Das ehemalige Verlagsgebäude der “Norddeutschen Volksstimme”
Das ehemalige Verlagsgebäude der “Norddeutschen Volksstimme”
Die sozialdemokratische Zeitung “Norddeutsche Volksstimme” konnte von der Stadt Wesermünde für 20 000 Reichsmark ein Grundstück am ehemaligen Hohenzollernring erwerben. Auf dieses Grundstück ließ der Zeitungsverlag für 45 000 Reichsmark im Stile des Neuen Bauens ein Eckhaus aus roten Klinkern errichten.
Am 6. April 1930 wurde das ehemalige Verlagsgebäude der “Norddeutschen Volksstimme” an der heutigen Friedrich-Ebert-Straße Ecke Elbestraße eingeweiht. Der Zeitungsverlag, zehn Privatwohnungen, eine Buchhandlung und weitere Geschäfte fanden in dem neuen Gebäude Platz.
Am 11. August 1933 enteignete die Nationalsozialisten das Grundstück und den Zeitungsverlag. Neuer Eigentümer wurde damit der Staat Preußen, der den Grundbesitz am 1. Juli 1937 an die Stadt Wesermünde verkaufte. Am 1. März 1938 erwarb das Deutsche Reich das Grundstück. Das Haus wurde Dienstsitz der Geheimen Staatspolizei der Unterweserorte. Die Zeitung “Norddeutsche Volksstimme” war schon im Februar und März 1933 verboten und die Druckmaschinen verschleudert worden.
Die Gestapo baute einige Wohnungen zu Büros und Vernehmungszimmer um. Im Keller wurden Haftzellen eingerichtet. Am 1. April 1939 zog die Gestapo in das Haus am Hohenzollernring ein. Hier wurde auch Gerhard van Heukelum, von 1927 bis 1933 Chefredakteur der Zeitung “Norddeutsche Volksstimme”, mehrfach inhaftiert.
Das Gebäude hat die Bombenangriffe auf Geestemünde überstanden. Nach Kriegsende zog die amerikanische Militärregierung in das ehemalige Verlags- und Wohngebäude ein. Auch deutsche Polizeidienststellen waren hier untergebracht. In den 1950er Jahren erhielten die SPD und die Gewerkschaften ihr Grundstück wieder zurück. Die “Norddeutsche Volksstimme”, die ab 1. Oktober 1948 wieder erschien, wurde zunächst die “Bremerhavener Volksstimme” und schließlich die “Bremerhavener Bürgerzeitung”. Im Jahre 1970 wurde die Zeitung eingestellt.
Ebenfalls in den 1950er Jahren mieteten sich hier die Volksfürsorge, verschiedene Versicherungsgesellschaften und andere Büros ein. Im Erdgeschoss an der Seite zur Friedrich-Ebert-Straße gab es Einzelhandels- und Lebensmittelgeschäfte.
Bis auf den Tanzclub Capitol im Erdgeschoss haben alle Mieter das ehemalige Verlags- und Wohngebäude verlassen. Auch die zwei Ladenlokale stehen schon lange leer. Im vergangenen Sommer hat ein Frankfurter Investor das Gebäude erworben. Etwa 5.000 Quadratmeter Nutzfläche will der Investor entkernen. Aus dem geschichtsträchtigen Gebäude soll ein Studentenhaus mit 55 bis 60 Appartements mit einer Wohnfläche von etwa 20 Quadratmetern werden. Auf dem Dach soll eine 80 Quadratmeter große Terrasse und zwei WG-Wohnungen entstehen. “Die Hochschule wächst und bietet neue Studiengänge an”, ist der Investor überzeugt.
Mit der Bremerhavener Denkmalbehörde soll vereinbart worden sein, dass die neuen Fenster sich nah am Sprossen-Original orientieren. Auch verschiedene andere Elemente sollen erhalten bleiben: eines der drei Treppenhäuser mit dem alten Holzgeländer und Terrazzoboden, die Eisentüren im Keller. In einem Jahr soll “Das Friedrich” eröffnet werden. Studenten können sich bereits um eine Wohnung bewerben. Die Miete soll in inclusive Nebenkosten rund 450 Euro betragen.
Quellen:
S. Schwan: “Vom Folterhaus zur Studentenbude”, Nordsee-Zeitung vom 19.10.2020
Harry Gabcke: “Bremerhaven in zwei Jahrhunderten – 1919–1947″, Seiten 54 + 55
H. + R. Gabcke und H. Körtge: “Bremerhaven, früher, gestern, heute”, Seite 99
Rudolf Herbig: “Nationalsozialismus in den Unterweserorten”, Seiten 40 und 41
Bremer Landesamt für Denkmalpflege
wikipedia