Das Gründerzeithaus an der Hafenstraße 199
Das Gründerzeithaus an der Hafenstraße 199
Seit etwa 20 Jahren steht das Gründerzeithaus an Bremerhavens Hafenstraße 199 leer. Manchmal wurden im Erdgeschoß Schuhe verkauft. Aber seit der letzte Schuhladen bereits vor vier Jahren geschlossen hat, passiert in dem verwahrlosten, stark sanierungsbedürftigem Haus nichts mehr.
Je nach Zustand einer verwahrlosten Schrottimmoblie erleiden die benachbarten intakten Häuser teilweise große Wertverluste. Mit der Arbeitsgruppe “Verwahrloste Immobilien” bekämpft die Stadt Bremerhaven den schleichenden Verfall ganzer Straßenzüge. Mit dem Vorkaufsortsgesetz hat die Stadt Bremerhaven bei einem Grundstücksverkauf das erste Zugriffsrecht auf das Grundstück. Das Haus an der Hafenstraße 199 steht seit 2017 auf der Liste der Stadt für Vorkaufsrechte. Nun hat ein russischer Investor das Objekt gekauft.
Seit 1976 unter Denkmalschutz
Im Jahre 1909 hat der Leher Architekten K. Cappelmann das Wohn- und Geschäftshaus im neobarocken Stil für den Kaufmann C. Clemens gebaut. 1976 wurde es vom Landesamt für Denkmalpflege unter Denkmalschutz gestellt. Dennoch wurde das Haus zu einem Spekulationsobjekt mit immer wieder wechselnden Eigentümern. Als sich ein niederländischer Spekulant für das Grundstück zu interessieren begann, wollte die Stadt Bremerhaven ihr Vorkaufsrecht ausüben. Doch ein russischer Geschäftsmann war schneller.
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Vor dem Haus an der Hafenstraße steht ein großer Müllcontainer. Seit fast drei Wochen sind Arbeiter dabei, die zehn Wohnungen des Hauses zu entrümpeln. Dann soll eine Kernsanierung erfolgen. Der neue Eigentümer arbeitet eng mit der Stadt und mit der Denkmalbehörde zusammen. Das Wohnhaus soll seinen historischen Charakter zurückerhalten. Nach der Sanierung sollen die 680 Quadratmeter vermietet werden.
In einem Jahr kann vermietet werden
Laut Nordsee-Zeitung bekommen die Wohnungen “von 80 bis 100 Quadratmeter Größe… moderne barrierefreie Bäder, komplett neue Versorgungsleitungen, neue Gasthermen, die Holzböden werden ebenso wie der Deckenstuck originalgetreu instand gesetzt, auch werde von innen gedämmt und das Dach saniert”.
In einem Jahr sollen die Arbeiten abgeschlossen sein, Dann sollen die Wohnungen für etwa fünf Euro Kaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche vermietet werden. Auch das Ladenlokal soll wieder vermietet werden — möglicherweise ein Café oder eine Praxis. Wenn das Haus wieder bewohnbar ist, soll es eine Einweihungsfeier geben.
Die Bauaufsicht hat die Berliner “Barrus Invest GmbH” übernommen. Der neue Eigentümer, ein in Paris lebender russischer Geschäftsmann, will anonym bleiben. Ihm gehören auch die Grundstücke Hafenstraße 177 und 179. Für das nun erworbene Haus Hafenstraße 199 will er viel Geld in die Hand nehmen. Kaufpreis und Sanierungskosten sollen etwa eine Million Euro kosten.
Seit Frühjahr 2019 herrscht Stillstand
Viel kann der russische Investor in das Gründerzeithaus an der Hafenstraße 199 noch nicht investiert haben. Nachdem die Handwerker mit der Entrümpelung der zehn Wohnungen ihre Arbeit erledigt hatten, herrscht auf der Baustelle Ruhe. Nur das Klötern des bröckelnden Mauerwerkes unterbricht seit zwei Jahren die Stille. Und der Betrachter sieht keine sanierten Fassaden sondern zerborstene Fensterscheiben und herabfallende Ornament- und Putzteile. Von einem wiederhergestellten historischen Charakter des Hauses ist der unbekannte russische Investor weit entfernt.
Kürzlich kamen Gerüstbauer und haben einen Teil der Fassade verhüllt. Aber nicht etwa der Eigentümer hat mit den Sanierungsmaßnahmen begonnen. Das Bremerhavener Bauordnungsamt hat zum Schutze der Passanten ein Tunnelgerüst anbringen lassen. Das bleibt nun so stehen, bis der Eigentümer das Dach instand gesetzt hat. Die Stadt Bremerhaven übernimmt weder die Fassaden- noch die Dachsanierung. Sie kontrolliert nur regelmäßig, ob von der Schrottimmobilie keine Gefahren ausgehen.
Die Berliner Immobilienverwaltung “Barrus Invest GmbH” soll verlautet lassen haben, dass Corona alles verzögert hätte. Die Handwerker hätten wegen den Impf- und Testregeln nicht einreisen dürfen.
Quelle:
Susanne Schwan: “Juwel des späten Jugendstils”, Nordsee-Zeitung vom 20.03.2019
Susanne Schwan: “Jugendstil-Juwelen verfallen”, Nordsee-Zeitung vom 14.04.2020
Susanne Schwan: “Bröckelmauern statt Topp-Sanierung”, Nordsee-Zeitung vom 17.08.2021