau­rants das Rau­chen ver­bo­ten. Und die ver­kehrs­rei­che Kreu­zung erlaub­te kei­ne Bewir­tung drau­ßen vor dem Lokal. Trotz der lecke­ren Tor­ten und des guten Früh­stück­an­ge­bo­tes blie­ben nun immer mehr Stamm­gäs­te weg. Am 18. Dezem­ber 2011 schloss Ehe­paar Blanck das his­to­ri­sche Café im Erd­ge­schoss des sie­ben­ge­schos­si­gen Gebäu­des Lloyd­stra­ße 34 für immer ab.

Café National

Aber nach einem hal­ben Jahr Leer­stand kamen Olga und Ner­min Sablji­ca und schlos­sen das Café am 6. Juni 2012 wie­der auf. Und der Eigen­tü­mer tat alles für eine erfolg­rei­che Ent­wick­lung. An dem vom Bre­mer­ha­ve­ner Archi­tek­ten Josef Voß­hans erbau­ten Gebäu­de ließ er die Fas­sa­de mit dem rund­um­lau­fen­den Fens­ter­vor­bau ori­gi­nal­ge­treu sanie­ren.  Außer­dem beauf­trag­te er ein Spe­zi­al­un­ter­neh­men damit, den alten Neon­schrift­zug zu erneuern.

Und Olga Sablji­ca stürz­te sich mit Enga­ge­ment in ihre neue Auf­ga­be. Zehn Mit­ar­bei­ter, aus­schließ­lich gut geschul­tes Fach­per­so­nal, hat­te sie für die Bewir­tung ihrer Gäs­te ein­ge­plant. Zunächst star­te­te sie mit “gro­ßem Enthu­si­as­mus und fünf Voll­zeit­kräf­ten”, um “das ältes­te Café der Stadt zur neu­en Blü­te zu brin­gen”. Ein Kon­di­tor­meis­ter bekam die Auf­ga­be, dem guten Ruf als “Tor­ten­pa­ra­dies” gerecht zu wer­den. Elsäs­ser Flamm­ku­chen, Crê­pes und eine Wein­kar­te soll­ten zusätz­li­che Gäs­te anlocken.

Café National

Aber schnell war die Eupho­rie der ers­ten Tage ver­flo­gen, Rea­li­tät mach­te sich breit. Das Som­mer­ge­schäft brach­te nicht die erhoff­ten Umsät­ze, und auch das schlech­te Herbst­ge­schäft trieb Olga Sablji­ca abends bei der Abrech­nung oft­mals die Trä­nen in die Augen. Eine schein­ba­re Umsatz­wen­de im Win­ter mit sehr guten Besu­cher­zah­len und vie­len Stamm­gäs­ten konn­te das Schick­sal des Café Natio­nal nicht abwen­den. Bereits acht Mona­te nach der Neu­eröff­nung ver­ließ auch Olga Sablji­ca das denk­mal­ge­schüt­ze Café und zog ein letz­tes Mal die Tür hin­ter sich zu.

Aus für die gepfleg­te Kaf­fee­haus­kul­tur”, schrieb die Nord­see-Zei­tung dar­auf­hin resi­gniert am 19. Janu­ar 2013. Und der Deich­SPIE­GEL frag­te am glei­chen Tag: “Wo soll man nun sei­nen tra­di­tio­nell gefil­ter­ten Kaf­fee trinken?”

Café National

Ist die alte Kaf­fee­haus­kul­tur tot? Wird der einst­mals von unse­ren Groß­el­tern und Urgroß­el­tern so kost­ba­re und geschätz­te Fil­ter­kaf­fee nur noch als “Lat­te” oder als “cofee to go” in bil­li­gen Papp­be­chern aus­ge­schenkt und schnell über den The­re­sen gereicht, um ihn im Vor­über­ge­hen zu trinken?

