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Der ehemalige “Gasthof zum Ratskeller” in Wulsdorf

Der ehe­ma­li­ge “Gast­hof zum Rats­kel­ler” in Wulsdorf

Wuls­dorf war schon sehr früh ein begehr­ter Wohn­ort für die vie­len Arbei­ter, die in den Häfen von Bre­mer­ha­ven und Geest­e­mün­de beschäf­tigt waren. Vie­le Häu­ser und neue Stra­ßen wur­den gebaut. An der heu­ti­gen Weser­stra­ße sie­del­ten sich Schmie­den und Fuhr­leu­te an. Aber auch immer mehr Gast­wir­te, die den Rei­sen­den die Mög­lich­keit zum Über­nach­ten boten, sahen ihre Chan­cen. Im Jah­re 1860 errich­te­te der Musi­kus Johann Vol­lers an der Weser­stra­ße 86 die “Gast­stät­te Zum Deut­schen Haus”.

Um 1850 ent­stand die Wulfs­dor­fer Lin­den­al­lee. Als Land­stra­ße von Bever­stedt kom­mend, mün­det sie in die nach Bre­mer­ha­ven füh­ren­de Weser­stra­ße. Dort, wo sich die neu­en Stra­ßen kreu­zen, wuch­sen zahl­rei­che neue Gast­hö­fe und Aus­spann­wirt­schaf­ten aus dem Boden: An der Kreu­zung Weser­stra­ße zur Lin­den­stra­ße etwa das “Gast­haus zur Bör­se”.gasthof  zum ratskellerIn dem Eck­ge­bäu­de Lin­den­al­lee 73 an der Abzwei­gung in die Pog­gen­bruch­s­tra­ße öff­ne­te der “Gast­hof zum Ratskeller“seine Pfor­ten. Die­ses Lokal betrieb für eini­ge Zeit auch Johann Mahn­ken, ein Schwa­ger des beim Möbel­fa­bri­kant Lou­is Schlü­ter beschäf­tig­ten Tisch­ler­meis­ters Karl Jüch­tern.gasthof zum ratskellerÜber den “Gast­hof zum Rats­kel­ler” schreibt mir Deich­SPIE­GEL-Leser Ronald Stock:
“Jon­ny”, der eigent­lich Johann Mahn­ken hieß, und sei­ne Frau “Guschi” waren einst die Besit­zer die­ses Lokals. Ich ken­ne “(Tan­te) Guschi” nur unter die­sem Namen, mei­ne mich aber zu erin­nern, dass mei­ne Oma Lydia ihre Schwes­ter auch beim Vor­na­men Augus­te rief. 

Die Mahn­kens gaben den Rats­kel­ler irgend­wann auf, und spä­ter arbei­te­te Onkel Jon­ny für die Fir­ma Erd­al (Schuh­creme), heu­te Erd­al-Rex GmbH. “Jon­ny und Guschi” hat­ten einen Sohn Gerold, der ca. 1934 gebo­ren sein müss­te. Die­ser wan­der­te über Kana­da in die Ver­ei­nig­ten Staa­ten aus. Sei­ne Spur ver­läuft sich am Flug­ha­fen New York. Hier soll er zum Ende der 1960er Jah­re Arbeit gefun­den haben…
Quel­len:
H. Gab­cke: Bre­mer­ha­ven in zwei Jahr­hun­der­ten 1919 – 1947, Sei­te 15
J. Rab­bel: “Ältes­te Knei­pe Wuls­dorfs schließt”, Nord­see-Zei­tung vom 06.2.2013
Inter­es­sen­Ge­mein­schaft Wulsdorf

 

 

 

Lernen wie im Kaiserreich

Ler­nen wie im Kaiserreich

Da sit­zen sie in ihrer Mäd­chen­klas­se dicht neben­ein­an­der auf den alten Holz­bän­ken, mucks­mäus­chen­still, die Hän­de gefal­tet. “Wir dür­fen nur rein­ge­wa­schen, ordent­lich gekämmt und sau­ber geklei­det zur Schu­le kom­men”, for­dern die Regeln an der Wand. Wil­helm II. schrieb 1890, was er von der Schu­le erwar­tet: “Wir wol­len natio­na­le jun­ge Deut­sche erzie­hen.“Lernen wie im KaiserreichEs gab vie­le Regeln im Kai­ser­reich, und ganz beson­ders in der Schu­le: “Hän­de fal­ten, Schna­bel hal­ten, Kopf nicht stüt­zen, Ohren spit­zen”, das war eine wei­te­re Ver­hal­tens­vor­schrift, die den Kin­dern zu Kai­sers Zei­ten ein­ge­bläut wur­de. Die Leh­rer spra­chen die Kin­der im Befehls­ton wie auf dem Kaser­nen­platz an: “Set­zen!”, “Steh auf”, “Ruhe!”, “Hef­te zeigt!”. Die Kin­der hat­ten höf­lich und respekt­voll zu sein und wehe dem, der das nicht war.

