Geheimer Kommerzienrat Oskar Meissner
Geheimer Kommerzienrat
zum 85. Todestag von Oskar Meissner
Die Monatszeitschrift StadtBILD hat in ihrer Ausgabe Nr. 155 vom Juni 2016 einen Aufsatz von Herrn Wolfgang Stiller zum 85. Todestag von Oskar Meissner veröffentlicht.
Benjamin Oskar Reinhold Meissner, Fabrikbesitzer, Stadtrat, Magistratsmitglied, Geheimer Kommerzienrat und Stadtältester, wurde am 9. Mai 1843 in Fraustadt (Wschowa) geboren.
Die Familie entstammt einer alteingesessenen Ratsfamilie in Fraustadt, die dort seit dem 30-jährigen Krieg (1618 — 1648) als Tuchmacher wirkte. Fraustadt ist eine Kreisstadt im Westen der ehemaligen Provinz Posen. Im Jahre 1887 kam die Stadt zum Kreis Lissa und 1941 als eigener Kreis zur Provinz Niederschlesien. Wie aus der Firmenchronik der Görlitzer Tuchfabrik Krause & Söhne hervorgeht, kam Oskar Meissner von der Firma “Schlesische Tuchfabrik Jeremias Sigismund Foerster & Co. Grünberg”. Sie war ein sehr angesehenes Unternehmen. In dieser Firma war Meissner als Technischer Leiter tätig. Nach 1860 entstanden die ersten Kontakte zwischen Oskar Meissner und der Firma Krause & Söhne in Görlitz. Zu jener Zeit wurden aus Fraustadt, dem Unternehmen seiner Eltern, Rohtuche zur Weiterverarbeitung in Görlitz bezogen.
Emil Krause (*13.5.1828 +17.2.1872), der Sohn des Firmengründers Karl Friedrich Krause (*17.5.1795 +17.8.1866), vermählte sich 1870 mit Bertha Meissner (*14.3.1838 Fraustadt +11.2.1935 Görlitz), der Schwester von Oskar Meissner. Diese Familienverhältnisse wurden noch enger, als wenig später Oskar Meissner die Anna Krause (16.9.1848 +16.10.1934) ehelichte und somit in die Firma Krause & Söhne einheiratete.
Durch den frühen Tod des Firmengründers Karl Friedrich Krause 1866 und dessen Sohn Emil Krause 1872 sowie die andauernde Krankheit des Firmenteilhabers Edmund Krause (verstorben 1880) war die Geschäftsführung der Firma Krause & Söhne gefährdet. Daher wurde Oskar Meissner zu Beginn des Jahres 1872 in die Führung der Firma berufen. Eine wesentliche Voraussetzung dafür war seine solide fachliche Ausbildung und leitende Tätigkeit bei der oben beschriebenen Firma F. Foerster in Grünberg. Nach dem Tod seines Schwagers Carl Emil Krause im Jahre 1872 übernahm Oskar Meissner 1872 für seine Schwester Bertha (Gattin von Carl Emil) die Leitung der Firma Kruse & Söhne. Berta war nach dem Tod ihres Gatten Carl Emil mit ihren 5 minderjährigen Kindern Firmenerbin.
Mit Beginn des Kaiserreiches hatte auch in der Firma ein deutlicher Aufschwung begonnen. Durch eine zielbewusste Modernisierung des Unternehmens durch Oskar Meissner wurde das Unternehmen zu neuer Blüte geführt. Unter seiner Leitung hatte er das Fabrikgebäude erweitert und neue Maschinen angeschafft.
Besondere Verdienste erwarb sich Meissner für die Sicherstellung der besonders wichtigen Wasserversorgung für seine Firma. Durch mehrere Verträge mit der Stadt konnte dieses Vorhaben zwischen 1885 bis 1892 in weitschauender Weise gesichert werden. Dabei wurde Wasser teilweise der Neiße entnommen und aus einem Brunnen, welcher in der Nähe des Krankenhauses an der Berliner Bahnstrecke angelegt wurde. Dessen Wasser wurde mittels Röhren in einen Teich (Ponteteich) geleitet, der sich gegenüber der Fabrik am Grünen Graben befand.
Die Firma Krause & Söhne unter der Leitung von Oskar Meissner richtete eine Betriebs-Pflichtsparkasse ein. In dieser konnten die Belegschaftsangehörigen für Zeiten der Arbeitslosigkeit, der Not und des Alters bestimmte Beiträge des Lohns ansparen. Alle Beamten, Arbeiter und Arbeiterinnen, die in der Firma fest angestellt waren, wurden verpflichtet, dieser Betriebssparkasse beizutreten und allwöchentlich einen bestimmten Beitrag ihres Lohnes einzuzahlen. Die Einlagen wurden mit 4% verzinst.