Heu­ti­ge Cafés haben mit der Atmo­sphä­re frü­he­rer Kaf­fee­häu­ser nichts gemein­sam, der dama­li­ge Zeit­geist ist längst ver­flo­gen. Nie­mand betritt mehr ein Café, um sich für wenig Geld auf­zu­wär­men. Nie­mand mehr sucht hier einen Dis­kus­si­ons­part­ner, um mit ihm über die Unge­rech­tig­kei­ten die­ser Welt zu diskutieren.

Gesprä­che wer­den längst über Face­book und Co. geführt – auch in Cafés. Zwar trifft man hier auch heu­te noch die schlau­en und ach so gebil­de­ten Leu­te an – auf unbe­que­men Sche­meln kau­ernd schie­ben sie ihre Muf­fins in sich hin­ein, ja nicht den Blick von ihrem smart­phone, ipho­ne oder tablet neh­mend. Ich fin­de, Boris Pofalla trifft den Nagel auf den Kopf, wenn er im “Cice­ro” so tref­fend schreibt: “Aus einer Ver­wahr­stel­le für Intel­lek­tu­el­le und Bohe­mi­ens sind Aqua­ri­en für digi­ta­le Autis­ten gewor­den.” Und ein paar Absät­ze wei­ter stellt er fest: “Euro­pas Geis­tes­ge­schich­te ist aber nicht denk­bar ohne den besin­nungs­lo­sen Miss­brauch von Kof­fe­in, vom 17. Jahr­hun­dert an bis in die Gegenwart.”

Café National

Nach die­sem klei­nen Exkurs über das Damals und Heu­te nun aber wie­der zurück zu unse­rem Café Natio­nal. Wie ich ein­gangs bereits schrieb, gibt es in Bre­mer­ha­ven eine Hand­voll Lokal­pa­trio­ten, die den alten Treff­punkt Tra­di­ti­ons­ca­fé wie­der­be­le­ben wol­len. Aller­dings wol­len sie das bis­he­ri­ge Kon­zept, mit dem bereits die Vor­päch­ter geschei­tert sind, fort­füh­ren: Mor­gens wird eine klei­ne Früh­stücks­kar­te mit selbst gemach­ten Mar­me­la­den, Cup Cakes und Muf­fins ange­bo­ten. Die Bröt­chen stam­men nicht vom Bäcker son­dern aus der Tief­kühl­tru­he. Ich has­se lang­wei­li­ge Auf­back­bröt­chen. Ich mag sie ein­fach nicht, die­se krü­me­li­gen luft­ge­füll­ten Teig­hül­len, die nach nichts schmecken.

Café National

Mit­tags kann man aus ver­schie­de­nen Sala­ten wäh­len oder eine Sup­pe oder eine Piz­za ordern. Nach­mit­tags füllt man sich den bauch dann mit Flamm­ku­chen, Bruschet­ta und Oli­ven. Mei­ne Güte, wie gäh­nend lang­wei­lig. Und das die gelern­te Patis­siè­re schon mal für Star­koch Eck­art Wit­zig­mann Fein­ge­bäck her­ge­stellt haben soll, das haut mich auch nicht vom Hocker und macht mich ganz gewiss nicht neu­gie­rig auf das Café. Aber Lesun­gen, Rezi­ta­tio­nen, Kaba­rett, Chan­sons…, so machen es ande­re längst erfolg­reich vor, so wür­de auch ich neu­gie­rig wer­den. Und da ich mir an einem Sams­tag Nach­mit­tag nichts Schö­ne­res vor­stel­len kann, als einen guten Kaf­fee trin­ken zu gehen, wür­de ich bestimmt ganz vor­ne in der Schlan­ge stehen.

Café National

Toll fin­de ich, dass ein Kaf­fee eines alt­ehr­wür­di­gen Unter­neh­mens zum Aus­schank kommt. Die Juli­us-Meinl AG, gegrün­det im Jah­re 1862, bürg­te schon in der k.u.k. Mon­ar­chie für Qua­li­tät. Aber bit­te, lie­bes Natio­nal-Team, brüht den Kaf­fee nach her­kömm­li­cher Art auf, und fil­tert ihn.

