Das war meine Werft — Folge 11
Das war meine Werft — Folge 11
Durch die stockdunkle Nacht prescht ein riesiges Schiff mit fünf haushohen Masten durch die schwierigen Gewässer südlich der englischen Küste nach Westen, dem Atlantischen Ozean entgegen. Nur durch die Kraft des Windes und ohne Maschinenunterstützung wird das bis zum Maximum beladene größte quergetakelte Segelschiff der Welt vorangetrieben. Es ist die Preußen, die bei der Joh. C. Tecklenborg Werft am 7. Mai 1902 vom Stapel lief.1842 errichtete der Bremer Zimmerbaas Jan Simon Abegg in Bremerhaven einen Schiffbaubetrieb. 1845 übernahm Franz Tecklenborg die Werft. Die Leitung hatte der gelernte Schiffszimmerer Johann Carl Tecklenborg inne. Die Schiffswerft trug den Namen “Joh. C. Tecklenborg A.-G. Schiffswerft und Maschinenfabrik, Bremerhaven-Geestemünde”. Um die Wende zum 20sten Jahrhundert zählte die Tecklenborg-Werft im damals preußischen Geestemünde zu den ältesten und bedeutendsten Werften im Deutschen Reich.
Zunächst baute Tecklenborg Holzschiffe, schaffte aber – wie nur wenige Werften — den Übergang zum modernen Eisenschiffbau. Dafür war es erforderlich, die Werft auf die andere Seite der Geeste nach Geestemünde zu verlegen. Tecklenborg kaufte 1881 auf dem Mühlacker — einer von der Geeste umflossenen Halbinsel — ein entsprechendes Gelände für neue moderne Werftanlagen und baute fortan auf bis zu sieben Helgen Dampfer und Segelschiffe aus Eisen und Stahl und begann mit dem Kessel- und Maschinenbau.
18 Großsegler liefen hier vom Stapel, darunter auch das Fünfmastvollschiff “Preußen”, das die für ein Segelschiff unglaublichen Abmessungen von 135,5 Meter Länge und 16,4 Meter Breite aufwies. Der Großmast hatte eine Höhe von 57 Metern, und die Segelfläche betrugt riesige 5560 Quadratmeter. Das Schiff war der ganze Stolz der in Hamburg ansässigen Reederei F. Laeisz, die es vorwiegend zum Transport von Salpeter von Südamerika nach Deutschland einsetzte. Der Rahsegler “Preußen” war das einzige Fünf-Mast-Vollschiff ohne Hilfsantrieb, das jemals die Meere befuhr. Sie diente als Vorbild für das im Jahre 2000 in Dienst gestellte Segel-Kreuzfahrtschiff “Royal Clipper”.Auch die ebenfalls an die Reederei F. Laeisz abgelieferte Viermaststahlbark, “Padua” lief hier im Jahre 1926 vom Stapel. Das Schiff, das heute mit dem Namen “Kruzenstern” unter russischer Flagge segelt, gehörte zu den berühmten Flying P‑Linern der Redeerei. Regelmäßig macht der Großsegler in Bremerhaven fest.
1914 wurde am Vorabend des Ersten Weltkrieges das für den “Deutschen–Schulschiff-Verein” auf der Tecklenborg Werft gebaute Segelschulschiff “Großherzog Friedrich August“ in Dienst gestellt. 1919 musste die Bark als Reparationszahlung nach England abgegeben werden und wurde von dort schließlich 1923 an Norwegens Reederverband verkauft. Die Dreimast-Bark ist wurde auf den Namen “Statsraad Lehmkuhl” umgetauft und ist heute noch regelmäßig als Schulschiff für die Königliche Norwegische Marine auf allen Weltmeeren anzutreffen. Das im vergangenen Jahr hundert Jahre alt gewordene Segelschiff kommt auch immer mal wieder in seine Geburtsstadt Bremerhaven.
Das letzte Segelschiff, das in der Tecklenborg Werft im Jahre 1927 vom Stapel lief, war die “Schulschiff Deutschland”, ein für die Handelsschifffahrt als Vollschiff getakelter Dreimaster. Der fast 90 Jahre alte Großsegler ist seit 1995 ein Kulturdenkmal und liegt als Museumsschiff in Bremen-Vegesack.
Auf der Tecklenborg Werft wurden aber nicht nur Segelschiffe gebaut. So baute die Werft im Jahre 1924 für die Reederei W. Schuchmann den Bergungsschlepper “Seefalke” und rüstete ihn mit zwei MAN-Motoren aus. Mit seinen 3.000 PS soll es damals weltweit keinen gleich starken Schlepper gegeben haben.
Der Passagierdampfer “Johann Heinrich Burchard” war das größte Schiff, das auf der Tecklenborg Werft gebaut wurde. Es war für den Südamerikadienst der Hamburger Reederei HAPAG bestimmt, lief am 10.02.1914 vom Stapel und lag während des Ersten Weltkrieges im Kaiserhafen.
Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg geriet der Schiffbau in Deutschland in eine schwere Krise, die auch nicht an der Tecklenborg Werft vorüberging. 1926 schloss sich die Bremer Werft AG Weser mit sieben anderen Werften zur “Deutsche Schiff- und Maschinenbau Aktiengesellschaft” (Deschimag) zusammen. Eine dieser Werften war die Tecklenborg Werft, die bereits wieder rentabel arbeitete. Verlief die Zusammenarbeit zunächst positiv, sollte sich das Blatt bald wenden. Große und lukrative Aufträge wurden an die Werft AG Weser vergeben, die Tecklenborg Werft erhielt nur noch Reparaturaufträge. Sie wurde derart geschwächt, dass sie bald Verluste machte und die Kapitaleigner der Deschimag die Werft 1928 aus geschäftspolitischen Gründen schließen und komplett demontieren ließen. Die Schließung der Traditionswerft bedeutete für etwa 2.500 Beschäftigte die Arbeitslosigkeit.
Eines der letzten unverwechselbaren Merkmale der Werft war das Verwaltungsgebäude — der graue Esel, wie man ihn auch nannte. Er wurde 1971 abgerissen.
Quellen:
Nordsee-Zeitung vom 03.09.2012: “Intakte Werft wird aufgegeben”.
Rolf-Michael Buschow: “Preußen am Bug”, Preußische Zeitung 1999
Kielhorn, Deutscher Handelsschiffbau und seine Gesetzgebung
Messegemeinschaft Tecklenborg Bremerhaven e. V.
Torsten Knobloch: Krisen und Zusammenbrüche der Unterweserwerften in der Weimarer Republik