Die Geschichte der Zeitungen beginnt nach der Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg (1445) am Beginn des 17. Jahrhunderts. Um 1615 entstand in Deutschland die “Frankfurter Postzeitung” — wohl eine der ersten Zeitungen überhaupt. Das Blatt, das in ganz Europa abonniert wurde, erschien bis 1866.
Die erste Tageszeitung der Welt erschien allerdings ab 1. Juli 1650 in Leipzig. Hier veröffentlichte der Drucker Timotheus Ritzsch sechsmal die Woche die “Einkommenden Zeitungen” mit einer Auflage von etwa 200 Exemplaren. Ursprünglich benutzte man das Wort “Zeitung” für eine beliebige Nachricht. So ist wohl auch “Einkommende Zeitungen” als eingehende Nachrichten zu verstehen.
Doch blieben bis zum Ende des 18. Jahrhunderts Tageszeitungen eine Ausnahme.
Über das Görlitzer Zeitungswesen hat die Zeitschrift Stadtbild in ihrer Ausgabe Nr. 79 im Januar 2010 einen Aufsatz von Herrn Claus Bernhard veröffentlicht. Herr Bernhard ist Mitglied im Zirkel Görlitzer Heimatforscher.
Von den im 18. Jahrhundert in Görlitz erschienenen Zeitschriften wies das Lausitzische Magazin in seinem Wesen schon Züge einer Zeitung auf. Trotz aller Versuche, die gelehrten Schriften zu verallgemeinern, blieben sie ausschließlich in den Händen der Gebildeten. Eine große Kluft trennte diese Kreise von der sonstigen Bevölkerung, obwohl das Bedürfnis nach besserer Bildung bestand. Weltpolitische Ereignisse wurden kaum wahrgenommen. Dazu bedurfte es auswärtiger politischer Blätter. Die Interessen des einfachen Bürgers und Landmannes in ausreichender Weise zu vertreten und ihnen gleichzeitig Aufklärung und Belehrung in einfacher Form zukommen zu lassen, war der Beweggrund, für einen begrenzten Bezirk, in diesem Fall die Stadt Görlitz, eine eigene Zeitung herauszugeben. Dr. Immanuel Vertraugott Rothe entschloss sich 1799 zu diesem Experiment und schrieb damit Görlitzer Geschichte. Er wurde am 24. August 1768 in Sohra geboren, studierte nach der Absolvierung des Görlitzer Gymnasiums in Leipzig und Wittenberg und promovierte 1792 zum Dr. med.. Noch im gleichen Jahr ließ er sich in Görlitz nieder. Seine Vorliebe zur Schriftstellerei hatte ihn auf den Gedanken gebracht, eine Wochenschrift herauszugeben, in der er sein reiches Wissen seinen Mitbürgern übermitteln konnte. Rothe nannte seine Wochenschrift “Der Anzeiger” mit dem Zusatz “Chronik Lausitz‘scher Angelegenheiten im Jahre 1799, nebst Aufsätze zur Belehrung und Unterhaltung der Leser über gemeinnützige Gegenstände aller Art”. In Nummer 1 waren folgende Rubriken enthalten: Geburten, Hochzeiten, Beförderungen, Kauf- und Handelssachen und unter “Allerhand” die erste Heiratsanzeige. Als Arzt trat Rothe für die Hebung der Volksgesundheit durch eine vernünftige Gesundheitspflege ein, für Verbesserungen im Hebammenwesen, propagierte die Kuhpockenimpfung und verlangte vorbeugende Maßnahmen zur Unfallverhütung. “Der Anzeiger” brachte Rothe nicht den Erfolg, den er sich wünschte.
1803 übertrug er die Leitung an den Görlitzer Buchhändler Traugott Ferdinand Schirach, der das Überleben des Anzeigers sicherte. Dr. Immauel Vertraugott Rothe hielt sich noch einige Zeit in Görlitz auf, verzog dann nach Prachwitz in Schlesien. Seine letzten Lebensjahre verbrachte Rothe in Herrnstadt, wo er am 6. April 1813 starb. Die Görlitzer Zeitungslandschaft wurde im 19. Jahrhundert durch die vielfältigsten Titel immer bunter. Neben ”Eintagsfliegen” bestimmten große Blätter über Jahrzehnte das Görlitzer Zeitungswesen.
Der Anzeiger 1799 bis 1943
Herausgeber: Dr. Immanuel Vertraugott Rothe
Druckerei: Burghart
”Chronik Lausitz‘scher Angelegenheiten, nebst Aufsätzen zur Belehrung und Unterhaltung der Leser über gemeinnützige Gegenstände aller Art“.