Am 25. März 1899 nahm die Firma Krause & Söhne die Form einer GmbH an. Als Geschäftsführer zeichneten Oskar Meissner und Rudolf Krause.
An der Lunitz, vor dem Oktogon, stand ein Gasometer des Gaswerkes Görlitz. Dieser wurde nicht mehr benötigt und durch die Stadt abgebrochen. Im Jahre 1908 erwarb Meissner das Areal von der Stadt für seine Firmenerweiterung. Laut Kaufvertrag handelte es sich um eine Fläche von 1448 m². An dieser Stelle befindet sich jetzt, nach Abriss einiger Gebäudeteile, der Parkplatz der Arbeitsagentur.
Im September 1912 rückte Rudolf Krause zum alleinigen Geschäftsführer auf, während 0skar Meissner als Teilhaber in der Firma tätig blieb. Meissner blieb bis zu seinem Tode ein treuer Ratgeber für die Geschäftsführer der Firma.
Nach langjähriger, erfolgreicher Tätigkeit als Stadtverordneter wurde er im Jahre 1898 ein unbesoldetes Mitglied des Magistrats der Stadt. Er gehörte dem Magistrat bis zum Jahre 1919 an, also 21 Jahre. 1912 übernahm Meissner ehrenamtlich das Bergwerkdezernat “Grube Stadt Görlitz” des Magistrats.
Im Nachruf des Magistrats zu seinem Ableben am 1.6.1931 heißt es hierzu: “In dieser Tätigkeit hat Herr Meißner mit nie ermüdender Arbeitskraft und einem unbeugsamen Willen zur Pflichterfüllung in hervorragender Weise an der Umstellung des Bergwerkes Kohlfurt zu einem kaufmännischen Betriebe gearbeitet und aus diesem Werke ein Unternehmen geschaffen, dessen Segen für die Stadt sich besonders in der Kriegs- und Nachkriegszeit erwiesen hat. Auch in anderen Ämtern hat er bis ins hohe Alter seine Arbeitsfreudigkeit und seinen vorbildlichen Bürgersinn bewiesen. Meissner erwarb sich hohe Verdienste um das Wohl der Stadt. Seine aufrechte Persönlichkeit, sein verbindliches Wesen und seine der Stadt geleistete Arbeit werden im Kreise des Magistrats unvergessen bleiben.”
Im Jahre 1894 errichtete Meissner Lindenweg 4 seine Familienvilla und erwarb das Grundstück Lindenweg 7, welches um 1860 bebaut worden ist. Auf diesem Grundstück wohnten laut Adressbuch die Töchter von 0skar Meissner.
Zu seinem 70. Geburtstag 1913 wurde dem Kommerzienrat Oskar Meissner im Auftrage des Ministers für Handel und Gewerbe der Charakter eines “Geheimen Kommerzienrates” verliehen. In Anerkennung für seine hohen Verdienste für die Stadt Görlitz wurde ihm aus diesem Anlass von den städtischen Körperschaften das Prädikat “Stadtältester” zuerkannt.
Am 1. Juni 1931 verstarb Oskar Meissner nach schwerem Leiden im Alter von 88 Jahren in der chirurgischen Klinik von Dr. Boeters, Konsulplatz. Er wurde in der Familiengruft auf dem Friedhof unter großer Anteilnahme von Stadt und Belegschaft beigesetzt.
Oskar Meissner war auch Mitglied der Freimaurerloge zu Görlitz “Zur gekrönten Schlange”. In dieser Loge hat Meissner eine Stiftung für hilfsbedürftige Kinder und Witwen von Freimaurern und hilfsbedürftige Freimaurer gegründet. Jährlich wurden mindestens 150,- Mark gestiftet, so dass sich bis zum Jahre 1920 ein Kapital von 14.706,72 Mark angesammelt hat.
Sein 85. Todestag im Juni 2016 sollte uns Anlass sein, einer in der Öffentlichkeit bislang wenig bekannten Persönlichkeit, die sich große Verdienste für das Aufblühen des Wirtschaftslebens und für die Sorge des Gemeinwohl unserer Stadt erworben hat, zu gedenken.
Die Töchter von Oskar Meissner, Margarete und Elisabeth, ehelichten ebenfalls zwei Brüder: Margarete Meissner (*17.4.1873 +17.8.1971) den Amtsgerichtsrat Otto Pohl (*9.2.1866 +15.10.1947) und Elisabeth Meissner (*8.2.1871 +27.11.1960) den preußischen Generalleutnant Lorenz Pohl (*11.11.1855 +7.3.1935. Die beiden Schwestern von Meissner lebten bis zu ihrem Tod weiterhin im Grundstück Lindenweg 7. Sie sind ebenfalls in der Familiengruft auf dem Friedhof bestattet.
Nachdruck
Text und Bilder mit freundlicher Genehmigung des StadtBILD-Verlages Görlitz und Herrn Wolfgang Stiller.