Das war meine Werft – Folge 9
Zu den bekanntesten Werften in Bremerhaven gehörte sicherlich die Rickmers-Werft. In ihrer 150-jährigen Firmengeschichte fanden hier Tausende Schiffbauer, Nieter und Schweißer aus Bremerhaven und dem Umland Arbeit. Und die Bewohner rund um der Geesthelle hatten sich mit dem fortdauernden Lärm der Niethammer ebenso arrangiert wie mit dem nächtlichen Aufblitzen der Schweißgeräte.
Im Jahre 1832 stiegen auf Helgoland der 25-jährige Holzschiffbauer Rickmer Clasen Rickmers und seine Ehefrau Etha in eine selbst gebaute Schaluppe und segelten nach Bremerhaven. Rickmers hatte auf seiner Heimatinsel Helgoland das Schiffbauhandwerk erlernt und auf weiten Reisen nach Brasilien, Mexico und USA viele Erfahrungen gesammelt. Kaum in Bremerhaven angekommen, begann Rickmers seine Tätigkeit als Meisterknecht auf der Werft von Cornelius Jantzen Cornelius. 1834 mietete der Helgoländer einen kleinen Zimmererplatz an der Osterstraße, auf dem er nur in den Sommermonaten kleinere Boote herstellen und reparieren konnte. 1836 lief das erste Schiff vom Stapel. Es war der 23 BRT große Kahn “Catharina”, den Rickmers im Auftrag des Geestendorfer Kapitäns Lenthe baute.
Der Betrieb entwickelte sich so gut, dass Rickmers beim Amtmann um einen größeren Platz an der Geeste dicht oberhalb der Fähre nachsuchte. Zunächst wurden seine Gesuche abgelehnt, doch 1839 erhielt er endlich das gewünschte größere Grundstück. Bereits 1843 lief ein Vollschiff mit einer Kiellänge von 35 Meter und einer Tragfähigkeit von 850 Tonnen vom Stapel. Das für damalige Zeiten riesige Schiff wurde auf den Namen “Bremen” getauft.
1854 ließ Rickmers den ersten deutschen Clipper, die “Ida Ziegler”, vom Stapel laufen. In der Folgezeit baute er so viele Schiffe, dass Rickmers 300 Arbeiter beschäftigen konnte. So wurde auch dieser Platz zu klein, und Rickmers machte sich erneut auf die Suche nach einem größeren Standort. Diesen fand er auch, aber nicht in Bremerhaven sondern auf Geestemünder Gebiet in Geesthelle. Geesthelle gehörte ursprünglich zu Lehe, wurde aber auf Betreiben des Amtmanns dem hannoverschen Geestemünde zugeschlagen.
1856 baute Rickmers auf der Geesthelle (auf dem Gebiet um die vorletzte Geesteschleife vor der Mündung) also einen modernen Werftbetrieb, der 1857 eröffnet wurde. Bis zum Tode des Gründers 1886 wurden nur Holzschiffe gebaut, da R. C. Rickmers den Eisenschiffbau ablehnte.
Doch das größte Schiff der Rickmerswerft war der mit einem Hilfsmotor ausgestattete Fünfmaster “R. C. Rickmers”. Rickmer Clasen Rickmers hat den Stapellauf des von ihm geplanten in seiner Art größtem Schiff der Welt nicht mehr erlebt. Er starb am 27. November 1886.
Nach dem Tod des Gründers R. C. Rickmers stellten seine Söhne Andreas Clasen Rickmers (1835–1924), Peter Andreas Rickmers (1838–1902) und Wilhelm Heinrich Rickmers (1844–1891) die Werft auf den modernen Eisenschiffbau um. 1894 wird das erste Stahlschiff gebaut, die Viermastbark “Herzogin Sophie Charlotte”.
1889 wurde die Werft in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, sämtliche Aktien blieben im Besitz der Familie. Dass Familie Rickmers ein traditionell patriarchalisches Firmenverständnis pflegte, kommt bei der Einrichtung des großen Werftgeländes zum Ausdruck. Die Familie plant auch eine werfteigene Arbeitersiedlung. In der Mitte der zwei rechtwinklig angeordneten Häuserzeilen errichtet der Patriarch eine Familienvilla mit Garten.
Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde die Werft 1914 vorübergehend stillgelegt, doch schon 1915 wurden für die Reichsmarine Minensuchboote gebaut. Als erstes Schiff nach Ende des Krieges lief 1920 die “Sophie Rickmers” vom Stapel. Doch dann erreichte die Wirtschaftskrise 1924 auch die Rickmerswerft, und zwar so heftig, dass sich der Leiter Paul Rickmers entschließt, den Betrieb stillzulegen.
Seine Entscheidung, die Werfttore zu schließen, bedeutete für 380 Mitarbeiter den Weg in die Arbeitslosigkeit. Nur einige Jahre später ereilte das gleiche Schicksal auch viele andere deutsche Werften. Für diese gab es zumeist keine Rettung, sie wurden demontiert. Für die Rickmers-Werft zeigte sich mehr als zehn Jahre später, dass die Entscheidung Paul Rickmers klug war. Die zum größten Teil veraltete Fischdampferflotte musste repariert oder ersetzt werden. Ab 1936 bekamen die Werften an der Unterweser wieder zahlreiche Aufträge.
