Wer etwas über die Anfänge des “Nordsee-Hotel” in Bremerhaven wissen möchte, muss im Geschichtsbuch des Hotels weit zurückblättern. Der Hotelumbau hat mich dazu bewogen, die in Bremerhaven zur Verfügung stehende Literatur zu durchforsten.Der Maurer und Baumeister Johann Hinrich Eits war der siebte Ansiedler, der der “obrigkeitliche Bekanntmachung” des Bremer Senats vom 7. Juni 1830 gefolgt ist. Er kaufte den Bauplatz Nr. 76, der sich an der Nordseite des Marktplatzes an der Ecke der Leher Chaussee befand. Hier ließ er sich 1831 ein zweistöckiges Haus mit einem Gasthaus bauen. Aufgrund seiner zahlreichen politischen und ehrenamtlichen Verpflichtungen übergab er den Gasthof schließlich an seine Ehefrau Meta, die ihn sehr erfolgreich bewirtschaftete. Reisende aus Bremen stiegen hier ab um sich nach der etwa neunstündigen strapaziösen Fahrt mit der Schnelldroschke zu erfrischen und zu erholen.
Meta Eits starb 1847, und Johann Hinrich Eits verpachtete seinen Gasthof für die nächsten Jahre. 1858 wurde der Gasthof umbenannt in “Twietmeyers Hotel”. Albrecht Hein Twietmeyer kaufte das Grundstück dann auch im Jahre 1864 seinem Verpächter Eits ab. Es sollte aber nicht lange sein Eigentum bleiben, denn schon ein paar Jahre später hieß das Haus “Beermanns Hotel”.
Die Chefin Johanna Aurora Beermann machte den ehemaligen Gasthof zum ersten Hotel am Platze. Hier logierten Angehörige der sozialen Oberschicht. Sogar Generäle und Admiräle quartierten sich in “Beermanns Hotel” ein.
Im ersten Stock befand sich ein Ballsaal, in dem manch große Feste gefeiert wurden. Darunter natürlich auch jeweils am 27. Januar unter reger Beteiligung der Bremerhavener Reserveoffiziere des Kaisers Geburtstage. Die Speisen nahm man im mahagonigetäfelten Speisesaal im Erdgeschoss zu sich, und zwar unter den Augen von Bürgermeister Smidt. Der schaute von einem Porträt auf die Gäste hinab.
Im Jahre 1907 fand wieder einmal ein Eigentümerwechsel statt. Die Eheleute Paul und Elisabeth Blumberger übernahmen das Haus für einen Kaufpreis von 300.000 Reichsmark. Den Namen “Beermanns Hotel” änderten sie nicht. Und die Reichen und Schönen kamen weiterhin. Stapelläufe wurden hier gefeiert und Schiffstaufen, und ab 1911 kamen natürlich auch die Künstler des neuen Bremerhavener Stadttheaters. Und die Theaterliebhaber führten nach der Vorstellung ihre Begleiterinnen in das Restaurant von “Beermanns Hotel”.
Ab 1912 mietete “Zigarren Niemeyer” die an der Ecke zur “Bürger” gelegenen Räume an und betrieb darin sein Tabakwarengeschäft. An der anderen Ende des Hauses gab es eine Schankstube, in der sich fast nur Männer aufhielten.
Die nächste “Übernahme” gab es am 1. September 1942. Der erst 25 Jahre alte Werner Naber kaufte das Hotel für 225.000 Reichsmark. 1944 heiratete er seine Frau Ursula, und gemeinsam wurden die Gäste beköstigt. Allerdings konnte – bedingt durch die Kriegszeit — nur noch einfache Kost serviert werden. Und am 18. September 1944 sollte im Hotel das letzte Mittagsessen serviert werden.
Als es Nacht wurde, kamen die britischen Bomber und warfen 420.000 Brandbomben auf die Stadt. Alles wurde in Schutt und Asche gelegt. “Beermanns Hotel” wurde ebenso wenig von den Bomben verschont, wie die anderen großen Hotels im Zentrum der Stadt: “Hermanns Hotel” am Marktplatz, “Gosslers Hotel” in der Bürger, “Hotel Excelsior” an der Ecke Lloydstraße/Bürger und “Lehrkes Hotel” am Geestemünder Altmarkt.
Werner Naber ließ sich nicht entmutigen. Nach der Zerstörung von “Beermanns Hotel” zog er zunächst in ein Nothotel in der Bismarckstraße um und baute dann ein gut geführtes Haus mit Restaurant am Walter-Rathenau-Platz (früher Sedanplatz) auf.
Dieses wurde nach Kriegsende aber von der Besatzungsmacht beschlagnahmt. Die Hotelsituation in Bremerhaven war katastrophal. Es gab für Reisende kaum noch Übernachtungsmöglichkeiten.
Doch Werner Naber hatte eine Idee. Er kaufte einen ehemaligen schwedischen Küstenfahrer und ließ ihn umbauen. Wo es früher Laderäume gab, fand man nun Gästekabinen und ein Restaurant vor. Das Hotelschiff wartete am Geestemünder Hauptkanal auf Gäste. Zwei weitere Hotelschiffe lagen im Alten Hafen. Das eine trug den Namen “Alter Hafen” und lag im südlichen Teil und das andere hieß “Hein Mück” und lag im nördlichen Teil des Alten Hafen.
Das waren aber alles nur Notlösungen. Die Stadt Bremerhaven wollte ihren Gästen wieder ein nobles Hotel bieten können. Auch die US-Besatzer drängten auf ein internationales Hotel. Als Standort entschied man sich für den Theodor-Heuss-Platz (früher Theaterplatz), gut gelegen gegenüber dem Stadttheater und direkt an der Hauptgeschäftsstraße.
