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Erinnerungen an die Georgstraße

Erin­ne­run­gen an die Georg­stra­ße – das sind Geschich­ten, die die drei Geest­e­mün­der Jun­gen Wal­ter Abbes, Erich Sturk und der im Jah­re 2013 lei­der ver­stor­be­ne Her­bert Ehlers in ihrer Jugend­zeit in den 1930er Jah­ren erlebt haben. Sie hat­ten die Idee, ihre Erin­ne­run­gen für die Nach­kom­men schrift­lich fest­zu­hal­ten. Hier sind die Erin­ne­run­gen von Erich Sturk:

Erinnerungen an die Georgstraße

Anhand einer Flur­kar­te der Georg­stra­ße ver­such­ten sie, die Häu­ser und Geschäf­te der Rei­he nach zu loka­li­sie­ren. Was der eine nicht mehr wuss­te, wuss­te der ande­re, und so kam die anlie­gen­de Lis­te zusam­men, die weit­ge­hend der dama­li­gen Loka­li­tät ent­spricht. Im Jah­re 2014 stell­ten Wal­ter Abbes und Erich Sturk die Auf­zeich­nun­gen der neu gegrün­de­ten Geschichts­werk­statt Geest­e­mün­de zur Verfügung.

Ples­se­eck

An der west­li­chen Sei­te der Georg­stra­ße befand sich ein keil­för­mi­ges Grund­stück, das durch den Ver­lauf der Par­al­lel­stra­ße (heu­te Ulmen­stra­ße) begrenzt wur­de. Es gehör­te zu der Spi­ri­tuo­sen­fa­brik Ples­se, die sich in Wuls­dorf in der Weser­stra­ße befand und haupt­säch­lich Liqueu­re herstellte.

Im Erd­ge­schoss befand sich ein Laden, der von Ger­hard Loop geführt wur­de und der die Erzeug­nis­se der Fir­ma Ples­se ver­kauf­te. Er war mit mei­nen Eltern befreun­det und wur­de von mir “Onkel Ger­hard” genannt. Mei­ne Mut­ter schick­te mich oft dort­hin, um eine Fla­sche Apfel­most zu kau­fen. Er hat­te eine ele­gan­te Art, sei­ne Ware anzu­prei­sen, hob die Fla­sche hoch, um das Eti­kett zu prä­sen­tie­ren, leg­te sie auf den Tre­sen und roll­te sie geschickt in Ein­kaufs­pa­pier und über­reich­te sie mir, als hät­te ich eine wert­vol­le Fla­sche Sekt gekauft. Herr Ples­se war übri­gens ein Meis­ter im Her­stel­len von Liqueu­ren. Er hat­te einen so genann­ten “Klos­ter­li­queur” in sei­nem Ange­bot, der im Geschmack einem Coint­reau nicht nach­ste­hen sollte.

Erinnerungen an die Georgstraße

An der Spit­ze des Hau­ses befand sich eine Filia­le des Buch­händ­lers Mem­min­ger, die von Fräu­lein Müg­ge geführt wur­de. Hier kauf­te ich mei­ne Jugend­bü­cher, meis­tens vom Schneider–Verlag, der nach dem Krieg wegen sei­ner Ten­den­zen sehr ange­fein­det wur­de. Mir ist der für mich ange­neh­me Geruch nach Büchern noch heu­te in Erinnerung.

Das Ples­se­eck wur­de nach dem Krie­ge wie­der auf­ge­baut und hat heu­te noch sei­nen Namen. Im Erd­ge­schoss wur­de der Spi­ri­tuo­sen­la­den wie­der ein­ge­rich­tet, dies­mal von den Söh­nen des Herrn Loop geführt, und im Ober­ge­schoss ent­stand ein Café, in dem an Wochen­en­den getanzt wurde.

Eis-Becker

Dem Ples­se­eck nörd­lich gegen­über stand ein klei­nes Haus aus roten Zie­gel­stei­nen, das der Reichs­bahn gehör­te. An die­ser Stel­le über­quer­ten die Eisen­bahn­schie­nen die Stra­ße Am Quai. Die Güter­zü­ge pas­sier­ten mehr­mals am Tage die Stra­ße und brach­ten Koh­le zu dem Gas­werk an der Elbe­stra­ße und kehr­ten abends mit Koks bela­den zurück. Beim Über­que­ren der Stra­ße kam ein Eisen­bah­ner aus dem Haus und sperr­te die Stra­ße mit­tels einer roten Fah­ne, die er in der Hand schwenk­te, ab. Die Bahn­li­nie führ­te vom Gas­werk aus noch wei­ter über die Geest­hel­le zur Rick­mers­werft, die auch durch Güter­zü­ge mit Mate­ri­al ver­sorgt wurde.

Eis-Becker Plesseeck

Das Gebäu­de beinhal­te­te außer­dem noch eine öffent­li­che Toi­let­te, eine Tele­fon­zel­le und einen Kiosk, der von der Fami­lie Becker geführt wur­de. Hier gab es im Som­mer das bes­te Eis in Geest­e­mün­de, und wenn im Mai die Sai­son eröff­net wur­de, sprach sich das unter uns Kin­dern schnell her­um. Mit­tags tra­fen sich dort die Schü­ler des Real­gym­na­si­ums mit den Schü­le­rin­nen der höhe­ren Töch­ter­schu­le aus der Stra­ße “Am Rat­haus” (heu­te Klus­smann­stra­ße) zum Eis­essen und Pous­sie­ren. Die Spitz­waf­fel mit einer Kugel kos­te­te 5 Pfen­nig, die Becher­waf­fel mit 2 Kugeln 10 Pfennig.

Loh­ren­gel und Hesse

Im nörd­li­chen Teil der Ost­sei­te der Georg­stra­ße befand sich die Fir­ma Loh­ren­gel und Hes­se, ein soge­nann­tes Eisen­wa­ren­ge­schäft. Im Gegen­satz zur Fir­ma Becken, deren Kund­schaft haupt­säch­lich aus Pri­vat­kun­den bestand, kauf­ten hier vor­wie­gend die Hand­wer­ker ihren Bedarf ein. Das Haupt­ge­schäft bestand aus Tür- und Fens­ter­be­schlä­gen und Klein­ei­sen­ma­te­ri­al, aber auch Her­de und Öfen wur­den ange­bo­ten. Der Laden war dun­kel und hat­te einen lan­gen Tre­sen, hin­ter dem der Geschäfts­füh­rer, Herr Witt­schen, die Ware anbot. Mein Vater kauf­te hier für sei­ne Tisch­le­rei sein gesam­tes Mate­ri­al ein, und ich beglei­te­te ihn oft bei sei­nen Ein­käu­fen. Nach der Aus­bom­bung bestand das Geschäft noch lan­ge im ehe­ma­li­gen Lager in der Paschstraße.

Geestemünde, Georgstrasse, um 1895

Pho­to Müller

  • An der West­sei­te der Georg­stra­ße zwi­schen Ahron­heim und Ples­se lag das Pho­to­ge­schäft Mül­ler, ein Spe­zi­al­ge­schäft für Pho­to­ca­me­ras, Fil­me und Pho­to­ar­bei­ten. Mein größ­ter Wunsch als Kind war, so lan­ge ich den­ken konn­te, eine eige­ne Kame­ra zu besit­zen. Ich stand oft vor dem Schau­fens­ter und betrach­te­te die aus­ge­stell­ten Lei­cas, Con­tax und ande­re Kame­ras, deren Erwerb für mich uner­schwing­lich war.

Zu Beginn des Krie­ges 1939 tauch­ten auf­grund der Kriegs­be­wirt­schaf­tung in der Nord­west­deut­schen Zei­tung soge­nann­te Tausch­an­zei­gen auf. Durch Zufall las ich eine Anzei­ge mit dem Inhalt: “Suche Roll­schu­he, bie­te Foto.” Als Adres­se war der Sedan­platz ange­ge­ben. Ich putz­te also mei­ne Roll­schu­he, die ich schon lan­ge nicht mehr benutz­te, und zog damit zu der ange­ge­be­nen Adres­se. Mei­ne Roll­schu­he fan­den Anklang bei dem Tausch­wil­li­gen, und ich hielt eine 6 x 9 Box “Kod­ak Brow­nie”, unbe­nutzt mit Film in Ori­gi­nal­ver­pa­ckung. Ich war hoch­er­freut und mach­te unter dem Weih­nachts­baum mei­ne ers­ten Fotos mit dem “Seut­he­lin-Blitz­licht­pul­ver” am Besen­stiel. Die Fil­me ent­wi­ckel­te ich im Luft­schutz­kel­ler bei Rot­licht in einer Sei­fen­scha­le, nach­dem ich mir die ent­spre­chen­den Che­mi­ka­li­en bei Pho­to-Mül­ler gekauft hatte.

Nun wan­der­te mein Taschen­geld dort­hin, und ich erin­ne­re mich an die Atmo­sphä­re und an den Geruch im Laden nach Che­mie und Tech­nik, den ich als sehr ange­nehm und geheim­nis­voll emp­fand. Ich kauf­te dort regel­mä­ßig die monat­lich erschei­nen­den “Agfa Pho­to­blät­ter” und Bro­schü­ren aus der Rei­he “Der Pho­to­rat” vom Knapp­ver­lag Hal­le an der Saa­le für 75 Pfen­nig, die wert­vol­le Tipps und Anre­gun­gen zu ver­schie­de­nen Pho­to­the­men ent­hiel­ten. Lei­der gin­gen die­se beim Luft­an­griff ver­lo­ren, aber ich konn­te sie kürz­lich anti­qua­risch im Inter­net erwer­ben, sogar jahr­gangs­wei­se in Buch­form gebunden.

Die Box hat mich jah­re­lang in mei­ner Kind­heit und Jugend­zeit beglei­tet und steht heu­te noch in mei­ner Kame­ra­samm­lung. Sie beglei­te­te mich bei der Kin­der­land­ver­schi­ckung und über­leb­te zusam­men mit mei­nem Nega­tiv­ar­chiv die Brand­nacht vom 18. Sep­tem­ber 1944 im Luftschutzkeller.

Durch die heu­ti­ge Mög­lich­keit der digi­ta­len Bild­be­ar­bei­tung mit dem Com­pu­ter kann ich die Fotos in einer vor­her nicht erziel­ba­ren Qua­li­tät aus­dru­cken, und ich besit­ze damit unwie­der­bring­li­che Auf­nah­men aus alten Zeiten.

Metro­pol-Kino

An der Ein­mün­dung der Bucht­stra­ße in die Georg­stra­ße befand sich an der Nord­ost­ecke das Gebäu­de des Metro­pol­ki­nos. Im Erd­ge­schoss befand sich im Eck­la­den eine Nie­der­las­sung der Nord­west­deut­schen Zei­tung. Nach­mit­tags um 15.00 Uhr wur­de dort die Zei­tung ange­lie­fert, und es ver­sam­mel­ten sich dort die Zei­tungs­bo­ten zum Emp­fang und zur Aus­tra­gung. Im 1. Ober­ge­schoss lag die Gast­wirt­schaft Dam­mann mit Ein­gang von der Bucht­stra­ße her.

Kino Metropol

Zur Georg­stra­ße hin befand sich der Ein­gang zum Kino­saal, der tags­über mit einer Git­ter­tür ver­schlos­sen war. Neben dem Ein­gang befan­den sich ver­glas­te Schau­käs­ten mit Fotos von den aktu­el­len Fil­men, und über dem Ein­gang spann­te sich ein gro­ßes Trans­pa­rent mit Wer­bung für den Film. Zur Nach­mit­tags­vor­stel­lung wur­de das Git­ter des Ein­gan­ges von Herrn Ado­meit geöff­net. Herr Ado­meit war von Beruf Musi­ker, erteil­te Kla­vier­un­ter­richt und stand neben­bei hin­ter der Kas­se und riss die gekauf­ten Ein­lass­kar­ten ab.

Es gab jugend­freie Fil­me und Fil­me, die ab 14 bezie­hungs­wei­se 18 Jah­ren erlaubt waren. Herr Ado­meit ach­te­te streng dar­auf, dass die­se Vor­schrif­ten ein­ge­hal­ten wur­den. Der Besit­zer des Kinos war ein Herr Ada­mi, der noch ein zwei­tes Kino, das Atri­um, in der Stra­ße An der Müh­le betrieb.

