220. Geburtstag Samuel Timotheus Thorer

Die Monats­zeit­schrift Stadt­BILD hat in ihrer Aus­ga­be Nr.  142 vom April 2015 zum 220. Geburts­tag des Gör­lit­zer Arz­tes und Autors Samu­el Timo­theus Thorer einen Auf­satz von Herrn Wolf­gang Stil­ler veröffentlicht:

220. Geburtstag Samuel Timotheus Thorer

Samu­el Fürch­te­gott Timo­theus Thorer, prak­ti­scher Arzt, Ope­ra­teur, Geburts­hel­fer, Homöo­path und Sekre­tär, spä­ter Mit­ar­bei­ter der Ober­lau­sit­zi­schen Gesell­schaft der Wis­sen­schaf­ten, wur­de am 25.4.1795 in Gör­litz als Sohn des Kürsch­ner­meis­ters Karl Hein­rich Thorer (24.8.1758 Gör­litz — 25.4.1833 Gör­litz) und des­sen Gat­tin Eleo­no­re Sophie geb. Schüß­ler geboren.

220. Geburtstag Samuel Timotheus Thorer

Er besuch­te das Gym­na­si­um in Gör­litz und nahm 1815 in Leip­zig das Medi­zin­stu­di­um auf. Sei­ne wich­tigs­ten Leh­rer waren Plat­ner, Hein­roth und Wendt. Er besuch­te Vor­le­sun­gen in Phi­lo­so­phie, Ana­to­mie, Botanik,Zoologie und Mine­ra­lo­gie, hat­te Vor­le­sun­gen in Che­mie und Phy­sik, Pharmakologie,Therapie, Chir­ur­gie und Gebur­ten­hil­fe besucht. Bei Hein­roth besuch­te er Vor­trä­ge über phy­si­ka­li­sche Krankheiten.

Ende 1817 ging er nach Ber­lin und absol­vier­te sein wei­te­res Stu­di­um bei so berühm­ten Medi­zi­nern wie Hufe­land, Horn und Sie­bold. In Ber­lin leg­te er das medi­zi­nisch-chir­ur­gi­sche Examen ab und wur­de am 18.9.1818 Dok­tor mit der Dis­ser­ta­ti­on “de abortu”.

Im Som­mer 1819 nach Able­gen des Staats­examens kam er erneut nach Gör­litz und ließ sich  als prak­ti­scher Arzt, Ope­ra­teur und Geburts­hel­fer nie­der. Sei­ne beson­de­re Nei­gung hat­te die Homöo­pa­thie, mit der er sich ernst­haft und tief­grün­dig gemein­sam mit dem Wund­arzt Schul­ze zu Gru­na beschäf­tig­te. Gemein­sam mit wei­te­ren Ärz­ten grün­de­te er 1832 den Ver­ein der Homöo­pa­thie der Ober­lau­sitz und Nie­der­schle­si­ens, des­sen Ver­eins­vor­sit­zen­der Thorer war. Die­sem gehör­ten unter ande­ren an: Dr. Mül­ler, Lie­gnitz; Dr. Schind­ler, Grei­fen­berg; Engel­hard aus Löbau, Fieiik in Lau­ban, Neu­mann aus Glo­gau, Schu­bert aus Hirsch­berg, Weigel aus Schmie­de­berg, Rück­ert aus Herrn­hut, Tiet­ze und Ger­na aus Ebers­bach bei Löbau und Schul­ze zu Gruna.

220. Geburtstag Samuel Timotheus Thorer

Zweck des Ver­eins war es, Erfah­run­gen der Homöo­pa­thie zu sam­meln und zu ver­all­ge­mei­nern. Der Ver­ein gab dazu meh­re­re Schrif­ten und Bücher her­aus, deren Inhalt vor­wie­gend von Thorer geprägt war. So unter ande­rem erschien der ers­te Band 1834. Wei­te­re Bän­de folg­ten 1835, 1836, 1839 und 1899. Sei­ne unzäh­li­gen Schrif­ten kennt jeder Stu­dent, der Homöo­pa­thie stu­diert. Sein prak­ti­scher Bei­trag posi­tio­nier­te ihn unter die eif­rigs­ten Nach­fol­ger von Hahnemann.

Sein umfang­rei­ches Inter­es­se für die Natur­wis­sen­schaf­ten ließ ihn am 20.9.1820 Mit­glied der Ober­lau­sit­zi­schen Gesell­schaft der Wis­sen­schaf­ten wer­den. Hier berei­cher­te er des­sen Archiv und die Samm­lun­gen mit meh­re­ren anti­qua­ri­schen Bei­trä­gen. Er wur­de als­bald Mit­glied von deren Verwaltung.

220. Geburtstag Samuel Timotheus Thorer

In der Gesell­schaft hat­te er den Vor­sitz in zahl­rei­chen Aus­schüs­sen inne und ver­fass­te zahl­rei­che Bei­trä­ge im Neu­en Lau­sit­zi­schen Maga­zin (NLM). Er war auch der Her­aus­ge­ber einer neu­en Fol­ge der “Scrip­to­res rer­um Lusa­ti­carum” und der Wie­der­auf­nah­me der topo­gra­phi­schen Arbei­ten und Ver­ar­bei­tung der Geschich­te und Lan­des­kun­de unse­rer Provinz.

Am 25. Juni 1846 ver­starb Thorer nach lan­ger Krank­heit, und er wur­de am 28.6.1846 mit gro­ßer Anteil­nah­me der Bevöl­ke­rung auf dem Nico­lai­fried­hof bei­gesetzt. Aus Anlass sei­nes Todes ver­öf­fent­li­che die Ober­lau­sit­zi­sche Gesell­schaft der Wis­sen­schaf­ten eine Denk­schrift, und ein Freund wid­me­te ihm ein schö­nes Gedicht.
Nach­druck
Text und Bil­der mit freund­li­cher Geneh­mi­gung des Stadt­BILD-Ver­la­ges Gör­litz
und Herrn Wolf­gang Stiller.

Historische Schriften schreiben und lesen

Damit Ihr die Post­kar­ten von Eurer Oma lesen könnt”, begrün­de­te Ende der 1950er Jah­re uns Schü­lern der drit­ten Klas­se unser Leh­rer die Pflicht, die Süt­ter­lin­schrift lesen und schrei­ben zu ler­nen. Mei­ne Oma hat mir nie die erwar­te­te Post­kar­te in Süt­ter­lin geschrie­ben. Doch als ich vie­le, vie­le Jah­re spä­ter berufs­mä­ßig alte Grund­buch­ein­tra­gun­gen lesen muss­te, kam mir das als Kind erlern­te zugute.

Historische Schriften

Egal, ob jemand längst ver­bli­che­ne Zeug­nis­se oder Urkun­den lesen muss, ob alte Brie­fe auf dem Dach­bo­den gefun­den wur­den, oder ob ein in der Kai­ser­zeit geschrie­be­nes Tage­buch auf­taucht – oft­mals kann der Leser die Schrift des längst ver­stor­be­nen Autors nicht mehr entziffern.

Für Inter­es­sier­te, die einen Zugang zu alten Schrift­stü­cken erlan­gen möch­ten, hat das Stadt­ar­chiv Bre­mer­ha­ven gemein­sam mit der VHS für Anfän­ger ohne oder mit gerin­gen Vor­kennt­nis­sen einen Schreib- und Lese­kur­sus für his­to­ri­sche Schrif­ten ein­ge­rich­tet. Die Kur­se fin­den immer ab 18 Uhr im Stadt­ar­chiv statt. Da die Teil­neh­mer­zahl des gut besuch­ten Kur­ses begrenzt ist, ist unbe­dingt eine vor­he­ri­ge Anmel­dung (Kurs­num­mer: 11711) erfor­der­lich,  die unter der Bre­mer­ha­ve­ner Tele­fon­num­mer 5904711 oder per Email an anmeldung@vhs-bremerhaven.de erfol­gen kann.
Ter­mi­ne:
Diens­tags, am 26.04.2016, 10.05.2016, 24.05.2016

Kurs­lei­tung:
Frau Dr. Julia Kahleyß

Rollende Exponate” im Historischen Museum Bremerhaven

2016 fei­ert das His­to­ri­sche Muse­um Bre­mer­ha­ven sei­nen 110. Geburts­tag als Stadt­mu­se­um. Aus die­sem Anlass fin­det im gesam­ten Jubi­lä­ums­jahr eine Viel­zahl an Ver­an­stal­tun­gen statt. “Samm­lungs­Ge­schich­ten” heißt das Mot­to, unter dem am 17. Janu­ar 2016 um 15 Uhr eine neue Ver­an­stal­tungs­rei­he mit öffent­li­chen Füh­run­gen startet.