Ja, ich weiß, bei Fil­ter­kaf­fee denkt man unwill­kür­lich Häkel­deck­chen und Wür­fel­zu­cker und an die Besu­che bei Oma oder bei Schwie­ger­mut­ter, bei denen der Fil­ter­kaf­fee tief­schwarz die Kan­ne ver­ließ und, kaum getrun­ken, den Magen mit Sod­bren­nen mal­trä­tier­te. Aber wenn man einen frisch gemah­le­nen Meinl-Kaf­fee mit nicht mehr kochen­dem Was­ser auf­brüht, rückt der Kaf­fee sei­ne köst­li­chen Inhalts­stof­fe raus und ent­fal­tet ein unver­gess­li­ches Aroma.

Café National

Ach, ich mer­ke es, ich schwei­fe schon wie­der ab. Also retour ins Café Natio­nal. Da kann man sich per Fahr­stuhl in den ers­ten Stock beför­dern las­sen. Eine tol­le Sache für geh­be­hin­der­te Men­schen, die auch mal ger­ne auf die Köp­fe der Bre­mer­ha­ve­ner Bür­ger schau­en möchten.

Ich wün­sche dem Team vom Café Natio­nal jeden­falls viel Glück und erfolg­rei­che Geschäf­te. In der Nacht vom ver­gan­ge­nen Frei­tag auf Sams­tag hat ein gro­ßer Was­ser­scha­den  Euer frisch sanier­tes Café lahm­ge­legt. Das ist sehr ärger­lich, auch wenn Ihr gegen sol­che Ele­men­tar­schä­den ent­spre­chend ver­si­chert seid. Aber ich bin sicher, die­se “klei­ne Stö­rung” wird Euch zwar brem­sen, aber sie wird Euch nicht auf­hal­ten. 
Quel­len:
Nord­see-Zei­tung vom 9.10.2004:  Die Hei­rat war mein Lebens­ret­ter
Nord­see-Zei­tung vom 21.10.2004:  Reden als Rezept für 60 Jah­re Lie­be
Nord­see-Zei­tung vom 4.11.2004: Vor­nehms­tes Café der Unter­we­ser­or­te
Nord­see-Zei­tung vom 2.2.2007: Ein Stück Paris in Bre­mer­ha­ven
Nord­see-Zei­tung vom 3.7.2008: Ange­quatscht, lieb gehabt, durch­ge­hal­ten
Nord­see-Zei­tung vom 9.12.2011: Lie­be erkal­tet. Café Natio­nal schließt
Nord­see-Zei­tung vom 30.5.2012: Neu­es Leben im Natio­nal
Nord­see-Zei­tung vom 19.1.2013: Aus für die gepfleg­te Kaf­fee­haus­kul­tur
Nord­see-Zei­tung vom 28.9.2013: Die schö­nen Bei­ne waren schuld dar­an
Nord­see-Zei­tung vom 8.4.2015: Bräu­ti­gam fuhr mit der Kut­sche vor
Nord­see-Zei­tung vom 9.5.2015:
Lokal­pa­trio­ten bele­ben das “Café National”

Oldtimerfahrzeuge aus ganz Europa in Bockhorn

Für die Old­ti­mer­freun­de in Deutsch­land und den euro­päi­schen Nach­bar­län­dern gibt es am Wochen­en­de vom 12. bis 14. Juni nur ein Ziel, denn Fries­land wird dann zur euro­päi­schen Kult­stät­te klas­si­scher Fahrzeuge:

 Der 34. Bock­hor­ner Old­ti­mer­markt.