Es gab nur eine Rol­le mit Auf­nah­men der Wochen­schau, die im Wech­sel zwi­schen bei­den Kinos hin- und her­ge­tra­gen wur­de. Für den Trans­port hat­te er Jugend­li­che ange­stellt, die um ihren Job von uns Kin­dern sehr benei­det wur­den, da sie sich alle Fil­me umsonst anschau­en konn­ten. Sonn­tags nach­mit­tags um 15.00 Uhr gab es eine Jugend­vor­stel­lung, in der Micky­maus­fil­me oder ähn­li­ches lie­fen. Die Ein­tritts­ge­bühr betrug 30 Pfen­nig, und es ver­sam­mel­te sich schon lan­ge vor­her eine gro­ße Men­ge Kin­der vor dem Ein­gang. Der Kino­saal befand sich ent­lang der Bucht­stra­ße, und dort waren auch die zwei Aus­gän­ge und die Toi­let­ten­fens­ter. Die Kin­der, die das Geld für den Ein­tritt nicht besa­ßen, ver­such­ten, durch die­se Fens­ter in den Saal zu klet­tern, was ihnen auch oft gelang.

Über den Aus­gangs­tü­ren waren Laut­spre­cher ange­bracht, über die Musik aus dem Kino­saal über­tra­gen wur­de, bevor der Film begann. Unser Haus in der Bucht­stra­ße lag dem Kino­saal direkt gegen­über, und an war­men Som­mer­aben­den, wenn wir noch auf unse­rem Hof spie­len durf­ten, tanz­ten wir zur Musik. Die­se Aben­de sind mir noch in guter Erinnerung.

Hirsch­apo­the­ke

An der Süd­west­ecke der Georgstraße/Grabenstraße (heu­te Ram­sau­er Stra­ße) befand sich die Hirsch­apo­the­ke von Herrn Ger­lach. Hier kauf­ten mei­ne Eltern und mein Groß­va­ter, der mit Herrn Ger­lach befreun­det war, Medi­ka­men­te und Ver­bands­stof­fe ein. Ich erin­ne­re mich beson­ders an ein Medi­ka­ment “Pan­fla­vin”. Das waren Tablet­ten, die ich bei Hals­schmer­zen schlu­cken muss­te, was mir nicht schwer fiel, weil sie nach Scho­ko­la­de schmeckten.

1944-2015 Hirschapotheke

In einem gewis­sen Alter beschäf­tig­te ich mich mit che­mi­schen Expe­ri­men­ten und benö­tig­te hier­für Che­mi­ka­li­en, die nor­ma­ler­wei­se nicht an Kin­der ver­kauft wer­den durf­ten. Kali­um Chlo­r­at — wofür brauchst du das? — zum Gur­geln. Oder Salmiak/Ammoniak – für unse­re Klin­gel­ele­men­te usw.

Ein­mal kam auch die Zeit der Ent­wick­lungs­pe­ri­ode, wo man rau­chen woll­te. Bei uns zu Hau­se wur­de nicht geraucht, also war dort nichts zu besor­gen. Eine Zeit lang ver­such­ten wir es im Freun­des­kreis mit Kamil­len­tee in der Ton­pfei­fe, die oft den “Wun­der­tü­ten”, die man für 10 Pfen­nig kau­fen konn­te, bei­gefügt waren. Mei­ne Freun­de sti­chel­ten: “Dein Opa kennt doch den Apo­the­ker gut, ver­such doch mal, Asth­ma­zi­ga­ret­ten zu kau­fen!” Ich lies mich über­re­den und ging in die Apo­the­ke und ver­lang­te die­se. Herrn Ger­lach war das wohl nicht ganz geheu­er und er frag­te mich, wofür ich sie haben woll­te. Ich ant­wor­te­te in mei­ner Nai­vi­tät: “Ach, ich bin so erkäl­tet.” Dar­auf­hin jag­te er mich aus dem Laden.

Hirschapotheke

Bei dem gro­ßen Angriff auf Bre­mer­ha­ven brann­te auch die Apo­the­ke aus, jedoch die Grund­mau­ern blie­ben erhal­ten. So steht sie auch heu­te noch fast unver­än­dert da. Beim Wie­der­auf­bau nach dem Krie­ge bekam mein Vater für sei­ne Tisch­le­rei den Auf­trag für die Anfer­ti­gung der Haus- und Laden­ein­gangs­tür. Ich war inzwi­schen Lehr­ling im väter­li­chen Betrieb und muss­te die­se Türen anfer­ti­gen. Es waren mei­ne ers­ten Außen­tü­ren, die ich anfer­tig­te, aus Eichen­holz mit Kreuz­spros­sen und Seg­ment­bö­gen und damit eine schwie­ri­ge Auf­ga­be. Sie haben lan­ge gehal­ten und wur­den irgend­wann durch Alu­mi­ni­um­tü­ren ersetzt.

Knob­lauch | Georg­stra­ße 43

Neben dem Kino Metro­pol lag das Haus von Uhr­ma­cher und Opti­ker Knob­lauch mit einer wun­der­schö­nen Fas­sa­de. Der Haus­ein­gang lag in der Mit­te des Hau­ses, links und rechts dane­ben die Schau­fens­ter. Die Knob­lauchs waren alte Leu­te und hat­ten sich schon zur Ruhe gesetzt. Sie bewohn­ten das 1. Ober­ge­schoss, das einen Erker besaß. Von hier­aus konn­te man die gesam­te Georg­stra­ße über­se­hen, zusätz­lich waren noch Spie­gel – so genann­te Spio­ne – ange­bracht und die bei­den Senio­ren saßen dort den gan­zen Tag und beob­ach­te­ten das Gesche­hen auf der Stra­ße. Soweit ich weiß, sind bei­de beim Bom­ben­an­griff im Sep­tem­ber 1944 ums Leben gekommen.

Geestemünde, Georgstraße 43, im Jahre 1904

Das Geschäft im Erd­ge­schoss wur­de von dem Schwie­ger­sohn, Herrn Franz Kelch gelei­tet. Es gab auch eine Toch­ter mei­nes Alters, Oda Kelch, mit der ich oft gespielt habe. Die Fami­lie Kelch besaß schon früh in den drei­ßi­ger Jah­ren ein Radio­ge­rät, das mit­tels eines ange­schlos­se­nen Auto­ak­kus betrie­ben wur­de. Dar­um habe ich sie sehr benei­det, denn bei uns zu Hau­se gab es zu der Zeit nur ein Grammophon.

Im Erd­ge­schoss war noch ein klei­ner Laden abge­teilt, wo ein Herr Hüb­ner einen Fri­seur­sa­lon betrieb. Dort­hin muss­te ich zum Haar­schnei­den gehen. Neben mir saßen in den Stüh­len, die mit einem Pedal hoch- und nie­der­ge­fah­ren wur­den, älte­re Her­ren, die ein­ge­seift und dann mit einem lan­gen Mes­ser rasiert wur­den. An den Wän­den hin­gen Wer­be­pla­ka­te für Dr. Dral­les Bir­ken­was­ser und Fromm’s. Es war mir immer sehr unan­ge­nehm, wenn mir der Nacken aus­ge­schnit­ten wur­de, denn ich war sehr kitzelig.

Auf dem Hof des Hau­ses stand das Gebäu­de der “Weser­dru­cke­rei Lüdecke & Gras­see”, bei der mein Vater sei­ne Geschäfts­pa­pie­re dru­cken lies.

Scho­cken | Merkur

Das Haus von Schocken/Merkur grenz­te in der Neu­markt­stra­ße direkt an das Wohn­haus mei­ner Eltern in der Bucht­stra­ße 8 – 10 und war mir von Kind an wohl­be­kannt. Ich schau­te oft aus unse­rem Wohn­zim­mer­fens­ter in der Neu­markt­stra­ße und beob­ach­te­te die Pfer­de­fuhr­wer­ke, die dort ihre Ware anlie­fer­ten. Beson­ders gefie­len mir die Wagen vom Gemü­se­groß­händ­ler Veh­mei­er — wegen der Pfer­de. Die Platt­wa­gen waren immer zwei­spän­nig und wur­den paar­wei­se jeweils von 2 Apfel­schim­meln oder Rap­pen gezo­gen. Als ich grös­ser war, ging ich schon mal hin­un­ter und gab ihnen ein Stück Zucker und strei­chel­te sie.

Mei­ne Eltern kauf­ten als selbst­stän­di­ge Geschäfts­leu­te im Ein­zel­han­del und nicht in Waren­häu­sern ein. Die Ein­zel­händ­ler waren ja auch Kun­den mei­ner Eltern und erwar­te­ten von ihnen das­sel­be. So erga­ben sich Kurio­si­tä­ten: Fleisch wur­de beim Schlach­ter Mül­ler in der Bucht­stra­ße, Leber­wurst beim Schlach­ter Selt­mann in der Johan­nes­stra­ße, gekoch­ter Schin­ken beim Schlach­ter Tost­mann in der Fried­rich­stra­ße und Rot­wurst beim Schlach­ter Gärt­ner in der Georg­stra­ße gekauft. Das Glei­che galt für den Brot­e­in­kauf: Voll­korn­brot beim Bäcker Gers in der Rosen­stra­ße, Bröt­chen lie­fer­te der Bäcker Schr­a­der aus der Pasch­stra­ße, und auch bei den Bäckern Bull­win­kel in der Schil­ler­stra­ße und Eden in der Nel­ken­stra­ße wur­de eingekauft.

1905 Bäckerei Mehl

In das Geschäft von Scho­cken kam ich nur mal in Beglei­tung mei­ner Spiel­ka­me­ra­den aus dem Pasch­vier­tel, wenn sie hier­her zu Ein­kau­fen geschickt wur­den. Es war für mich inter­es­sant, durch den Laden zu bum­meln und die gro­ße Aus­wahl an Waren zu betrach­ten. Spä­ter wäh­rend des Krie­ges ging ich öfter mal in die Schall­plat­ten­ab­tei­lung des Kauf­hau­ses, das nun unter dem Namen Mer­kur fir­mier­te und spä­ter dem Hor­ten­kon­zern ein­ver­leibt wur­de. Hier konn­te man Schall­plat­ten mit den neu­es­ten Sol­da­ten­lie­dern erwer­ben, wenn man eine alte Schel­lack­plat­te dafür abgab. Außer­dem konn­te man zeit­wei­se Bat­te­rien für die Taschen­lam­pen erwer­ben, die es sonst nir­gend­wo mehr gab.

Eine schreck­li­che Erin­ne­rung für mich ist das Gesche­hen in der so genannten“Kristallnacht” am 9. Novem­ber 1938. Mein Schlaf­zim­mer lag zur Neu­markt­stra­ße hin, und ich wur­de durch das Schep­pern von Glas geweckt. Ich mach­te das Licht aus und schob das Ver­dun­ke­lungs­rol­lo ein Stück hoch, um hin­aus­zu­schau­en und sah im Schein der gegen­über­lie­gend Gas­la­ter­ne Gestal­ten auf der Stra­ße hin- und her­lau­fen, und es war ein gro­ßer Lärm dort unten. Als ich am nächs­ten Mor­gen zur Schu­le ging, kam ich auf mei­nem Wege in der Neu­markt­stra­ße an den Schau­fens­tern vor­bei und sah die zer­split­ter­ten Schei­ben und das Cha­os im Inne­ren des Geschäf­tes. Vor den Fens­tern stand ein Mann in SA-Uni­form als Wache gegen Plün­de­run­gen. Nach­mit­tags fuhr ein Last­wa­gen der NSV vor und die Lebens­mit­tel wur­den aus dem Laden getra­gen und auf­ge­la­den. Ich habe als Kind nicht begrif­fen, was in der Nacht vor­ge­gan­gen ist.

Radio Wapp­ler

Rechts neben dem Kauf­haus stand das Haus von Radio Wapp­ler. Hier kauf­te ich Klin­gel­draht und klei­ne Schal­ter für mei­ne elek­tri­schen Bas­te­lei­en, spä­ter mei­ne Schall­plat­ten. Mit dem Sohn der Fami­lie, Hans-Georg, habe ich des Öfte­ren gespielt. Das Haus wur­de auch total zer­stört, aber nach dem Krieg an glei­cher Stel­le wie­der aufgebaut.