Im Hinblick auf diese erfreuliche Entwicklung entschloss sich 1937 auch Paul Rickmers, seine Werfttore wieder zu öffnen. Zunächst beschäftigte er 40 Leute, um die stillgelegte Werft wieder betriebsbereit zu machen. Die teilweise verrotteten Helgen mussten repariert und erneuert werden. Neues modernes Werkzeug wurde angeschafft, das Ersatzteillager aufgefüllt und eine neue Slipanlage für Schiffe bis 1500 Tonnen gebaut. Als sich das Jahr 1937 dem Ende zuneigte, verdienten bereits wieder 266 Arbeiter ihr Brot auf der Rickmers-Werft – viele Beschäftigte waren ehemalige Werftangehörige.
Die Werft erhält viele weitere Aufträge. Die KdF-Schiffe “Der Deutsche” und “Sierra Cordoba” werden instand gesetzt, Bergungsschiffe werden repariert und die Fischdampfer “R. Walther Darré” und “Carl Röwer” müssen umgebaut und ausgebessert werden. Zusätzlich ist die Werft mit zahlreichen Neubauten wie Küstenmotorschiffe, kleine Frachter und auch Fischdampfer gut ausgelastet.
Dann rüstet das NS-Regime für einen Krieg auf, die Produktion für die zivile Schifffahrt wird eingestellt. Die Kriegsmarine lässt nun hauptsächlich Minensuchboote bauen.
Die Werft wird ausgebaut und beschäftigt 1940 bereits 840 Menschen, 1943 sind es mehr als 1000 Menschen, darunter über 200 Zwangsarbeiter. Bei dem Bombenangriff auf Bremerhaven am 18. September 1944 wird das Rickmersgelände durch 2000 Brandbomben zum großen Teil zerstört. Auch die meisten Wohnhäuser und die Rickmers’sche Villa wurden Opfer der Bomben oder des anschließenden Feuers. Während des Krieges werden auf der Rickmers-Werft keine Schiffe mehr gebaut oder repariert.
Nach dem Krieg durften aufgrund des Potsdamer Abkommens deutsche Werften keine Schiffe mehr bauen. So war es ein Glück, dass die Rickmers-Werft Reparaturaufträge für die US-Navy bekam.
Da die Familienvilla der Rickmers ja zerstört war, wohnten diese nun eine Zeitlang in einem Gebäude, in dem auch das technische Büro untergebracht war. Die Arbeiter sollten traditionsbewusst sein. Der erste Absatz aus einem Merkblatt für Lehrlinge aus dem Jahre 1956 lautet: “Du bist ein Lehrling der Firma Rickmers-Werft Bremerhaven. Dieses Bewusstsein muss Dich stolz machen. Dein Stolz sei aber nicht Überheblichkeit sondern Verpflichtung.”
Auch Küstenmotorschiffe und Fischereifahrzeuge durften hergestellt werden. Aus den Fischereifahrzeuge entwickelte die Rickmers-Werft in den 1950er Jahren die Hecktrawler. Schließlich liefen an der Geesthelle auch wieder Frachtschiffe für Deutschland und für das Ausland vom Stapel.
Da die technischen Anforderungen an die Schiffe immer anspruchsvoller wurden, ließ die Rickmers-Werft 1967 im Fischereihafen einen modernen Reparaturbetrieb mit Kränen auf der mehr als 450 Meter langen Pieranlage bauen. Nun wurde der Betrieb für Reparaturen- und Umbauarbeiten in den Fischereihafen ausgelagert. Auch Neubauten wurden hier nun ausgerüstet.
Mitte der 1980er Jahre wird es wieder schwierig. Wegen der asiatischen Konkurrenz waren deutsche Schiffe schwer zu verkaufen, die Werft bekam finanzielle Schwierigkeiten. Der Mehrzweck-Containerfrachter “Britta Thien” war der letzte Neubau, der vom Stapel lief. Ein Anfang 1985 versuchter Vergleich scheiterte, und ein Jahr später musste der Konkurs beantragt werden.
Noch heute erinnert der grüne Helgen-Portaldrehkran vor dem Gebäude des Arbeitsamtes an die Rickmers-Werft. Das große Arbeitsamtsgebäude gab es früher noch nicht. Auf dem Grundstück stand die Schiffbauhalle. Und in dem heute verschlickten und mit hohen Gräsern bewachsenen Flussbogen war der “Schlipp”.
Auch das historische Eingangstor ist noch erhalten und steht unter Denkmalschutz. Wie viele Arbeiter morgens und abends wohl dieses Tor passiert haben mögen?
Auf den Weg zur Arbeit benutzten viele den “schwarzen Weg” am Geestebogen. Es war ein Fahrradweg, der nach Geestemünde führte. Am Weg stand eine Erfrischungsbude mit einer Feuerlöschplattform. Und dort, wo heute das Kapitänsviertel beginnt, schlossen sich die Büros an.
Als sich die Werfttore für immer schlossen, waren bei Rickmers 1.200 Mitarbeiter beschäftigt.
Quellen:
Harry Gabcke: Bremerhaven in zwei Jahrhunderten 1827 — 1918
Harry Gabcke: Bremerhaven in zwei Jahrhunderten 1919 — 1947
Nordsee-Zeitung vom 29.08.2012
wikipedia.org
Als Nachruf. Wie wir mitbekommen haben, Rickmers Reederei auch Geschichte. Es war trotzdem beim Rickmers eine schöne Zeit. Selbst wenn ich bei Probefahrten immer seekrank gewesen bin.
Es stimmt, man war stolz und zufrieden bei Rickmers arbeiten zu können. Es ist schade, das es Rickmers nicht mehr gibt. Muss man trotzdem sagen die deutsche Werften waren zu teuer und veraltet.