Ziel war es, das Blatt “zum allgemeinen Sprachwerkzeug für jeden und zu einem Lausitzer Nationalblatt zu machen, durch Beiträge Aufklärung zu verbreiten, Missbräuche abzustellen, die Einführung nützlicher Einrichtungen vorzubereiten“. Von diesem Vorhaben wurde immer weiter abgerückt, politische Nachrichten wurden so gut wie nicht veröffentlicht. ”Der Anzeiger“ wurde zum reinen Intelligenzblatt. Als einziges Lokalblatt erschienen hier die Verordnungen und Bekanntmachungen. Der häufige Wechsel der Verleger änderte auch den Charakter des Blattes. Um 1840 lag das Hauptaugenmerk auf dem Gebiet der Unterhaltung, historische und lokalgeschichtliche Abhandlungen herrschten vor. Ab 1848 erfolgten für das gesamte deutsche Zeitungswesen umwälzende Veränderungen hin zur politischen Meinungspresse. 1875 erfolgte die Vereinigung mit den “Görlitzer Nachrichten“, 1929 die Vereinigung mit der “Niederschlesischen Zeitung“.
Görlitzer Wegweiser 1832 bis 1842
Herausgeber: Gotthold Heinze & Co
Das Blatt galt als Wochenschrift für die Oberlausitz zur zweckmäßigen Belehrung und Unterhaltung, ab 1834 Volksblatt für die Ober- und Niederlausitz. Es erschienen Nachrichten aus allen Gegenden der Ober- und Niederlausitz, über Stadt- und Dorf-Gemeindesachen, Kirchen und Schulangelegenheiten so- wie das Merkwürdigste, Nützlichste und Neueste aus der Volks- und Naturgeschichte, der Landwirtschaft und der Gewerbekunde, die neuesten Erfindungen und Entdeckungen, Berichte der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften, der Naturforschenden Gesellschaft und der Gewerbevereine, Unterhaltungslektüre durch Aufsätze, Anekdoten, Kuriositäten und historische Erinnerungen, zweckmäßige Beilagen von Steindrucken und Bücheranzeigen. Wegen seiner geschickt gewählten Geschichten aus dem alten und geichzeitigen Görlitz gilt das Blatt auch heute noch als Fundgrube für den Historiker.
Görlitzer Fama 1840 bis 1853
Herausgeber: Buchdruckereibesitzer J.G. Dreßler
Es erschienen Lokalnachrichten, Zeitungsnachrichten, Vermischtes sowie die Kirchenliste und die Getreidepreise der Region. Erzählungen, Gedichte, Anekdoten, Ratschläge und Landwirtschaftliches wurden wiedergegeben. Theaterkritiken sollten die Leserschaft für die Bühne interessieren. Über die Tagesgeschichte und die Politik zu berichten, war dem Blatt nicht gestattet. Die Leserschaft kam vornehmlich aus dem Mittelstand, vertreten durch Handwerker, Bauern und Gewerbetreibende, deren Existenz durch die aufstrebende Industrialisierung in Gefahr war. Die “Fama“ mahnte die Erwachsenen, zu einfacher Lebensweise zu finden und gegen Alkoholmissbrauch und Unsitten anzukämpfen.
Görlitzer Tageblatt 1856 bis 1862
Niederschlesische Zeitung ab 1863 bis 1929
Herausgeber: Ottomar Vierling
Druckerei: G. A. Rämisch
Das Blatt galt als politische Rundschau mit Tagesbegebenheiten sowie Lokalem und Vermischtem, Organ für die Publikation der amtlichen Verordnungen und Bekanntmachungen und allgemeiner Anzeiger. Ab 1.1.1863 folgte die Umbenennung in “Niederschlesische Zeitung“. Es ging um die Einführung des Leitartikels zu aktuellen Fragen, Förderung der Bildung und Belehrung zum öffentlichen Wohle. Politisch unabhängig und unparteiisch vertrat die Zeitung den “Standpunkt des gemäßigten und besonnenen Fortschritts“. Sie befasste sich mit sozialen Fragen, wie z.B.: Arbeiterversicherungswesen, politische Gleichheit aller Stände, Ausgleichung der Gegensätze zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und ihren Organisationen, kritisierte das Kommunalwesen, deckte Missbräuche auf und wagte positive Vorschläge zum Wohle der Stadt. Ab 1.2.1929 folgte die Vereinigung mit den “Görlitzer Nachrichten und Anzeiger“ zu “Vereinigte Görlitzer Nachrichten und Niederschlesische Zeitung“.