1924 Musikhaus Birnbaum

Musik­haus Birnbaum

Im anschlie­ßen­den Haus wei­ter nach Süden befan­den sich zwei klei­ne Läden. Das Ehe­paar Birn­baum han­del­te mit Musik­in­stru­men­ten, und Herr Birn­baum kam ab und zu zum Kla­vier­stim­men in unser Haus. Wir kauf­ten bei ihm auch unser ers­tes Radio, und er ver­leg­te für den Anschluss die Anten­ne auf dem Dach, in dem er eine Kup­fer­lit­ze von Schorn­stein zu Schorn­stein spann­te. Nach dem Krie­ge betrieb Frau Birn­baum das Geschäft in der Hafen­stra­ße im Pavil­lon über der Aue.

Im rech­ten Teil des Hau­ses betrieb Frau Rook ein Spe­zi­al­ge­schäft für Scho­ko­la­de. Sie führ­te nur Mar­ken­wa­re, und ihre gefüll­ten Reli­ef­pra­li­nen sind mir in guter Erinnerung.

I.G. Schmidt

Die Lie­fer­wa­gen sind mir in beson­de­rer Erin­ne­rung. Es waren Last­wa­gen mit beson­de­ren Auf­bau­ten für den Trans­port von Bau­stahl, da sich die Bau­wei­se aus Beton durch­ge­setzt hat­te. Die Wagen hat­ten eine auf­fäl­li­ge Lackie­rung in einer Art“Mimikri”, die an den Anstrich von Kriegs­schif­fen erin­ner­te, nur das es grel­le Far­ben waren. Die Wagen stan­den immer in der Neu­markt­stra­ße vor dem Lagerplatz.

Franz­ke

An der West­sei­te zwi­schen der Max-Died­rich-Stra­ße und der Eins­war­der Stra­ße befand sich das Fahr­rad­haus Franz­ke. Im Gegen­satz zu dem “Bast­ler” im Nor­den der Georg­stra­ße führ­te Herr Sarah nur Mar­ken­rä­der in sei­nem Sor­ti­ment. Mit 8 Jah­ren bekam ich mein ers­tes Fahr­rad zum Geburts­tag. Es war ein Kna­ben­fahr­rad — eine Zwi­schen­grö­ße vom Kin­der­fahr­rad zum Her­ren­fahr­rad — und hat­te die Mar­ke “Rufran”.

Rad­fah­ren lern­te ich im Fische­rei­ha­fen in der Hal­le X. Mein Vater hat­te sich die­sen Platz aus­ge­sucht, da dort Sonn­tag­mor­gens kein Betrieb war und da der Beton­bo­den sehr eben war. Mein Vater schob mich an, und ich dreh­te mei­ne Run­den. Das Auf- und Abstei­gen war mein größ­tes Pro­blem, aber bald konn­te ich auch dieses.

Nun besaß die gan­ze Fami­lie Fahr­rä­der, und unse­re Sonn­tags­aus­flü­ge gin­gen über die Schiff­dor­fer Chaus­see nach Hoser­müh­len. Der Sonn­tags­ku­chen wur­de in einem so genann­ten “Stadt­kof­fer” auf dem Gepäck­hal­ter ver­staut. In Hoser­müh­len hat­te Herr von Hol­len einen “Som­mer­gar­ten”, und er ser­vier­te in wei­ßer Jacke den Kaf­fee und für mich eine “Oran­gea­de”. Nach dem Kaf­fee spann­ten mei­ne Eltern die mit­ge­brach­ten Hän­ge­mat­ten im Som­mer­gar­ten zwi­schen den Bäu­men auf und ruh­ten dort. Mei­ne Schwes­ter und ich spiel­ten im Gar­ten und an einem klei­nen Bach in der Nähe.

Dro­ge­rie Petrasch 

An der süd­öst­li­chen Ecke der Georg- und Max-Diet­rich-Stra­ße befand sich die Dro­ge­rie Petrasch, die auch Säme­rei­en führ­te. Mein Groß­va­ter besaß einen Schre­ber­gar­ten in der Hart­wig­stra­ße und kauf­te sei­ne Säme­rei­en bei Petrasch. Da er ein guter Kun­de war, bekam er am Anfang des Krie­ges noch ab und zu einen Roll­film für mei­ne Kod­ak-Box. Fil­me waren zu der Zeit schwer zu bekom­men, weil sie kriegs­wich­ti­ges Mate­ri­al darstellten.

Georg Ecke (damals Bahnhofstr.) jetzt Max-Dietrich

Kugel-Bake

Im Nach­bar­haus von Petrasch befand sich im links gele­ge­nen Laden die Fir­ma Kugel-Bake. Herr Bake han­del­te mit Berufs­be­klei­dung, vor­wie­gend für die Werf­ten und den Fische­rei­ha­fen. Als Blitz­licht taucht bei mir die Erin­ne­rung auf, dass Herr Bake mit sei­nem roten Bart oft vor der Laden­tür stand — den Ver­kehr beob­ach­tend oder im Gespräch mit Pas­san­ten. Sein Ange­stell­ter war ein Herr Becker, den ich als klei­nen schüch­ter­nen Mann in Erin­ne­rung habe. Er war nach dem Krie­ge als Kir­chen­die­ner an der Chris­tus­kir­che tätig.

Uhren-Stu­te

Im rech­ten Laden des vor­ge­nann­ten Hau­ses hat­te Robert Stu­te ein Uhren­fach­ge­schäft mit Werk­statt zum Hof hin. Sei­nen Sohn Wal­ter lern­te ich in der Schu­le ken­nen, und wir waren lan­ge Zeit eng befreun­det. Ich kam dadurch oft in das Haus und in den Laden. Wenn die Laden­tür geöff­net wur­de, erklang ein vier­tei­li­ger Gong. Wir mach­ten den Klang nach und san­gen dazu: “Schön — gu — ten – Tag/Auf – wie – der – sehn.”

Georgstrasse suedoestliche EckeMax-Dietrich

Hin­ten in der Werk­statt saß ein Herr Jakob mit der Lupe im Auge am Tisch und repa­rier­te die Uhren. Wal­ters Mut­ter war immer sehr nett zu mir, und sein Vater hat­te im Flur der im 1. Ober­ge­schoss lie­gen­den Woh­nung eine Reck­stan­ge aus Holz anbrin­gen las­sen, an der wir Auf­schwung, Knie­wel­le und Sitz­wel­le üben konn­ten. Lei­der ver­starb Wal­ters Vater kurz nach dem Bom­ben­an­griff am 18. Sep­tem­ber. Ursa­che war wohl die Auf­re­gung, denn die Fami­lie konn­te nur unter schwie­ri­gen Umstän­den das bren­nen­de Haus verlassen.

Sei­ne Mut­ter bau­te nach dem Krie­ge das Geschäft wie­der auf, erst in der Max-Diet­rich-Stra­ße, spä­ter an alter Stel­le in der Georg­stra­ße. Mein Vater bau­te in unse­rer Werk­statt die Laden­ein­rich­tun­gen für bei­de Läden, und ich war als Lehr­ling dar­an betei­ligt. — Lei­der ist auch Wal­ter im Jah­re 2013 verstorben.

Bau­ern­häu­ser

Ecke An der Mühle/Georgstraße stan­den zurück­lie­gend noch 2 alte Bau­ern­häu­ser. In einem wohn­te mein Klas­sen­ka­me­rad Gün­ter Sachs. Im ande­ren Haus mein Klas­sen­ka­me­rad Sep­pel Sel­grath. Es waren neben eini­gen Häu­sern am Bau­ern­wall und an der Tal­stra­ße die letz­ten Res­te vom alten Geest­en­dorf. Sie wur­den alle beim Bom­ben­an­griff am 18. Sep­tem­ber 1944 vernichtet.

Nie­der­sach­sen­hof

An der West­sei­te der Georg­stra­ße in Höhe der Stra­ße An der Müh­le befand sich im Erd­ge­schoß des Hau­ses eine Gast­stät­te mit dem Namen Nie­der­sach­sen­hof. Es war eine gut­bür­ger­li­che Gast­stät­te, in der auch mein Groß­va­ter ab und zu ver­kehr­te. Das Beson­de­re des Lokals war die Innen­ein­rich­tung. Ich weiß nicht, ob der Inha­ber ein­mal zur See gefah­ren oder ein Lieb­ha­ber von chi­ne­si­schem Inte­ri­eur war. Mein Groß­va­ter nahm mich ein­mal mit dort­hin und zeig­te mir die Rari­tä­ten. Der Raum stand vol­ler Pago­den, Bam­bus und an den Wän­den hin­gen chi­ne­si­sche Tusche­zeich­nun­gen. Dies war damals eine Rari­tät, denn es gab mei­nes Wis­sens nach sei­ner­zeit noch kei­ne Chi­na­re­stau­rants, wie sie heu­te üblich sind.

Fisch­brat­kü­che

Im glei­chen Hau­se oder gleich neben­an wur­de eine Fisch­brat­kü­che betrie­ben. Ich glau­be, daß es die ein­zi­ge in Geest­e­mün­de der­zeit war. Wenn bei uns zu Hau­se Fisch­tag war, bekam ich eine gro­ße Por­zel­lan­scha­le in die Hand gedrückt, die in Hand­tü­chern und alten Zei­tun­gen zum warm­hal­ten ein­ge­packt war. Ich hol­te immer gro­ße Por­tio­nen, da ich in einer Groß­fa­mi­lie auf­wuchs und die Haus­hal­tung zusam­men mit mei­nen Groß­el­tern erfolgte.

Plesseeck

Schmie­de

Ecke Georg- und Schmie­de­stra­ße war eine Huf­schmie­de, die sich dort bis zum Kriegs­en­de befand. In den drei­ßi­ger Jah­ren und auch wäh­rend des Krie­ges gab es kaum Autos, und der Last­ver­kehr erfolg­te mit Fuhr­wer­ken und Pfer­de­ge­span­nen. Die Pfer­de stan­den zum Beschla­gen auf dem Geh­weg der Stra­ße, und ich habe als Jun­ge oft dort gestan­den und zuge­schaut. Inter­es­sant war das Schmie­de­feu­er inner­halb der Schmie­de, das mit einem Bla­se­balg betrie­ben wur­de. Die Huf­ei­sen wur­den dort glü­hend erhitzt, auf dem Amboss mit dem Ham­mer bear­bei­tet und mit eine lan­gen Zan­ge nach drau­ßen gebracht. Einer der Schmie­de hielt ein Bein des Pfer­des in Hän­den und auf dem Knie und bear­bei­te­te den Huf mit einem schar­fen Mes­ser. Dann leg­te der ande­re mit der Zan­ge das glü­hen­de Eisen auf den Huf, wobei ein zischen­des Geräusch ent­stand und sich Qualm und Geruch nach ver­brann­tem Horn aus­brei­te­te. Nach der Abküh­lung wur­den die Huf­nä­gel ein­ge­schla­gen. Ein­mal bekam ich ein altes Huf­ei­sen und ein paar neue Huf­nä­gel geschenkt. Huf­ei­sen gal­ten damals als Glücks­brin­ger und wur­den zur Zier­de an die Wand gehängt.

Nach­satz

Es gäbe noch viel zu erzäh­len! Scha­de, dass Her­bert Ehlers nicht mehr unter uns weilt. Wir könn­ten beim Nach­den­ken bestimmt noch eine Fort­set­zung schreiben. 
Bre­mer­ha­ven, im Janu­ar 2014 | Erich Sturk

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Erich Sturk: Erinnerungen an den 18. September 1944 in Bremerhaven

In “Erin­ne­run­gen an den 18. Sep­tem­ber 1944 in Bre­mer­ha­ven” beschreibt Leser Erich Sturk sei­ne Gedan­ken an den ver­hee­ren­den Luft­an­griff, in des­sen Ver­lauf Bom­ber der Roy­al Air Force inner­halb von 20 Minu­ten die heu­ti­gen Bre­mer­ha­ve­ner Stadt­tei­le Mit­te und Geest­e­mün­de fast kom­plett zer­stör­ten. Erich Sturk kann das Erleb­te nicht ver­ges­sen, und es ist ihm ein Her­zens­wunsch, dass sei­ne per­sön­li­chen Erin­ne­run­gen hier im Deich­SPIE­GEL ver­öf­fent­licht werden. 

