Erster Freideutscher Jugendtag 1913
Genau hundert Jahre sind vergangen, seit sich 3000 Jugendliche – dem Ruf des Göttinger Studenten Christian Schneehagen folgend — am regnerischen 11. Oktober 1913 auf dem Hohen Meißner bei Kassel zum Ersten Freideutschen Jugendtag versammelten, um zwei Tage lang gemeinsam zu tanzen und Lieder aus dem Zupfgeigenhansl zu singen.Wenigstens für diese zwei Tage wollten sie den Zwängen des wilhelminischen Alltags entfliehen, den täglichen Drill daheim und in der Schule vergessen.
Dieser Erste Freideutsche Jugendtag war wohl auch als gesellschaftskritischer Protest gedacht: Zum hundertsten Jahrestag der Schlacht gegen Napoleon sollte am 18. Oktober 1913 in Leipzig das 91 Meter hohe Völkerschlachtdenkmal eingeweiht werden – eines der größten Denkmäler Europas. Den Teilnehmern des fast 100 Jahre nach dem Wartburgfest von 1817 stattfindenden ersten großen Jugendtreffens war die hurra-patriotische Huldigung von Kaiser und Großmacht-Reich zuwider. Man distanzierte sich bewusst von den Spießbürgern und Korporierten. Freiheit und Gleichheit war ihnen wichtiger als der aufblühende Nationalstolz.
So strömte dutzende Gruppen aus dem ganzen Kaiserreich zum Hohen Meißner. Der Deutsche Bund abstinenter Studenten und die Deutschen Akademischen Freischar ebenso wie reformierte Schüler-und Studentenverbindungen, Lebens- und Schulreformer und hunderte von Mitgliedern der Wandervögel.
Die jungen Leute, die dort oben auf dem Hohen Meißner sangen und tanzten, wussten noch nicht, das es für viele Jahre das letzte große Jugendtreffen gewesen sein sollte. Der Erste Weltkrieg stand vor der Tür, er schickte seine dunklen Wolken bereits voraus. Etwa 12 000 Wandervögel zogen in den Krieg, und in dieser Zeit versuchten Mädchen und die jüngeren Jungen, den Wandervogelbetrieb aufrecht zu erhalten. Als der Krieg vorbei war, sollten es 9 000 Wandervögel sein, die “im Feld blieben” und ihre Heimat nicht wieder sahen. Diejenigen aber, die zurück kamen, fanden nicht nur einen anderen Wandervogel wieder sondern auch einen anderen Staat als den, den sie zurückgelassen hatten.