Verwaiste Fußgängerzonen — den Stadtplanern fehlen ideenreiche Konzepte
“Immer mehr Leerstand” klagte die Nordsee-Zeitung in ihrer Ausgabe vom 9. November 2013. Und die Lüneburger “Landeszeitung” berichtete am 7. Januar 2014, dass ein “Konzept gegen Leerstand” geplant sei. Die Stadt Görlitz ist da vielleicht schon etwas weiter, sie hat von der CIMA Beratung + Management GmbH bereits ein “Einzelhandels- und Zentrenkonzept” entwickeln lassen.
Bremerhavens Probleme liegen in der nördlichen Fußgängerzone. Hier haben sich, wie wohl überall in den deutschen Fußgängerzonen, Filialisten eingemietet. Filialisten haben naturgemäß keinen persönlichen Bezug zu der jeweiligen Stadt. Sie kommen, wenn Sie Umsatz erhoffen. Bleibt der irgendwann aus, stimmt das Filialergebnis nicht mit den Zielvorgaben überein, wird die Filiale geschlossen, und man zieht eine Stadt weiter.
So hat es auch WMF gehalten. Schon einige Jahre nicht mehr mit dem Umsatz zufrieden, haben sie jetzt die Notbremse gezogen und Bremerhaven verlassen. Als ich am 7. Januar 2014 das Bild aufnahm, waren Handwerker in dem verlassenen Geschäft tätig. Ich kann nicht sagen, ob etwas abgebaut oder neu installiert wurde.
Auch dieses Geschäft sucht schon seit einigen Jahren einen Mieter. Vermutlich sind 500 Quadratmeter Ladenfläche zu groß, als dass die Miete dafür erwirtschaftet werden kann.
Im Norden der Fußgängerzone stehen insgesamt sieben Läden leer, weitere Geschäftsinhaber sollen abwandern wollen. Die Mitarbeiterin eines Reisebüros sucht den Grund im Mediterraneo, das die Laufkundschaft angeblich von der nördlichen Fußgängerzone abziehen soll. Mag sein, mir erscheint der Gedanke aber nicht schlüssig. Naja, auf jeden Fall wandert das Reisecenter nicht ab. Es ist in die südliche Fußgängerzone umgezogen und nutzt an der Ecke zur Mittelstraße die Räume der früheren Buchhandlung Mügge.
Wenn die Stadt Bremerhaven aber glaubt, mit der Ansiedelung neuer Geschäfte in der nördlichen Fußgängerzone seien die Probleme behoben, dann irrt sie. Dazu muss man sich nur mal in den anderen Stadtteilen umsehen. Ob es Geestemünde ist oder Lehe, ob Wulsdorf oder Mitte; Die Läden stehen überall leer.
Diese Fotos sind nur ein Abriss des tatsächlichen Zustandes im Viertel Goethestraße. Überall gähnend leere Schaufenster. Handwerker und Einzelhändler haben ihren Betrieben schon vor langer Zeit den Rücken gekehrt. Zum Teil aus Altersgründen, zum Teil mangels ausreichender Umsätze.
An der Peripherie der Stadt haben sich Supermärkte etabliert, die die Kunden aus der Innenstadt abziehen. Viel zu lange Fußgängerzonen halten die Käuferschichten fern, die mit dem Auto unterwegs sind. Und nicht zuletzt geht aus demographischen Gründen Kaufkraft verloren. Berufstätige haben heute keine Zeit mehr, nach Feierabend durch die Geschäfte zu eilen. Da wird im Internet eingekauft. Zumindest machen das die solventen Bevölkerungsschichten. Wer für das Internet kein Geld hat, der geht aber auch nicht in die Fußgängerzone zum Einkaufen.
Ich denke, der nördliche Teil der Fußgängerzone in Bremerhaven sollte für den Autoverkehr freigegeben werden. Das würde wahrscheinlich mehr Menschen in die Straße bringen als irgendwelche Pseudoveranstaltungen, die niemanden interessieren.