"Rollende Exponate" im Historischen Museum Bremerhaven

Im Mit­tel­punkt unse­rer Samm­lungs­Ge­schich­ten ste­hen Objek­te aus unse­rer Dau­er­aus­stel­lung, die jeweils etwas gemein­sam haben, zum Bei­spiel zer­brech­lich oder glän­zend sind”, erläu­tert Muse­ums­päd­ago­gin Dr. Kers­tin Ras-Dür­sch­ner das Kon­zept.
Den Auf­takt bil­den “Rol­len­de Expo­na­te”. Mar­ti­na Otto zeigt den Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mern in der Füh­rung die aus­ge­stell­ten Objek­te mit zwei, drei und vier Rädern.
Die Extra­Tour star­tet bei den ältes­ten aus­ge­stell­ten Expo­na­ten mit Rädern: einem Tret­kur­bel­rad und einem Hoch­rad, mit denen wohl­ha­ben­de Bür­ger Ende des 19. Jahr­hun­derts Spa­zier­fahr­ten unter­nah­men. Mar­ti­na Otto erzählt wäh­rend der Füh­rung Samm­lungs­Ge­schich­ten zu Fahr­zeu­gen, wie etwa einer Kut­sche, ver­schie­de­nen Autos und Zwei­rä­dern. Zu sehen gibt es aber auch Trans­port- und Hilfs­mit­tel auf Rädern. Dazu zäh­len eine Sack­kar­re aus dem Hafen eben­so wie ein Hand-Lösch­wa­gen von der Werft oder ein Hand­kar­ren, mit dem eine Fami­lie nach dem Zwei­ten Welt­krieg floh. Den Abschluss der Füh­rung bil­det ein Motor­rad der Mar­ke Yama­ha von 1978, das dem Muse­um erst kürz­lich gestif­tet wurde.

Die Füh­rung ist im Ein­tritts­preis ent­hal­ten. Treff­punkt ist das Foy­er.
Quel­le:
His­to­ri­sche Muse­um Bre­mer­ha­ven: HMB aktu­ell 01/16 – 07.01.2016

Stagsegelschoner “Atyla” will Kurs auf Bilbao nehmen

Eigent­lich soll­te der Stag­segel­scho­ner “Aty­la” schon lan­ge in Bil­bao lie­gen. Aber nach der Sail 2015 hat ein Motor­scha­den der Crew einen Strich durch die Rech­nung gemacht. Sie waren auf dem Weg nach Ams­ter­dam, als der Motor mit­ten auf der Außen­we­ser sei­ne Mit­ar­beit auf­kün­dig­te. Der Ton­nen­le­ger “Nor­der­grün­de” schlepp­te den Seg­ler in den Fischereihafen.

Stagsegelschoner "Atyla" will Kurs auf Bilbao nehmen

Zunächst wur­de die in den Jah­ren 1980 – 1984 in Hand­ar­beit her­ge­stell­te “Aty­la” am West­kai vor der Fir­ma Kar­le und Fuhr­mann fest­ge­macht. Zum Bre­mer­ha­ve­ner Musik­som­mer 2015 wur­de der Seg­ler dann am 9. Sep­tem­ber 2015 zum Schau­fens­ter Fische­rei­ha­fen ver­holt. Seit­her liegt er dort in unmit­tel­ba­rer Nähe zur Touristenmeile.

In den ver­gan­ge­nen Mona­ten haben vie­le Bre­mer­ha­ve­ner Bür­ger ihre Hil­fe ange­bo­ten und Lebens­mit­tel gespen­det. Inge­nieu­re woll­ten bei der Repa­ra­tur des Motors hel­fen. Auf dem Spen­den­kon­to sind über 5.000 Euro zusam­men­ge­kom­men. Damit ist sicher­ge­stellt, dass der Kapi­tän die Strom- und Was­ser­rech­nun­gen bezah­len kann.

Noch in die­sem Monat soll der neue Motor ein­ge­baut wer­den. 20.000 Euro muss­ten dafür auf­ge­bracht wer­den. Bei der Finan­zie­rung war die Sail Trai­ning Asso­cia­ti­on Ger­ma­ny (S.T.A.G.) maß­geb­lich behilf­lich. Der in Bre­mer­ha­ven ansäs­si­ge gemein­nüt­zi­ge Ver­ein wur­de 1984 gegrün­det und hat über 5.000 Mit­glie­der. Die “Aty­la” ist eines sei­ner Mitgliedsschiffe.

Nun soll der Scho­ner bald wie­der in See ste­chen. Wenn die Arbei­ten plan­mä­ßig ver­lau­fen, kön­nen wie vor­ge­se­hen am 6. Febru­ar die Lei­nen ein­ge­holt und Bre­mer­ha­ven mit Kurs Bil­bao ver­las­sen wer­den. Dort soll das Schiff im Muse­ums­ha­fen über­win­tern. Auf der Inter­net­sei­te der “Aty­la” wer­den bereits Frei­wil­li­ge gesucht, die vom 28. Febru­ar bis zum 1. April 2016 auf dem Schiff woh­nen möch­ten und wäh­ren der Muse­ums­öff­nungs­zei­ten Besu­cher will­kom­men hei­ßen.
Quel­len:
P. Over­schmidt: Weih­nach­ten auf der “Aty­la”, Nord­see-Zei­tung vom 24.12.2015
atylaship.com

Zum neuen Jahr

Der Deich­SPIE­GEL wünscht allen Men­schen einen guten Rutsch und ein gesun­des neu­es Jahr. Und Frie­den über­all auf Erden, damit alle Flücht­lin­ge bald wie­der zurück in ihre Hei­mat kön­nen. Und dass alle Fami­li­en­mit­glie­der, die auf der Flucht getrennt wur­den, schnell wie­der zuein­an­der finden.

Zum neuen Jahr

Wie heim­li­cher Wei­se
Ein Enge­lein lei­se
Mit rosi­gen Füßen
Die Erde betritt,
So nah­te der Mor­gen.
Jauchzt ihm, Ihr From­men,
Ein hei­lig Will­kom­men,
Ein hei­lig Will­ko­men!
Herz, jauch­ze du mit!

In ihm sei’s begon­nen,
Der Mon­de und Son­nen
An blau­en Gezel­ten
des Him­mels bewegt.
Du, Vater, du rate!
Len­ke du und wen­de!
Herr, dir in die Hän­de
Sei Anfang und Ende,
Sei alles gelegt!

Edu­ard Mörike

Wisst Ihr noch, wie es geschehen?

Der Deich­SPIE­GEL wünscht allen Lesern ein fro­hes Weihnachtsfest

ChristiGeburt

Wisst ihr noch, wie es gesche­hen?
Immer wer­den wir’s erzäh­len:
wie wir einst den Stern gese­hen
mit­ten in der dunk­len Nacht.

Stil­le war es um die Her­de.
Und auf ein­mal war ein Leuch­ten
und ein Sin­gen ob der Erde,
dass das Kind gebo­ren sei.

Eil­te jeder, dass er’s sähe
arm in einer Krip­pe lie­gen.
Und wir fühl­ten Got­tes Nähe.
und wir bete­ten es an.

Köni­ge aus Mor­gen­lan­den
kamen reich und hoch gerit­ten,
dass sie auch das Kind­lein fan­den.
und sie bete­ten es an.

Und es sang aus Him­mels­hal­len:
Ehr sei Gott! Auf Erden Frie­den!
Allen Men­schen Wohl­ge­fal­len,
Wel­che guten Wil­lens sind!

Immer wer­den wir’s erzäh­len,
wie das Wun­der einst gesche­hen
und wie wir den Stern gese­hen
mit­ten in der dunk­len Nacht.

                            Her­mann Claudius

Die H. F. Kistner Baugesellschaft

Die H. F. Kist­ner Baugesellschaft

Die H. F. Kist­ner Bau­ge­sell­schaft wur­de 1853 gegrün­det. Über ein­hun­dert Jah­re war sie so eng mit der See­stadt ver­knüpft, dass sie wohl noch heu­te jeder Bre­mer­ha­ve­ner Bür­ger kennt. Doch wer war der Fir­men­grün­der? Und wer waren sei­ne Nachfolger?

Die H. F. Kistner Baugesellschaft

Als Hein­rich Fried­rich Kist­ner sich im Jah­re 1842 von sei­nem Hei­mat­ort Hud­des­torf an der Mit­tel­we­ser in das erst 15 Jah­re zuvor gegrün­de­te Bre­mer­ha­ven auf­mach­te, war er gera­de mal 16 Jah­re alt. Eigent­lich woll­te er sich in Bre­mer­ha­ven nicht lan­ge auf­hal­ten. Wie vie­le ande­re Men­schen in jenen Jah­ren, so hat­te auch Hein­rich Fried­rich Kist­ner Auswanderungspläne.