Erinnerungen an den 18. September 1944

Ich war damals 13 Jah­re alt und wohn­te in mei­nem Eltern­haus in Weser­mün­de-Geest­e­mün­de, Bucht­stra­ße 8–10/Ecke Neu­markt­stra­ße. Weser­mün­de war bis zu die­sem Zeit­punkt im Gegen­satz zu ande­ren Groß­städ­ten von Groß­an­grif­fen der alli­ier­ten Bom­ber ver­schont geblie­ben. Zwar waren im Ver­lau­fe des Krie­ges schon eini­ge Bom­ben gefal­len, aber es han­del­te sich anschei­nend um Not­ab­wür­fe der Bom­ber beim Rück­flug von ihren Einsatzzielen.

Bereits 1940 war eine Stab­brand­bom­be auf unse­re Tisch­ler­werk­statt gefal­len, die das Dach und die Boden­de­cke durch­schlug und auf der Fur­nier­pres­se lie­gen blieb und aus­brann­te, ohne Scha­den anzu­rich­ten, da mein Vater den Feu­er­schein gese­hen hat­te und wir in die Werk­statt lie­fen und die Bom­be mit Lösch­sand abdeck­ten. Grö­ße­re Schä­den wur­den bei die­sen Not­ab­wür­fen in der Schil­ler­stra­ße, in Sur­hei­de und in Nordle­he verursacht.

Ab 1943 wur­den wir älte­ren Schü­ler zu einer Brand­wa­che in den Schu­len außer­halb der Schul­zeit ein­ge­teilt, nach­dem unser Schul­luft­schutz­wart, Herr Mey­er, uns ein­ge­wie­sen und an dem Blind­gän­ger einer Stab­brand­bom­be demons­triert hat­te, wie sie zu löschen war.

Im Herbst 1943 wech­sel­te ich von der All­mers­schu­le in den Auf­bau­zug der Hum­boldt­schu­le und wur­de von der dama­li­gen Kreis­lei­tung der Orts­grup­pe Neu­markt als Mel­der zuge­teilt. Für mich bedeu­te­te es, dass ich mit Stahl­helm und Gas­mas­ke zur Schu­le ging und mich bei Flie­ger­alarm im Büro der Ort­grup­pe ein­zu­fin­den hat­te, das sich in der Max-Died­rich-Stra­ße im Hau­se der Leih­bü­che­rei Hagen befand. Hier­für bekam ich einen Aus­weis, der mir erlaub­te, mich bei Alarm auf den Stra­ßen zu bewe­gen und auf den ich sehr stolz war.

Mein ers­ter gro­ßer Ein­satz fand am 15. Juni 1944 statt, als am Vor­mit­tag ein Flä­chen­bom­bar­de­ment auf den Stadt­teil Geest­e­mün­de erfolg­te. Ich erhielt vom Orts­grup­pen­lei­ter den Auf­trag, die ent­stan­de­nen Schä­den im Bereich der Orts­grup­pe Geest­e­mün­de zu ermit­teln und auf einem Mel­de­block fest­zu­hal­ten. Ich erin­ne­re mich an die unheim­li­che Stil­le, die auf den Stra­ßen herrsch­te und an den Geruch von Gas und Mör­tel­staub, der über dem Stadt­teil lag. Als ich in die Neu­markt­stra­ße kam, sah ich, dass eine Spreng­bom­be unser Haus knapp ver­fehlt hat­te und dass sich auf der Neu­markt­stra­ße ein gro­ßer Bom­ben­trich­ter befand.

Erinnerungen an den 18. September 1944

Die Angriffs­se­rie setz­te sich am 17. und 18. Juni mit Flä­chen­bom­bar­de­ments auf den Stadt­teil Lehe und auf den Fische­rei­ha­fen fort. Nach die­sen Angrif­fen wur­den wir vom Jung­volk aus zu Lösch- und Ber­gungs­ar­bei­ten ein­ge­setzt. Die ört­li­chen Tele­fon­lei­tun­gen bestan­den größ­ten­teils aus Frei­lei­tun­gen, die bei den Angrif­fen zer­stört wur­den, so dass eine Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen den Behör­den und Ein­satz­lei­tun­gen nicht mehr mög­lich war. Wir Jun­gen erhiel­ten den Auf­trag, in Zusam­men­ar­beit mit der Nach­rich­ten-HJ ein pro­vi­so­ri­sches Nach­rich­ten­netz aufzustellen.

Mit einem Hand­wa­gen zogen wir zum Flug­ha­fen Wed­de­war­den und erhiel­ten dort 2 Hand­ver­mitt­lun­gen, 25 Feld­fern­spre­cher und Rol­len mit Tele­fon­ka­beln. Mit dem Mate­ri­al konn­ten wir in den nächs­ten Tagen eine orts­über­grei­fen­de Ver­bin­dung aller wich­ti­gen Stel­len auf­bau­en. Die Ver­mitt­lun­gen befan­den sich in der Bann­dienst­stel­le in der Köper­stra­ße und im HJ-Heim Saar­park, wo wir anschlie­ßend abwech­selnd Ver­mitt­lungs­diens­te leisteten.

Die Angrif­fe auf die Stadt im Juni ver­an­lass­ten die Stadt­ver­wal­tung, die Schu­len zu schlie­ßen und die Schü­ler zu deren Sicher­heit im Rah­men der soge­nann­ten KLV (Kin­der­land­ver­schi­ckung) auf das plat­te Land zu schi­cken. Mit­te Juli 1944 ver­ließ ich mit mei­ner Klas­se, der A IV der Hum­boldt­schu­le, und mit unse­rem Klas­sen­leh­rer, dem Herrn Hage­mann, die Stadt mit einem Son­der­zug in Rich­tung Lüne­bur­ger Heide.

Vom Bahn­hof Bre­mer­vör­de ab ver­lie­ßen an jeder Sta­ti­on die ein­zel­nen Klas­sen den Zug zu ihren zuge­teil­ten Auf­ent­halts­or­ten. Wir ver­lie­ßen den Zug in Lau­en­brück im Kreis Roten­burg (Han) , ver­lu­den unser Gepäck auf einen bereit­ste­hen Acker­wa­gen und mar­schier­ten zu unse­rem Bestim­mungs­ort Stem­men, einem klei­nen Dorf am Ran­de der Lüne­bur­ger Hei­de, wo wir ver­teilt und von den Bau­ern in unse­re Quar­tie­re geführt wurden.

Hier ver­brach­ten wir den Som­mer mit Schul­un­ter­richt in der Dorf­schu­le, Ern­te­hil­fe, Kar­tof­fel­kä­fer- und Buch­eckern­samm­lun­gen und, wenn man Glück hat­te, mit dem Auf­fin­den von abge­wor­fe­nen Reser­ve­tanks der ers­ten Düsen­jä­ger, die zur Flug­ab­wehr auf dem Flug­platz Roten­burg ein­ge­setzt wur­den. Für das Auf­fin­den und Ablie­fern eines Tanks bekam man 10 RM. Nachts hör­te ich die Mäu­se unter mei­nem Bett nagen und die feind­li­chen Flie­ger in Rich­tung Ham­burg über mir brum­men, und wenn das Brum­men zu stark wur­de, weck­te mich der Bau­er, und wir such­ten einen pro­vi­so­ri­schen Split­ter­bun­ker auf, der sich auf dem Hof befand.

Erinnerungen an den 18. September 1944

Nach Ein­brin­gen der Kar­tof­fel­ern­te wur­de uns erlaubt, die Herbst­fe­ri­en zu Hau­se zu ver­brin­gen. Am Sonn­abend, dem 16. Sep­tem­ber 1944, fuh­ren wir gemein­sam mit unse­rem Klas­sen­leh­rer nach Weser­mün­de. Es war ein war­mer, son­ni­ger Herbst­tag, und ich erin­ne­re mich des hei­mat­li­chen Wohl­ge­fühls, das ich beim Ver­las­sen des Bahn­hofs Geest­e­mün­de emp­fand. Ich freu­te mich auf mein gemüt­li­ches Zim­mer zu Hau­se, das ich gegen mei­ne 4.00 qm gro­ße Kam­mer mit Bett und Stuhl beim Bau­ern tau­schen konn­te, und ich war der Hoff­nung, dass nach Ende der Feri­en der Krieg vor­über wäre und ich nicht in die Hei­de zurück müsste.

In die­ser Hoff­nung hat­te ich auch alle Sachen, die mir damals gehör­ten, mit­ge­nom­men und räum­te sie am dar­auf fol­gen­den Sonn­tag in alle Ruhe in mei­nem Zim­mer ein. Abends um halb zehn gab es wie immer Flie­ger­alarm, und wir such­ten den im Hau­se befind­li­chen Luft­schutz­kel­ler auf. Mon­tag, der 18. Sep­tem­ber 1944, war wie­der­um ein schö­ner son­ni­ger Herbst­tag, und ich genoss das Gefühl, zu Hau­se zu sein. Abends, gegen halb zehn, gab es wie üblich Flie­ger­alarm, und wir such­ten zusam­men mit den Haus­be­woh­nern den Luft­schutz­kel­ler auf.

Da unser Haus in der Umge­bung eines der größ­ten und wohl sta­bils­ten Häu­ser in der Umge­bung war, hat­te man in einem Bereich des Kel­lers einen soge­nann­ten „Öffent­li­chen Luft­schutz­raum“ mit Gas­schleu­se, Not­aus­gang, Feld­bet­ten, Che­mi­kal­toi­let­ten und allem not­wen­di­gen Zube­hör ein­ge­rich­tet, der ger­ne von den Anwoh­nern des nahe­lie­gen­den, soge­nann­ten Pasch­vier­tels, in dem sich nur klei­ne Häu­ser befan­den, auf­ge­sucht wur­de. Auch kamen oft Mari­ne­sol­da­ten, die sich in den umlie­gen­den Gast­stät­ten in der Ram­sau­er Stra­ße oder bei Café Reh­mann in der Georg­stra­ße auf­hiel­ten, hier­her. Mein Groß­va­ter war zusam­men mit einem Nach­barn, Herrn Dau­els­berg, als Luft­schutz­wart eingesetzt.

Zuerst ver­lief alles ganz nor­mal, und wir nah­men an, dass der Alarm nur den nach Ber­lin oder Ham­burg über der Deut­schen Bucht ein­flie­gen­den Bom­ber­ver­bän­den galt. Die Män­ner aus dem Hau­se und die Mari­ne­sol­da­ten stan­den im Hof vor der Haus­tür, rauch­ten und unter­hiel­ten sich, und ich stand natür­lich dabei. Die Flak schoss Sperr­feu­er, und als nach kur­zer Zeit der Flak­split­ter­re­gen begann, ging man in den Kel­ler zurück.

Das Brum­men der Flug­zeug­mo­to­ren wur­de jedoch unge­wöhn­lich stark, und nach kur­zer Zeit hör­te man die ers­ten Explo­sio­nen der Luft­mi­nen, die von den Bom­bern abge­wor­fen wur­den, um die Dächer auf­zu­rei­ßen und die Häu­ser für den Ein­satz der Brand­bom­ben vor­zu­be­rei­ten. Die Türen der Gas­schleu­sen wur­den geschlos­sen, und man hör­te die Bom­ben­ein­schlä­ge, wobei der Kel­ler­bo­den erzit­ter­te und das Licht fla­cker­te und erlosch. Frau Mül­ler, die bei uns im Hau­se wohn­te und schwer­hö­rig war, schau­te erschro­cken in unse­re Gesich­ter und frag­te, ob es schlimm sei.

Das nächs­te frem­de Geräusch war das Kla­cken der Stab­brand­bom­ben rings um das Haus und das Rol­len der Ben­zin­ka­nis­ter, die anschei­nend auf dem Dach­bo­den und auf dem Hof gelan­det waren. Nach eini­ger Zeit öff­ne­te mein Vater die Türen der Gas­schleu­se, und ich ging mit ihm auf den Kel­ler­gang hin­aus. Alle Fens­ter der Mie­ter­kel­ler waren von außen hell erleuch­tet, es knis­ter­te und ein star­ker Brand­ge­ruch mach­te sich bemerk­bar. Wir gin­gen in den Schutz­raum zurück und war­te­ten, bis die unab­läs­si­gen Explo­sio­nen nachließen.