Lüneburg hat mit ähnlichen Problemen wie Bremerhaven zu kämpfen. Auch in Lüneburg sind die Fußgängerzonen unendlich lang. Auch dort werden die Randgebiete nicht frequentiert, und viele Einzelhändler haben frustriert aufgegeben. Weil mit dem geringen Umsatz kein ausreichender Überschuss generiert werden konnte. Dann wird der Laden doch lieber an einen Filialisten vermietet, und der Netto-Mietertrag scheint zu verführen, die Geschäftstätigkeit einzustellen. Wer den oben erwähnten Artikel der Landezeitung “Konzept gegen Leerstand” lesen möchte: Einfach anklicken, ich habe die Zeitungsartikel für Euch hinterlegt.
Auch mit Görlitz habe ich mich beschäftigt, ich habe dort ja einige Jahre gewohnt. Wer Görlitz nicht kennt, die Stadt liegt in der Oberlausitz, direkt an der Neiße. 1945 wurde Görlitz geteilt, aus dem östlich der Neiße gelegenen Stadtteil ist die polnische Stadt Zgorzelec hervorgegangen.
Wie diese Bilder sehr schön verdeutlichen, hat die Stadt Görlitz auch eine sehr lange Fußgängerzone. Der untere Teil führt in die Stadtmitte. Hier sind viele Passanten zu sehen, die ihre Einkäufe erledigen. Zwar wird dieser Straßenabschnitt auch von Filialisten beherrscht, aber die Läden stehen nicht leer.
Schaut man jedoch in die andere Richtung (Bild mit der Straßenbahn) hat der Betrachter ein ganz anderes Erlebnis. Der Straßenabschnitt ist leer – nur die Straßenbahn rauscht Richtung Bahnhof. Geschäfte gibt es hier kaum, Bauruinen aus DDR-Zeiten beherrschen das Bild. Aber wenigstens hat Görlitz ein Konzept, einfach oben anklicken, und Ihr bekommt es als pdf-Datei.
Ich habe hier drei unterschiedliche Hochschulstädte mit unterschiedlichen Vergangenheiten in unterschiedlichen Regionen Deutschlands vorgestellt, die von den gleichen Problemen geplagt werden: Leerstand in der Innenstadt.
Lassen sich die Zeiten zurückholen, in denen Autos durch die Einkaufsstraßen fuhren? Vor Feinkostgeschäften und Fachgeschäften parkten, während die Insassen ihren Einkaufsbummel machten? Dazu müssten die Kommunalpolitiker den Mut finden und die verwaisten Fußgängerzonen zurückbauen. Sonst kaufen die Kunden dort ein, wo das Autofahren erlaubt ist: Im Supermarkt, im Elektromarkt oder beim Bekleidungsdiscounter am Stadtrand.
Irgendwann gingen die Kunden nur noch zu einer kostenlosen Beratung ins Fachgeschäft, eingekauft haben sie dann im Internet. Der Einzelhändler kannte keine Marketingstrategien. Kam ein interessierter Kunde nicht zurück, blieb er eben weg. Telefonisch nachgefragt hat niemand. Und so blieben immer mehr Kunden weg, und so wurde das Angebot der Geschäfte immer einseitiger. Filialisten machen sich breit, Geiz ist geil regiert. Aber wer nicht bereit ist, dem Fachhändler für eine gute Beratung fünf Euro mehr zu bezahlen, der muss sich nicht wundern, wenn es irgendwann keinen Fachhändler mehr gibt.
Es ist wie mit den Kontoführungsgebühren der Sparkassen. Keiner will sie bezahlen, viele haben ihrer Sparkasse den Rücken gekehrt. Und sich gewundert, wenn ihre ach so günstige Bankfiliale plötzlich geschlossen wurde, weil die Rendite nicht mehr stimmte. Sparkassen sind dem Gemeinwohl verpflichtet. Das können sie aber nur so lange, wie die Gemeinschaft die Sparkasse auch unterstützt. Zum Beispiel durch eine Kontoführungsgebühr, von der dann Vereine oder notleidende Menschen unterstützt werden.
Jeder Bürger entscheidet selbst, was ihm wichtig ist. Niemand zwingt ihn, seine Waren online im Versandhandel zu kaufen. Niemand muss zu einem Bekleidungsdiscounter am Stadtrand gehen, um fünf Euro zu sparen. Und keine Stadtplaner werden gezwungen, große Baumärkte in der Innenstadt anzusiedeln. Besonders dann nicht, wenn es schon innerstädtische Baumärkte gibt.