Zunächst aber absol­vier­te der 20-Jäh­ri­ge eine Mau­rer­leh­re bei Mau­rer­meis­ter Jacob Eits. Er schloss sei­ne Aus­bil­dung erfolg­reich ab, ver­lob­te sich mit sei­ner Hen­ri­et­te und woll­te nun schnell mit sei­nen bereits bezahl­ten Tickets nach Rich­mond in die USA. Aber die Umstän­de woll­ten es, dass der Paket­seg­ler sich ohne die jun­gen Leu­te auf die Rei­se mach­te – die Aus­steu­er war nicht fer­tig geworden.

Hein­rich Fried­rich Kist­ner blieb in Bre­mer­ha­ven und leg­te mit 27 Jah­ren sei­ne Prü­fung zum Mau­rer­meis­ter ab. Er erkann­te, dass es hier in der auf­stre­ben­den Hafen­stadt für gute Bau­hand­wer­ker genug Arbeit gab. Als die Gemein­de Lehe ihm das Bür­ger­recht ver­lieh, ver­folg­te Hein­rich Fried­rich sei­ne Aus­wan­de­rungs­plä­ne nicht wei­ter und grün­de­te im Jah­re 1853 in der Leher Post­stra­ße  sei­ne Bau­fir­ma H. F. Kistner.

Die H. F. Kistner Baugesellschaft

Zu sei­nen ers­ten Arbei­ten gehör­ten Häu­ser, die der Werft­be­sit­zer Cla­sen Rick­mers für sei­ne Arbei­ter und Ange­stell­ten in Auf­trag gab sowie das Pri­vat­haus an der Ecke Deich- und Keil­stra­ße für den Kauf­mann Dani­el Claus­sen. Beson­ders gro­ße Auf­merk­sam­keit hat er mit sei­nen Arbei­ten an der Bür­ger­meis­ter-Smidt-Gedächt­nis-Kir­che auf sich gezo­gen. Man lob­te ihn damals, dass er “auch die gefähr­lichs­ten Arbei­ten an dem schlan­ken Turm mit sei­ner kunst­voll durch­bro­che­nen Spit­ze in Ruhe und Beson­nen­heit aus­ge­führt” hat.

Bald hat­te Mau­rer­meis­ter Kist­ner genü­gend Geld zum Bau eines eige­nen Hau­ses ange­spart. Er erstell­te es auf dem Süd­er­feld an der Post­stra­ße und bezog es im Mai 1860 mit sei­ner Frau Hen­ri­et­te und sei­nem am 12.04.1855 gebo­re­nen ältes­ten Sohn Carl. Am 19.07.1860 wur­de Johann, der zwei­te Sohn, gebo­ren. Hein­rich kam am 17.11.1863 als drit­tes Kind hin­zu. Und im Sep­tem­ber 1865 mach­te schließ­lich Theo­dor das Quar­tett voll.

Im Jah­re 1868 erwarb Mau­rer­meis­ter H. F. Kist­ner das an der Ecke Hafen­stra­ße und der spä­te­ren Kist­ner­stra­ße ste­hen­de Haus mit dem Gelän­de der still­ge­leg­ten Zie­ge­lei von Johann Krü­ger. Er bau­te hier wei­te­re Häu­ser hin, aus denen bald eine neue Stra­ße wur­de, die im Mai 1890 auf­grund eines Magis­trats­be­schlus­ses den Namen “Kist­ner­stra­ße” erhielt.

Hafenstraße 52 um 1870

Schließ­lich erwarb der Betrieb H. F. Kist­ner ein zwi­schen der Hafen­stra­ße und dem Geest­edeich bele­ge­nes Gelän­de. Hier­auf bau­te der Mau­rer­meis­ter das Wohn­haus Hafen­stra­ße 58, in das er im Herbst 1870 mit sei­ner Fami­lie ein­zog und bis zu sei­nem Tode bewohn­te. Das Haus ent­wi­ckel­te sich zum Mit­tel­punkt des Betrie­bes und war noch bis lan­ge nach dem Zei­ten Welt­krieg die Zen­tra­le und das Haupt­kon­tor der H. F. Kist­ner Baugesellschaft.

Kon­se­quen­ter­wei­se ver­leg­te Mau­rer­meis­ter Kist­ner im Jah­re 1870 auch sei­nen Fir­men­sitz hier­her in die süd­li­che Hafen­stra­ße, wo sich bereits ande­re Betrie­be der Bau­bran­che (zum Bei­spiel das Holz­sä­ge­werk W. Rog­ge und die Kalk­bren­ne­rei Wilms) mit ihren Lager­plät­zen ange­sie­delt hat­ten. Der Stand­ort war ide­al — die Hafen­stra­ße und die rück­wär­ti­ge Gees­te boten eine her­vor­ra­gen­de Verkehrsanbindung.

In die­sen Jah­ren hat die Fir­ma Kist­ner das Bre­mer­ha­ve­ner Stadt­bild ent­schei­dend mit­ge­prägt. Vie­le Kist­ner­bau­ten erkennt man an den mit tief­ro­ten Zie­geln ver­blen­de­ten Häu­ser­fas­sa­den. Bei­spie­le hier­für sind die Kaser­ne der Matro­sen-Artil­le­rie von 1886 – 1887 und die bei­den Häu­ser an der Hafen­stra­ße Ecke Kist­ner­stra­ße. Auch an dem Aus­bau des Geschäfts- und Wohn­vier­tels an der Kai­ser­stra­ße (heu­ti­ge “alte Bür­ger”) hat­te die H. F. Kist­ner Bau­ge­sell­schaft einen erheb­li­chen Anteil.

Blick von der Hafenstraße in die Kistnerstraße

Auch die Luthe­ri­sche Kreuz­kir­che, die Koch­sche Töch­ter­schu­le, das Mari­en­bad und das Gym­ny­si­um an der Pra­ger Stra­ße (frü­her Grü­ne Stra­ße) gehört zu den vie­len ande­ren Bau­ten, an denen die Fir­ma H. F. Kist­ner vor der Wen­de vom 19. zum 20. Jahr­hun­dert gear­bei­tet hat und die von der Leis­tungs­kraft der H. F. Bau­ge­sell­schaft Zeug­nis ablegten.

Auch die Kreuz­kir­che, das Hafen­haus, das spä­te­re Stadt­haus, ver­schie­de­ne Was­ser­tür­me, die gro­ße Maschi­nen­hal­le des Nord­deut­schen Lloyd, die Leucht­tür­me “Mey­ers Leg­de” und “Evers Sand”, der Aus­bau des Fische­rei­ha­fens in den Jah­ren 1891 bis 1896 und die Erwei­te­rung des Kai­ser­ha­fens mit der Kai­ser­schleu­se in den Jah­ren 1892 bis 1897 blei­ben auf immer mit dem Namen H. F. Kist­ner verbunden.

Die H. F. Kistner Baugesellschaft

Spä­ter als ande­re Unter­neh­mer, die in die­sen Jah­ren schon in ihren statt­li­chen Vil­len an der Hafen­stra­ße wohn­ten, errich­te­te Johann Kist­ner sei­ne heu­te denk­mal­ge­schütz­te Vil­la. Sie wur­de erst im Jah­re 1897 nah an H. F. Kist­ners Lager­platz an der Gees­te gebaut und erhielt die Anschrift “Hafen­stra­ße 50” zuge­teilt. Das prunk­vol­le Gebäu­de mit sei­ner reich ver­zier­ten Fas­sa­de ließ kei­nen Zwei­fel auf­kom­men: Dies ist das Domi­zil eines über­aus erfolg­rei­chen Geschäftsmannes.

16_Hafenstraße 60

Carl Kist­ner indes­sen war Eigen­tü­mer des an der Hafen­stra­ße 60 Ecke Werft­stra­ße bele­ge­nem reprä­sen­ta­ti­ven Wohn­hau­ses. Eine der Woh­nun­gen   war an den Werft­di­rek­tor Max Rind­fleisch, von 1910 bis zu sei­nem Tode 1930 Lei­ter der Schich­au Unter­we­ser AG, ver­mie­tet.  Nach dem Tode von Carl Kist­ner im Jah­re 1918 ging das Gebäu­de zeit­wei­se in den Besitz der Schich­au Unter­we­ser AG über. Wei­te­re lei­ten­de Werft­an­ge­stell­te fan­den in dem Haus eine Woh­nung. Ende der 1960er Jah­re wur­de es abge­ris­sen. Auf dem Grund­stück ent­stand der neue Kistner-Baumarkt.