Nach­dem es ruhi­ger gewor­den war, ging mein Vater aus dem Schutz­raum, um die Lage zu beur­tei­len. Er kam zurück und sag­te, dass das Haus und die Werk­statt in Flam­men stän­den. Eine Flucht über den Hof sei nicht mög­lich, da das dort gela­ger­te Holz, der Wagen­schup­pen und alle Zaun­pfäh­le brann­ten. Er ging noch ein­mal hin­aus, und ich folg­te ihm in unse­re Woh­nung im ers­ten Ober­ge­schoss. Im Trep­pen­haus, das aus einer höl­zer­nen, mit Lin­ole­um beleg­ten Trep­pe bestand, fie­len bereits bren­nen­de Tei­le bis ins Erd­ge­schoss. Ein Zugang zu den obe­ren Geschos­sen war nicht mehr möglich.

In unse­rer Woh­nung im Wohn­zim­mer war bereits ein gro­ßes Loch in der Decke, aus dem bren­nen­de Tei­le auf den polier­ten Wohn­zim­mer­tisch fie­len. Auto­ma­tisch zog mein Vater den Tisch bei Sei­te, da er es wohl als Tisch­ler­meis­ter nicht mit anse­hen konn­te, wie sein Meis­ter­werk ein Raub der Flam­men wur­de. Er rief mir zu, ich sol­le ver­su­chen, was ich an Wert­sa­chen tra­gen und in den Kel­ler brin­gen könn­te. Ich lief in mein Zim­mer, des­sen Fens­ter kei­ne Glas­schei­ben mehr hat­ten und wo sich die Gar­di­nen im ein­set­zen­den Feu­er­sturm auf­bau­sch­ten. Ich ergriff mei­ne Schul­ta­sche und mei­ne über alles gelieb­te Kod­ak Brow­ny, mei­ne 6 x 9 Foto — Box. Wir mach­ten den Weg noch eini­ge Male und brach­ten die Feder­bet­ten und ande­re wich­ti­ge Uten­si­li­en in den Kel­ler hinunter.

Mein Vater for­der­te die anwe­sen­den Mari­ne­sol­da­ten auf, mit nach oben zu kom­men und ret­ten zu hel­fen. Sie wag­ten sich ein­mal mit uns hin­auf, und plötz­lich waren sie ver­schwun­den. Dann war uns der Weg ver­sperrt, da mein Groß­va­ter wohl die Gefahr des bren­nen­den Trep­pen­hau­ses erkannt hat­te und den öffent­li­chen Luft­schutz­raum räu­men ließ. Die Leu­te kamen uns auf der Kel­ler­trep­pe ent­ge­gen und ver­lie­ßen das Haus zur Neu­markt­stra­ße hin durch die inzwi­schen glas­lo­sen Schau­fens­ter unse­res Möbel­ge­schäf­tes, da eine Flucht durch die Haus­tür über den Hof nicht mög­lich war.

Inzwi­schen hat­te sich der Brand des Trep­pen­hau­ses bis ins Erd­ge­schoss hin­ein aus­ge­brei­tet, und es wur­de daher auch für uns Haus­be­woh­ner die höchs­te Zeit, den Luft­schutz­raum zu ver­las­sen, da uns sonst der Weg ins Freie ver­sperrt sein wür­de. Mein Vater sag­te den fünf alten Damen, sie soll­ten ihre Woll­de­cken umhän­gen, das not­wen­digs­te Hand­ge­päck neh­men und ihm fol­gen. Er führ­te uns eben­falls durch das Möbel­ge­schäft und die zer­bro­che­nen Schau­fens­ter auf die Neu­markts­ra­ße. Von dort aus woll­ten wir ver­su­chen, den Neu­markt zu errei­chen, um in den dort vor­han­de­nen Split­ter­grä­ben Schutz zu finden.

Die Stra­ße war durch den Feu­er­schein der bren­nen­den Häu­ser in ein glut­ro­tes Licht getaucht, es hat­te sich ein Feu­er­sturm ent­facht, der einen Fun­ken­re­gen wie glü­hen­de Schnee­flo­cken vor sich her­trieb. Auf den Geh­we­gen und den Fahr­bah­nen steck­ten die Res­te der aus­ge­brann­ten Stab­brand­bom­ben wie Pil­ze im Wald­bo­den. Die zum Schutz umge­häng­ten Decken fin­gen durch den Fun­ken­re­gen sofort an zu schwe­len, und ich ver­such­te mit der blo­ßen Hand die Flo­cken abzu­schüt­teln. Wir erreich­ten die Split­ter­grä­ben, die in Höhe der Max-Died­rich-Stra­ße aus­ge­ho­ben waren und in die sich schon eine Men­schen­men­ge geflüch­tet hatte.

Wir fan­den einen frei­en Platz und ich half den alten Damen über den Schutz­wall in die Grä­ben zu gelan­gen. Um den Neu­markt her­um brann­ten alle Häu­ser, selbst das Dach des Was­ser­tur­mes stand in hel­len Flam­men. Ab und zu hör­te man star­ke Explo­si­ons­ge­räu­sche, und der Feu­er­sturm wur­de immer stär­ker und nahm einem die Luft zum Atmen. Ich wag­te den Weg zum Feu­er­lösch­teich, der sich hin­ter der Markt­hal­le zur Bül­ken­stras­se hin befand, und tauch­te die Woll­de­cken und Taschen­tü­cher dort ein und brach­te sie mei­ner Fami­lie, damit sie Schutz vor dem Fun­ken­re­gen hat­te und die nas­sen Taschen­tü­cher als Atem­schutz nut­zen konn­te. Immer mehr Men­schen kamen aus den anlie­gen­den Stra­ßen geflüch­tet und such­ten Schutz in den Grä­ben, und der Platz wur­de immer enger.

Das Zeit­ge­fühl war mir ver­lo­ren gegan­gen, und die Nacht schien mir end­los zu sein. Im Mor­gen­grau­en ließ der Feu­er­sturm etwas nach, und mein Vater wag­te den Weg zu unse­rem Haus. Er kam zurück und sag­te uns, es sei alles nie­der­ge­brannt, und wir wür­den ver­su­chen, einen Weg ins Freie zu fin­den. Ich lief noch ein­mal zum Feu­er­lösch­teich und durch­näss­te die Woll­de­cken. Wir häng­ten sie uns um und kro­chen aus den Gräben.

Zur Georg­stra­ße hin war uns der Weg durch die noch immer lodern­den Flam­men abge­schnit­ten, also über­quer­ten wir den Neu­markt in Rich­tung Was­ser­turm und gelang­ten über den Schul­hof der All­mers­schu­le zur Klop­stock­stra­ße und von dort zum Geest­e­mün­der Fried­hof. Hier hat­te der Brand nicht so stark gewü­tet, die Luft wur­de rei­ner, und ich begann, unter der nas­sen Woll­de­cke zu frie­ren. Mein Vater mach­te sich auf den Weg zur Hart­wig­stra­ße, wo mein Groß­va­ter einen Schre­ber­gar­ten besaß. Er kam zurück und sag­te, dass das Gar­ten­haus ste­hen geblie­ben war und wir dort Unter­schlupf fin­den wür­den. Wir bega­ben uns dort­hin und tra­fen dort auf mei­nen Groß­va­ter, der auf irgend­ei­nem Weg dort­hin gelangt war und gera­de Kaf­fee zube­rei­tet hat­te. Erschöpft lie­ßen wir uns nie­der, ich leg­te mich auf den Boden und schlief sofort ein.

Als ich gegen Mit­tag erwach­te, spür­te ich ein star­kes Bren­nen in den Augen und im Magen ein Übel­keits­ge­fühl. Mein Vater hat­te den Vor­mit­tag genutzt, um die Lage zu son­die­ren und hat­te dabei fest­ge­stellt, dass die NSV (Natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Volks­wohl­fahrt)  am Ein­gang des Bür­ger­parks auf dem Gelän­de des Café Roux eine Auf­fang­sta­ti­on mit Feld­kü­che und beleg­ten Bro­ten zur Ver­sor­gung ein­ge­rich­tet hatte.

Die Wie­se vor dem Café an der Hart­wig­stra­ße war vol­ler Men­schen, die in der nun war­men Son­ne mit ihren letz­ten Hab­se­lig­kei­ten lager­ten. Ich such­te eine DRK-Sta­ti­on auf und der anwe­sen­de Arzt stell­te bei mir eine Rauch­ver­gif­tung fest und ver­wies mich zur wei­te­ren Behand­lung an eine DRK-Sta­ti­on, die sich im alten Geest­e­mün­der Rat­haus in der heu­ti­gen Klus­smann­stra­ße befin­den soll­te. Ich mach­te mich am Nach­mit­tag auf den Weg dort­hin, durch die Bis­marck­stra­ße, an rau­chen­den Trüm­mern vor­bei und wur­de dort mit Augen­trop­fen behandelt.

Die dar­auf fol­gen­de Nacht ver­brach­ten wir alle im Gar­ten­haus an der Hart­wig­stra­ße. Am nächs­ten Mor­gen mach­te ich mich mit mei­nem Vater auf den Weg zu unse­rem Haus in der Bucht­stra­ße. Wir woll­ten ver­su­chen, in den Luft­schutz­kel­ler zu gelan­gen, um unse­re Sachen zu ber­gen. Die ein­ge­la­ger­ten Koh­len­vor­rä­te in den Mie­ter­kel­lern hat­ten jedoch Feu­er gefan­gen, der gan­ze Kel­ler glüh­te unter den Trüm­mern, und wir konn­ten nicht in den Schutz­raum vor­zu­drin­gen. Erst am nächs­ten Mor­gen gelang es uns zusam­men mit einem Ein­satz­trupp der Mari­ne, einen Zugang zu schaf­fen, und wir fan­den den Schutz­raum dank der ein­ge­bau­ten Abstei­fun­gen bis auf eine ver­brann­te Tür der Gas­schleu­se unver­sehrt vor.

Erinnerungen an den 18. September 1944

Es herrsch­te noch eine gro­ße Hit­ze dort unten, aber wir konn­ten unser Luft­schutz­ge­päck und die geret­te­ten Feder­bet­ten auf die Stra­ße brin­gen. Zu mei­ner gro­ßen Freu­de fand ich auch mei­ne Kod­ak­box unver­sehrt vor, in der sich noch ein Film befand, und ich mach­te ver­bo­te­ner­wei­se die anlie­gen­den Auf­nah­men von unse­rem Haus und der Umgebung.

Die Mari­ner durch­such­ten auch die Räu­me des öffent­li­chen Schutz­rau­mes und fan­den dort eine Lei­che, die dann als der Nacht­wäch­ter des gegen­über­lie­gen­den Kinos „Metro­pol“ iden­ti­fi­ziert wur­de. Er muss­te sich nach unse­rem Ver­las­sen der Schutz­räu­me dort­hin geflüch­tet haben und war dann dort erstickt. Es war die ers­te Lei­che, die ich mei­nem Leben sah, und es hat mich sehr erschüttert.

Die NSV orga­ni­sier­te die Eva­ku­ie­rung der obdach­lo­sen Ein­woh­ner in die umlie­gen­den Dör­fer und mei­ne Groß­el­tern gelang­ten dadurch in den Ort Hei­ne bei Stub­ben. Mei­ne Fami­lie und ich fan­den dann nach eini­gen Tagen Quar­tier bei einer befreun­de­ten Fami­lie in der Elsäs­ser Stra­ße, bei der wir die nächs­ten vier Jah­re gewohnt haben.
Bre­mer­ha­ven, im Juli 2004 | Erich Sturk

Vie­len Dank an Herrn Erich Sturk, dass er die Leser des Deich­SPIE­GELS an sei­nen Erin­ne­run­gen teil­ha­ben lässt.

Datenbank fuer Fischdampfer

Das His­to­ri­sche Muse­um Bre­mer­ha­ven will ein wich­ti­ges Kapi­tel der Stadt­ge­schich­te erfor­schen und sämt­li­che in Geest­e­mün­de und Bre­mer­ha­ven behei­ma­te­te Fische­rei­fahr­zeu­ge in einer Daten­bank erfassen.

