Kategorie: Geschichte

Bremerhavener Schüler in der Kriegsmarine

Bre­mer­ha­ve­ner Schü­ler in der Kriegsmarine

Unse­re Müt­ter, unse­re Väter”, so lau­tet der Titel des in der letz­ten Woche im ZDF aus­ge­strahl­ten Drei­tei­lers. Erzählt wird die Geschich­te von fünf Freun­den in Ber­lin, die sich im Som­mer 1941 tref­fen, um von­ein­an­der Abschied zu neh­men. Wil­helm und Fried­helm müs­sen an die Ost­front, Char­lot­te wird im Frei­wil­li­gen­ein­satz als Kran­ken­schwes­ter fol­gen. Gre­ta möch­te Sän­ge­rin wer­den. Schon Weih­nach­ten, so glau­ben sie, wird der Krieg vor­bei sein. Dann wol­len sie wie­der in Ber­lin zusam­men­kom­men. Doch erst nach Kriegs­en­de 1945 kön­nen sich die drei Über­le­ben­den dort wie­der begegnen.
Bremerhavener Schüler in der Kriegsmarine

Vor 70 Jah­ren muss­ten auch gut 200 Schü­ler der höhe­ren und mitt­le­ren Schu­len aus Bre­mer­ha­ven Abschied neh­men. Sie wur­den ein­ge­zo­gen zum Kriegs­hilfs­ein­satz der deut­schen Jugend in der Kriegs­ma­ri­ne. Die HJ-Mari­ne­hel­fer muss­ten ihre HJ-Arm­bin­de weitertragen.

Das von der Nord­see-Zei­tung ver­öf­fent­li­che Foto ent­stand etwa im März 1943. Die so fröh­lich strah­len­den Jun­gen sind etwa 17 Jah­re alt, als man von ihnen im Her­an­zie­hungs­be­scheid erwar­te­te, “in einer ihren Kräf­ten ent­spre­chen­den Wei­se bei der Ver­tei­di­gung des Vater­lan­des mit­zu­wir­ken”. Also wur­den die Schü­ler in Wed­de­war­den, Spa­den, Schiff­dorf und in Lune­ort ein­ge­setzt, um in einer Flak­bat­te­rie die Stadt Bre­mer­ha­ven gegen Luft­an­grif­fe zu verteidigen.

Der Film:Unse­re Müt­ter, unse­re Väter | Teil 1, Teil 2, Teil 3
Foto: Nord­see-Zei­tun­g/pr  — Sei­te 13 – vom 15. März 2013

Deutsches Auswandererhaus in Bremerhaven

Das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven liegt unmittelbar am Neuen Hafen gegenüber dem Zoo am Meer. | Foto: Hermann Schwiebert, 2012In Bre­mer­ha­ven ist ein Muse­um ansäs­sig, dass sich mit der Aus­wan­de­rung Deut­scher in die USA in ver­schie­de­nen Epo­chen beschäf­tigt: Das Deut­sche Aus­wan­der­er­haus.
Haupt­säch­lich aus wirt­schaft­li­chen Grün­den ver­lie­ßen die ers­ten deut­schen Aus­wan­de­rer ihre Aufbruch in die Fremde.   Innenansicht der dritten Klasse eines Auswandererhauses 1882Hei­mat. Vie­le Beru­fe star­ben durch die begin­nen­de Indus­tria­li­sie­rung aus, Hun­gers­nö­te bestimm­ten das Leben.
Ande­re erhoff­ten sich in Ame­ri­ka eine grö­ße­re Reli­gi­ons­frei­heit. Schließ­lich wen­de­ten sich auch die poli­ti­schen Akti­vis­ten ab von Deutsch­land. Nach der geschei­ter­ten Revo­lu­ti­on im Jah­re 1848 Das Auswandererhaus in Bremerhaven (1849–1865), erbaut von Heinrich Müller 1849. | Lithografie von W. Casten aus dem Jahr 1850.hat­ten sie ihre Hoff­nung auf ein demo­kra­ti­sches Deutsch­land ver­lo­ren.
So bestie­gen zwi­schen 1830 und 1974 mehr als sie­ben Mil­lio­nen Aus­wan­de­rer in Bre­mer­ha­ven ein Schiff zum ame­ri­ka­ni­schen Kon­ti­nent  – die Rei­se ging nach Kana­da, Nord­ame­ri­ka, Bra­si­li­en oder Argen­ti­ni­en. Aber auch nach Aus­tra­li­en wan­der­ten vie­le aus.
Um 1850: Deutsche Emigranten betreten ein Dampfschiff in Hamburg (Deutschland) mit Kurs auf New York City (USA).Im Deut­schen Aus­wan­der­er­haus, dem direkt am Hafen gele­ge­nen größ­ten euro­päi­schen  Erleb­nis­mu­se­um,  kann man die Geschich­te der Aus­wan­de­rer mit allen Sin­nen nach­er­le­ben. Bis um 1880 ver­lie­ßen die Men­schen Deutsch­land in der Regel auf aus­ge­bau­te Fracht­seg­ler. Die Ree­de­rei­en haben in den Zwi­schen­decks von Amerika