Patentschrift Kalksandstein

Die Indus­tria­li­sie­rung im 19. Jahr­hun­dert brach­te rie­si­ge Bau­auf­ga­ben mit sich. So war es nicht ver­wun­der­lich, dass man danach such­te, wie man Stei­ne aus Kalk­mör­tel her­stel­len kann.  Schon im Jah­re 1854 press­te der deut­sche Arzt und Natur­wis­sen­schaft­ler Dr. Anton Bern­har­di mit einer höl­zer­nen Hebel­pres­se den ers­ten gehär­te­ten Kalk­mör­tel­stein. Aber die Stei­ne waren nicht fest genug. Es soll­te noch eini­ge Jah­re dau­ern, bis der Bau­stoff­che­mi­ker Dr. Wil­helm Michae­lis im Jah­re 1880 den ers­ten brauch­ba­ren Kalk­sand­stein her­stel­len konn­te. Nun woll­te man die Kalk­sand­stei­ne indus­tri­ell in gro­ßen Men­gen her­stel­len. 1894 wur­de im schles­wig-hol­stei­ni­schen Neu­müns­ter eine aus Eng­land impor­tier­te Pres­se auf­ge­stellt, die drei Arbeits­gän­ge — Fül­len, Pres­sen und Aus­sto­ßen – selb­stän­dig aus­führ­te. Es war der Beginn der indus­tri­el­len Pro­duk­ti­on des Kalk­sand­stei­nes, der sich nun in ganz Deutsch­land als neu­er Bau­stoff eta­blier­te. In den Jah­ren 1898 und 1899 nah­men wei­te­re Wer­ke in Deutsch­land – und damit welt­weit – ihre Arbeit auf.

Briefkopf der Firma H. F. Kistener

Auch H. F. Kist­ner erkann­te die neu­en Mög­lich­kei­ten, die der Kalk­sand­stein bot. Nach­dem er im Jah­re 1895 sei­ne Bau­fir­ma um eine Bau­stoff­hand­lung erwei­ter­te, erwarb er im Jah­re 1904 fol­ge­rich­tig eine Lizenz, um selbst Kalk­sand­stei­ne her­stel­len zu dür­fen. Das soll­te ihn unab­hän­gig von frem­den Lie­fe­ran­ten machen. Die Hart­stein­pres­se und den Dampf­druck­be­häl­ter bestell­ten die Fir­men­in­ha­ber Carl und Hein­rich Kist­ner bei der Maschi­nen­fa­brik Franz Kom­nick in der ost­preu­ßi­schen Han­se­stadt Elbing.

Produktionsprozess im Kalksandsteinwerk

Im glei­chen Jahr ver­kauf­te der Leher Magis­trat an die Fir­ma Kist­ner einen Teil des kom­mu­na­len Lade- und Lösch­plat­zes. Die­ser Platz wur­de erst im Jahr zuvor zwi­schen der Gees­te und der damals bereits aus­ge­bau­ten Werft­stra­ße ange­legt. Er erstreck­te sich von der Aue­mün­dung im Osten und wur­de im Wes­ten vom Grund­stück der Fir­ma Kist­ner begrenzt. Auf die­sem Platz errich­te­te die Fir­ma Kist­ner in den Jah­ren 1903 und 1904 ein Kalk­sand­stein­werk. Die Kapa­zi­tä­ten des Wer­kes waren groß genug, um über den eige­nen Bedarf hin­aus auch die Nach­fra­ge der ande­ren in den Unter­we­ser­or­ten ansäs­si­gen Bau­un­ter­neh­mun­gen zu befriedigen.

Zu jenem Zeit­punkt war der Kalk­sand­stein noch kein von den Bau­ord­nungs­äm­tern aner­kann­tes Bau­ma­te­ri­al. Obwohl Kalk­sand­stei­ne inner­halb einer ver­hält­nis­mä­ßig kur­zen Zeit eine gro­ße Ver­brei­tung gefun­den haben, hat­te man über die Eigen­schaf­ten nur weni­ge oder zum Teil sogar fal­sche Infor­ma­tio­nen. Mit dem Bau­we­sen befass­te Unter­neh­men rich­te­ten an das König­li­che Mate­ri­al­prü­fungs­amt den Wunsch, die Ergeb­nis­se von Kalk­sand­stein­prü­fun­gen zu ver­öf­fent­li­chen und umfas­sen­de Aus­künf­te über die bau­tech­ni­schen Eigen­schaf­ten der Kalk­sand­stei­ne zu ertei­len. So erschien im Jah­re 1908 das Buch “Die Prü­fung und die Eigen­schaf­ten der Kalk­sand­stei­ne”.

Prüfung und Eigenschaften der Kalksandsteine

Das Zen­tral­blatt der Bau­ver­wal­tung berich­te­te  in sei­ner Aus­ga­be Nr. 24 unter der Rubrik “Ver­samm­lung der Ver­ei­ne im Bau­stoff­ge­wer­be” unter ande­rem über die in der Zeit vom 1. bis 12. März 1909 statt­ge­fun­de­ne  Jah­res­haupt­ver­samm­lung des Ver­eins der Kalk­sand­stein­fa­bri­ken. Auf die­ser Ver­samm­lung sei leb­haft über die Angrif­fe geklagt wor­den, die der Kalk­sand­stein von den Zie­ge­lei­be­sit­zern erdul­den muss­te. In meh­re­ren  Fäl­len  habe der  Ver­ein  zur  gericht­li­chen  Kla­ge  schrei­ten müs­sen  und  hier­bei obsie­gen­de  Urtei­le  erzielt.

Verein Kalksandsteinfabriken

Aber H. F. Kist­ner ließ sich nicht beir­ren. Er erkann­te als einer der ers­ten Bau­un­ter­neh­mer an der Unter­we­ser das gro­ße Poten­ti­al die­ses noch rela­tiv jun­gen Bau­stof­fes. Sein Bau­ge­schäft gehör­te zu der Grün­dungs­ge­nera­ti­on der Kalk­sand­stein­in­dus­trie in Deutsch­land. Im Jah­re 1905 gab es in Deutsch­land bereits 209 Kalk­sand­stein­wer­ke, die jähr­lich mehr als eine Mil­li­ar­de Kalk­sand­stei­ne produzierten.

Aller­dings lohn­te sich der Ver­trieb der Stei­ne nur in einem regio­nal begrenz­ten Umfeld einer Fabrik, da die Kos­ten für wei­te Trans­por­te zu hoch waren. So lagen die Fabri­ken über ganz Deutsch­land ver­streut. In Lehe pro­du­zier­te das Bau­ge­schäft H. F. Kist­ner die Kalk­sand­stei­ne. Jähr­lich ver­lie­ßen bis zu 20 Mil­lio­nen Stei­ne  die Fabrik und wur­den in die gesam­te Unter­we­ser­re­gi­on ausgeliefert.

Flussschiffer an der Geestekaje

Den für die Her­stel­lung der Kalk­sand­stei­ne erfor­der­li­chen Sand brach­ten Fluss­schif­fer her­bei. In den Anfangs­jah­ren wur­de als Lösch­platz ein­fach die Ufer­bö­schung benutzt. Spä­ter wur­de unmit­tel­bar neben der Fabrik eine Kaje gebaut. An der wur­de der aus Sand­stedt her­bei­ge­schaff­te Weser­sand per Kran aus dem Schiff gelöscht. Etwa ab 1985 wur­de sämt­li­ches Mate­ri­al per Lkw ange­lie­fert – seit­her ist der Schiffs­an­le­ger ver­waist und auch an der Gees­te die Zeit der Fluss­schif­fer vorbei.

Bremerhaven, Hafenstrasse 44 - 48

Bei der Pro­duk­ti­on der Kalk­sand­stei­ne zeig­te sich die gan­ze Krea­ti­vi­tät des Bau­ge­schäf­tes H. F. Kist­ner. Nach­dem der Nach­bar­be­trieb der Fir­ma Rog­ge in Flam­men auf­ging, sie­del­te die Fir­ma Rog­ge nach Bre­mer­ha­ven um. Wie­der nutz­te die Fir­ma Kist­ner die Gunst der Stun­de und über­nahm einen gro­ßen Teil des Rog­ge­ge­län­des. Wer­be­wirk­sam bebau­te die Fir­ma Kist­ner in den Jah­ren 1905 und 1906 die Grund­stü­cke Hafen­stra­ße 44 – 48 mit Häu­sern voll­stän­dig aus Kalk­sand­stein und las­te­te damit gleich­zei­tig die Pro­duk­ti­ons­ka­pa­zi­tä­ten des Unter­neh­mens aus.

