In Görlitz wird Bürgermeister Gottlob Ludwig Demiani als großer Sohn der Stadt verehrt, hier in Bremerhaven ist es Bürgermeister Johann Smidt 1773 — 1857).
Johann Smidt wurde 1821 Bremer Bürgermeister, und er blieb in diesem Amt bis zu seinem Tod, ausgenommen in der Zeit der Revolution von 1849 bis 1852. Unbestritten sind seine Verdienste um die Stadt – wenn Johann Smidt nicht so clever verhandelt hätte, gäbe es Bremen heute als eigenständiges Bundesland nicht mehr. Und es gäbe Bremerhaven nicht. Und so wurde beiden Bürgermeistern ein Denkmal gesetzt, auf dass sie auf ewige Zeit in unserer Erinnerung bleiben sollen.
Das ist auch gut so, dass an sie erinnert wird. Aber nur dann, wenn nicht nur an die “ruhmreiche” Vergangenheit erinnert wird. Denn zumindest Johann Smidt hatte auch eine andere Vergangenheit. Er war vieles, aber ein aufrechter Demokrat war er nicht. Sein Credo war: “Was schert mich die Rechtslage, das lösen wir bremisch!” Und seine Judenverachtung fand furchtbaren Eingang in die damalige nationale Gesetzgebung. So schöpfte er alle Möglichkeiten aus, die Juden aus Bremen zu vertreiben. Seit 1821 betrieb er die “völlige Austreibung der Kinder Israels” als eine “angelegentliche Staatssorge” und hielt die jüdischen Mitbürger als “Fremdkörper in einem christlichen Staatswesen.”
Und gerade deshalb ist es keine Lösung, seinen Namen aus den Erinnerungen zu löschen. Aus heutiger Sicht waren die Ansichten von Bürgermeister Johann Smidt auf jeden Fall rückschrittlich und judenfeindlich. Dennoch sollte man sich davor hüten, politische Urteile und Entscheidungen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit den heutigen Maßstäben zu messen. Man muss auch den damaligen Zeitgeist betrachten. Smidt war nicht der einzige Antisemit unter den Hanseaten. Neben Bremen haben auch Lübeck und Hamburg die Juden aus der Stadt gejagt. Der Hintergrund: Napoleon hatte Norddeutschland besetzt, für ein paar Jahre hat das der jüdischen Bevölkerung Freizügigkeit und Bürgerrechte beschert. Nach der Niederlage von Napoleon 1814 war damit Schluss – viele große Städte kassierten die Bürgerrechte ihrer jüdischen Bevölkerung.
Johann Smidt starb 1857, und viele werden wohl nicht um ihn getrauert haben. 1973
Sein Denkmal aber steht seit nunmehr 124 Jahren in Bremerhaven auf dem Theodor-Heuss-Platz. Durch die jahrelangen Umwelteinflüsse hat die Bronzestatue arg gelitten und muss nun saniert werden. Den Auftrag hat ein Berliner Metallrestaurierungsbetrieb übernommen. Vergangenen Dienstag lernte der tonnenschwere Bürgermeister dann das Fliegen. An einem Autokran schwebte er von seinem Sockel, um in die Hauptstadt zu reisen. Aber nicht wie zu seinen Lebzeiten mit der Kutsche oder Lokomotive sondern mit einem Transporter. Doch der Bürgermeister reist nicht allein, er wird von seinem “Stab” begleitet: Der Kaufmann und der afrikanische Junge mit Baumwollballen und Fässchen, die zu seinem rechten Fuß saßen und der in Ölzeug gekleidete Seemann mit seinem Anker sowie ein weiterer Bub, die ihren Platz vor seinem linken Fuß hatten.
Das Denkmal ist nach einem Entwurf des Leipziger Bildhauers Werner Stein in Dresden gegossen und erst 31 Jahre nach dem Tod von Smidt aufgestellt worden. Das Denkmal trägt in goldfarbenen Lettern die Inschrift: “Dem Bürgermeister der Freien Hansestadt Bremen, Dr. Johann Smith, dem Gründer Bremerhavens.” Ich hoffe, dass das Denkmal nach seiner Rückkehr einen Zusatz enthält, in dem auch auf seine Vertreibung der Juden aus Bremen erinnert wird. Denn nur, wenn man an Rühmliches und an Unrühmliches insgesamt erinnert, nur dann wird man der Vergangenheit gerecht.
1973 wurde der damalige Hamburger Bürgermeister Herbert Weichmann gebeten, zu Ehren von Smith eine Rede zu halten. Der Jude Herbert Weichmann weigerte sich damals mit den Worten: “Das hätte Smith nicht gewollt.”
Quelle:
NORDSEE-ZEITUNG.de