nach Euro­pa Waren trans­por­tiert. Aschersleber Anzeiger / Liste der Auswandererbeförderung von 1852 | Quelle: gescannt von falkue Auf der meh­re­re Wochen dau­ern­den Rück­fahrt nach Ame­ri­ka wur­den die Men­schen dicht gedrängt – oft ohne Tages­licht und ohne Frisch­luft — in die Zwi­schen­decks gepfercht. Die Über­fahrt war für die Pas­sa­gie­re ein Mar­ty­ri­um, für die Ree­de­rei­en war es ein will­kom­me­nes Zusatz­ge­schäft.
Manch­mal ver­zö­ger­te sich die Über­fahrt auf­grund ungüns­ti­ger Wet­ter­ver­hält­nis­se. Dann ver­hun­ger­te nahe­zu die Hälf­te der Pas­sa­gie­re, da die Ver­pfle­gung, die sie selbst mit­brin­gen muss­ten, für eine so lan­ge Zeit nicht ausreichte.

Deutsche Auswanderer auf dem Weg nach Amerika auf dem Schiff "Samuel Hop" (Zeichnung)Etwa ab 1880 wur­den Dampf­schif­fe ein­ge­setzt. Neue Geset­ze zum Schut­ze der Aus­wan­de­rer wur­den erlas­sen. So waren nun die Ree­de­rei­en ver­pflich­tet, die Pas­sa­gie­re zu ver­pfle­gen, jedem eine Koje zur Ver­fü­gung zu stel­len und für ein Min­dest­maß an Hygie­ne zu sor­gen. 
Vie­le konn­ten die Über­fahrt nicht bezah­len. Da die Aus­wan­de­rer für die Ree­de­rei­en aber ein gutes Geschäft waren, unter­hiel­ten die­se Anwer­be-Agen­ten. Die Agen­ten schlos­sen mit den zah­lungs­un­fä­hi­gen Aus­wan­de­rungs­wil­li­gen Ver­trä­ge. So beka­men sie von ihrem neu­en Arbeit­ge­ber in Über­see für ihre Arbeit meh­re­re Jah­re lang nur Kost und Logis. Von dem ein­be­hal­te­nen Arbeits­lohn wur­de die Schiffs­pas­sa­ge bezahlt.
Pflastersteine vor dem Auswandererhaus geben Auskunft über Name, Ziel, und Ausreisejahr der Emigranten | Foto: Hermann Schwiebert, 2011Pflastersteine vor dem Auswandererhaus geben Auskunft über Name, Ziel, und Ausreisejahr der Emigranten | Foto: Hermann Schwiebert, 2011Pflastersteine vor dem Auswandererhaus geben Auskunft über Name, Ziel, und Ausreisejahr der Emigranten | Foto: Hermann Schwiebert, 2011
Ab 1900 mach­ten sich die Dampf­schiff-Betrei­ber immer mehr Kon­kur­renz. In der Fol­ge wur­den die Bedin­gun­gen immer ange­neh­mer und die Über­fahr­ten immer güns­ti­ger.
Quel­len:
Deut­sches Aus­wan­der­er­haus Bre­mer­ha­ven
Freun­des­kreis leben­di­ge Graf­schaft e.V.
Planet-Wissen.de
3SAT.de
Wikipedia.de