Hinrich-Schmalfeld-Straße, Bremerhaven

In der Fol­ge­zeit bau­te die Fir­ma Kist­ner wei­te­re Kalk­sand­stein­häu­ser. Oft­mals wur­den die Fas­sa­den nicht mehr ver­putzt, son­dern mit roten, gel­ben oder auch blau ein­ge­färb­ten Stei­nen gemau­ert, etwa bei einem Sei­ten­flü­gel des Leher Amts­ge­richts und beim Neu­bau der Indus­trie- und Han­dels­kam­mer Geest­e­mün­de. Immer bestrebt, den Kalk­sand­stein an der Unter­we­ser zu eta­blie­ren, errich­te­te die Fir­ma H. F. Kist­ner wei­te­re archi­tek­to­nisch reprä­sen­ta­ti­ve Bau­ten. In der Gil­de­meis­ter­stra­ße ent­stan­den moder­ne Vil­len aus Kalk­sand­stein und in der Hin­rich-Schmal­feld-Stra­ße wur­de für den Beam­ten- Bau- und Woh­nungs­ver­ein zu Lehe eine gro­ße Wohn­an­la­ge mit die­sem neu­en Bau­ma­te­ri­al gemauert.

Bremerhaven, Hafenstrasse 57

Im Jah­re 1908 errich­te­te die Fir­ma H. F. Kist­ner das Wohn- und Geschäfts­haus Hafen­stra­ße 174 (heu­te: 57) ganz aus Kalk­sand­stein. Am 12. August 1911 brach im Dach­stuhl des Hau­ses ein Feu­er aus, das die Feu­er­wehr aber schnell unter Kon­trol­le bekam und auf den Dach­stuhl begren­zen konn­te. Gleich­wohl wuss­te die Fir­ma Kist­ner den Brand wer­be­wirk­sam zu ver­mark­ten. Noch elf Jah­re spä­ter — im Jah­re 1922 — wur­de in einer Wer­be­an­zei­ge an das Feu­er erin­nert mit dem Hin­weis, dass sämt­li­che aus Kalk­sand­stein gemau­er­ten Gie­bel und Schorn­stei­ne der Hit­ze und der Was­ser­be­strah­lung stand­ge­hal­ten haben.

Fachzeitschrift H. F. Kistner, Baugeschäft

Im Jah­re 1903 konn­te die Fir­ma Kist­ner ihr 50-jäh­ri­ges Betriebs­ju­bi­lä­um fei­ern, und Hein­rich Fried­rich Kist­ner zog sich auf das Alten­teil zurück. 1905 wur­de die als offe­ne Han­dels­ge­sell­schaft ein­ge­tra­ge­ne Fir­ma in eine GmbH umge­wan­delt. Der Fir­men­na­me lau­te­te nun für eine Wei­le “H. F. Kist­ner Bau­ge­schäft G.m.b.H.” und wur­de spä­ter in “H. F. Kist­ner Bau­ge­sell­schaft” geän­dert. Als Hein­rich Fried­rich Kist­ner im Jah­re 1907 im 81. Lebens­jahr starb, über­nah­men die Söh­ne Carl und Hein­rich die Füh­rung der GmbH.

Wie sein Vater hat­te auch Carl eine Aus­bil­dung zum Mau­rer absol­viert und sei­ne Kennt­nis­se auf der Nien­bur­ger Bau­ge­wer­be­schu­le ver­tieft. Als Hos­pi­tant hat er sich auf der Tech­ni­sche Hoch­schu­le Han­no­ver wei­ter qua­li­fi­ziert. Von 1908 bis 1910 beklei­de­te Carl Kist­ner den Pos­ten des Vor­sit­zen­den des am 10.12.1900 in Ber­lin gegrün­de­ten Haupt­ver­ban­des der Kalk­sand­stein­in­dus­trie. Hein­rich erlern­te eben­falls das Mau­rer­hand­werk und ging nach Bux­te­hu­de, um auf der dor­ti­gen Bau­ge­werk­schu­le zu stu­die­ren. Sein Spe­zi­al­ge­biet wur­de der Tiefbau.

Wenn auch das Kistner’sche Kalk­sand­stein­werk flo­rier­te, so blieb doch das Bau­hand­werk der Haupt­ge­schäfts­zweig des Unter­neh­mens. An der Unter­we­ser war die Fir­ma Kist­ner das ers­te Unter­neh­men, das sich mit mit dem Eisen­be­ton­bau befass­te. Zwi­schen 1914 und 1918 lie­fer­te H. F. Kist­ner respek­ta­ble Arbei­ten ab:  Neben der Neu­an­la­ge von Bahn­kör­pern, Bahn­hö­fen und Unter­füh­run­gen in Lehe und Geest­e­mün­de konn­te H. F. Kist­ner auch an sei­ne Arbei­ten am Kran­ken­haus Lehe, am Schlacht- und Vieh­hof, an die Beton­ar­bei­ten des Gas­wer­kes Bre­mer­ha­ven und an die Neu­bau­ten des Leher Gerichts­ge­bäu­des, des Post­ge­bäu­des und des Spar­kas­sen­ge­bäu­des verweisen.

Leher Sparkassengebäude der Weser-Elbe-Sparkasse

Am 12. Novem­ber 1918 starb Carl Kist­ner. Sein Bru­der Hein­rich führ­te das Unter­neh­men fort­an allei­ne wei­ter. Die durch die Kriegs­fi­nan­zie­rung aus­ge­lös­te Gro­ße Infla­ti­on, die im Jah­re 1923 in eine Hyper­in­fla­ti­on mün­de­te, sorg­te für einen Zusam­men­bruch der deut­schen Wirt­schaft und des Ban­ken­sys­tems. 1921 streik­ten in Bre­mer­ha­ven, Geest­e­mün­de und Lehe 1.400 Arbei­ter in 131 Betrie­ben acht Wochen lang für einen höhe­ren Lohn. 1924 streik­ten in den Unter­we­ser­städ­ten die Bau­ar­bei­ter fast aller Betrie­be sie­ben Wochen lang für mehr Lohn. Erst ab Ein­füh­rung der Ren­ten­mark im Novem­ber 1923 wur­den wie­der geord­ne­te Kal­ku­la­tio­nen mög­lich, und das Bau­un­ter­neh­men konn­te zu einer geord­ne­ten Bau­tä­tig­keit übergehen.

In den fol­gen­den Jah­ren bau­te Kist­ner für die Stadt Wohn­bau­ten, die Poli­zei­ka­ser­ne an der Kai­ser­stra­ße und Fun­da­men­te für die neu­en Kran­bah­nen beim Schup­pen G am Kai­ser­ha­fen. Für die nörd­li­chen Kai­ser­hä­fen wur­den Schup­pen und Kajen erstellt. Auch die Grün­dungs- und Eisen­be­ton­ar­bei­ten für das Haupt­ge­bäu­de der AOK und den Bau des Wohn­was­ser­tur­mes in Wuls­dorf  führ­te die Fir­ma Kist­ner aus.

Wohnwasserturm Wulsdorf

Im Jah­re 1924 gaben sich die Städ­te Lehe und Geest­e­mün­de das “Jawort”. Sie führ­ten nun den gemein­sam Namen Weser­mün­de. Im glei­chen Jahr began­nen auch die Bau­ar­bei­ten am Colum­bus­bahn­hof und der dazu­ge­hö­ri­gen Colum­bus­ka­je, an denen die Fir­ma Kist­ner eben­falls maß­geb­lich betei­ligt war. Anschlie­ßend enga­gier­te sich die Fir­ma Kist­ner beim Bau der Anla­ge der gro­ßen Ölbun­ker der Deutsch-Ame­ri­ka­ni­schen Petro­le­um­ge­sell­schaft. Es folg­te die Betei­li­gung am Bau der rie­si­gen Nord­schleu­se, die für die tur­bi­nen­ge­trie­be­nen Schif­fe des Nord­deut­schen Lloyd “Bre­men” und “Euro­pa” gebaut wur­de. Die Grund­stein­le­gung erfolg­te am 3. Mai 1929.

Hafenstraße mit Kaufhaus Ramelow

Als der Nord­deut­sche Lloyd sei­nen Tech­ni­schen Betrieb vom Neu­en Hafen zu den bei­den Kai­ser­docks ver­leg­te, war die Fir­ma Kist­ner wie­der dabei. In den Jah­ren 1934 bis 1936 wur­den eine Kup­fer­schmie­de, eine Schlos­se­rei und Maschi­nen­werk­statt, Lager­schup­pen und Pro­vi­ant­la­ger gebaut. Aber auch aus der Pri­vat­wirt­schaft kamen zahl­rei­che Auf­trä­ge, dar­un­ter das Kauf­haus Rame­low und die Fär­be­rei- und Rei­ni­gungs­an­stalt Mäkler.