Schule damals

In der Schu­le herr­sche Zucht und Ord­nung”, so lau­te­te ein Leit­spruch für Erzie­her. Kin­der soll­ten schon früh­zei­tig an Gehor­sam und Dis­zi­plin gewöhnt wer­den. Bei vie­len Leh­rern lag daher die Rute zur Züch­ti­gung immer griff­be­reit. Erzie­hung vor hun­dert Jah­ren  war eben ganz anders als heute.

Schule damals

Die Klas­sen­zim­mer waren eher trist ein­ge­rich­tet: Har­te Holz­bän­ke, Schie­fer­ta­feln und Tin­ten­fäs­ser waren das “Hand­werks­zeug” der Schü­ler. Geschrie­ben wur­de in Süt­ter­lin. Zunächst auf die Schie­fer­ta­fel, spä­ter mit einer Stahl­fe­der und Tin­te in das Schul­heft. Und Kai­ser Wil­helm schau­te zu — an der Wand hing natür­lich ein Por­trait von ihm.

Auszug aus einer alten Schulfibel

Über­haupt die Kai­ser­fa­mi­lie. Sie war in der Gesell­schaft sehr beliebt. Die Leh­rer lie­ßen den Kai­ser hoch­le­ben und Lob­lie­der auf ihn sin­gen. “Der Kai­ser ist ein lie­ber Mann, er wohnet in Ber­lin…”, mit die­sen Wor­ten beginnt ein Lied, das in den Volks­schu­len um 1900 viel gesun­gen wur­de. Es soll­te gera­de die Kin­der der ein­fa­chen Volks­schich­ten für die Mon­ar­chie begeis­tern. Auf­ga­be der Schu­le war es näm­lich, zu vater­län­di­scher Gesin­nung zu erzie­hen. Das hieß vor allem, die Treue zum Mon­ar­chen fes­ti­gen und Lie­be zum Vater­land wecken.

historisches Klassenzimmer

In der Fich­te­schu­le hat der 1985 gegrün­de­te “För­der­ver­ein der Schul­his­to­ri­schen Samm­lung” ein his­to­ri­sches Klas­sen­zim­mer ein­ge­rich­tet. Wer die­ses Klas­sen­zim­mer betritt, der begibt sich auf eine Zeit­rei­se weit über 100 Jah­re zurück in die Ver­gan­gen­heit. Die ältes­ten Expo­na­te, die der För­der­ver­ein lie­be­voll zusam­men­ge­tra­gen hat, stam­men aus der Mit­te des 19. Jahrhunderts.

Fichteschule

In dem his­to­ri­schen Klas­sen­zim­mer in der Fich­te­schu­le kön­nen Schü­ler aller Jahr­gangs­stu­fen – aber nach vor­he­ri­ger Anmel­dung auch Erwach­se­ne – erle­ben, wie unse­re Vor­fah­ren lern­ten. Das Wis­sen um ver­gan­ge­ne Schul­kul­tu­ren möch­te der “För­der­ver­ein der Schul­his­to­ri­schen Samm­lung” bewah­ren. Und so fin­det der inter­es­sier­te Besu­cher nicht nur das kom­plett ein­ge­rich­te­te Klas­sen­zim­mer vor. Auch authen­ti­sche Klei­dung, Arbeits­ma­te­ri­al, ech­te Schul­müt­zen und –ran­zen ver­voll­stän­digt die Samm­lung eben­so wie unzäh­li­ge Bücher. Und im Kel­le lie­gen noch vie­le unge­ho­be­ne Schät­ze, die vor allem aus den Schu­len der Stadt stammen.