Görlitzer Juden — ihre vergessenen und verfallenen Spuren

Unter dem Druck wach­sen­der Dis­kri­mi­nie­rung und Ver­fol­gung sind die meis­ten Gör­lit­zer Juden im Lau­fe der 1930er Jah­re aus­ge­wan­dert, unter teil­wei­se dra­ma­ti­schen Umstän­den. Die, die geblie­ben waren, wur­den im Krieg in den Ver­nich­tungs­la­gern ermordet.
Z
um bau­li­chenTextilhaus Totschek, Steinstraße 2 - 5, um 1910 Erbe der Gör­lit­zer Juden gehört weit mehr als die Syn­ago­ge, die im letz­ten Jahr ihr hun­dert­jäh­ri­ges Jubi­lä­um fei­ern konn­te. Da ist der zum Glück erhal­te­ne Fried­hof. Da sind die Wohn­häu­ser, die Fabri­ken und Geschäf­te, die Arzt- und Recht­an­walts­pra­xen. Bei einem Rund­gang zu Stät­ten jüdi­schen Lebens in Gör­litz kann man über meh­re­re Stun­den vie­les ent­de­cken und erfah­ren, aber auch erschre­cken über den heu­ti­gen Zustand vie­ler Bau­lich­kei­ten und Anlagen.
Gut, es gibt inzwi­schen neue Stra­ßen­na­men, die an sei­ner­zeit bekann­te Per­sön­lich­kei­ten erin­nern. Es gibt eini­ge “Stol­per­stei­ne” vor den ehe­ma­li­gen Wohn­stät­ten von Todes­op­fern. Dar­um hat­te sich die hie­si­ge christlich—jüdische Görlitzer Eckhaus Obermarkt 7 - Steinstraße | Foto: wikipedia-ManeckeGesell­schaft bemüht. Die Denk­mal­pfle­ge­be­hör­de konn­te am ehe­ma­li­gen Mode­haus Mei­row­sky Ecke Ober­markt/Steinstraße die Mono­gramm-Kar­tu­sche über der Ein­gangs­tür zur Erin­ne­rung an den Bau­her­ren (“I.M.” für Isaac Mairowsky)retten.
Vie­le Bau­wer­ke sind in einem frag­wür­di­gen Zustand. Ursa­chen, Zusam­men­hän­ge und Zukunfts­aus­sich­ten sind unter­schied­lich und kom­pli­ziert. In der Gesamt­heit ergibt sich ein Bild, das der Stadt kei­ne Ehre macht.Jugendstilwarenhaus am Demianiplatz | Foto: Manecke Das gilt ja schon für das bekann­tes­te und am meis­ten beklag­te Bei­spiel, das Waren­haus am Demia­ni­platz, des­sen Bau­herr der Kauf­mann Lou­is Fried­län­der war. Es ist ein prä­gen­des Gebäu­de im Stadt­zen­trum, bei der Bevöl­ke­rung und Archi­tek­tur­his­to­ri­kern in hohem Anse­hen. Sei­ne Zukunft ist ungewiss.
Die Gäste des Victoria-Hotels konnten von ihren Zimmerfenstern aus das pulsierende Leben im Zentrum der aufblühenden Stadt Görlitz vom Morgen bis zum Abend verfolgen | Foto: Robert Scholz um 1900Bes­ser geht es da dem Bau an der Post­platz-Nord­sei­te, des­sen Mit­tel­teil bis nach 1918 das Vik­to­ria-Hotel von Nathan Gold­stein beher­berg­te. Das frü­he­re Schuh­haus Rauch in der Ber­li­ner Stra­ße 61 wird heu­te durch Fiel­mann-Optik genutzt. Eben­falls sorg­fäl­tig saniert wur­de das zwei­te Mode­haus Mei­row­sky in der Hos­pi­tal­stra­ße 36. Das führende Schuhhaus Rauch überraschte die Kunden mit zahlreichen Dienstleistungen. Es gab eigene Abteilungen für Kinderschuhe und Strümpfe, eine Reparaturwerkstatt und einen Röntgenapparat zur Fußuntersuchung. | Fotografie Lünig um 1932
Schlech­ter sieht es in der Stein­stra­ße aus, frü­her Stand­ort meh­re­rer jüdi­scher Geschäf­te. Das ehe­ma­li­ge Beklei­dungs­haus Tot­schek in der Stein­stra­ße 2 — 5 ist ein beson­ders reprä­sen­ta­ti­ves Han­dels­haus des spä­ten 19. Jahr­hun­derts, an dem man etli­che Spu­ren frü­he­ren Glan­zes fin­det. Denk­mal­pfle­ge­risch saniert und nicht­mo­der­nis­tisch ver­schan­delt, könn­te es ein Schmuck­stück einer Ein­kaufs­mei­le werden.
Villa Kaufmann in der Bergstraße 1 (links) und Textilfabrik an der Uferstraße um 1920Betrüb­lich ist auch der Zustand der frü­he­ren Fabri­kan­ten­vil­la Berg­stra­ße 1; sie gehör­te Rosa Kauf­mann, Mit­in­ha­be­rin der Webe­rei und Fär­be­rei Mül­ler und Kauf­mann an der Ufer­stra­ße. Das außen und innen gedie­ge­ne Gebäu­de im Stil des frü­hen 20. Jahr­hun­derts ist lei­der nach 1990 zuneh­mend ver­wahr­lost, nach­dem sich der Plan zer­schla­gen hat­te, ein Senio­ren­heim für geho­be­ne Ansprü­che dar­aus zu machen.