In die­ser Pha­se der Pro­spe­ri­tät hat­te der Kist­ner­sche Betrieb einen schwe­ren Ver­lust zu ver­kraf­ten: Am Abend des 19. Dezem­ber 1937 starb Hein­rich Kist­ner, der das Unter­neh­men seit dem Tode sei­nes Bru­ders Carl allei­ne führ­te. “Hei­ni-Meis­ter”, wie ihn vie­le Bre­mer­ha­ve­ner nann­ten, hat in der von sei­nem Vater gegrün­de­ten Fir­ma mehr als 50 Jah­re sei­ne Spu­ren hin­ter­las­sen. Hein­rich Kist­ners  Tod been­de­te die zwei­te Gene­ra­ti­on der H. F. Kist­ner Baugesellschaft.

Es wäre jetzt an dem am 13. Febru­ar 1919 gebo­re­nen Sohn Hein­rich Fried­rich Kist­ner gewe­sen, das Ruder in der Fir­ma zu über­neh­men. Er hat­te bereits sei­ne Gesel­len­prü­fung im Mau­rer­hand­werk erfolg­reich abge­legt und befand sich mit­ten im Stu­di­um zum Bau­in­ge­nieur. Dann aber brach der Zwei­te Welt­krieg aus, und  Hein­rich Fried­rich Kist­ner geriet in rus­si­sche Gefangenschaft.

US-Hospital in Bremerhaven

In den Kriegs­jah­ren beschäf­tig­te die Fir­ma H. F. Kist­ner Bau­ge­sell­schaft gut 2.000 Men­schen. Das Unter­neh­men bau­te in die­ser Zeit ein Mari­ne­la­za­rett, errich­te­te Bun­ker jeder Art und erstell­te in Mit­tel­deutsch­land, in Ost­fries­land, am West­wall und in Ost­eu­ro­pa Industrie‑, Wehr- und Bahnbauten.

Im Zwei­ten Welt­krieg brann­te die Kalk­sand­stein­fa­brik nach einem Bom­ben­an­griff im Sep­tem­ber 1944 aus, ist jedoch zu ins­ge­samt 80 % erhal­ten geblie­ben.  Im Som­mer 1947 wur­de Hein­rich Fried­rich Kist­ner aus der Gefan­gen­schaft ent­las­sen. Er trat sein Erbe an und wur­de Lei­ter der Baugesellschaft.

Beräumungsarbeiten Kalksandsteinwerk

Unter frei­wil­li­ger unent­gelt­li­cher Mit­hil­fe der Ange­stell­ten wur­den die Auf­räu­mungs­ar­bei­ten in gro­ßer Eile durch­ge­führt. So konn­te bereits im März 1948 mit dem Wie­der­auf­bau der Fabrik begon­nen wer­den. Bei den Bau­ar­bei­ten wur­de  der Schorn­stein, der sich bereits vor dem Krieg bedroh­lich geneigt hat­te, weit­ge­hend erneu­ert. Damit die Nach­bar­schaft “weder durch Rauch noch durch sonst irgend­wel­che Gerü­che” (Bau­ak­te) beläs­tigt wür­de, wur­de der aus Kalk­sand­stein gemau­er­te acht­ecki­ge Schlot auf 40 Meter erhöht.

20_Kalksandsteinwerk

Im März 1949 waren die Arbei­ten abge­schlos­sen. Da die Pres­se beim Bom­ben­an­griff nicht zer­stört wur­de, konn­te die Pro­duk­ti­on nun wie­der auf­ge­nom­men wer­den. Drei Mann stell­ten nun täg­lich 10 Stun­den an sechs Wochen­ta­gen Kalk­sand­stei­ne her. Stein für Stein wur­den sie auf Loren gesta­pelt und in einen der sechs Här­te­kes­sel gefah­ren. In dem Kes­sel blie­ben sie etwa acht Stun­den und wur­den unter sehr hohem Druck mit Was­ser­dampf gehär­tet. Danach wur­den die Loren aus dem hei­ßen Kes­sel geholt und ins Frei­la­ger gefah­ren. Dort kühl­te das strah­lend wei­ße Bau­ma­te­ri­al ab. 70 bis 80 Pro­zent der Bre­mer­ha­ve­ner Gebäu­de wur­den nach dem Krieg mit Stei­nen aus der Kalk­sand­stein­fa­brik Kist­ner gebaut.

Brennöfen Kalksandsteinwerk

Mit sei­ner expan­die­ren­den Fir­ma hat­te Hein­rich Fried­rich Kist­ner in der Nach­kriegs­zeit erheb­lich zum Wie­der­auf­bau Bre­mer­ha­vens bei­getra­gen. Eine Men­ge Arbeit war­te­te auf die zeit­wei­se 700 Mit­ar­bei­ter, die Kist­ner in sei­nem Unter­neh­mens­ver­bund beschäf­tig­te: Auf­bau­ar­bei­ten für die pri­va­te Fisch­in­dus­trie, die Hal­len III, IX, XI und XIV im Fische­rei­ha­fen muss­ten wie­der auf­ge­baut wer­den, in Gemein­schafts­ar­beit wur­den neue Fahr­gast­an­la­gen für den Colum­bus­bahn­hof errich­tet und die hei­mi­sche Werft­in­dus­trie war­te­te auf den Wie­der­auf­bau und auf Erweiterungsbauten.

Die H. F. Kistner Baugesellschaft

Auch im Wohn- und Geschäfts­haus­bau ging es wie­der auf­wärts: An die Ecke der Bür­ger­meis­ter-Smidt-Stra­ße zur Lloyd­stra­ße wur­de ein Gebäu­de für J. Hein­rich Kra­mer gestellt und für die Woh­nungs­bau­ge­sell­schaft der Flie­ger­ge­schä­dig­ten bau­te Kist­ner eben­so Häu­ser wie für den Bau- und Spar­ver­ein der Ost­ver­trie­be­nen und für die Städ­ti­sche Woh­nungs­bau­ge­sell­schaft. Auch die Geschäfts­häu­ser von Schütz, W. Schul­te, Bai­er-Thees, J. War­rings, E. A. Mäk­ler, dem Kauf­haus Mer­kur, Pohl & Schrö­der, Joh. Krie­te, Georg Diek­mann, dem Hotel Naber und der Gast­stät­te Schlin­ker tra­gen die Hand­schrift des Bau­ge­schäf­tes Kist­ner. Wei­ter­hin müs­sen die Gebäu­de des Nor­west­deut­schen Ver­la­ges, der Städ­ti­schen Spar­kas­se in Geest­e­mün­de und Bre­mer­ha­ven und der Neu­bau von Wohn­blö­cken für die Nie­der­säch­si­sche Heim­stät­te, des Schiffs­jun­gen­heims, eines Mäd­chen­wohn­hei­mes, eines Kin­der­gar­tens in der Deich­stra­ße und das Gemein­de­haus in Leher­hei­de erwähnt wer­den. Schließ­lich war das Bau­ge­schäft Kist­ner auch am Wie­der­auf­bau des Stadt­thea­ters, der Bür­ger­meis­ter-Smidt-Schu­le, am Neu­bau  eines Hal­len­schwimm­ba­des und am Bau eines 14-stö­cki­gen Hoch­haus beteiligt.

Die H. F. Kistner Baugesellschaft

Hein­rich Fried­rich Kist­ner, der die Lei­tung des Fami­li­en­be­trie­bes ja in sehr jun­gen Jah­ren über­nom­men hat, hat sich von Anfang an um eine betrieb­li­che Sozi­al­ord­nung bemüht. Im Jah­re 1955 erschien sein Buch “Hoher Lohn allein tut es nicht”, in dem er sei­ne Vor­stel­lun­gen einer part­ner­schaft­li­chen Zusam­men­ar­beit mit sei­nen Mit­ar­bei­tern dar­ge­legt hat: “Mei­ne Auf­fas­sung war des­halb die, daß jeder mehr ver­die­nen müs­se, wenn er die betrieb­li­chen Auf­ga­ben in der Betriebs­ge­mein­schaft mit zu lösen ver­such­te, wenn er als Mit­den­ker und Mit­wir­ken­der mit sei­nem bes­ten Wil­len und Kön­nen in auf­ge­schlos­se­ner Wei­se am betrieb­li­chen Gesche­hen aktiv teil­neh­men würde”. 

Ihm war durch sei­ne in der sowje­ti­schen Gefan­gen­schaft gemach­ten Erfah­run­gen klar, dass es ohne Aner­ken­nung der Men­schen­wür­de kei­ne sozia­le Gerech­tig­keit geben kann. So führ­te Hein­rich Fried­rich Kist­ner schon in den 1950er Jah­ren in sei­nem Unter­neh­men eine Leis­tungs­ge­winn­be­tei­li­gung ein. Der Gewinn wur­de monat­lich aus­ge­schüt­tet. Unter den Mit­ar­bei­tern fand der Part­ner­schafts­plan eine gro­ße Zustimmung.

