W. und F. Ziegfeld
W. und F. Ziegfeld
Heute erinnert in Bremerhaven kaum noch etwas an das ehemalige Warenhaus W. und F. Ziegfeld. In der Bürgermeister-Smidt-Straße prangt noch der Schriftzug “Ziegfeld” an einer Fassade. Aber viele Bremerhavener wissen nicht, an was das Schild erinnert. Der Bremerhavener Rechtsanwalt Dr. Manfred Ernst hat in seinem 1988 im Ditzen-Verlag erschienenen Buch “Der Marktplatz. Stadtgeschichte im Zentrum Bremerhavens seit 1827” einen Aufsatz über die Firma Ziegfeld veröffentlicht.
Ereignisse der Jahre 1948/1949
Im März 1848 brach im Deutschen Bund die Revolution 1848/49 aus. Im Mai 1848 tagte in der Frankfurter Paulskirche das erste gesamtdeutsche Parlament, um über eine freiheitliche Verfassung und die Bildung eines deutschen Nationalstaats zu beraten. Die Großmächte Preußen und Österreich lehnten die im Jahre 1949 verabschiedete Verfassung ab, im Sommer 1949 war die Revolution endgültig gescheitert.
Im Jahre 1849 ließ der Auswanderungsmakler Johann Georg Clausen in Bremerhaven das Auswandererhaus errichten. Das war eine große Herberge, in der die Auswanderer, die auf das Auslaufen ihrer Schiffe warteten, versorgt wurden. Bremerhaven hat zu dieser Zeit etwa 4000 Einwohner.
Und im Jahr 1849 verkaufte J. C. Tecklenborg sein Grundstück am Markt 12 an den aus Emden stammenden Kaufmann Wilhelm Andreas Ziegfeld. Dort, wo heute an der Ecke Bürgermeister-Smidt-Straße zur Linzer Straße ein großes Wohn- und Geschäftshaus (ehemalige Geschäftsräume Firma Warrings) steht, befand sich bis zum 18. September 1944 das Haus Am Markt 12. Es war ein älteres mehrstöckiges Haus, das in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im schlichten klassizistischen Stil errichtet wurde.
Wilhelm Andreas Ziegfeld zieht um
Wilhelm Andreas Ziegfeld betrieb mit einem Teilhaber Anfang 1840er Jahren in der Mittelstraße ein Eisenwaren‑, Kolonialwaren- und Ausrüstungsgeschäft. Im Jahre 1851 verließ der Teilhaber die Firma, und Wilhelm Andreas Ziegfeld siedelte mit seinem Geschäft in das Haus Am Markt 12 um. Im Jahre 1864 gründeten Bremerhavener Bürger eine private Sparkasse. In der “Provinzial-Zeitung” vom 6. Januar 1866 gab die “Privat-Sparkasse” bekannt, daß sie im Geschäft der Firma W. A. Ziegfeld eine Annahmestelle eingerichtet hat.
Im Jahre 1877 starb der Firmengründer Wilhelm Andreas Ziegfeld.
Die Söhne übernehmen das Geschäft
Am 2. Mai 1877 übernahmen die Söhne Wilhelm (geboren 1849) und Florenz (geboren 1851) das Geschäft. Sie trennten sich von dem Ausrüstungsgeschäft und auch von dem Kolonialwarenladen. Nur den Eisenhandel führten sie weiter. Frau Betty Ziegfeld (Ehefrau von Florenz) und Frau Adele Ziegfeld (Ehefrau von Wilhelm) kümmerten sich um den Haushalt.
Im Jahre 1885 erweiterten die Brüder Ziegfeld den Betrieb um ein Küchen- und Haushaltungsgeschäft. Bald konnte man in der Eisenwarenhandlung Ziegfeld auch Wäschemangeln kaufen. Im Historischen Museum Bremerhaven steht eine Wäschemangel von 1900 aus der Eisenwarenhandlung Ziegfeld.
Die Geschäfte liefen so gut, daß die Geschäftsinhaber drei Jahre später auf dem rückwärtigen Gelände ein großes Packhaus bauten.
Vertretung für Fahrräder
Man konnte bei W. und F. Ziegfeld schon in den 1890er Jahren auch Velozipeds kaufen. Die Eisenwarenhandlung hatte die Werksvertretung der Adler-Fahrradwerke übernommen. Fahrräder waren damals sehr teuer, sie kosteten etwa 350 Goldmark. Das waren für einen Handwerker oder Industriearbeiter mehrere Monatslöhne.