Villa Ephraim, Goethestraße 17, 1907Die berühm­te Vil­la Ephra­im in der Goe­the­stra­ße 17, ein Werk des Ruh­mes­hal­len-Archi­tek­ten Hugo Behr, war bis Anfang der 1920 Jah­re Wohn­sitz des Eisen­wa­ren­händ­lers, Stadt­ver­ord­ne­ten und Muse­umför­de­rers Mar­tin Ephra­im und bis vor kur­zem [Ende 2010] eine Jugend­her­ber­ge. Ihr kost­ba­rer archi­tek­to­ni­scher Grund­be­stand konn­te durch die Woh­nungs­bau­ge­sell­schaft weit­ge­hend erhal­ten wer­den, braucht aber drin­gend eine stil­ge­rech­te Sanie­rung und ange­mes­se­ne Nut­zung, es ist ein Juwel der dama­li­gen ört­li­chen Bau­kul­tur und zugleich Erin­ne­rungs­ort für eine her­aus­ra­gen­de Per­sön­lich­keit (Ephra­im starb 1944 als 84jähriger im KZ The­re­si­en­stadt) [Nach­dem 2010 die Jugend­her­ber­ge hier aus­zog, hat die Woh­nungs­bau­ge­sell­schaft die Vil­la sanie­ren las­sen. Heu­te ist hier das Gäs­te­haus Alte Her­ber­ge untergebracht].
Wohnhaus Ephraim, Jakobstraße 5, um 1900Verwaltungsgebäude Ephraim, Zittauer Straße 56, 1927Auch das frü­he­re Wohn­haus Epha­rim (Jakobstra­ße 5, spä­ter Franz Gru­n­ert) hat inzwi­schen gelit­ten. Das Ver­wal­tungs­ge­bäu­de der Fir­ma Ephra­im Eisen­han­del in der Zit­ter­stra­ße 56 (vor dem Schüt­zen­haus) errich­te­te 1927 der in Gör­litz durch zahl­rei­che Groß­bau­ten ver­tre­te­ne Archi­tekt Alfred Hent­schel; es steht leer und verfällt.
Steinbank vor Fabrik Raupach, um 1910Die Sitz­bank mit Brun­nen, Aus­stel­lungs­stück der Gewer­be- und- Industrieausstellung1905 in Gör­litz für die Gra­nit­fir­ma Theo­dor Alex­an­der Katz, erwarb der Fabri­kant Richard Rau­pach und stell­te sie an der Zit­tau­er Stra­ße vor sei­nem Werk­ge­län­de auf;dort ver­fällt sie heu­te nach und nach, wür­de aber gut in das Umfeld der Stadt­hal­le passen.
Modehaus Frankenstein/Markus in der Berliner Strasse 10, um 1925Ein Opfer der ober­fläch­li­chen Schnell­sa­nie­run­gen Anfang der 1990er Jah­re wur­de das frü­he­re Tex­til­haus Frankenstein/Markus in der Ber­li­ner Stra­ße 10. Die ehe­ma­li­ge Fas­sa­de ist nur noch in der Grund­auf­tei­lung erkenn­bar, das Inne­re eine gesichts­lo­se Hal­le mit lan­gen Rega­len zum raschen Aus­tausch der Gewer­be­mie­ter, archi­tek­to­nisch tot.
Die Vil­la Alex­an­der Katz neben dem Stän­de­haus (frü­her Pro­me­na­de 14) wur­de noch 1945 durch Bom­ben zer­stört und ist heu­te Müll­hal­de und Urwald, eine Schan­de in Grenz­nä­he. Die Tex­til­fa­brik Mül­ler und Kauf­mann an der Ufer­stra­ße ist Rui­ne und Die Kofferfabrik von Julius Arnade in Moys (Ujazd) ist stillgelegtteils abge­tra­gen, die Kof­fer­fa­brik in Moys (Ujazd) ist stillgelegt.
Die Auf­stel­lung lie­ße sich fort­set­zen. Es ist nicht zu über­se­hen: Die­se Erbe ist weit­ge­hend vergessen.Im öffent­li­chen Bewusst­sein und in der denk­mal­pfle­ge­ri­schen Dring­lich­keits­lis­te kommt es kaum vor. Irgend­wann wer­den ver­mut­lich nur noch Der Eingang zum Lager Biesnitzer GrundSyn­ago­ge und KZ Bies­nit­zer Grund (die­ses auch über­baut) mit der Geschich­te der Gör­lit­zer Juden in Zusam­men­hang gebracht wer­den, nicht mehr ihre Wohn- und Wir­kungs­stät­ten vor 1933, also aus den Jahr­zehn­ten ihrer Viel­fäl­ti­gen Tätig­keit für das Wohl der Stadt.
Paul MühsamNicht ein­mal beschei­de­ne Täfel­chen erin­nern an den Dich­ter Paul Müh­sam (Bis­marck­stra­ße 4) oder an den Kom­mer­zi­en­rat und Stif­ter Les­ser Ephra­im (Jakobstra­ße 5). Es wäre an der Zeit, Grund­stücks­käu­fer und Inves­to­ren auf die­ses ver­pflich­ten­de Erbe auf­merk­sam zu machen und für des­sen Erhal­tung zu wer­ben. Anfän­ge sind gemacht. Auf die Dau­er kann sich die Stadt nicht vor der mora­li­schen Last der Geschich­te davon­steh­len. Dies nur als Fuß­no­te zum gelun­ge­nen Synagogenjubiläum.
Von Dr. Ernst Kret­sch­mar, Görlitz
Mit freund­li­cher Geneh­mi­gung des Stadt­BILD-Ver­la­ges Görlitz
Die in ecki­gen Klam­mern kur­siv ein­ge­füg­ten Hin­wei­se stam­men nicht vom Autor. 

