Die alte Schmiede in der Lange Straße 136 in Lehe
Als es noch Pferdefuhrwerke gab, war auch die nächste Schmiede nicht weit. Hufe mussten beschlagen und Pferdewagen repariert werden. Ein Schmied hatte in dieser Zeit gut zu tun. Auch in Lehe war das bis in die 1930er Jahre so. Langsam verdrängten aber die Automobile mehr und mehr die Pferdegespanne, und die Schmiedemeister mussten sich andere Betätigungsfelder suchen.
1957 notierte die Nordsee-Zeitung, dass in der Stadt Bremerhaven in den letzten 10 Jahren 7 Betriebe geschlossen haben und es nun nur noch 5 Schmieden gibt. Und eine dieser Schmieden befand sich in der Lange Straße 136 in Lehe, genau dort, wo heute ein großer Wohnblock das Straßenbild dominiert.
Heute weiß wohl niemand mehr so genau, wann an dieser Stelle die erste Schmiede entstand. Der aus Imsum stammende letzte Schmied Heinrich Bockhop erwähnte im Jahre 1956 gegenüber der BBZ, dass seine windschiefe und rußgeschwärzte Schmiede wohl schon 200 Jahre alt sei. Alten Aufzeichnungen zufolge soll der erste hier tätige Schmiedemeister der mit Rebecca Seebeck verheiratete Johann Diederich Wessel gewesen sein. Der Sohn Johann Diedrich Wessel heiratete am 10. August 1821 Rebecca Erichs. Johann Diedrich Wessel ließ sich 1856 ein Wohnhaus, eine Schmiede und einen Wagenschuppen bauen. Am 5. April 1856 starb Johann Diedrich, und sein am 14. Dezember 1827 in Lehe geborener Sohn Christoph führte die Schmiede nun weiter.
Christoph Wessel heiratete am 2. Mai 1862 Minchen Meier. Aus dieser Verbindung gingen sieben Kinder hervor, darunter als zweitälteste Kind der am 19.01.1865 geborene Junge Johann Diederich. Als der Vater Christoph im Jahre 1876 verstarb, übernahm traditionsgemäß der Sohn die Schmiede und beschäftigte viele Gesellen, die sich während ihrer damals üblichen Wanderjahre vorübergehend in Bremerhaven aufhielten. Einer dieser “Wanderburschen” war der aus Dingen stammende Schmiedegeselle Heinrich Bockhof.
Johann Diederich verkaufte seine Schmiede etwa 1920 an die Firma “Henschen und Janssen – Hufbeschlag, Wagenbau und Schlosserei. Bereits fünf Jahre später übernahm die Klempnerfirma Gebrüder Bohnhardt die Schmiede, behielten sie aber ebenfalls nur für eine kurze Zeit.
In diesen Jahren hatte der Schmiedegeselle Heinrich Bockhop geheiratet und mit seiner Ehefrau Wilhelmine Sudhop seine Söhne Heinrich und Hermann bekommen. Er legte seine Prüfung zum Schmiedemeister ab, und als die Schmiede 1931 von der Klempnerfirma Gebrüder Bohnhardt zum Verkauf angeboten wurde, griff er zu. Finanziell waren es schwierige Anfangsjahre für den neuen Betriebsinhaber. Als der Krieg ausbrach und die Gesellen zum Kriegsdienst eingezogen wurden, fehlten Heinrich Bockhop auch noch die helfenden Hände.
Nach dem Krieg waren die Auftragsbücher wieder gut gefüllt. Allenthalben musste etwas repariert oder angefertigt werden, und auch Hufe wurden wieder beschlagen. In der Schmiede wurden nun zwei Gesellen beschäftigt, der Sohn Heinrich und Max West. In der Schmiedeesse brachten sie die Hufeisen zum Glühen und passten es den Pferden an. Wenn das glühende Eisen mit dem Huf des Pferdes in Berührung kam, zischte es gewaltig und ein Geruch von verbranntem Horn erfüllte die Umgebung. Die Schmiede war ein steter Abenteuerplatz der Nachbarschaftskinder.
Heinrich Bockhop war bereits 76 Jahre alt, als er sich aus dem Schmiedebetrieb zurückzog. Als er 1965 starb, gab es die Schmiede schon nicht mehr. Sie wurde 1964 abgerissen. Und schon kurz darauf erstellte eine Baugesellschaft an diesem Ort einen großen Wohnblock mit Mietwohnungen.
Quellen:
Peter Raap: Niederdeutsches Heimatblatt Nr. 760 vom April 2013
Peter Raap: Niederdeutsches Heimatblatt Nr. 772 vom April 2014
Hans Klaustermeyer: Erinnerungen – Lange Straße (1924–2014)
Nachtrag vom 30.10.2014
Der DeichSPIEGEL bedauert sehr, dass er auf Drängen von Peter Raap zwei Zeichnungen, die die Schmiede zeigten, aus Gründen des Urheberrechts entfernen musste und seinen interessierten Leserinnen und Lesern leider nicht mehr zur Verfügung stellen darf.