Fahrräder blieben den Menschen der Oberschicht vorbehalten, die sie zu ihrem Vergnügen oder für den Rennsport kauften. Erst gegen Ende des Jahrhunderts sanken die Preise, da die Räder nun industriell hergestellt werden konnten. Außerdem stiegen die Löhne, so daß die Käuferschicht stetig größer wurde.
Natürlich machte auch die Firma W. und F. Ziegfeld auf ihre Fahrradvertretung aufmerksam. Sie bauten zwischen dem Alten Hafen und dem Weserdeich eine “Fahrradlehrbahn”. Dort brachten sie interessierten Leuten das Radfahren bei. Am Zaun der “Fahrradlehrbahn” wiesen Plakate auf Fahrräder von Ziegfeld hin: “Radler fahr Adler” hieß der Slogan.
Ernst Hanke Bruns wird Teilhaber
Am 1. April 1900 begann der 1885 geborene Ernst Hanke Bruns seine Lehre bei W. und F. Ziegfeld, Am Markt 12. Ernst Hanke Bruns bekam freie Kost und Logie. Für sein mitgebrachtes Bett und seine Kommode stand ihm eine kleine Kammer im Dachgeschoß zur Verfügung. Ernst Hanke Bruns hatte die Aufgabe, morgens pünktlich um 7 Uhr die Ladentür zu öffnen. Erst abends um 9 Uhr war Geschäftsschluß. Der Unterricht in der kaufmännischen Berufsschule war freiwillig, er fand abends von 9 bis 11 Uhr statt.
Im Jahre 1902 konnte die Firma W. und F. Ziegfeld ihr 25-jähriges Betriebsjubiläum begehen. Die Feier fand im gegenüberliegenden “Löhr’s Hotel” statt. Der Lehrling durfte mitfeiern, er war jetzt 17 Jahre alt. Nach Beendigung seiner Lehrzeit mußte Ernst Hanke Bruns seinen Militärdienst ableisten. Im Deutschen Kaiserreich bestand mit Vollendung des 17. Lebensjahres für alle Männer Wehrpflicht.
Im Jahre 1914 starb Wilhelm Ziegfeld.
Als Florenz Ziegfeld im Jahre 1919 erblindete, bot er seinem ehemaligen Lehrling Ernst Hanke Bruns im November 1919 die Teilhaberschaft an. Schon zwei Tage, nachdem ihn das schriftliche Angebot erreichte, stand Ernst Hanke Bruns wieder in seinem einstigen Lehrbetrieb. 15 Jahre waren seit dem Ende seiner Ausbildungszeit vergangen.
Im Jahre 1933 starb Florenz Ziegfeld im Alter von 82 Jahren.
Kriegsjahre, Zerstörung und Wiederaufbau
In den Kriegsjahren 1940 bis 1943 fanden mehrere ungezielte Bombenabwürfe auf Bremerhaven statt. Es gab es Tote und Verletzte und zerstörte Gebäude, aber nicht in einem derartigen Ausmaß, wie es andere deutsche Städte getroffen hat. Doch ab Februar 1944 wurde es fürchterlich, und ganz schlimm war der verheerende Luftangriff am 18. September 1944. Innerhalb von 20 Minuten hat die 5. Bomberflotte der Royal Airforce die heutigen Bremerhavener Stadtteile Mitte und Geestemünde fast komplett zerstört.
Auch das Geschäftshaus W. und F. Ziegfeld wurde 1944 durch Bomben zerstört. Ernst Hanke Bruns organisierte innerhalb von zwei Tagen Behelfsräume. Das Geschäft zog in eine Garage der Bäcker-Einkaufs-Genossenschaft. Später diente der rechte Seitenflügel des Stadttheaters als Verkaufsraum.
Das Dach wurde notdürftig abgedichtet, dann wurden in der alten Kakaostube und in den Räumen des Kunstvereins wieder Waren verkauft. So konnte die Firma Ziegler an die ausgebombte Bevölkerung Behelfsheimherde für 73,50 Reichsmark abgeben. Der Herd diente gleichzeitig zum Kochen und zum Heizen.
Umzug in die “Bürger”
Im Jahre 1950 begann der Wiederaufbau des Stadttheaters. Bruns hatte bereits in der Bürgermeister-Smidt-Straße das Grundstück vom Delikatessengeschäft Heinrich Mertens gekauft. Auf diesem Grundstück baute Bruns das neue Ziegfeld-Geschäft.