Wei­te­re Informationen:
Zei­ten­sprün­ge-Pro­jekt
Syn­ago­ge. Juden in Görlitz
Die Syn­ago­ge in Görlitz

Heute vor 40 Jahren

Bun­des­prä­si­dent Gus­tav Hei­ne­mann löst den 6. Bun­des­tag (1969 — 1972) auf.

Porträt Gustav Heinemann als Bundespräsident

Der am 28. Sep­tem­ber 1969 gewähl­te 6. Bun­des­tag war ein Bun­des­tag der ver­fas­sungs­recht­li­chen Erst­an­wen­dun­gen: Erst­mals wur­de ein kon­struk­ti­ves Miss­trau­ens­vo­tum und die Ver­trau­ens­fra­ge des Bun­des­kanz­lers gestellt, erst­mals wur­de der Bun­des­tag auf­ge­löst. Schon der Anfang der Legis­la­tur­pe­ri­ode war von Umbrü­chen geprägt: Erst­mals koalier­ten SPD und FDP mit­ein­an­der, erst­mals wur­de die Uni­on in die Oppo­si­ti­on gedrängt, und mit  Wil­ly Brandt wur­de erst­mals ein Sozi­al­de­mo­krat ins Kanz­ler­amt gewählt.

Doch vom Amts­an­tritt der Regie­rung Brandt bis zum Jahr 1972 waren so vie­le Abge­ord­ne­te der SPD und der FDP zur Uni­ons­frak­ti­on gewech­selt, dass die CDU/C­SU-Frak­ti­on rech­ne­risch über eine knap­pe abso­lu­te Mehr­heit ver­füg­te. Der CDU/C­SU-Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de Rai­ner Bar­zel glaub­te daher im April 1972, Wil­ly Brandt mit­tels eines kon­struk­ti­ven Miss­trau­ens­vo­tums ablö­sen zu kön­nen. Doch für sei­ne Wahl zum Bun­des­kanz­ler fehl­ten ihm bei der Abstim­mung zwei Stim­men. Spä­ter wur­de bekannt, dass das Minis­te­ri­um für Staats­si­cher­heit (MfS) der DDR min­des­tens einen Abge­ord­ne­ten, Juli­us Stei­ner, der CDU besto­chen hatte. 

