Der Görlitzer Tuchfabrikant Carl Samuel Geißler
Der Görlitzer Tuchfabrikant Carl Samuel Geißler
Die Monatszeitschrift StadtBILD hat in ihrer Ausgabe Nr. 65 vom November 2008 einen Aufsatz von Herrn Wolfgang Stiller über den bekannten Görlitzer Tuchfabrikant Carl Samuel Geißler (28.3.1775 bis 4.2.1878) veröffentlicht. Carl Samuel Geißler lebte in der Furtstraße. Er war ein Bruder von Ernst Friedrich Geißler, Besitzer der Vierradenmühle.
Preußische Zucht und Ordnung — Es war um 1850 schwierig, Görlitzer Bürger zu werden
Carl Samuel Geißler war königlicher Kommerzienrat und von 1835 bis 1877 mit einer 2 jährigen Unterbrechung Stadtrat bzw. Stadtverordneter, Stadtältester und Träger des Roten Adler Ordens 4. Klasse. Carl Samuel Geißler hatte 8 Kinder, darunter 5 Mädchen.
Seine Tochter Agnes Therese Geißler (23.2.1825 — 13.12. 1907) verliebte sich in einen Christian Franz Adolph Webel (6.2.1823 — 8.5.1875), Sohn eines Buchhändlers und Druckereibesitzers in Leipzig. Zwei sehr interessante Liebesbriefe, die Adolph 1847 an seine Geliebte schrieb, sind in meinem Besitz. Nun sollte ja geheiratet werden, und Adolph wollte Bürger von Görlitz werden. Der zukünftige Schwiegervater Carl Samuel Geißler schrieb daraufhin am 12. Juli 1847 nachfolgenden Brief an Adolph Webel nach Leipzig:
“Aus Ihrem Geehrten ersehe ich Ihren festen und ernsten Entschluss, daher auch der meine feststeht, und zu ihrem und Agnes weiterem Gedeihen, als Vater nur herzlich Glück wünschen kann.
Hoffend, daß Sie sich mit ernstlichem Eifer bemühen werden, in den Geschäftskreis tätig beizutragen, vorwärts schreiten zu suchen, wie es selbst bei mir und jedem tätigen Geschäftsmannes Pflicht ist, den Sorgenträger durch das Leben verändern, wo dann auch Fleiß und Mühe nicht unbelohnt bleiben wird.
Herrmann Oettel das freundschaftliche Wort zu geben, mit Ihrer oben angeführten Bitte, halte ich für Pflicht und Artigkeit. Wegen dem nun zu erlangenden Bürgerrecht haben Sie nun die nötigen Atteste, als Tauf‑, Lehr‑, Militär- und Führungsattest Ihres letzten Herren beizufügen, und durch Gesuch einzureichen, haben Sie solches ausgefertigt, können Sie es an mich überschicken, da ich es selbst abgeben will. Inliegend ein Formular, in welcher Art Sie es ungefähr anfertigen können. Glückauf mit frohem Mut grüßt Ihnen freundschaftlich C.S.Geißler”.
Am 11.04 1848 wurde dann geheiratet. Im Jahre 1854 gelangte das Grundstück Brüderstraße 13 in den Besitz von Adolph Webel und Frau Agnes Therese Webel geb. Geißler (Eingang Schwarze Gasse 4).
Bei Richard Jechts “Topographie der Stadt Görlitz” ist auf Seite 384 nachfolgendes vermerkt: “Brüderstraße 13 (Überbauung der Schwarze Gasse). Die Brauhöfe Brüderstraße 13 (Hyph. Nr. 13) und Brüdergasse 12 (Hyph. Nr. 10) haben seit 1770 einen gemeinsamen Überbau über dem Schwarzen Gässchen; damit kam man überein, als der Advokat und Kämmerer und Heideverwalter Georg Geißler Nr.13 baute, dass ihm die oberen zwei Fenster, dem Besitzer der Nr. 12, dem Schöppen Georg Lochmann, aber die unteren zwei Fenster eingeräumt wurden. Den Dachboden sollte jeder zur Hälfte haben. So ist der Besitzstand noch heute (1934).
Die Besitzer lassen sich bis 1427 nachweisen, u.a. 1755 wohnte als Mieter in diesem Haus der Buchdrucker Sigmund Ehrenfried Richter (Anm. Carl Samuel Geißler heiratete eine Amalie Therese Richter (1798 — 1876), und sein Bruder Ernst Friedrich heiratete auch eine Emilie Richter (1812 – 1901), ob die Ehe aus dieser Familie stammt, konnte ich noch nicht ermitteln.
Weiter schreibt Richard Jecht: 1854 – 1908 war es im Besitz von Adolph Webel und Frau Agnes Theresa Webel, geb. Geißler. Ab 1908 ist Besitzer der Kaufmann Louis Karger.”
Die Familie Adolph Webel richtete in diesem Grundstück ein Textilgeschäft ein. Vorstehende Annonce aus dem Neuen Görlitzer Anzeiger (NGA Nr. 294 Seite 2092 vom 15.12.1878) zeigt das Angebot in diesem Geschäft. Jetzt befindet sich in diesem Laden die “Schlesische Schatztruhe”.
Nachbemerkung:
Aus der Ehe von Adolph Webel mit Agnes Therese Geißler gingen drei Söhne hervor. Einer der bekanntesten war Stadtrat Felix Webel (1848 — 1918). Felix Webel begründete sein Textilgeschäft auf dem Postplatz 14/15 (Webelhaus und Brasserie). In zweiter Ehe war Felix Webel mit Helene Rehfeld, verwitwete Rösler (1852 – 1943), vermählt.
Carl Samuel Geißler war der Großvater von Helene. Deren Eltern waren Emma Therese Rehfeld, geborene Geißler (1822 –1896) und der Fabrikbesitzer Karl Rehfeld (1814 – 1889).
Nachdruck
Text und Bilder mit freundlicher Genehmigung des StadtBILD-Verlages Görlitz und Herrn Wolfgang Stiller.