Erinnerungen eines Matrosen an seine Bordzeit auf “Seefalke”
Für meine Leser, die weitab von der Nordseeküste wohnen, habe ich in meinem Beitrag “Museumsschiff ‘Seefalke’ wird saniert” die Erinnerungen eines ehemaligen Matrosen gepostet, der 20 Monate lang zu Beginn der sechziger Jahre als Jungmann, Leichtmatrose und Matrose auf dem Bergungsschlepper “Seefalke” fuhr. Der “Seefalke” liegt heute vor dem Deutschen Schiffahrtsmuseum.
Heute geht es mit dem zweiten Teil der Erinnerungen weiter:
Geschirr und Wäsche wandern in die Pütz
Bei Schlechtwetter war der Weg vom hinteren Mannschaftslogis bis hin zur Brücke recht abenteuerlich. Über Deck konnte man dann nicht mehr zu den vorderen Wohnräumen gelangen. Man musste in der Bergungslast durch ein Mannloch in den Wellentunnel kriechen, sich zwischen den beiden drehenden Propellerwellen durchhangeln, durch den Maschinenraum gehen und kam bei der Kombüse raus. Danach kam man in die Mannschaftsmesse, wo am Ende zur Kombüse eine Deckenklappe geöffnet und eine Leiter angestellt wurde. Man kam schließlich vor dem Funkraum auf dem Kapitänsdeck raus.
Dann wartete man einen passenden Moment ab, wenn das Vorschiff austauchte, sauste um die Ecke und erklomm die Leiter hoch zum Brückendeck. Dann war man in Sicherheit. Diese Deckenklappe ist noch heute unverändert, jedoch die steile Leiter zum Brückendeck ist heute durch eine Treppe ersetzt.
Für die gesamte Mannschaft gab es einen Waschraum und eine Toilette. Waschmaschine und Trockner waren Fremdwörter. Die Wäsche wurde in der Pütz gewaschen. Auf See wurde gemeinsam in einer Messe gegessen. Es gab ja nur eine.
Ich kann mich noch gut an einen Vorfall erinnern, der nicht gerade zur Erheiterung beitrug. Der Koch, der älteste von uns, hatte einmal Gulasch auf seinem Speiseplan. Das Gulasch war schon fertig. So stellte er diesen Topf an die Seite des Ofens und wartete darauf, dass die Kartoffeln gar wurden. Unglücklicherweise leckte der darüber hängende Gasöltank für den Ofen, so dass ein steter Tropfen in den Gulaschtopf fiel.
Nun ist Gulasch mit Dieselgeschmack nicht jedermanns Sache. So entlud sich der ganze aufgestaute Frust über den armen Koch. Diese Örtlichkeit ist heute noch zu besichtigen. Dieser Tank hängt noch heute an gleicher Stelle über der Ofenseite.
Es herrschte zu dieser Zeit eine feste Bordhierarchie, wie sie damals bei der Seefahrt noch üblich war. Alle Offiziere trugen meistens Uniform oder wenigstens ein Teil davon, was heute nicht mehr üblich ist. Wenn der Schlepper auf Station in La Coruña lag, mussten wir Matrosen in unserem Mannschaftslogis essen. Man wollte dann nicht mit uns an einem Tisch sitzen. Die Backschaft und das Heranbringen des Essens oblag mir als Jüngstem.
Trotz der strengen Hierarchie war das Betriebsklima gut. Wenn es darauf ankam, stand jeder für jeden ein. Man kannte es ja auch nicht anders. Wenn der Schlepper auf Station lag, hatte man genügend Freizeit, um abends mal an Land zu gehen. Jedoch musste die Hälfte der Besatzung immer an Bord bleiben und man durfte sich nie weiter vom Schiff entfernen, als das Typhon noch zu hören war. Dieses war sehr kräftig ausgelegt. Wenn man das Signal – einmal lang, dreimal kurz – hörte (das Morsesignal B stand für Bugsier), sauste man so schnell man konnte zurück an Bord. Oft gab es jedoch Fehlalarm.
Quelle:
NORDSEE-ZEITUNG vom 24. August 2012
1960 als Ing.Assistend auf Bergungs M/S Seefalke Standort La coronia