Da aller­dings die SPD/FDP-Koali­ti­on im Bun­des­tag über kei­ne hand­lungs­fä­hi­ge Mehr­heit mehr ver­füg­te, stell­te Brandt am 22. Sep­tem­ber 1972 die Ver­trau­ens­fra­ge, bei wel­cher sich abspra­che­ge­mäß die Bun­des­mi­nis­ter ent­hiel­ten, sodass die Ver­trau­ens­fra­ge nicht posi­tiv beant­wor­tet wur­de und Bun­des­prä­si­dent Gus­tav Hei­ne­mann bereits einen Tag spä­ter im Sin­ne der Absich­ten Brandts den 6. Bun­des­tag auf­lö­sen konnte.

Quel­le:
de.wikipedia.org

Heute vor 40 Jahren

Paläs­ti­nen­si­sche Ter­ro­ris­ten über­fal­len das israe­li­sche Mann­schafts­quar­tier im Olym­pi­schen Dorf in München

 Die Gedenktafel an der Connollystraße 31 im Olympischen Dorf in München im Juni 2012.Um 4:40 Uhr am Mor­gen des 5. Sep­tem­ber 1972 über­stei­gen acht Mit­glie­der der paläs­ti­nen­si­schen Ter­ror­or­ga­ni­sa­ti­on Schwar­zer Sep­tem­ber  den Siche­rungs­zaun des olym­pi­schen Dor­fes und beset­zen das Quar­tier der israe­li­schen Oly­mi­amann­schaft.  Hier­bei wer­den sie von Mon­teu­re der Post beob­ach­tet, aber für heim­keh­ren­de Sport­ler gehalten.

Mühe­los über­wäl­ti­gen die mit Sturm­ge­weh­ren bewaff­ne­ten Gei­sel­neh­mer die israe­li­schen Sport­ler und neh­men elf Gei­seln. Der Sport­ler Wein­berg ver­sucht zu flie­hen und wird durch eine Tür hin­durch erschos­sen. Auch der ange­schos­se­ne Roma­no stirbt an sei­nen Ver­let­zun­gen, da er nicht behan­delt wer­den darf. Die Ter­ro­ris­ten ver­lan­gen die Frei­las­sung von 232 in Isra­el inhaf­tier­ten Paläs­ti­nen­ser, der deut­schen Ter­ro­ris­ten Andre­as Baa­der und Ulri­ke Mein­hof sowie des japa­ni­schen Ter­ro­ris­ten Kozo Okamoto.

Der israe­li­sche Bot­schaf­ter erklärt, dass die Regie­rung von Gol­da Meir nicht von ihrem Grund­a­stz abwei­chen wer­de, kei­ne Gefan­ge­nen frei­pres­sen zu las­sen. Meh­re­re Ulti­ma­ten ver­strei­chen und wer­den ver­län­gert. Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Gen­scher bie­tet sich ver­geb­lich als Ersatz­gei­sel an. Aus Radio und Fern­se­hen kön­nen sich die Ter­ro­ris­ten über den Auf­marsch der Poli­zei infor­mie­ren, eine Befrei­ungs­ak­ti­on schei­tert deshalb.

Schließ­lich ver­lan­gen die Ter­ro­ris­ten ein Flug­zeug nach Kai­ro und wol­len mit ihren neun Gei­seln zum Mili­tär­flug­ha­fen in Fürs­ten­feld­bruck gebracht wer­den. Mit zwei Hub­schrau­bern des Bun­des­grenz­schut­zes wer­den die Ter­ro­ris­ten und ihre Gei­seln nach Fürs­ten­feld­bruck geflo­gen. Hier war­tet eine Boe­ing 727 mit lau­fen­den Trieb­wer­ken, aber fast lee­rem Tank. Unzu­rei­chend aus­ge­bil­de­te Poli­zis­ten leh­nen einen Angriff auf die Gei­sel­neh­mer wegen des hohen Risi­kos über­ra­schend ab. Die Ter­ro­ris­ten erken­nen die Fal­le, und es beginnt ein schreck­li­che Schuss­wech­sel. Einen Ter­ro­ris­ten gelingt es, eine Hand­gra­na­te in einen Hub­schrau­ber zu wer­fen. Alle Gei­seln im Hub­schrau­ber sterben.

Die Akti­on endet in einem Fias­ko: Fünf Ter­ro­ris­ten sind, drei fest­ge­nom­men. Von den neun Gei­seln über­lebt niemand.