Oldtimermarkt in Bockhorn

Auf 150.000 Qua­drat­me­tern tref­fen sich über 5.000 Old­ti­mer­fahr­zeu­ge, von der Nobel­ka­ros­se über den Klein­wa­gen bis zu ras­si­gen Sport­wa­gen und klas­si­schen Motor­rä­dern. Auch Nutz­fahr­zeu­ge und Trak­to­ren sind in gro­ßer Zahl vertreten. 

Oldtimermarkt in Bockhorn

Beim Bum­mel über das Park­ge­län­de fin­det der Besu­cher vie­le Klas­si­ker, wie sie in die­ser gro­ßen Zahl nir­gends anzu­tref­fen sind. Fach­kun­di­ge Infos geben die Fahr­zeug­hal­ter gern, sodass der wei­te­re Weg – viel­leicht zum eige­nen fahr­ba­ren Schätz­chen — über den Auto­markt­platz füh­ren kann. 

Oldtimermarkt in Bockhorn

Hier wer­den Träu­me Wirk­lich­keit, sowohl in fahr­be­rei­tem Zustand mit TÜV-Segen, als auch zur End­mon­ta­ge in der hei­mi­schen Gara­ge. Prak­tisch, denn pas­sen­des Zube­hör gibt’s gleich neben­an auf dem Teilemarkt. 

Oldtimermarkt in Bockhorn

Old­ti­mer in Akti­on zeigt die „Fries­land-Ral­lye“ am Sonn­tag, den 14. Juni, ab 9.30 Uhr. Hier bie­tet sich den Besu­chern die ein­ma­li­ge Gele­gen­heit, über 100 Old­ti­mer­fahr­zeu­ge zu sehen, wäh­rend die Ham­bur­ger Ral­lye-Legen­de Uwe Quent­mei­er sein Insi­der­wis­sen preis gibt. Die­se Mischung aus Klas­si­ker­tref­fen, Tei­le­markt und Ral­lye ist in der Sze­ne ein­zig­ar­tig und macht den „Markt im Nor­den“ zum „Top-Event“.

Der sonn­täg­li­che Kof­fer­raum­ver­kauf eröff­net Pri­vat­an­bie­tern mit klei­nem Waren­sor­ti­ment eine ein­fa­che Ver­kaufs­mög­lich­keit. Auf die ange­bo­te­nen Schät­ze aus Gara­ge, Kel­ler und Dach­bo­den darf man gespannt sein. 

Beson­de­re Beach­tung ver­dient die dies­jäh­ri­ge Son­der­schau “Car­pe diem – Cést la vie”, ein an allen Tagen statt­fin­den­des gro­ßes Tref­fen von ita­lie­ni­schen und fran­zö­si­schen Fahr­zeu­gen bis Bau­jahr 1980. Der SUNNY SUNDAY lädt am Sonn­tag, den 14. Juni zusätz­lich alle Young­timer­fahr­zeu­ge bis Bau­jahr 1989 zum Tref­fen ein. 

Der Bock­hor­ner Old­ti­mer­markt öff­net am Frei­tag ab 10 Uhr, Sams­tag und Sonn­tag jeweils um 8 Uhr.
Wei­te­re Infor­ma­tio­nen:
bock­hor­ne­rold­ti­mer­markt
Pro­gramm 34. Bock­hor­ner Old­ti­mer­markt (569,5 KiB)

Amerikaner in Bremerhaven — Folge 2

Als bri­ti­sche Trup­pen der 51. High­land Divi­si­on am 7. Mai 1945 Weser­mün­de besetz­ten, fan­den sie eine Stadt vor, die einem rie­si­gen Trüm­mer­hau­fen glich. Und eine Bevöl­ke­rung, die gro­ße Not litt. Die kei­ne Lebens­mit­tel hat­ten und deren Woh­nun­gen durch Luft­an­grif­fe zer­stört wurden.