Spielsachen bot Ziegfeld im alten Stammhaus nur in der Vorweihnachtszeit an. Im neuen Haus wurde nun eine ständige Spielwarenabteilung eingerichtet. Und wieder kamen in der Vorweihnachtszeit die Kinder und drückten sich an den Schaufenstern die Nase platt.
In der Zeit zwischen den Weltkriegen waren es Dampfmaschinen, Puppen, Zinnsoldaten, Ritterburgen und Puppenwagen, die in den Schaufenstern von W. und F. Ziegfeld Kinderwünsche weckten. Nun in den 1950er Jahren fuhren elektrische Lokomotiven durch liebevoll gestaltete Winterlandschaften, sie fuhren durch Tunnel über Gebirge. Und an den geschlossenen Schranken warteten die Autos der Marke Wiking und bisweilen auch der Marke Siku.
Geschäftsaufgabe
Im Jahre 1990 schloss die Eisenwarenhandlung W. A. Ziegler für immer ihre Ladentür. Geblieben ist der Schriftzug an der Hausfassade. Und die Erinnerungen vieler Bremerhavener Bürger. Sie streiften als Kinder nach Schulschluss durch die Spielwarenabteilung. Oder sie setzten sich an die extra für Kinder eingerichteten Basteltische, klebten Flugzeuge aus Modellbausätzen zusammen und bemalten sie. Anschließend durften sie die Flugzeuge mit nach Hause nehmen.
Andere Kinder kauften sich bei Ziegfeld ihre erste elektrische Eisenbahn. Als Starterset konnte man für 99,00 DM ein Starterset erwerben, bestehend aus einem Gleisoval mit Abstellgleis und einer kleinen Lokomotive mit drei Waggons. 99,00 Deutsche Mark mußten dafür den Besitzer wechseln.
Aber auch Pistolen, Gewehre, Ritter- und Indianerfiguren brachten Kinderaugen zum Leuchten. Andere freuten sich über Legosteine oder Fischer-Technik.
Erwachsene deckten sich bei Ziegfeld mit Schrauben, Nägel usw. ein, die gab es noch stückweise zu kaufen. Oftmals gab es kostenlos einen Zollstock dazu. Wer einen Hausstand gründen wollte, fand bei Ziegfeld mit Sicherheit die passenden Kochtöpfe. Und was nicht vorrätig war, das besorgte Ziegler. Hier gab es wohl den ersten Raclette-Grill in Bremerhaven. Ziegfeld hat es möglich gemacht.
Erinnerungen
Die ehemalige Belegschaft hat sich regelmäßig zum Grünkohlessen getroffen. 2018 hat das 25. Treffen stattgefunden, 27 ehemalige Kollegen waren gekommen. Natürlich wurden Erinnerungen ausgetauscht. Zum Beispiel wie Ernst Hanke Bruns einem Auszubildenden den Führerschein bezahlt hat. Als Anerkennung für seine guten Leistungen. Oder wie er von einem Verkäufer verlangte zu heiraten, damit er die Wohnung über dem Geschäft in der Bürgermeister-Smidt-Straße 16 — 18 mieten kann.
Die Nordsee-Zeitung hat in einem Artikel vom 12. Februar 2018 darüber berichtet: “Rechts Pötte und Pfannen, gegenüber die Garderoben, nach hinten durch die Eisenwaren. Wer Spielwaren suchte, ging die Treppe hoch. In der „Bürger“ erinnert heute nur noch der Schriftzug „Ziegfeld“ an einer Fassade an das traditionsreiche Unternehmen. Aber die Belegschaft von einst hält die Erinnerungen lebendig”.
Die letzte Chefin der Firma W. und F. Ziegfeld, Bruns Tochter Nanna Semken, starb Anfang 2018.
Quellen:
Harry Gabcke: “Bremerhaven in zwei Jahrhunderten 1827 – 1918”, Seite 86
Harry Gabcke: “Bremerhaven in zwei Jahrhunderten 1919 –1947”, Seiten 129 — 133
Manfred Ernst: “Der Marktplatz”, Seiten 118 — 125
Manfred Ernst: “Als die Stadt brannte”, Der 18. September 1944 in Bremerhaven-Wesermünde
Erich Sturck: “Erinnerungen an den 18. September 1944 in Bremerhaven”, in DeichSPIEGEL
Henning Bielefeld: “Neuer Aufschwung nach der Depression”, nwzonline.de vom 01.07.2005
“Bei Ziegfeld waren die Kollegen großartig”, Nordsee-Zeitung vom 12.02.2018