Quel­len:
wikipedia.org
NORDSEE-ZEITUNG vom 5. Sep­tem­ber 2012

Der Gelbe Schein — Mädchenhandel 1860 bis 1930

Der Gelbe Schein — Mädchenhandel 1860 bis 1930

Mil­lio­nen Mäd­chen und jun­ge Frau­en aus Euro­pa ver­las­sen in den Jah­ren um 1900 ihre Hei­mat: Sie rei­sen aus Hes­sen nach Kali­for­ni­en, aus Russ­land nach New York oder aus Gali­zi­en nach Bue­nos Aires, um dort ihr Glück und eine neue Exis­tenz zu suchen. Für Zehn­tau­sen­de von ihnen führt der Weg in die Pro­sti­tu­ti­on. Der Bedarf an weib­li­cher Zuwen­dung und sexu­el­len Dienst­leis­tun­gen ist in den gro­ßen Ein­wan­der­er­zen­tren der Neu­en Welt enorm.

Der Gelbe ScheinDer Gel­be Schein. Mäd­chen­han­del 1860 bis 1930“ ist eine gemein­sa­me Aus­stel­lung der Stif­tung Neue Syn­ago­ge Ber­lin – Cen­trum Judai­cum und des Deut­schen Aus­wan­der­hau­ses Bremerhaven.

Sie greift ein bis­lang unge­schrie­be­nes und weit­ge­hend unbe­kann­tes Kapi­tel der euro­päi­schen Mas­sen­aus­wan­de­rung und auch der jüdi­schen Sozi­al­ge­schich­te auf. „Der Gel­be Schein“, ein umgangs­sprach­li­cher Aus­druck für den Pro­sti­tu­ier­ten-Aus­weis im vor­re­vo­lu­tio­nä­ren Russ­land, ist auch ein Sym­bol für die Zwangs­la­ge vie­ler jun­ger Frau­en in jener Zeit: Ein Umzug vom Stetl in Städ­te wie Mos­kau oder St.Petersburg war Jüdin­nen in Russ­land offi­zi­ell nur erlaubt, wenn sie sich als Pro­sti­tu­ier­te regis­trie­ren ließen.

 Der Gelbe Schein

Auch in Öster­reich-Ungarn und im Deut­schen Reich hat­ten jun­ge Mäd­chen aus den ärme­ren Bevöl­ke­rungs­schich­ten oft kei­ne ande­re Über­le­bens­chan­ce, als ihren Kör­per zu ver­kau­fen. Eine Aus­wan­de­rung in die Neue Welt wur­de für sie fast immer zur ris­kan­ten Grat­wan­de­rung: Sie such­ten Arbeit in Pri­vat­haus­hal­ten, Gast­stät­ten oder Tanz­pa­läs­ten und lan­de­ten im Bor­dell. Mit Gewalt ver­schleppt, mit mär­chen­haf­ten Ver­spre­chen ver­führt oder aus frei­en Stü­cken? Die Dis­kus­si­on dar­über wur­de schon damals vehe­ment geführt.

In jah­re­lan­gen Recher­chen hat das Aus­stel­lungs­team um die Kura­to­rin Ire­ne Stra­ten­werth nach Spu­ren gesucht, die vom Leben die­ser Mäd­chen und jun­gen Frau­en erzäh­len – und von den Män­nern und Frau­en, die mit ihnen Geld ver­dien­ten. Oft ist nicht mehr als ein ein­zel­nes Frag­ment geblie­ben: ein Foto, ein Poli­zei- oder Gerichts­pro­to­koll, eine Zei­tungs­no­tiz, ein Brief. 

Und doch ent­steht aus den Fund­stü­cken aus Archi­ven, unter ande­rem in Ber­lin, Ham­burg, Genf und Wien, in Czer­no­witz, Odes­sa und Bue­nos Aires, eine berüh­ren­de Schau, gestal­tet und ein­ge­rich­tet von Stu­dio Andre­as Hel­ler, Archi­tects und Desi­gners in Ham­burg. Mit Bil­dern, Tex­ten, Land­kar­ten, Brie­fen und Audio­do­ku­men­ten gelingt eine Annä­he­rung an die Lebens­schick­sa­le der „allein aus­wan­dern­den Mäd­chen“. Erst­mals wer­den auch zwei in einem Archiv in St. Peters­burg auf­ge­fun­de­ne Vari­an­ten des „Gel­ben Scheins“ von 1875 und 1894 in Deutsch­land präsentiert.

Die Aus­stel­lung, die in Ber­lin und Bre­mer­ha­ven zeit­gleich, aber mit ver­schie­de­nen Schwer­punk­ten gezeigt wird, behan­delt auch einen wich­ti­gen Aus­schnitt der jüdi­schen Sozi­al­ge­schich­te: Fast vier Mil­lio­nen Juden wan­der­ten bis 1930 aus Ost­eu­ro­pa aus. Die meis­ten von ihnen gehör­ten zu den Ärms­ten der Armen.