Görlitzer Zeitung für die Lausitz 1862 bis 1867
Herausgeber: Prof. Dr. August Tillich
Druckerei: G. A. Rämisch
Es war Parteiorgan der Konservativen und diente zum “Vermitteln der politischen Bildung und Verfassungsreife”, vor allem unter der Landbevölkerung”. Der Ausbreitung der liberalen und demokratischen Presse sollte ein Riegel vorgeschoben werden. Die Leitartikel dienten den Parteiinteressen und als Kampfmittel gegen die Liberalen. Der Oppositionscharakter des Blattes führte zu Differenzen mit der Stadtverwaltung. Beiträge zu Görlitzer Theaterverhältnissen, aus den Landtagsverhandlungen, Görlitzer Kirchenlisten, Marktpreise und amtliche Bekanntmachungen wurden immer seltener, die Parteiinteressen standen im Vordergrund. Die fehlende finanzielle Grundlage zur Selbständigkeit führte im März 1867 zur Einstellung der Zeitung.
Neuer Görlitzer Anzeiger 1877 bis 1941
Hrsg: Buchdruckereibesitzer Gustav Hoffmann & Emil Reiber
Es wurde die auflagenstärkste Zeitung Niederschlesiens, wurde im gesamten fortschrittlichen Bürgertum und auch in Intelligenzkreisen zur meistgelesenen Tageszeitung, vertrat den liberalen Geist, indes frei von jeder Parteien- Schablone. Man las prompte und gediegene Besprechung der Tagesfragen in ihren Leitartikeln, ausführliche Berichte aus Reichs- und Landtag, reichhaltige und zuverlässige Mitteilungen aus der Lausitz und Schlesien. Man fand Pflege der lokalen Teile, speziell der städtischen Angelegenheiten. Notizen über Handel, Industrie und Verkehr sowie Börsen- und Marktnachrichten, amtliche Erlasse und standesamtliche Nachrichten von Görlitz und Umgebung. Das Feuilleton enthielt gediegene Novellen, naturwissenschaftliche und kulturgeschichtliche Erörterungen. Der Einsatz der damals modernsten Drucktechnik (Setzmaschinen und Rotationsmaschinen) wurde möglich. Ein bekannter Mitarbeiter von 1925 bis 1932 war Johannes Wüsten.
Görlitzer Zeitung — Unabhängiges Organ für Jedermann 1891 bis 1892
Herausgeber: Buchdruckerei H. Kretschmer, Meinhardt & Co.
Sie nahm sich vor, zum Wohle, zur Belehrung und Unterhaltung der Bewohner von Görlitz, der Lausitz und Schlesiens nach dem Motto “Biete jedem etwas, und du befriedigst alle“ beizutragen, Aufklärung über wichtige politische und materielle Zeitfragen zu leisten, täglich Bericht zu erstatten über die den Politiker und Kaufmann interessierenden Tagesdepeschen. Tagesereignisse aus Görlitz, den Nachbarorten, der schlesischen Hauptstadt und der königlichen Residenz Berlin zu bringen, außerdem Börsenberichte, Kursnotierungen und Wetterbeobachtungen. Unterhaltung durch Novellen, Romane, Kunstkritiken und Kunstnotizen, Humoristisches und populär gehaltene Artikel über technische und wissenschaftliche Fragen. Ab Februar 1892 erfolgte die Veröffentlichung der “Offiziellen Görlitzer Fremden-Liste“.
Görlitzer Volkszeitung 1899 bis 1933
Herausgeber: SPD
Eigene Druckerei Luisenstraße 8
Es war die sozialdemokratische Zeitung, Organ für die werktätige Bevölkerung der Oberlausitz, nannte sich “berufene Vertreterin der Arbeiterinteressen, um das Volk über den wahren Zustand der Gesellschaft aufzuklären“, ablehnend “gegenüber dem niederen Klatsch wie Hofberichte und Heiratsgesuche“. 1910 erfolgte die Schaffung einer eigenen Druckerei durch den Aufbau der Genossenschaft “Arbeiterdruckerei“ und des Sparvereins “Görlitzer Volkszeitung“. Ihre Geschichte endete 1933 durch Verbot der Zeitung durch die NSDAP, 13.3.1933 Besetzung der Redaktion und Druckerei durch SA und Polizei. Bekannte Redakteure waren: Paul Löbe, später Reichstagspräsident, Hermann Müller, später Reichskanzler, Paul Taubadel, Reichstagsabgeordneter.
Oberlausitzer Frühpost 1932 bis 1934
Oberlausitzer Tagespost ab 1934 bis 1945
Herausgeber: Helmuth Brückner (bis 1934)
Nach der Besetzung der Druckerei der Görlitzer Volkszeitung 1933 in der Luisenstr. 8 wurde die Zeitung dort gedruckt als Organ der NSDAP. Sie war gekennzeichnet durch Verherrlichung des Nationalsozialismus, Hetze gegen alle existierenden Zeitungen. Ab 1. Mai 1934 wurde die “Frühpost“ in “Tagespost“ umbenannt mit der Maßgabe, dass die gesamten Zeitungen der schlesischen Oberlausitz fortan täglich nur in einer Ausgabe zu erscheinen haben. 1933, 1941 und 1943 haben alle anderen Görlitzer Zeitungen ihr Erscheinen eingestellt. Am 5. Mai 1945 erschien die letzte Ausgabe der “Tagespost“.