Historisches Museum listet Fischdampfer in Datenbank

Das Zen­trum der deut­schen Hoch­see­fi­sche­rei  darf man sicher­lich an der Gees­te suchen, das sich hier ab 1885 mit dem Dampf­an­trieb von Schiff und Win­de ent­wi­ckel­te. Die Fisch­damp­fer hat­ten damals kei­nen eige­nen Hafen und leg­ten des­halb am süd­li­chen Gees­teu­fer an. Das Bus­se­denk­mal am Fuß des öst­li­chen Brü­cken­kop­fes der Alten Geest­e­brü­cke erin­nert an die­se Zeit.

Im Jah­re 1884 erteil­te der Geest­e­mün­der Fisch­groß­händ­ler Fried­rich C. Bus­se, Begrün­der der deut­schen Hoch­see­fi­sche­rei, der Wen­cke-Werft den Auf­trag, für 111.000 Mark den ers­ten deut­schen dampf­be­trie­be­nen Fisch­damp­fer zu bau­en. Der Damp­fer wur­de auf den Namen “Sagit­ta” getauft und am 7. Febru­ar 1885 in Dienst gestellt. Die Deut­sche Fische­rei-Zei­tung nahm davon im Janu­ar 1985 mit einem kur­zen Arti­kel Notiz, und die Fach­welt blieb skep­tisch. Doch die “Sagit­ta” fisch­te so erfolg­reich, dass Fried­rich C. Bus­se ab 1888 zunächst die “Prä­si­dent Her­wig” und danach wei­te­re Fisch­damp­fer bau­en ließ.

Fischerei-Zeitung

Mit dem See­rechts­über­ein­kom­men der Ver­ein­ten Natio­nen wur­den die Hoheits­ge­wäs­ser aus­ge­wei­tet. Außer­dem beka­men alle Staa­ten die Frei­heit, nahe­zu unbe­grenz­ten Fisch­fang zu betrei­ben. Die deut­schen tra­di­tio­nel­len Fang­ge­bie­te waren bald über­fischt und in den 1990er Jah­ren steu­er­te die deut­sche Hoch­see­fi­sche­rei in eine tie­fe Kri­se, von der sie sich nicht wie­der erho­len sollte.

Für die Daten­bank konn­te das His­to­ri­sche Muse­um Bre­mer­ha­ven zunächst auf ein Regis­ter des Han­se­stadt Bre­mi­sche Amtes zurück­grei­fen, in dem alle Fische­rei­fahr­zeu­ge ver­zeich­net sind. Die “Sagit­ta” etwa ist unter der Num­mer 7 ver­merkt. Num­mer 1 ist Kut­ter “Mar­tha”, mit dem die Küs­ten­fi­sche­rei betrie­ben wur­de. Aber auch Auf­zeich­nun­gen eines Fisch­damp­fer-Fans, der akri­bisch sämt­li­che Fische­rei­fahr­zeu­ge mit dem Zei­chen PG für Geest­e­mün­de und BX für Bre­mer­ha­ven auf­ge­zeich­net hat, waren für die Mit­ar­bei­ter des His­to­ri­schen Muse­ums eine ech­te Fundgrube.

1.569 Daten­sät­ze umfasst die Daten­bank  bereits. Auf dem letz­ten deut­schen Sei­ten­traw­ler, dem Muse­ums­schiff “Gera”, kann man sie seit die­ser Sai­son auf­ru­fen und erhält Infor­ma­tio­nen über die Schiffs­na­men, das Kenn­zei­chen, die Eigen­tü­mer, die Bau­werft und das Bau­jahr sowie über den Schiffs­typ und über schiffs- und fische­rei­tech­ni­sche Daten. Die Schiffs­ta­ge­bü­cher der meis­ten Schif­fe exis­tie­ren nicht mehr, aber soweit es noch his­to­ri­sche Infor­ma­tio­nen zu den Schif­fen gibt, wer­den auch die­se in die Daten­bank eingearbeitet.

600 Schiffs­fo­tos hat das Muse­ums­team inzwi­schen aus eige­nen Bestän­den  “aus­ge­gra­ben” und in die Daten­bank ein­ge­pflegt. Um das selbst gesetz­te Ziel, zu jedem Schiff ein Bild zu zei­gen, zu errei­chen, wer­den mitt­ler­wei­le die Archi­ve des Deut­schen Schiff­fahrts­mu­se­ums durch­fors­tet. Und natür­lich wür­de sich das Team im His­to­ri­schen Muse­um sehr über pri­va­tes Foto­ma­te­ri­al freu­en. Wer also Fotos oder auch Berich­te von den in Geest­e­mün­de (PG) oder Bre­mer­ha­ven (BX) behei­ma­te­ten Fische­rei­fahr­zeu­gen hat, wird gebe­ten, mit dem His­to­ri­schen Muse­um Kon­takt aufzunehmen:
His­to­ri­sche Muse­um Bremerhaven
An der Geeste
27570 Bremerhaven
Tele­fon: 0471/30 81 60
info@museumsschiff-gera.de

Quel­len:
Ursel Kikker: “Daten­bank für Fisch­damp­fer”, Nord­see-Zei­tung vom 27.10.2015
wikipedia

Die Geestemünder Eisengießerei und Maschinenfabrik tom Möhlen & Seebeck

Neben der 1876 gegrün­de­ten See­beck-Werft gab es in Bre­mer­ha­ven noch ein wei­te­res Unter­neh­men, das den Namen See­beck im Fir­men­na­men führ­te. Bei einem Spa­zier­gang zum Fried­hof Lehe III wur­de ich auf das ver­las­se­ne Wohn­haus Am Fleeth 1 auf­merk­sam. Neu­gie­rig trat ich näher und sah das stark pati­nier­te Metall­schild, das den Besu­chern einst mit­teil­te, wer hier sein Zuhau­se hat­te: Hans Seebeck.

Hans Seebeck Hauseingang Am Fleeth 1 in Lehe

Zunächst glaub­te ich, dass hier ein Nach­kom­me des am 7. Novem­ber 1845 gebo­re­nen Werft­grün­ders Georg Diet­rich See­beck gewohnt haben mag. Doch bei mei­nen Recher­chen im Inter­net bin ich auf einen ande­ren See­beck gestoßen.

In “Din­glers Poly­tech­ni­sches Jour­nal” aus dem Jah­re 1894 fin­det sich ein Hin­weis, dass tom Möh­len und See­beck  “einen Kes­sel bau­en mit Innen­feue­rung und schräg lie­gen­dem Was­ser­rohr­bün­del (D. R. P. Nr. 71224 vom 4. März 1892) nach Fig. 49. Der Abzug der Rauch­ga­se erfolgt ent­we­der durch ein senk­rech­tes Rauchrohr in die Höhe oder durch eine seit­lich ange­brach­te Rauch­kam­mer. Die unte­re Feu­er­büch­se bil­det den Ver­bren­nungs­raum, in der obe­ren Feu­er­büch­se sind Was­ser­roh­re schräg ange­ord­net, wel­che, um ein leich­te­res Aus­zie­hen der­sel­ben zu ermög­li­chen, oben erwei­tert sind.”

Dampfkessel von tom Moehlen und Seebeck

Auch die Patent­schrift Nr. 140627 des Kai­ser­li­chen Patent­am­tes gibt Aus­kunft, dass es in Geest­e­mün­de ein Unter­neh­men mit der Fir­men­be­zeich­nung “Maschi­nen­fa­brik und Eisen­gie­ße­rei tom Möh­len & See­beck” gege­ben hat. Mit die­ser Patent­schrift vom 24. April 1903 wur­de ein “Ste­hen­der Dampf­kes­sel…” patentiert.

Patent Dampfkessel von tom Moehlen und Seebeck

Schließ­lich habe ich den Namen des Unter­neh­mens tom Möh­len & See­beck noch in vie­len anti­ken Fach­bü­chern fin­den kön­nen. So zum Bei­spiel in der 1883 erschie­nen drit­ten Aus­ga­be des Wer­kes “Die Schiffs­ma­schi­ne”. Ver­fas­ser war der 1904 ver­stor­be­ne lang­jäh­ri­ge Maschi­nen­bau­di­rek­tor der Krupp­schen Ger­ma­nia-Werft Wil­helm Mül­ler. Auf Sei­te 106 ist die Zeich­nung eines “ste­hen­den Feu­er­büchs­kes­sels” abgebildet.

Die Schiffsmaschine

1885 grün­de­te der Kup­fer­schmied Fried­rich August See­beck mit dem Maschi­nen­dre­her Adolph tom Möh­len in der heu­ti­gen Ver­de­ner Stra­ße die “Eisen­gie­ße­rei und Maschi­nen­fa­brik tom Möh­len & Seebeck”.

Die “Eisen­gie­ße­rei und Maschi­nen­fa­brik tom Möh­len & See­beck” wur­de sehr erfolg­reich und über Deutsch­lands Gren­zen hin­aus bekannt. Als die Hin­ter­hof­werk­statt zu klein wur­de, kauf­te das jun­ge Unter­neh­men am süd­öst­li­chen Ende des dama­li­gen Quer­ka­nals in der heu­ti­gen Indus­trie­stra­ße ein Grund­stück mit einem Gleis­an­schluss an die Eisen­bahn­stre­cke Bre­mer­ha­ven-Bre­men. Das Grund­stück wur­de in den Jah­ren 1889 und 1890 mit einer Maschi­nen­fa­brik, einer Eisen­gie­ße­rei und mit einem Wohn­haus bebaut.

Querkanal Geestemünde

Die Auf­trags­bü­cher waren so voll, dass die Fabrik an ihre Kapa­zi­täts­gren­zen stieß und ein wei­te­res Grund­stück an  der  ver­län­ger­ten Indus­trie­stra­ße zwi­schen dem städ­ti­schen  Gas­werk  und  der  Teck­len­borg-Werft hin­zu­pach­ten musste.

Anders als auf dem älte­ren Betriebs­teil, auf dem sich die Gie­ße­rei und der Maschi­nen­bau befand, wur­den auf dem neu­en Gelän­de der Behäl­ter­bau und der Brü­cken- und Eisen­hoch­bau ange­sie­delt. Aber auch auf die­sem Grund­stück stieß das expan­die­ren­de Unter­neh­men an sei­ne Gren­zen, und wei­te­re Grund­stü­cke wur­den hin­zu­ge­pach­tet. Es wur­de ein Dampf­ham­mer und 1913 eine Kran­bahn mit einem elek­tri­schen Lauf­kran investiert.

1927 Maschinenbauhalle

Fried­rich August See­beck und Adolph tom Möh­len wohn­ten in unmit­tel­ba­rer Nähe zur Fabrik, gleich neben der Maschi­nen­bau­werk­statt, in einem in die Fabrik­an­la­gen inte­grier­tes drei­stö­cki­ges Eta­gen­haus. Im Erd­ge­schoss wur­de das Kon­tor ein­ge­rich­tet. Fer­ner war hier der Aus­stel­lungs­raum für die Prä­sen­ta­ti­on der Pro­duk­te unter­ge­bracht. Schließ­lich gab es im Erd­ge­schoss noch einen gro­ßen Saal, in dem sich die zur Gie­ße­rei gehö­ri­ge For­me­rei befand.   Die Eigen­tü­mer bezo­gen jeweils eine Woh­nung in den bei­den Ober­ge­schos­sen. Die­ses Gebäu­de wur­de im Jah­re 1899 durch erwei­tert: Ein drei­stö­cki­ger Anbau wur­de inte­griert und das Kon­tor den ver­än­der­ten Bedin­gun­gen ange­passt und vergrößert.