In den 1960er Jah­ren haben Umbau­ten und Moder­ni­sie­run­gen das Äuße­re der Fabrik ver­än­dert. Dazu zähl­te beson­ders der Umbau des Kalk­si­los im Jah­re 1962 und die Anbau­ten zur Hafenstraße.

Den lang­sa­men Nie­der­gang des Tra­di­ti­ons­un­ter­neh­men hat Hein­rich Fried­rich Kist­ner nicht mehr erlebt. Er starb am 3. März 1990. Mit sei­nem Tode ging die Fir­men­lei­tung auf sei­nen Sohn über, der tra­di­ti­ons­ge­mäß auch den Namen Hein­rich Fried­rich Kist­ner trägt. An ihm war es nun, das Schiff, die H. F. Kist­ner Bau­ge­sell­schaft, durch das unru­hig gewor­de­ne Fahr­was­ser zu steuern.

Die H. F. Kistner Baugesellschaft

Weil das Bau­ge­wer­be nach immer grö­ße­ren Kalk­sand­stei­nen ver­lang­te, inves­tier­te das Unter­neh­men in den 1990er Jah­ren rund zwei Mil­lio­nen Mark. So wur­de im März 1992 die 70 Jah­re alte Hand­pres­se (“alter Opa” genannt) aus­ge­mus­tert und zwei neue, halb­au­to­ma­ti­sche Pres­sen ange­schafft. Beim Ein­bau tauf­te Hein­rich Fried­rich Kist­ner die neu­en Pres­sen auf die Namen “Hei­ni” und “Fidi”. Der erfor­der­li­che Dampf, der mit sehr hohem Druck in das Kalk­sand­stein­ge­misch gepresst wur­de, wur­de fort­an nicht mehr mit Koh­le son­dern mit Schwer­öl und Gas erzeugt. Nun hat­te der weit­hin sicht­ba­re Fabrik­schorn­stein sei­ne Funk­ti­on ver­lo­ren Gleich­wohl wur­de er nicht abge­ris­sen. Als sicht­ba­res Erken­nungs­zei­chen der Fir­ma Kist­ner ließ man ihn ste­hen, und so blieb er bis heu­te erhalten.

Bürgermeister-Smidt-Straße Ecke Schifferstraße

Aber trotz der hohen Inves­ti­tio­nen war der Nie­der­gang der Kalk­sand­stein­fa­brik nicht mehr auf­zu­hal­ten. Die Bau­bran­che ver­lang­te nach immer grö­ße­ren For­ma­ten. Zu deren Her­stel­lung wären aber­mals erheb­li­che Inves­ti­tio­nen in den gesam­ten Maschi­nen­park erfor­der­lich gewe­sen. Der der­zei­ti­ge Stand­ort an der Gees­te hat aber längst sei­ne ehe­ma­li­ge Attrak­ti­vi­tät ver­lo­ren. Das Gelän­de war nicht groß genug, um neue Inves­ti­tio­nen auf­zu­neh­men. Man hät­te sich also zusätz­lich nach einem neu­en Stand­ort umse­hen müs­sen. Dabei wur­de die bereits vor­han­de­ne Kapa­zi­tät von 30 Mil­lio­nen Stei­nen im Jahr schon seit Jah­ren nicht mehr aus­ge­schöpft. So wur­den im Jahr 1999 wur­den nur noch fünf Mil­lio­nen Stei­ne aus­ge­lie­fert. Die Geschäfts­füh­rung ver­ein­bar­te mit den letz­ten fünf Pro­duk­ti­ons­mit­ar­bei­tern eine Auf­he­bung der Arbeits­ver­trä­ge und leg­te die Kalk­sand­stein­fa­brik am 31.03.2000 still.

Die H. F. Kistner Baugesellschaft

Die Kalk­sand­stein­fa­brik war der letz­te Indus­trie­be­trieb an der Gees­te, in dem jahr­zehn­te­lang über 60 Mit­ar­bei­ter beschäf­tigt waren – teil­wei­se sogar im Drei-Schicht-Betrieb. Zurück blie­ben nur noch die Erin­ne­run­gen der dama­li­gen Anwoh­ner. So schrieb mir Gün­ter, dass “ein herr­li­chen Duft in der Luft lag… wenn Kist­ner neben­an sei­ne Stei­ne brann­te, eine wun­der­schö­ne Erin­ne­rung für mich, ich habe die­sen Duft noch in der Nase! Ich weiß aller­dings nicht, ob ich jetzt wirk­lich objek­tiv bin, oder ob es nicht viel­leicht auch ein­fach die­se wun­der­schö­ne Erin­ne­rung des Moments war, denn irgend­wie habe ich auch im Hin­ter­kopf die Erin­ne­rung, dass eini­ge die­sen für mich wun­der­schö­nen Duft einen fürch­ter­li­chen Gestank nann­ten! Es ist zu lan­ge her, 1954 bin ich gebo­ren, es wird also ver­mut­lich um die 1960 gewe­sen sein.”

Die H. F. Kistner Baugesellschaft

Nach der Schlie­ßung der Kalk­sand­stein­fa­brik hat die Stadt das Betriebs­ge­län­de im Jah­re 2002 für 1,74 Mil­lio­nen Euro erwor­ben. Das Bau­ge­schäft und der auf dem Kist­ner­ge­län­de ste­hen­de Hob­by­markt wur­den wei­ter betrie­ben. Doch auch der Hob­by­markt hat­te kei­ne Zukunft. In Bre­mer­ha­ven eröff­ne­ten immer grö­ße­re Bau­märk­te. Die Kon­kur­renz um die Kun­den wur­de erdrü­ckend. Im Jah­re 2002 muss­te auch Kist­ners Hob­by­markt auf­ge­ben, und ein Jahr spä­ter schloss der zunächst wei­ter betrie­be­ne Baustoffhandel.

Die H. F. Kistner Baugesellschaft

Das Kern­un­ter­neh­men konn­te sich noch bis zum Jah­re 2005 auf dem Markt behaup­ten. Doch schließ­lich soll­te ein rui­nö­ser Wett­be­werb auf dem Bau die  H. F. Kist­ner Bau­ge­sell­schaft in die Knie zwin­gen. Lan­ge 150 Jah­re präg­te die H. F. Kist­ner Bau­ge­sell­schaft das Bau­ge­sche­hen an der Unter­we­ser. In den Anfangs­jah­ren im Miets­haus­bau, spä­ter auch im Hoch- und Tief­bau. Es gibt wohl kein ande­res Unter­neh­men, das an der bau­li­chen Ent­wick­lung Bre­mer­ha­vens einen ähn­li­chen Anteil hatte.

Seit dem Jah­re 2005 sucht die städ­ti­sche Wirt­schafts­för­de­rung BIS ver­geb­lich einen Käu­fer für das brach lie­gen­de Kist­ner-Gelän­de. Bis auf weni­ge Aus­nah­men sind die dar­auf ste­hen­den Gebäu­de dem Ver­fall preis­ge­ge­ben, unter ande­rem auch die gro­ße stüt­zen­freie Ton­nen­dach­hal­le des ehe­ma­li­gen Pres­sen­hau­ses. Das Lan­des­denk­mal­amt hat in sei­ner Stel­lung­nah­me vom August 2009 die Ton­nen­hal­le als ein kon­struk­ti­ons­ge­schicht­lich inter­es­san­tes Gebäu­de bezeichnet.

Immer wie­der berich­te­ten die Nord­see-Zei­tung und das Sonn­tags­jour­nal von neu­en Ideen zur Nut­zung des Grund­stü­ckes. Wer in den Archi­ven der Zei­tun­gen blät­tert, fin­det, begin­nend im Jah­re 2000, wohl an die 40 Arti­kel. Aber nicht einer der bis­her vor­ge­stell­ten Plä­ne wur­de rea­li­siert. Auch die in Work­shops und Arbeits­grup­pen des Bür­ger­ver­eins und der Stadt­teil­kon­fe­renz Lehe ent­wi­ckel­ten Kon­zep­te und Ideen sol­len bei den ver­ant­wort­li­chen Poli­ti­kern kein Gehör gefun­den haben.