Zeitungen nach 1945 mit Görlitzer Lokalteil
Amtliche Bekanntmachungen
Es begann mit Amtlichen Bekanntmachungen der Stadt Görlitz, welche von 1945 bis 1950 erschienen. Nach der Wende wurden die amtlichen Bekanntmachungen der Stadt Görlitz als “Amtsblatt“ wiederbelebt. 1991 wurden sie im Görlitzer-Mosaik veröffentlicht. Von 1992 bis 1994 erschienen sie im Görlitzer Wochenspiegel. Ab 1. Februar 1994 wird das “Amtsblatt“ als eigenständige Publikation herausgegeben.
Tageszeitungen
1946 wurden die “Volksstimme“ der SPD und die “Sächsische Volkszeitung“ der KPD zusammengeschlossen zur “Sächsischen Zeitung“. Sie erschien vom 13.4. bis 20.5.1946 in Görlitz. Nach Gründung der SED 1946 wurde die “Sächsische Zeitung“ nur noch zwischen Dresden und Bautzen vertrieben. Für Görlitz war die “Lausitzer Rundschau“ zuständig, welche bis 13.8.1952 in Görlitz erschien. Mit der Schaffung der Bezirke 1952 wurde auch die Presse neu geordnet. Die “Lausitzer Rundschau“ wurde dem Bezirk Cottbus zugeordnet und die “Sächsische Zeitung“, als Organ der Bezirksleitung Dresden der SED, dem Bezirk Dresden. Seit dem 15.8.1952 wurde die “Sächsische Zeitung“ in Görlitz vertrieben. Sie hatte sehr viele Abonnenten. Im Regionalteil berichtete sie über die SED- Parteipolitik in allen gesellschaftlichen Bereichen und propagierte die Linie der Parteiführung für die Stadt und den Landkreis. Sie stützte sich auf zahlreiche “Volkskorrespondenten“. Auch die Tageszeitungen “Die Union“ (CDU) und ”Sächsisches Tageblatt“ (LDP) unterhielten in Görlitz eigene Kreisredaktionen; sie wandten sich vor allem an die Mittelschichten. Im Dezember 1989 trat die Chefredaktion zurück, und die Sächsische Zeitung ändert ihren Untertitel, und die Kopfzeile “Proletarier aller Länder vereinigt Euch“ entfiel. Im Januar 1990 erklärte die Zeitung ihre Unabhängigkeit.
Von 1961 bis 1967 war das “LANDSKRON echo“ die Heimatzeitung für die Stadt und den Kreis Görlitz. 1991 erschien der “Wochenspiegel“, in welchem von 1992 bis 1994 das Görlitzer Amtsblatt veröffentlicht wurde. 1994 erfolgte die Umbenennung in “Wochenkurier“, und die amtlichen Mitteilungen des Landratsamtes erscheinen hier. Während der politischen Umwälzung nach 1989 erschien die “Görlitzer Zeitung“, die den Veränderungsprozess kritisch begleitete und furchtlos Skandale aufdeckte. Sie musste bald ihr Erscheinen einstellen. Seit 1993 gibt es den “Niederschlesischen Kurier“ für die Stadt und den Landkreis Görlitz als Ergänzung zum “Oberlausitzer Kurier“. Mit Schaffung des Niederschlesischen Oberlausitz-Kreises wurde die Zeitung kurzzeitig in “Görlitzer Kurier“ umbenannt. Aber der Name “Niederschlesischer Kurier“ hat sich durchgesetzt.
Das Meinungsmonopol einer einzigen regionalen Tageszeitung mit Kreisteil wird von vielen Einwohnern bedauert. Zahlreiche Leserbriefe tragen jedoch dazu bei, unterschiedliche Standpunkte vorzutragen.
Claus Bernhard, Zirkel Görlitzer Heimatforscher
Bildnachweise:
Bild 1: wikipedia.org
Bild 4: Staatsbibliothek Berlin
Bilder 2,3, 5 und 6: StadtBILD Ausgabe Nr. 79 aus 1/2010
Bild 7: Titelseite Sächsische Zeitung Ausgabe 30.4.2011
Bild 8: Titelseite Amtsblatt Görlitz Ausgabe 18 aus 8/2012
Bild 9: Titelseite Niederschlesischer Kurier Ausgabe 37/2010