Briefkopf der Firma tom Möhlen & Seebeck

Nicht nur der 1888 erfolg­te Zoll­an­schluss der Unter­we­ser­or­te trug bis zum Beginn des Ers­ten Welt­krie­ges zu der anhal­tend gute Ent­wick­lung der Fir­ma tom Möh­len & See­beck bei. Mit dem Regie­rungs­an­tritt Kai­ser Wil­helm II. und der Ent­las­sung des Reichs­kanz­lers Bis­marck fand seit etwa Anfang der 1990er Jah­re eine Bele­bung des Schiff­bau­es statt. Zusätz­lich beein­fluss­te der Bau- und Wirt­schafts­boom in den 1890er Jah­ren das Wachs­tum in der Schiffs­bau­in­dus­trie, im Bau­ge­wer­be und auch in der Holz­be­ar­bei­tung nach­hal­tig. So ver­zehn­fach­te sich zwi­schen den Jah­ren 1871 und 1912 die Beför­de­rungs­leis­tung der deut­schen Han­dels­schiff­fahrt auf den Welt­mee­ren. Das Stre­cken­netz der Eisen­bahn ver­län­ger­te sich von 18.876 Kilo­me­ter im Jah­re 1870 auf 63.378 Kilo­me­ter im Jah­re 1913. Der Boom die­ser Jah­re schlug natür­lich auch auf die Zulie­fe­rer­be­trie­be durch. Die Auf­trags­bü­cher der Maschi­nen­fa­bri­ken und Gie­ße­rei­en waren gut gefüllt.

Lehrbuch für Studierende und Ingenieure

Die Anzahl der Beschäf­tig­ten geben Aus­kunft über das Wachs­tum der Fir­ma tom Möh­len & See­beck: Im Jah­re 1892 waren 60 Arbei­ter und 2 Kon­to­ris­ten in der Fir­ma tätig. Im Jah­re 1900 waren es bereits 100 Arbei­ter und 6 Kon­to­ris­ten und Tech­ni­ker. Und ab 1902 bil­de­te sich eine fes­ter Stamm von 100 bis 120 Arbei­ter. Das beding­te natür­lich auch ein Per­so­nal­wachs­tum in der Ver­wal­tung. 1908 beschäf­tig­te der Betrieb ins­ge­samt 12 Ange­stell­te, Tech­ni­ker und Werkführer.

Den anhal­ten­den Auf­wärts­trend bezeu­gen auch die vie­len Paten­te und Gebrauchs­mus­ter-Ein­tra­gun­gen. So gibt etwa die dama­li­ge Fach­zeit­schrift “Glück­auf” in ihrer Aus­ga­be vom 12. August 1911 dar­über Aus­kunft, dass im Reichs­an­zei­ger vom 10. Juli 1911 für tom Möh­len und See­beck eine Gebrauchs­mus­ter­ein­tra­gung für ein Füll­rumpf­ver­schluss bekannt gemacht wurde.

Glückauf

Neben einer drit­ten Dampf­ma­schi­ne gab es im Werk zwei Elek­tro­mo­to­ren, zwei Gene­ra­to­ren und etwa 50 Dreh­bän­ke. Die Fir­ma tom Möh­len & See­beck hat es geschafft. Das mit­tel­stän­di­sche gewor­de­ne Unter­neh­men bekam Auf­trä­ge aus dem gan­zen Deut­schen Reich.  Auch im euro­päi­schen Aus­land war die Fir­ma tom Möh­len & See­beck, die Arma­tu­ren, Dampf­kes­sel, Druck­be­häl­ter, Pum­pen, Krä­ne, Ruder­ma­schi­nen und vie­les mehr pro­du­zier­te,  als leis­tungs­fä­hig und kom­pe­tent bekannt.

Doch mit der vor­ste­hen­den Auf­zäh­lung war der Ange­bots­ka­ta­log noch lan­ge nicht erschöpft. tom Möh­len & See­beck errich­te­te auch Eisen­kon­struk­tio­nen. Stra­ßen- und Eisen­bahn­brü­cken, Anle­ge­pon­tons, Slip­an­la­gen, Schleu­sen­to­re, Ver­la­de­brü­cken und För­der­bän­der und gro­ße Lager- und Mon­ta­ge­hal­len. Es gab wohl nichts Metal­le­nes, was man bei tom Möh­len & See­beck nicht ordern konnte.

Hohenstauffenstrasse

Etwa seit der Wen­de zum 20. Jahr­hun­dert began­nen die Unter­neh­mer, ihre Gewer­be­rei­che von ihren Wohn­be­rei­chen zu tren­nen. Sie zogen nun ein Wohn­um­feld abseits ihrer Fabri­ken vor. Wer es sich leis­ten konn­te, bau­te eine Vil­la und hat­te Dienstpersonal.

Als in Geest­e­mün­de nörd­lich des Holz­ha­fens im Bereich der Hohen­stau­fen­stra­ße ein Vil­len­vier­tel ent­stand, zöger­te Fried­rich A. See­beck nicht lan­ge und ließ sich in der Hohen­stau­fen­stra­ße 10 (spä­ter umnum­me­riert in 25) eine gro­ße Vil­la bau­en. Sie schmieg­te sich an die bereits in den Jah­ren 1907/1908 vom Bre­mer Archi­tek­ten Heinz Stoff­re­gen für den in Eng­land gebo­re­nen Ree­der Edward Richard­son in eng­li­scher Land­haus­ar­chi­tek­tur errich­te­te Vil­la an. Die bei­den anein­an­der gelehn­ten Vil­len völ­lig unter­schied­li­chen Cha­rak­ters bil­de­ten ein für die Hohen­stau­fen­stra­ße unge­wöhn­li­ches Ensemble.

Karte

Fried­rich A. See­becks Vil­la lag mit ihrer Rück­front ziem­lich genau gegen­über der Fir­ma tom Möh­len & See­beck, die sich ja zwi­schen Quer­ka­nal und Indus­trie­stra­ße befand. Nur die Eisen­bahn­tras­se und die heu­ti­ge Elbe­stra­ße trenn­ten Vil­la und Fabrik. Gleich­wohl war das sozia­le und räum­li­che Umfeld in der Hohen­stau­fen­stra­ße ein ganz anderes.

Adolph tom Möh­len such­te sich in die­ser Zeit eben­falls ein Wohn­grund­stück außer­halb des Fabrik­ge­län­des. Er woll­te zurück in sei­nen Geburts­ort Lehe. So ließ er in Spe­cken­büt­tel auf dem Grund­stück Park­stra­ße 20 eben­falls eine gro­ße Vil­la bau­en. Den Ein­zug im Jah­re 1911 erleb­te er aller­dings nicht mehr.

Wasserstandsanzeiger aus dem Jahre 1903

Mit der Über­sie­de­lung See­becks in sei­ne neue Vil­la und dem etwa  zur sel­ben Zeit vor­ge­nom­me­nen Umzug tom Möh­lens in sein gro­ßes Anwe­sen in der Park­stra­ße nahm der Bezug der Unter­neh­mer zu ihrer Fabrik und zu den per­sön­li­chen Lebens­be­rei­chen der Geschäfts­part­ner glei­cher­ma­ßen ab. Die ursprüng­li­che Ein­heit von Woh­nen und Arbei­ten lös­te sich auf.

Nach dem Tode von tom Möh­len kauf­te Fried­rich A. See­beck der Wit­we ihre geerb­ten Fir­men­an­tei­le ab und wur­de Allein­ei­gen­tü­mer. Den Fir­men­na­men änder­te er 1917 um in “Fried­rich A. See­beck”. Aber Ende 1918 starb auch er, und nun führ­te sein Sohn Hans das Unter­neh­men wei­ter. Im Jah­re 1932 erfolg­te eine erneu­te Umfir­mie­rung, das Unter­neh­men hieß nun “Hans See­beck Maschi­nen­bau – Eisen­bau GmbH”.

Turmdrehkran der ehemaligen Rickmers-Werft

Als 1921 Lehe und Bre­mer­ha­ven eine Gas­ge­mein­schaft grün­de­ten, wur­de das im Jah­re 1893 in Betrieb genom­me­ne Leher Gas­werk nicht mehr benö­tigt.  Hans See­beck kauf­te das beim Fried­hof Lehe III gele­ge­ne Grund­stück Fried­hof­stra­ße 38 (spä­ter Am Fleeth 1) mit den dar­auf ste­hen­den Anla­gen und rich­te­te dort sei­ne Maschi­nen­fa­brik ein. Das Gelän­de ver­füg­te über einen direk­ten Gleis­an­schluss an die Eisen­bahn­li­nie Cux­ha­ven-Bre­men und war groß genug, sämt­li­che Betriebs­tei­le des Unter­neh­mens auf­zu­neh­men. Nach Abschluss der erfor­der­li­chen Umbau­ar­bei­ten sie­del­te 1925 der kom­plet­te Betrieb in die Fried­hof­stra­ße um. Hier stan­den den Mit­ar­bei­tern gut belich­te­te Fabrik­hal­len zur Ver­fü­gung, ein zwei­ge­schos­si­ges Ver­wal­tungs­ge­bäu­de ent­stand, ein Pfört­ner­haus, Sozi­al­räu­me und Lager und eine Kraftfahrzeughalle.

Wohnhaus Hans Seebeck

Hans See­beck bezog in der Fried­hofs­stra­ße das frei­ste­hen­de zwei­ein­halb­stö­cki­ge Beam­ten­wohn­haus des Gas­werks. Die elter­li­che Vil­la in der Hohen­stau­fen­stra­ße blieb aber im Fami­li­en­be­sitz. Fried­rich A. See­becks Wit­we wohn­te hier mit einer Schwes­ter von Hans See­beck, der 1968 ver­stor­be­nen Musik­leh­re­rin Anna Marie Seebeck.

Das von See­beck auf­ge­ge­be­ne Pacht­ge­län­de in der Indus­trie­stra­ße über­nahm Mit­te der 1920er Jah­re das Weser­mün­der Gas­werk. Das fir­men­ei­ge­ne Gelän­de am Quer­ka­nal ver­kauf­te Hans See­beck 1925 an den Kon­sum- und Spar­ver­ein Unter­we­ser, der die Anla­gen für sei­ne Spar­te “Koh­len­la­ger” nutz­te. In das Wohn­haus zogen nun Beschäf­tig­te des Kon­sum­ver­eins ein.

Im Mai 1933 lös­ten die Natio­nal­so­zia­lis­ten die Kon­sum­ver­ei­ne auf. Das Gelän­de kam in die Hän­de der But­ter-Absatz-Zen­tra­le Nord­han­no­ver. Die Maschi­nen­bau­hal­le wur­de durch ein gro­ßes Kühl­haus ersetzt. Alle ande­ren Anla­gen wur­den ent­fernt, nur das Wohn­haus und ein Lager­ge­bäu­de blie­ben erhal­ten. 1970 wur­de der gesam­te Kom­plex auf­ge­ge­ben, die But­ter-Absatz-Zen­tra­le zog in das Gewer­be­ge­biet nach Wuls­dorf um. 1986 wur­de das Gelän­de ein­ge­eb­net. Ver­schie­de­ne Super­märk­te, Dis­coun­ter und ein gro­ßer Park­platz beherr­schen nun das Bild.

Hans Seebecks Wohnhaus

Mit dem frü­hen Tod von Hans See­beck im Novem­ber des Jah­res 1945 und dem nicht aus dem Zwei­ten Welt­krieg zurück­ge­kehr­ten Sohn Hans hat­te das Unter­neh­men kei­ne gere­gel­te Nach­fol­ge. Hans See­becks Wit­we Anna (1895 – 1980) über­nahm die Ver­ant­wor­tung und führ­te den Betrieb mit wei­te­ren Geschäfts­füh­rern zu neu­en Erfol­gen. Noch heu­te zeugt der 1956 für die Aus­rüs­tungs­ka­je der Rick­mers-Werft auf der Geest­hel­le gebau­te 35,5 Meter hohe vier­bei­ni­ge Turm­dreh­kran von der Leis­tungs­fä­hig­keit des Unter­neh­mens “Hans See­beck Maschi­nen­bau – Eisen­bau GmbH”. Den­noch geriet der Betrieb gegen Mit­te der 1950er Jah­re in Zah­lungs­schwie­rig­kei­ten. Die Pro­ble­me lös­ten sich durch die Auf­nah­me des Geest­e­mün­der Unter­neh­mers J. Hein­rich Kra­mer als wei­te­rer Gesellschafter.

In einer 300 Qua­drat­me­ter gro­ßen Hal­le fer­tig­te der Boots­bau­un­ter­neh­mer Gus­tav Kuhr seri­en­mä­ßig geschlos­se­ne Ret­tungs­boo­te aus Kunst­stoff. Die Hal­le brann­te im Jah­re 1962 mit allen Boo­ten ab.