1945-05-07 Einmarsch britischer Truppen in Wesermünde

Am 29. Mai 1945 brach­te ein ame­ri­ka­ni­scher Kriegs­be­richt­erstat­ter sei­ne ers­ten Ein­drü­cke über von Weser­mün­de zu Papier: “Eine vier­tel Mei­le vom Hafen ist die Stadt gänz­lich dem Erd­bo­den gleich­ge­macht.” Die völ­lig zer­stör­ten Stra­ßen­zü­ge waren nicht mehr wie­der­zu­er­ken­nen. Nur die Hafen­an­la­gen wur­den von den Bom­ben der alli­ier­ten Flug­zeu­ge bewusst ver­schont, weil die US-Trup­pen sie als Nach­schub­ha­fen für die Zeit nach Kriegs­en­de benötigten.

Zwar war Weser­mün­de schon am 15., 18. und 24. Juni 1944 Ziel grö­ße­rer alli­ier­ter Bom­ben­an­grif­fe, bei denen über 1.000 Spreng- und Brand­bom­ben nie­der­gin­gen. Aber ihren Höhe­punkt soll­ten die Luft­an­grif­fe am Abend des 18. Sep­tem­ber 1944 errei­chen. Nur 20 Minu­ten dau­er­te der Bom­ben­an­griff, dann waren der Stadt­teil Weser­mün­de-Mit­te zu 97 Pro­zent zer­stört, Geest­e­mün­de zu 75 Pro­zent und Lehe zu 12 Pro­zent. 2670 Gebäu­de waren völ­lig zer­stört, 369 schwer und 1491 leicht beschä­digt. 618 Per­so­nen ver­lo­ren ihr Leben und 30.000 wur­den obdachlos.

1945-05-12 51. Highland Division in Wesermünde

Mit Beginn der Kapi­tu­la­ti­ons­ver­hand­lun­gen im Haupt­quar­tier Mont­go­me­rys began­nen auch im Raum Weser­mün­de Waf­fen­still­stands­ver­hand­lun­gen. Als am 05. Mai 1945 die Wehr­macht in Nord­west­deutsch­land kapi­tu­lier­te, kehr­te auch in Weser­mün­de end­lich die Waf­fen­ru­he ein. Die Men­schen erkann­ten, dass der Krieg ver­lo­ren war und woll­ten den­noch nicht ohne Hoff­nung blei­ben. So emp­fan­den vie­le den von Dudel­sä­cken beglei­te­ten Ein­marsch der 51. High­land Divi­si­on in Weser­mün­de als Befrei­ung von der Nazi-Dik­ta­tur und auch als Erlö­sung von Flie­ger­alarm und Luft­an­grif­fen und von Tod, Angst und Leid.

1945-05-07 letzte Ausgabe der Nordwestdeutschen Zeitung

Nach Kriegs­en­de ver­bot die Mili­tär­re­gie­rung wei­te­re Aus­ga­ben der Nord­west­deut­schen Zei­tung. Am 7. Mai 1945 erschien die letz­te Aus­ga­be der Nord­west­deut­schen Zei­tung. Die bri­ti­sche Mili­tär­be­hör­de gab eine ers­te “Anord­nung für die Bevöl­ke­rung” bekannt:

1. Mit sofor­ti­ger Wir­kung und bis auf Wider­ruf müs­sen alle Zivil­per­so­nen in den Häu­sern blei­ben. Auf Per­so­nen, die die­sem Befehl zuwi­der han­deln, kann ohne Anruf geschos­sen werden.
2. Nach 24 Stun­den wird  die Zivil­be­völ­ke­rung über etwa­igen Nach­laß die­ses Befehls unter­rich­tet werden.
3. Haus­vor­stän­de müs­sen sofort eine Lis­te mit Vor- und Zuna­men, Geburts­da­tum, Geschlecht und Beschäf­ti­gung aller Haus­ein­woh­ner an ihren Haus­tü­ren anbringen.
4. Eine ähn­li­che Lis­te aller Schuß­waf­fen und Muni­ti­on ist von den Haus­vor­stän­den an ihren Haus­tü­ren anzubringen.
5. Das Ver­ber­gen oder Beher­ber­gen von Ange­hö­ri­gen der deut­schen Streit­kräf­te ist eine straf­ba­re Handlung.
6. Per­so­nen, die die­sen Anord­nun­gen zuwi­der han­deln, kön­nen gericht­lich ver­folgt und nach Schul­dig­erklä­rung zu jeder gesetz­li­chen Stra­fe, ein­schließ­lich Todes­stra­fe, ver­ur­teilt werden.