Aufgrund seiner Erfahrungen bat man Werner Naber, die Führung für das neue Hotel zu übernehmen. Am 6. März 1957 fand die feierliche Eröffnung des “Nordsee-Hotel” statt. Der Zweckbau mit dem Charme der 1950er Jahre erstreckt sich über die gesamte Nordseite des Platzes. Die Gäste wurden in einer imposanten Lobby an einer teakholzvertäfelten Rezeption empfangen.
Die Gästeliste für das neue “Nordsee-Hotel” kann sich sehen lassen. Politiker, Star und Künstler stiegen hier ab: Der spanische König Juan Carlos, Bundespräsident Richard von Weizsäcker, der bayrische Ministerpräsident Franz Josef Strauß, Showmaster Thomas Gottschalk oder Filmstars wie Marika Röck – sie alle ließen sich im “Nordsee-Hotel” verwöhnen. Auch Herbert Wehner und Helmut Schmidt wurden hier gesehen, und Howard Carpendale, der im weißen Bademantel die Hotelbar betrat um einen Absacker zu trinken. Und – natürlich – der wohlbeleibte König von Tonga schaute auch vorbei, seine Entourage im Schlepptau.
Fast 60 lange Jahre war das Nordsee-Hotel, das die Bremerhavener immer nur das “Naber” nannten, das erste Haus am Platze. Schon von weitem erkannte man es an den Leuchtreklamen der Nachkriegsjahre: Asbach Uralt und 4711. Wohl jeder Verein und jeder Gesellschaftsclub feierte hier seinen Ball und ließ sich in dem feinen Restaurant mit Silberhauben verhüllte Speisen servieren.
Aber die Zeiten waren irgendwann vorbei. Um eine Insolvenz des Traditionshotels zu verhindern, kaufte die Stadt Bremerhaven im Jahre 2003 der Betreiberfamilie Naber das Hotel für 3,6 Millionen Euro ab. Sie wollte den Betrieb bis zur Eröffnung des Atlantik Hotel Sail City weiterführen. Und dann lief das Sail City dem “Nordsee-Hotel” den Rang ab, und das Traditionshotel versank in einen Dornröschenschlaf. Seit 2007 ist die Rezeption verwaist.
2010 tauchten neue Ideen für den großen Gebäudekomplex auf. Die Dieckell Verwaltungs GmbH wollte das “Nordsee-Hotel” für 780.000 Euro erwerben, es abreißen und Platz für einen Neubau schaffen. Im Erdgeschoss sollten Läden und Restaurants entstehen, darüber drei Etagen Büros und zwei Geschosse mit Mietwohnungen. Aus verschiedenen Gründen wurden diese Pläne aber nicht realisiert.
Aber einmal noch sollte das altehrwürdige Haus im alten Glanz erstrahlen, einmal noch sollten sich hier Filmstars und Sternchen versammeln. Im Spätsommer 2013 drehte hier der Regisseur Ingo Haeb einen Kinofilm mit dem Arbeitstitel “Das Zimmermädchen”, und das alte Gebäude erlebte einen Hauch von Hollywood. Einige Wochen später wurde das Gebäude mit einem Bauzaun abgesperrt.
Der Bremerhavener Bauunternehmer Horst Wübben hat der Stadt Bremerhaven das Grundstück für 650.000 Euro abgekauft – die Stadt hatte es für 3,6 Millionen Euro erworben. Nun wird das Haus, das bis zu seiner Schließung 95 Zimmer offerierte, seit einem Jahr für rund 10 Millionen Euro umgebaut, saniert und zu einem 3‑Sterne-Hotel hergerichtet.
Die Außenfassade aus den 1950er Jahren wurde nicht verändert. Allerdings wurde statt des ehemals gelben Farbtons nun ein grauer gewählt. Von innen wurde das Gebäude komplett entkernt und modernisiert. Die ehemaligen Ballsäle und der Küchentrakt an der Rückseite des Hauses wurden abgerissen, um Platz für Hotelparkplätze zu schaffen. Da das Hotel zukünftig ein Garni-Hotel sein wird, ist die Großküche überflüssig geworden.
Der Zeitplan, pünktlich zur Sail 2015 neu zu eröffnen, konnte nicht eingehalten werden. Aber auf der Homepage des neuen Nordsee-Hotels sind ab sofort Reservierungen für die 102 Zimmer mit Wirkung vom 1. September 2015 möglich.
Quellen:
Harry Gabcke: “Bremerhaven in zwei Jahrhunderten – 1827–1918”, Seite 20
Harry Gabcke: “Bremerhaven in zwei Jahrhunderten – 1948–1991”, Seite 56
Harry Gabcke: “150 Jahre Bremerhaven, 1827–1977”, Seite 89
Manfred Ernst: “Der Marktplatz”, Seiten 53–59
Rainer Donsbach: “Vision für den Heussplatz”, Nordsee-Zeitung v. 27.11.2010
Rainer Donsbach: “Es soll ein Hotel bleiben”, NZ vom 12.07.2012
Rainer Donsbach: “Kalbssteak Singapur u der König …”, NZ v 11.6.2013
Gert-Dieter Meier: “Hauch von Hollywood im Naber”, NZ v. 20.8.2013
Rainer Donsbach: “So kehrt hier das Leben zurück”, NZ v. 15.02.2014
“Auf Keramikfassade beim Umbau verzichtet”, NZ v. 13.12.2014
Wolfgang Naber: “Nabers Gästebuch – Historisches aus der Hotellerie der Familie Naber”, Vortrag im Historischen Museum am 6.3.2007