1996/1997 wur­de das Gelän­de in Lehe auf­ge­ge­ben und der Betrieb nach Wis­mar ver­la­gert. Von dem ehe­ma­li­gen weit­räu­mi­gen Fir­men­kom­plex beim Leher Fried­hof ist nach einem Groß­brand im August 2002 nicht mehr viel übrig geblie­ben. An der Haus­tür des ver­las­se­nen Wohn­hau­ses zeugt noch ein Klin­gel­schild von sei­nem frü­he­ren Bewoh­ner Hans See­beck. Der roman­ti­sche natur­be­las­se­ne Gar­ten mit sei­nen gro­ßen alten Bäu­men lädt noch heu­te zum Ver­wei­len ein.

In dem ehe­ma­li­gen Ver­wal­tungs­ge­bäu­de  und  dem mit die­sem durch einen gro­ßen Tor­bo­gen  ver­bun­de­nen  Gara­gen­trakt haben die  unter  der  Bezeich­nung  “Rock  Cyklus“  zusam­men­ge­schlos­se­nen Musik­grup­pen seit 1999 ein neu­es Domi­zil gefunden. 
Quel­len:
Dr. Hart­mut Bickel­mann, “Ein ande­rer See­beck”, Nie­derd. Hei­mat­blatt 08/2012
Hart­mut Bickel­mann, “Von Geest­en­dorf nach Geest­e­mün­de”, Sei­ten 209, 211
Har­ry Gab­cke, “Bre­mer­ha­ven frü­her-ges­tern-heu­te”, Sei­ten 68 und 69
Din­glers Poly­tech­ni­sches Jour­nal” aus dem Jah­re 1894, Heft 9 Sei­ten 201, 202

Ein weiterer Edeka-Markt für Geestemünde

Seit 2008 hat Rewe in der Georg-See­beck-Stra­ße in Geest­e­mün­de sei­ne Waren ange­bo­ten. Dann hat Rewe das sanie­rungs­be­dürf­ti­ge Gebäu­de zum Bedau­ern der Kun­den ver­las­sen. Aber jetzt kommt Edeka.

Aus Rewe wird Edeka

Lebens­mit­tel wur­den hier, an der Georg-See­beck-Stra­ße schon immer ver­kauft – jeden­falls schon seit Anfang der 1970er Jah­re. In den letz­ten sie­ben Jah­ren war es der Rewe-Markt, der hier auf einer 2.980 Qua­drat­me­ter gro­ßen Ver­kaufs­flä­che für sei­ne Kun­den gut 18.000 Arti­kel bereit­hielt. Als am 30. Juni 2015 der Miet­ver­trag aus­lief, soll es zwi­schen Rewe und dem Ver­mie­ter u kei­ne Eini­gung über die  erfor­der­li­chen Sanie­rungs­maß­nah­men gege­ben haben. Rewe zog aus, 40 Beschäf­tig­te hat­ten kei­nen Arbeits­platz und die Anwoh­ner kei­nen Nah­ver­sor­ger mehr.

Jetzt aber ist Bes­se­rung in Sicht. Nach lan­gen Ver­hand­lun­gen einig­te sich der Gebäu­de­ver­wal­ter mit der Ede­ka auf ein Umbau­kon­zept. Nach Berich­ten der Nord­see-Zei­tung vom 15.07.2015 sol­len nun meh­re­re Mil­lio­nen Euro in das Gebäu­de inves­tiert wer­den. Die Ver­kaufs­flä­che soll um ein Drit­tel ver­klei­nert wer­den. Im Ein­gangs­be­reich sol­len sich ein Café, Shops und klei­ne Fach­märk­te ansiedeln.

Wei­ter wuss­te die Nord­see-Zei­tung zu berich­ten, dass der Super­markt zunächst zwar direkt von der Ede­ka betrie­ben wird, spä­ter aber an einen selb­stän­di­gen Unter­neh­mer abge­ge­ben wer­den soll. Im Som­mer 2016 soll der Ede­ka-Markt eröff­net werden.

Historischer Spaziergang durch Geestemündes Schillerstraße

His­to­ri­sche Spa­zier­gän­ge unter der Füh­rung von Rose­ma­rie Blum, Vor­sit­zen­de des Bür­ger­ver­eins Geest­e­mün­de, sind sehr beliebt. Kürz­lich tra­fen sich etwa 70 Leu­te an der Hum­boldt­schu­le, um gemein­sam in der Schil­ler­stra­ße auf Spu­ren­su­che zu gehen.

Humboldtschule in der Schillerstraße

An der Hum­boldt­schu­le ende­te Ende der 1920er Jah­re die Schil­ler­stra­ße. Damals plan­te man den Bau einer Schu­le mit 16 Klas­sen. Im Jah­re 1928 war Bau­be­ginn, und am 30. April 1930 konn­te die neue Schu­le, die im Bau­haus­stil errich­tet wur­de, end­lich ein­ge­weiht werden.

Die Spa­zier­gän­ger muss­ten nicht weit gehen, bis sie sich an der Ecke Schil­ler­stra­ße  zur Georg-See­beck-Stra­ße vor der Knei­pe “Zum Grü­nen Jäger” wie­der ver­sam­mel­ten. Frau Blum wies dar­auf hin, dass es die­se Knei­pe “schon immer gege­ben” habe. Und die angren­zen­den Häu­ser Schil­ler­stra­ße 100 und 102 sol­len rei­che Fisch­kauf­leu­te gebaut haben.

Wei­ter ging es zur Schil­ler­stra­ße 94, ein ehe­ma­li­ger Beam­ten­wohn­block mit einer Brot­fi­lia­le von Eme­lie Turek im Sou­ter­rain. Zwei Häu­ser wei­ter, in der Schil­ler­stra­ße 90, ver­kauf­te Schlach­ter Abels von 1960 bis 1990 sei­ne Fleisch- und Wurstwaren.

Schillerstrasse

Aus alten Adress­bü­chern hat Frau Blum in Erfah­rung gebracht, dass es im Jah­re 1939 in der Schil­ler­stra­ße 33 Gewer­be­trei­ben­de gege­ben hat. Und für das Jahr 1979 hat sie sogar 46 Geschäf­te aus­ge­macht. Heu­te sol­len es nur noch 17 sein. Die Spa­zier­gän­ger erfuh­ren auch, dass vie­le der heu­ti­gen Gebäu­de in der Schil­ler­stra­ße ist nach dem Krieg erstellt wur­den, oft­mals auf den alten Kel­ler­wän­den der Ruinen.

Für alt­ein­ge­ses­se­ne Bre­mer­ha­ve­ner war es sicher­lich auch inter­es­sant zu erfah­ren, dass es an der Fried­rich­stra­ße die Fabrik “Carl zur Wie­den” gab, in der Obst­säf­te her­ge­stellt wur­den. Die Rück­sei­te des Fabrik­ge­län­des grenz­te an die Raabestraße.

Abschlie­ßend beklag­te Frau Blum, dass es auch hier in der Schil­ler­stra­ße zu vie­le Schrott­im­mo­bi­li­en gäbe. Wie in ande­ren Bre­mer­ha­ve­ner Stadt­tei­len ver­sucht auch in Geest­e­mün­de ein Stand­ort­ma­na­ger, mit den Eigen­tü­mern der Schrott­im­mo­bi­li­en ins Gespräch zu kom­men, um gemein­sam nach Lösun­gen zu suchen.
Quel­le:
Jür­gen Rab­bel: Geschichte(n) von Geschäf­ten, Nord­see-Zei­tung vom 02.05.2015

Was nun, Kriegsfischkutter “Wilhelm Peter”

Pana­ma, Kari­bik, Äqua­tor, Gua­te­ma­la, Hon­du­ras – Traum­rei­sen für jeden Skip­per. Auch der ehe­ma­li­ge Kriegs­fisch­kut­ter “Wil­helm Peter” tauch­te hier auf, wenn er mal wie­der zu einer Expe­di­ti­on unter­wegs war. Kriegsfischkutter "Wilhelm Peter"

Gold, Dia­man­ten und Per­len – sol­che Schät­ze fand Her­bert Gre­gor beim Tau­chen und hol­te sie an die Was­ser­ober­flä­che. Vor­her hat er viel Zeit inves­tiert, um zu recher­chie­ren, wo ein vor lan­ger Zeit unter­ge­gan­ge­nes Schiff auf dem Mee­res­grund lie­gen könnte.

Kriegsfischkutter "Wilhelm Peter"

Sol­che Expe­di­tio­nen nach im Sturm aus­ein­an­der gebro­che­nen und gesun­ke­nen Schif­fen wird es für den Motor-Gaf­fel-Seg­ler nie wie­der geben. Ein Tau­cher hat das Schiff inspi­ziert und vie­le maro­de Stel­len am Rumpf gefun­den. Die schlimms­ten Schä­den befan­den sich an der Was­ser­ober­flä­che, aber auch am Unter­was­ser­schiff hat der Zahn der Zeit übel genagt. Wie ich hier berich­tet habe, muss­te der ehe­ma­li­ge Kriegs­fisch­kut­ter “Wil­helm Peter” aus Grün­den der Sicher­heit zwangs­ge­räumt wer­den und sein nas­ses Ele­ment ver­las­sen. Das Wrack hät­te jeden Augen­blick sin­ken können.

Kriegsfischkutter "Wilhelm Peter"

Neu­gie­rig auf den letz­ten Stand­ort des Kut­ters habe ich mich auf die Suche gemacht. Im nörd­li­chen Fische­rei­ha­fen wur­de ich fün­dig. Die einst stol­ze “Wil­helm Peter” lagert am äußers­ten Ende der Hoch­see­stra­ße auf Kant­höl­zern und ist mit einem Bau­zaun vor Unbe­fug­ten gesichert.

Kriegsfischkutter "Wilhelm Peter"

Die Eigen­tü­mer sol­len von der Fische­rei­ha­fen-Betriebs­ge­sell­schaft (FBG) schrift­lich auf­ge­for­dert wor­den sein, dass Wrack zu ent­sor­gen. Natür­lich rech­net nie­mand im Ernst damit, dass die betag­ten und mit­tel­lo­sen Eigen­tü­mer der Auf­for­de­rung nach­kom­men kön­nen. Wahr­schein­lich wird die FBG die Ber­gungs- und Abwra­ckungs­kos­ten in Höhe von geschätz­ten 50.000 Euro selbst auf­brin­gen müssen.

Nordseepflege hat den Grundstein gelegt

Der Deich­SPIE­GEL hat in den Arti­keln Tra­di­ti­ons-Schuh­haus weicht Betreu­tes Woh­nen und Geest­e­mün­de in alten und neu­en Ansich­ten – Teil 5 bereits aus­führ­lich dar­über berich­tet, dass das alte Mer­kur-Gebäu­de in Geest­e­mün­de einem Neu­bau der Nord­see­pfle­ge Platz machen muss­te. Kürz­lich hat die Che­fin, Frau  Gül­sen Sari­er­gin, den Grund­stein für den sechs­ten Nord­see­pfle­ge-Stand­ort gelegt.

Nordseepflege

Bei sol­chen Gele­gen­hei­ten üblich, wur­den für die Nach­welt eine aktu­el­le Tages­zei­tung, der Grund­riss des Neu­baus, ein Klang­herz und ver­schie­de­ne Mün­zen in eine rost­freie Kup­fer­röh­re gege­ben und sym­bo­lisch mit ein­ge­mau­ert. Spä­ter soll die Kup­fer­röh­re aller­dings wie­der frei­ge­legt wer­den und ihren end­gül­ti­gen Platz gut sicht­bar in der Ein­gangs­hal­le bekommen.

Das Bau­pro­jekt ist nicht bil­lig. Gut 16 Mil­lio­nen Euro inves­tiert die Bau­her­rin Gül­sen Sari­er­gin auf dem Grund­stück, auf dem frü­her das ehe­ma­li­ge Mer­kur-Kauf­haus sei­nen Platz hatte.

Nordseepflege

Die Grund­stein­le­gung wur­de  ordent­lich gefei­ert. Natür­lich war die Stadt­bau­rä­tin Frau  Jean­ne-Marie Ehbau­er eben­so anwe­send wie der Archi­tekt Lutz Pad­berg und wei­te­re ein­hun­dert Gäs­te. Plan­mä­ßig sol­len die ers­ten Bewoh­ner Anfang 2016 ihre 78 bar­rie­re­frei­en Ein- und Zwei­zim­mer­woh­nun­gen bezie­hen können.