Gegen 17 Uhr über­gab Ober­bür­ger­meis­ter Deli­us die Ver­wal­tung der Stadt bri­ti­schen Offi­zie­ren. Als kur­ze Zeit spä­ter die Stadt der ame­ri­ka­ni­schen Besat­zungs­zo­ne zuge­teilt wur­de, über­ga­ben die Eng­län­der die Stadt am 12. Mai 1945 mit einer Mili­tär­pa­ra­de an die 29. Divi­si­on der Ame­ri­ka­ner. Fort­an führ­te die ame­ri­ka­ni­sche Mili­tär­re­gie­rung die Ver­wal­tung der Stadt, die den Besat­zern als “Port of Embar­ka­ti­on” die­nen soll­te, um die Ver­sor­gung ihrer haupt­säch­lich in Süd­deutsch­land sta­tio­nier­ten Ver­bän­de über den See­weg abwi­ckeln zu können.

1945-05-12 Victoriamarsch 51. Highland Division in Wesermünde

Die Sol­da­ten bezo­gen die Leher Kaser­nen­ge­bäu­de und die Mari­ne­schu­le. Für ihre Offi­zie­re beschlag­nahm­ten die Ame­ri­ka­ner 680 Weser­mün­der Woh­nun­gen und ver­schärf­ten damit die ohne­hin bereits herr­schen­de Woh­nungs­not, was die Bevöl­ke­rung mit gro­ßem Unver­ständ­nis aufnahm.

Ein Groß­teil der Men­schen, die durch den Bom­ben­an­griff im Sep­tem­ber 1944 obdach­los wur­den, konn­ten nur das ret­ten, was sie am Lei­be tru­gen. Selbst ihre Klei­dung war ver­lo­ren, was in Anbe­tracht des bevor­ste­hen­den Win­ters eine Kata­stro­phe war. Auch an Schu­hen fehl­te es, und vie­le Kin­der muss­ten bar­fuß gehen.

Aber mit den Besat­zern kamen auch die ers­ten “Arbeits­plät­ze” wie­der nach Weser­mün­de. Frau­en began­nen Wäsche für die Ame­ri­ka­ner zu waschen. Wer für Sol­da­ten Dienst­leis­tun­gen erbrach­te, konn­te damit rech­nen, dass er mit einem Dan­ke­schön in Form von Ziga­ret­ten, Scho­ko­la­de oder Sei­fe bedacht wur­de. Alles sehr kost­ba­re Güter: Die­se “Ersatz­wäh­rung” konn­te man in den Dör­fern – oder im Stadt­park — gegen Obst, Gemü­se und ande­re Lebens­mit­tel eintauschen.

1947 Vor dem Marinelazarett

Die Ame­ri­ka­ner waren sehr kin­der­lieb und schenk­ten den Kin­dern stän­dig irgend­wel­che Nasche­rei­en wie Hers­hey-Scho­ko­la­de, Can­dies, But­ter­fin­ger-Rie­gel und Eis­creme. In sei­nem Buch “16 Jah­re – 16 Leben, Die ame­ri­ka­ni­sche Sei­te Bre­mer­ha­vens” beschreibt Mar­co Butz­kus hier­zu eine Erinnerung:

Der Sol­dat… kam nach kur­zer Zeit mit einem geschlos­se­nen Last­wa­gen zurück. Er öff­ne­te den Lade­raum und fing damit an, 5‑Li­ter-Dosen an uns Kin­der zu ver­tei­len, das waren bestimmt zwan­zig Stück und dar­in war Eis­creme. Sobald jedoch eines der Kin­der eine der Dosen hat­te, rann­te es damit zum nächs­ten Haus­ein­gang und klin­gel­te. Die ers­te an der Tür erschei­nen­de Per­son bekam die Dose mit den Wor­ten” Schnell esse – Eis­creme” , in die Hand gedrückt. Der Sol­dat schau­te sich das Trei­ben sehr spar­sam an und frag­te dann, war­um das getan wur­de. Die Kin­der erklär­ten ihm, dass sie das nicht auf­be­wah­ren könn­ten, weil die Deut­schen kei­ne Kühl­schrän­ke hät­ten. Der guck­te völ­lig ent­setzt und frag­te wirk­lich, wie wir ohne Kühl­schrank leben könnten.

1951 Ankunft 28. Infantrie Division in Bremerhaven

Vie­le Kin­der trans­por­tier­ten die gewa­sche­ne Wäsche mit einem Hand­kar­ren an die Sol­da­ten zurück. Auch der damals zehn­jäh­ri­ge Wer­ner Mohr lie­fer­te für sei­ne Mut­ter Wäsche aus. Als ein GI sieht, dass der Jun­ge bar­fuß ist, schenkt er ihm Schuh­creme und gibt ihm den Rat, für die Offi­zie­re Schu­he zu putzen.

Spä­ter beginnt Wer­ner, neben sei­ner Tisch­ler­leh­re als Cad­die auf dem Golf­platz der Sta­ging Area Wed­de­war­den zu arbei­ten. Hier schleppt er die Taschen der Gol­fer über den Platz und sam­melt Golf­bäl­le ein und ver­kauft sie. Er ver­dient gut mit die­ser Arbeit: Gera­de 18 Jah­re alt, lässt er sich für 180 Mark einen Maß­an­zug schnei­dern. Wer­ner Mohr hat vie­le Freund­schaft mit ame­ri­ka­ni­schen Sol­da­ten geschlos­sen. Die meis­ten hat er nach dem Abzug der Ame­ri­ka­ner aus den Augen ver­lo­ren, doch eine Freund­schaft hat die Jahr­zehn­te über­dau­ert – und hält bis heu­te an.

1946 Columbus Kai Bremerhaven

Als in den USA bekannt wur­de, dass in Euro­pa vie­le Men­schen hun­gern müs­sen, grün­de­ten am 27.11.1945 ame­ri­ka­ni­sche Wohl­fahrts­ver­bän­de die Hilfs­or­ga­ni­sa­ti­on CARE, und im August 1946 tra­fen die ers­ten CARE-Pake­te in Weser­mün­de ein. Im Okto­ber 1947 kamen in Bre­mer­ha­ven 12.000 Pake­te von Freun­den, Ver­wand­ten und Bekann­ten per Schiff an und ver­sorg­ten ihre Emp­fän­ger mit Kon­ser­ven, Milch­pul­ver, Süßig­kei­ten und Bekleidung.

Für vie­le Kin­der war die von den Ame­ri­ka­nern geför­der­te “Schul­spei­sung” die ein­zi­ge war­me Mahl­zeit am Tag. Für das ers­te Weih­nachts­fest nach dem Krie­ge haben haben sich die Ame­ri­ka­ner etwas Beson­de­res aus­ge­dacht: Etwa 800 Schul­kin­der wur­den zu einer Fei­er ein­ge­la­den und beschenkt. Wer­ner Mohr konn­te ein dickes kana­di­sches Woll­hemd aus­pa­cken. In der Hemd­ta­sche fand er einen Zet­tel mit der Anschrift des Absen­ders aus Illi­nois. Es ent­wi­ckel­te sich eine enge lang­jäh­ri­ge Brieffreundschaft.