Die H. F. Kistner Baugesellschaft

Viel­mehr sind sich die Bre­mer­ha­ve­ner Poli­ti­ker von SPD und CDU wohl einig, die unter Denk­mal­schutz ste­hen­de Ton­nen­dach­hal­le abzu­rei­ßen. Bleibt die Hoff­nung, dass der Lan­des­denk­mal­pfle­ger die­ses ein­ma­li­ge Indus­trie­denk­mal dau­er­haft zu schüt­zen weiß. Dazu gehört auch, zu ver­hin­dern, dass man die Hal­le mit dem gewölb­ten Dach ein­fach dem Ver­fall preis­gibt und so Tat­sa­chen schafft.

Die jün­ge­ren Poli­ti­ker wer­den die Geschich­te des Tra­di­ti­ons­un­ter­neh­mens H. F. Kist­ner mög­li­cher­wei­se nicht ken­nen. Es wäre schön, wenn die­ser Arti­kel die Ver­ant­wort­li­chen in Ver­wal­tung und Poli­tik wach­rüt­telt und vor Augen führt, wel­ches his­to­ri­sche Klein­od sie ver­nich­ten möch­ten. Schließ­lich hat­te die Leher Gemein­de den Fir­men­grün­der H. F. Kist­ner im August 1853 als voll­wer­ti­gen Bür­ger in ihrer Mit­te auf­ge­nom­men. Im Mai 1890, als Magis­trat und Bür­ger­vor­ste­her-Kol­le­gi­um beschlos­sen, die Stra­ße an der Mei­de mit sei­nem Namen zu bezeich­nen, wur­de ihm erneut höchs­te Ehrung erwiesen.

Ich bedan­ke mich ganz herz­lich bei allen, die mich beim Schrei­ben die­ses Arti­kels unter­stützt haben. Einen beson­de­ren Dank an Herrn Kist­ner, der mir erlaubt hat, das Bild des Fir­men­grün­ders mit sei­ner Ehe­frau hier zu ver­öf­fent­li­chen, an Sabi­ne Funk und Horst-Die­ter Brink­mann für die ein­ge­reich­ten Bil­der, an Jür­gen Wink­ler für sei­ne Hin­wei­se und Infor­ma­tio­nen und an Gün­ter Knieß für die Auf­zeich­nung sei­ner Kind­heits­er­in­ne­run­gen und für die hilf­rei­che Unter­stüt­zung bei mei­nen Recher­chen. Abschlie­ßend lade ich alle Deich­SPIE­GEL-Leser herz­lich ein, ihre eige­nen Erin­ne­run­gen hier als Kom­men­ta­re niederzuschreiben.
Quel­len:
Dr. Georg Bes­sell: Hei­mat­chro­nik der Stadt Bre­mer­ha­ven, Sei­ten 271 ff.
Hein­rich Drö­ge:
Hun­dert Jah­re bau­en – Fest­schrift zum 100-jäh­ri­gen Bestehen
R. S. Hart­mann: Die Part­ner­schaft von Kapi­tal und Arbeit, Sei­ten 218 ff.
H. Buch­artz: Die Prü­fung und die Eigen­schaf­ten der Kalk­sand­stei­ne, Juli­us-Sprin­ger-Ver­lag, Ber­lin, 1908
Her­bert Kört­ge: Die Stra­ßen­na­men der See­stadt Bre­mer­ha­ven, Sei­te 120
Dr. Hart­mut Bickel­mann: Wer­bung durch Anschau­ung, Nie­der­deut­sches Hei­mat­blatt Nr. 567 vom März 1997
Dr. Hart­mut Bickel­mann: Zwi­schen Woh­nen und Arbei­ten, Nie­der­deut­sches Hei­mat­blatt Nr. 586 vom Okto­ber 1998
guh: Die letz­ten Tage der Kalk­sand­stein­ära, Nord­see-Zei­tung vom 18.02.2000
Rai­ner Dons­bach: Nicht dem Ver­fall zuse­hen, Nord­see-Zei­tung vom 29.03.2011
S. Schwan: Neu­er Anlauf für die Kist­ner-Bra­che, Nord­see-Zei­tung vom 10.1.2012
Rai­ner Dons­bach: Denk­mal droht der Abriss, Nord­see-Zei­tung vom 17.09.2015
Rai­ner Dons­bach: Flücht­lin­ge aufs Kist­ner­are­al, Nord­see-Zei­tung vom 13.11.2015
Jür­gen Wink­ler: Kist­ner­ge­län­de – eine unend­li­che Geschich­te,
juwi’s welt
Kalk­sand­stein-Dienst­leis­tung GmbH: Geschich­te der Kalksandsteinindustrie 
Stadt Bre­mer­ha­ven:
Pres­se­mit­tei­lung vom 14.10.2015 
Hup­ke und Mahn | Geschichts­werk­statt Lehe:
Kalk­sand­stein­werk H. f. Kistner
Deut­sche Digi­ta­le Biblio­thek: Bre­mer­ha­ven, Hafen­stra­ße 56, 58, 60, Werftstraße

Am 04.02.2016 schrieb Herr Gus­tav Woh­de zu obi­gem Arti­kel fol­gen­den Kom­men­tar und bat mich, hier zwei Bil­der zu veröffentlichen:

Hal­lo Herr Kistner,
zur Unter­strei­chung des Enga­ge­ment für ihre Mit­ar­bei­ter in obi­gem Arti­kel sen­de ich Ihnen ger­ne einen Nach­ruf in Form eines Zei­tungs­aus­schnit­tes zu. Auf die­sem wird mein Onkel Sieg­fried Lan­ge im Okto­ber 1959 als guter Mit­ar­bei­ter und eben sol­cher Kame­rad von der Lei­tung der Fir­ma Kist­ner und deren Mit­ar­bei­ter ver­ab­schie­det. Er war Beton­fach­ar­bei­ter und 31 Jah­re alt.
Soll­te es Ihnen gelin­gen, eine Erin­ne­rung an mei­nen Onkel zu wecken, den ich nie ken­nen­ler­nen konn­te, wäre ich Ihnen sehr dank­bar für eine Kontaktaufnahme.
Ger­ne sen­de ich Ihnen auch ein Foto von Ihm zu.
Vie­len Dank vor­ab und wei­ter­hin alles Gute.

Die H. F. Kistner Baugesellschaft

Nach­ruf Sieg­fried Lan­ge vom 5. Okto­ber 1959

Siegfried Lange

Smidt, van Ronzelen, Elvis & Co.

Die His­to­ri­ke­rin Nina Becker M. A. möch­te sich mit den Besu­chern und Besu­che­rin­nen auf Streif­zü­ge durch die Stadt­ge­schich­te bege­ben und dabei unter ande­rem Smidt, van Ron­zelen, Elvis & Co. begeg­nen. Dazu lädt das His­to­ri­sche Muse­um Bre­mer­ha­ven zu einer Extra­Tour am Don­ners­tag, den 17. Dezem­ber 2015 um 15.30 Uhr ein.

Smidt, van Ronzelen, Elvis & Co.

Der Rund­gang bie­tet einen span­nen­den Ein­blick in die Geschich­te Bre­mer­ha­vens von der Grün­dung 1827 bis in die 1950er Jah­re. Die Teil­neh­mer/-innen erfah­ren zunächst, wie aus dem „Hafen für Bre­men“ eine Groß­stadt an der Weser­mün­dung wur­de. The­ma­ti­siert wird auch der Auf­stieg zum größ­ten Aus­wan­der­er­ha­fen Euro­pas. Ori­gi­na­le Möbel von Smidt und van Ron­zelen sowie Gebrauchs­ge­gen­stän­de, Model­le und Diora­men las­sen die Ver­gan­gen­heit leben­dig wer­den.
Im zwei­ten Teil der Füh­rung erläu­tert Nina Becker die Stadt­ge­schich­te von den 1920er bis zu den 1950er Jah­ren und berich­tet über Ter­ror und Ver­fol­gung in der Zeit des “Drit­ten Rei­ches”. Ein Luft­schutz­kel­ler und eine Not­un­ter­kunft der Nach­kriegs­jah­re zei­gen, wie schwie­rig der All­tag für die Bre­mer­ha­ve­ner war. Die Teil­neh­mer/-innen begeg­nen dabei auch der welt­be­kann­ten Lili Mar­leen. Ver­schie­de­ne Fahr­zeu­ge, Ein­rich­tungs- und Elek­tro­ge­rä­te ver­deut­li­chen schließ­lich den lang­sam ein­set­zen­den Wirt­schafts­auf­schwung der 1950er Jah­re. Die Extra­Tour endet mit der Ankunft von Elvis Pres­ley am 1. Okto­ber 1958 in Bre­mer­ha­ven.
Die Füh­rung ist im Ein­tritts­preis ent­hal­ten. Treff­punkt ist das Foy­er.
Quel­le:
His­to­ri­sche Muse­um Bre­mer­ha­ven: HMB aktu­ell 71/15 – 10.12.2015