Den Zollinlandsplatz kennt wohl jeder Bremerhavener. Auch den Fans des im Jahre 1893 gegründeten ehemaligen Fußballvereins Bremerhaven 93 ist der Zollinlandsplatz nicht fremd. Schließlich befand sich auf diesem Platz das Vereinsstadion – das Zollinlandstadion.
Die ersten Spuren des Namens Zollinlandsplatz findet man in der Zollgeschichte der ehemaligen deutschen Kleinstaaten. Um 1790 gab es in Deutschland für heute unvorstellbare 1.800 Zollgrenzen. Schickte zum Beispiel jemand Waren von Königsberg nach Köln, wurden diese rund 80 mal kontrolliert und besteuert. Allein der Staat Preußen verfügte noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts über 67 Zollgrenzen.
Bremerhaven war diesen Zöllen nicht unterworfen, da der bremische Staat als unabhängiges Staatswesen keine Zölle entrichten musste. Bremerhaven und Geestemünde bildeten mit ihren Häfen ein einheitliches Zollausschlussgebiet. Um das Schmuggeln in der neu gegründeten Stadt Bremerhaven zu bekämpfen, gründeten Bremen und Hannover schon 1827 ein Zollkartell. 1866 unterzeichneten Preußen und Bremen einen Vertrag über eine Zollabfertigungsstelle am Neuen Hafen, die 1867 errichtet wurde. Eine zweite Zollabfertigungsstelle wurde 1872 am Alten Hafen eingerichtet.
Die Zollgrenze zwischen Alt-Bremerhaven und Lehe (Zollinland) war mit einem Grenzzaun gesichert. Den Grenzübergang in der Hafenstraße versperrte ein Schlagbaum. Gerne gingen die Leher in Alt-Bremerhaven einkaufen, da sie ihre Waren dort zollfrei kaufen konnten. Das erregte natürlich den Missmut benachteiligten Leher Kaufleute. Erst als Bremen 1888 dem Deutschen Zollverein beitrat, fielen die Zollschranken zwischen Alt-Bremerhaven und Lehe. Damit gehörten die Gelegenheiten zum billigen Einkauf in Alt-Bremerhaven der Vergangenheit an. Aber die Bezeichnungen “Freigebiet”, “Zollinlandsplatz” und “Zollinlandstraße” sind als Spuren der Zollschranken erhalten geblieben.
1892 wurde in Lehe in der Moltkestraße ein Güter- und Rangierbahnhof gebaut. Weil sich der Bahnhof im ehemaligen Zollinlandgebiet befand, bekam er den Namen “Zollinlandbahnhof“. Eine lange Lebensdauer hatte der Bahnhof allerdings nicht. Im Rahmen der Hafenerweiterung änderte man in Bremerhaven auch die Streckenführung der Eisenbahn. Die sogenannte Hafenbahn, die die verkehrsreiche Hafenstraße in Lehe überquerte, wurde eingestellt.
Als Folge wurde der nun nicht mehr benötigte Zollinlandbahnhof 1923 geschlossen, die Gleise entfernt und das Rangiergelände an die Stadt Bremerhaven verkauft. Die richtete auf dem Gelände für mehrere Bremerhavener Sportvereine – darunter eben Bremerhaven 93 – eine Sportanlage ein. Das Zollinlandstadion war geboren. Auf eine Tribüne mussten Sportler und Zuschauer allerdings noch bis 1956 warten. Trotzdem hat dieser kleine Sportplatz, der etwa 5.000 Zuschauern Platz bot, Geschichte geschrieben.
Auf dem liebevoll “Zölli” genannten Platz war immer eine Bombenstimmung, und die Zuschauer saßen unmittelbar am Rande des Spielfeldes. Sonntag für Sonntag pilgerten die Fans zum Platz, um “ihre” erfolgreiche Mannschaft Bremerhaven 93 zu unterstützen. Besonders den 6. Dezember 1959 werden Fans und Spieler von Bremerhaven 93 und Hamburg St. Pauli wohl lange in Erinnerung behalten haben. An diesem Tag standen sich die Mannschaften auf dem Zollinlandplatz gegenüber:
Für den Oberligaverein Bremerhaven 93 sah es nicht gut aus, St. Pauli führte bereits in der Halbzeit 2:0, in der 71. Minute verkürzte Bremerhaven 93 auf 2:1. Dann geschah das Wunder – oder auch das Unglück. Der Bremerhavener Niemeth köpfte den Ball auf das gegnerische Tor – und ein Zuschauer half nach. Er stand am Pfosten, lenkte den Ball mit der Faust ins Tor und verschwand im Gewühl der 10.000 Zuschauer. Der Schiedsrichter erkannte auf Tor, und die von den St. Paulianern schon gewonnen geglaubte Partie endete mit dem Ergebnis 2:2. Der unbekannte Zuschauer ist als schwarzer Mann vom Zollinland in die Vereinsgeschichte eingegangen.
Heute kämpfen auf dem “Zolli” keine Fußballmannschaften mehr um Sieg oder Niederlage. Das schon seit Jahren verwaiste Stadion wurde der Vegetation überlassen. Die Zuschauertribünen sind längst abgerissen. Nur das Gebäude, das zum Umkleiden der Mannschaften diente und Toiletten und einen kleinen Shop beherbergte, steht noch verloren auf dem Gelände.
Allerdings bemühen sich viele Akteure, für den Platz eine neue Verwendung zu finden. Der Platz soll umgestaltet werden, Wege und Grün‑, Spiel- und Begegnungsflächen erhalten. Eigentlich sollten diese Maßnahmen schon bis Ende September 2014 umgesetzt sein. Für dieses Jahr sollen noch Investitionsmittel aus der Städtebauförderung in Höhe 200.000 Euro zur Verfügung stehen. Am 20. September 2014 hat es auch schon ein großes Fest zur Umgestaltung des “Zolli” gegeben. Allein, es fehlt wohl doch der politische Wille. Jedenfalls sind bis heute keine Umbaumaßnahmen festzustellen.
Quellen:
F. Seidel: Das Armutsproblem im deutschen Vormärz bei Friedrich List, Seite 4
C. Nagel und M. Pahl: FC St. Pauli – Alles drin: Der Verein und sein Viertel
Herbert Körtge: Die Straßennamen der Seestadt Bremerhaven, Seite 137
Y. Gotthardt: Zolli erwacht aus dem Schlaf, Nordsee-Zeitung vom 22.09.2014
C. Bollmann: Warten auf die Zolli-Lösung, Nordsee-Zeitung vom 30.10.2014
C. Heske: Eingänge und Wege für den Zolli, Sonntagsjournal vom 22.06.2014
Harry Gabcke: Bremerhaven in zwei Jahrhunderten – 1827–1918, Seite 138
Harry Gabcke: Seestadt Bremerhaven – früher und heute, Seite 22
Deutsche Geographische Blätter, Heft 1 und 2, Band XXXIII
Georg Bessell: Die ersten Jahre Bremerhavens, Seite 552
Groundhopping.de 15.09.2002 — FC Bremerhaven ./. SV Meppen
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