Kasernengelaende

Mit der Ankunft der Ame­ri­ka­ner ging es hier wie­der Stück für Stück berg­auf“, erwähn­te eine heu­te 82-Jäh­ri­ge, die in ihrem CARE-Paket schwar­ze Lack­schu­he für ihre Kon­fir­ma­ti­on fand, gegen­über de Nordsee-Zeitung.
Quel­len:
Mar­ti­na Albert: Vom Wäsche­jun­gen bis zum…, Nord­see-Zei­tung vom 10.3.2015
Mar­ti­na Albert: Neu­an­fang in einer zer­stör­ten Stadt,
Nord­see-Ztg. vom 9.1.2015
Har­ry Gab­cke: Bre­mer­ha­ven in zwei Jahr­hun­der­ten , 1919 – 1947, Sei­te 133+134
Mar­co Butz­kus:
16 Jahre–16 Leben, Die ame­ri­ka­ni­sche Sei­te Bre­mer­hav, Sei­te 16
www.schuenemann-verlag.de
www.usarmygermany.com
www.wikipedia.org

Film über das Kriegsende 1945 im Historischen Museum Bremerhaven

Kul­tur­bü­ro Bre­mer­ha­ven zeigt Film über das 
Kriegs­en­de in Bre­mer­ha­ven 1945

Am 8. Mai 2015 jährt sich zum 70. Mal der Jah­res­tag der Befrei­ung von der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Gewalt­herr­schaft. Zu die­sem Anlass ver­öf­fent­licht das Kul­tur­bü­ro Bre­mer­ha­ven eine neue DVD-Pro­duk­ti­on aus der Rei­he “Bre­mer­ha­ve­ner Bil­der­ge­dächt­nis”. Der Titel: Die Begeg­nung mit dem Feind — Kriegs­en­de in Bre­mer­ha­ven 1945.

Kriegsende 1945

Sie waren obrig­keits­hö­rig, unter­wür­fig, büro­kra­tisch, hoff­nungs­los und vol­ler Selbst­mit­leid – so erin­ner­te sich ein ehe­ma­li­ger ame­ri­ka­ni­scher Offi­zier an sei­ne ers­ten Kon­tak­te mit den Deut­schen, als er gegen Ende des Zwei­ten Welt­krie­ges mit sei­nen Kame­ra­den erst­mals die Gren­zen zum Deut­schen Reich überschritt.

Kriegsende 1945

Und wie wur­de das Kriegs­en­de in Bre­mer­ha­ven erlebt? Dar­über geben in dem Film vier Bre­mer­ha­ve­ner Zeit­zeu­gen, die das Kriegs­en­de in Bre­mer­ha­ven erlebt haben, Aus­kunft. Auch zwei ehe­ma­li­ge bri­ti­sche Sol­da­ten, die die Stadt am 7. Mai 1945 ein­ge­nom­men haben, kom­men zu Wort.

Die Mul­ti­me­dia-DVD ent­hält zusätz­lich his­to­ri­sche Film­aus­schnit­te, Fotos und Doku­men­te. Die Pro­duk­ti­on der DVD wur­de unter ande­rem durch das Stadt­ar­chiv Bre­mer­ha­ven, die Stadt­bild­stel­le Bre­mer­ha­ven und durch die Weser-Elbe-Spar­kas­se unterstützt.
Pre­mie­re­vor­füh­rung:
Sonn­tag, den 10. Mai 2015 | 10.30 Uhr
His­to­ri­sches Muse­um, An der Geeste 
Ein­tritt frei. Begrenz­te Platzzahl.

Kino­vor­füh­rung mit Ein­füh­rung und Gespräch: 
Diens­tag, 19. Mai 2015 | 18 Uhr im Cinemotion 
Kul­tur­bü­ro Bre­mer­ha­ven in Ver­bin­dung mit dem Kom­mu­na­len Kino.
Kar­ten: Tel. 0471/1428920

DVD-Edi­ti­on
Ab 19.05.2015
Die DVD „Die Begeg­nung mit dem Feind“  ist im Buch­han­del zu erhalten.