Fichteschule Bild: HeinzSlominski.blogspot.de

Noch sind die meis­ten der 46 akti­ven Ver­eins­mit­glie­der im Schul­dienst tätig. Aber die Mit­glie­der wer­den weni­ger, die jun­gen Leh­rer fin­den kei­ne Zeit mehr, sich für die Samm­lung zu enga­gie­ren. So wür­de der Ver­ein ger­ne neue Mit­glie­der begrü­ßen kön­nen, damit das Wis­sen über die Geschich­te der See­stadt und ihre Ein­woh­ner immer wie­der wei­ter­ge­ge­ben wer­den kann.
Quel­len:
Schul­his­to­ri­sche Samm­lung Bremerhaven
Fly­er “Schul­his­to­ri­sche Samm­lung” als PDF-Datei
Nord­see-Zei­tung vom 16.12.2013

Der Jedutenberg in Wulsdorf

Bei der Wuls­dor­fer Dio­ny­si­us­kir­che befin­det sich eine etwa fünf Meter hohe Anhö­he natür­li­chen Ursprun­ges, der Jedu­ten­berg genannt wird. Bei  einem Jedu­ten­berg han­delt es sich um einen Denk­mal­typ, der in den nie­der­säch­si­schen  Land­krei­sen Fries­land und Weser­marsch vorkommt. 

Jedutenberg

Foto: Nie­der­deut­sches Hei­mat­blatt Nr. 743 vom Novem­ber 2011

Da die Wikin­ger Anfang des 9. Jahr­hun­derts beson­ders die an den schiff­ba­ren Flüs­sen gele­ge­nen Küs­ten­län­der häu­fig über­fie­len und plün­der­ten, befahl Karl der Gro­ße, an den Fluss­mün­dun­gen Ver­tei­di­gungs­an­la­gen zu errich­ten. Zu die­sen Ver­tei­di­gungs­an­la­gen gehör­ten unter ande­rem auch der Tüür-Lüürs-Berg in Bramstedt, der Jedu­ten­berg in Wuls­dorf, der Büt­te­ler Berg in Lehe, der Pasch­berg in Lan­gen und die Pipins­burg in Sievern.

Auf den Erhe­bun­gen stand ein mit einem Aus­guck besetz­ter höl­zer­ner Turm. Näher­ten sich feind­li­che Schif­fe der Küs­te, wur­de vom Wach­pos­ten ein Warn­feu­er ent­zün­det, das im wei­ten Umkreis die Bevöl­ke­rung alar­mier­te. Von Hügel zu Hügel wur­de das Signal bei­der­seits der Unter­we­ser wei­ter­ge­ge­ben, um vor dem dro­hen­den Über­fall zu war­nen. Ab Ende des 10. Jahr­hun­derts wur­den die Über­fäl­le immer weni­ger. Irgend­wann kamen die Wikin­ger nicht mehr, und die Befes­ti­gungs­an­la­gen ver­lo­ren ihre Bedeutung.

Wulsdorfer Kirche um 1920

Als Ergeb­nis einer kürz­lich vor­ge­nom­me­nen Pol­len­ana­ly­se geht man nun davon aus, dass zumin­dest die mehr als drei Meter hohe Sand­auf­fül­lung des Jedu­ten­ber­ges in Wuls­dorf 500 Jah­re jün­ger sei, als bis­her ange­nom­men. Mit etwa 1000 Kubik­me­ter Boden aus der nähe­ren Umge­bung sol­len die Men­schen irgend­wann ab 1300 nach Chris­tus die ursprüng­li­che Düne zum Jedu­ten­berg auf­ge­türmt. War­um das geschah, weiß man bis­her nicht. Auf jeden Fall wol­len die Wis­sen­schaft­ler nicht bestrei­ten, dass der Jedu­ten­berg als Aus­guck gedient hat.

Kriegerdenkmal auf dem Jedutenberg

Wie dem auch sei, heu­te umsäumt ein alter Baum­be­stand den Wuls­dor­fer Jedu­ten­berg, auf dem nach dem deutsch-fran­zö­si­schen Krieg 1870 bis 1871 ein Denk­mal für die Gefal­le­nen errich­tet wur­de. Und zum Rodeln ist er ein belieb­ter Abhang – wenn  es denn mal einen Schnee­win­ter gibt.

Quel­len:
Nord­see-Zei­tung vom 15.05.2014
Egon Stuve: Nie­der­deut­sches Hei­mat­blatt Nr. 743 vom Novem­ber 2011

Älteste Kneipe in Wulsdorf hat für immer geschlossen

Es ist wirk­lich scha­de, nach 153 Jah­ren wird aus dem Zapf­hahn die­ser Knei­pe wohl kein Bier mehr flie­ßen. Wie­der hat eine Gast­wirt­schaft geschlos­sen, die Betrei­ber sind zu alt gewor­den, die Stamm­gäs­te ver­stor­ben. Ein Nach­fol­ger hat sich nicht gefun­den. Die Zeit der Stamm­knei­pen gehört wohl end­gül­tig der Ver­gan­gen­heit an.

Kneipe in Wulsdorf