Erinnerungen eines Matrosen an seine Bordzeit auf “Seefalke”
Für meine Leser, die weitab von der Nordseeküste wohnen, habe ich in meinem Beitrag “Museumsschiff ‘Seefalke’ wird saniert” die Erinnerungen eines ehemaligen Matrosen gepostet, der 20 Monate lang zu Beginn der sechziger Jahre als Jungmann, Leichtmatrose und Matrose auf dem Bergungsschlepper “Seefalke” fuhr. Der “Seefalke” liegt heute vor dem Deutschen Schiffahrtsmuseum.
Den zweiten Teil könnt Ihr hier lesen. Heute gibt es den letzten Teil :
Heini sorgt für bange Minuten an Bord
Auf Schleppreisen ging es nicht so geruhsam zu. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass auf diesen Reisen mindestens dreimal die Schleppverbindung brach und der Anhang bei sehr schlechtem Wetter wieder eingefangen werden musste.
Die “Seefalke” hatte noch ein altes, konventionelles Schleppsystem im Gegensatz zu dem heutigen, wo 1000 Meter Schleppdraht auf einer Trommel aufgespult sind und per Knopfdruck je nach Bedarf verkürzt oder verlängert werden können. Das Einholen war reine Knochenarbeit. Es mussten die einzelnen 220 Meter Drahtlängen über den Spillkopf eingeholt, abgestoppt, abgeschäkelt, wieder Bucht für Bucht fein säuberlich auf der hinteren Schleppgräting aufgeschossen und gelascht werden, damit der Schleppdraht beim Ausfahren nicht auf einmal ausrauschen konnte.
Dieses Szenario wiederholte sich noch mindestens dreimal auf jeder Reise, und zwar beim Erreichen der 200-Seemeilen-Grenze im Englischen Kanal, kurz vor Dover wegen des dortigen starken Verkehrs und schließlich auf der Elbe. Bei letzterer Aufkürzung wurde dann der Anhang auf “kurze Leine” genommen. Das waren dann nur noch 90 Meter. Sonst konnte der Schleppzug nicht die Elbe hoch nach Hamburg fahren.
Nach solchen Reisen verholte dann der Schlepper nach Bremerhaven zum Schuchmann-Platz und wurde dort für die nächste Schleppreise verproviantiert und ausgerüstet. Anfallende Maschinenreparaturen wurden dann zur gleichen Zeit erledigt. Dann trat der Chef in Aktion. Er wirbelte durch das Schiff, inspizierte zuerst das Schleppgeschirr und dann den Maschinenraum. Dies waren immer bange Minuten für die Schiffsführung, denn er war für seine markigen Sprüche und auch für seine Wutausbrüche bekannt.
Ich erinnere mich noch an eine Szene, als mein Kumpel — ein hagerer, bedächtiger Hamburger — ihn um ein Radio für unser Mannschaftslogis bat. Sogleich kam die Reaktion: “Ich stelle nächstens noch den Herren Matrosen ein Schwimmbad an Deck, damit sie ihre Eier schaukeln können.” Die ruhige Antwort meines Kumpels: “Nee, brauchen wir nicht, wir haben genug Wasser an Deck. Wir brauchen ein Radio.” Am nächsten Tag kam “Heini”, wie er heimlich genannt wurde, mit einem Radio unterm Arm und übergab es uns, diesmal etwas freundlicher.
Quelle:
NORDSEE-ZEITUNG vom 31. August 2012