Das Pro­jekt wird durch die Kul­tur­stif­tung des Bun­des ermög­licht. Die Aus­stel­lungs­er­öff­nung im Cen­trum Judai­cum Ber­lin fin­det am 19. August 2012 im Rah­men und mit Unter­stüt­zung der Jüdi­schen Kul­tur­ta­ge statt. Im Deut­schen Aus­wan­der­er­haus Bre­mer­ha­ven wird die Schau am  26. August 2012 eröff­net und ist ab dem 27. August für die Besu­cher zu sehen. Ein Begleit­band erscheint in der Schrif­ten­rei­he des Deut­schen Auswandererhauses.
Ter­mi­ne:
Sams­tag, 26. August 2012 bis Don­ners­tag, 28. Febru­ar 2013 

Deut­sches Aus­wan­der­er­haus
Colum­bus­stra­ße 65 
27568 Bre­mer­ha­ven

Heute vor 51 Jahren

Volks­po­li­zis­ten und Betriebs­kampf­grup­pen der DDR begin­nen mit dem Bau der Ber­li­ner Mauer.

Berlin.- Bau der Mauer am Brandenburger Tor, Aufstellung von Mauersegment vor dem Brandenburger Tor durch Militär- und Baufahrzeuge (Luftaufnahme); Sommer/Herbst 1961.In der Nacht vom 12. auf den 13. August 1961 begann die DDR, die Stra­ßen und Gleis­we­ge nach West-Ber­lin abzu­rie­geln. Sowje­ti­sche Trup­pen waren an den alli­ier­ten Grenz­über­gän­gen prä­sent. Alle noch bestehen­den Ver­kehrs­ver­bin­dun­gen zwi­schen den bei­den Tei­len Ber­lins wur­den unter­bro­chen. Aller­dings waren die West-Ber­li­ner S‑Bahn- und U‑Bahn-Lini­en auf den Tun­nel­stre­cken unter Ost-Ber­li­ner Gebiet nur inso­weit betrof­fen, dass ein Ein- bzw. Aus­stieg nicht mehr mög­lich war. Nur noch die den Bahn­hof Fried­rich­stra­ße berüh­ren­den Lini­en hat­ten einen Halt zum Errei­chen der dort ein­ge­rich­te­ten Grenzübergangsstelle. 

13.8.1961-Berlin: Sicherung der Staatsgrenze am 13.8.1961. Zahlreiche Westberliner Bürger ließen sich durch die Frontstadtpropaganda nicht von einem Besuch der DDR-Hauptstadt Berlin abhalten und passierten am 13.8. die für den Übergang eingerichteten Kontrollstellen. Nach der Kontrolle am Brandenburger Tor kehren die Besucher nach Westberlin zurück.Eigent­lich wur­de am 13. August 1961 nur die Sek­to­ren­gren­ze abge­rie­gelt. An die­sem und den Fol­ge­ta­gen wur­den an eini­gen Stel­len Mau­ern gebaut, an ande­ren wur­den Zäu­ne auf­ge­stellt und Sta­chel­draht gezo­gen. In der Ber­nau­er Stra­ße stan­den Gebäu­de direkt auf dem Grenz­ver­lauf, so dass der Bord­stein zu West-Ber­lin gehör­te, wäh­rend der Bau auf Ost-Ber­li­ner Gebiet stand. In sol­chen Fäl­len wur­den die Haus­ein­gän­ge zuge­mau­ert. Die Bewoh­ner gelang­ten nur über die Hin­ter­hö­fe zu ihren Woh­nun­gen. In den Tagen nach der Abrie­ge­lung der Sek­to­ren­gren­ze kam es zu vie­len Flucht­ver­su­chen, die spä­ter durch den Zubau der Fens­ter, die sich an der Sek­to­ren­gren­ze nach West-Ber­lin öff­ne­ten, und den wei­te­ren Aus­bau der Grenz­si­che­rungs­an­la­gen erschwert wurden.

Zentralbild/Kollektiv, 15.6.1961, Internationele PressekonferenzDie Ent­schei­dung zur Schlie­ßung der Sek­to­ren­gren­ze fiel bei einer Bespre­chung zwi­schen Chruscht­schow und Ulb­richt am 3. August 1961 in Mos­kau. Der Plan zum Mau­er­bau war ein Staats­ge­heim­nis der DDR-Regie­rung. Die Mau­er wur­de auf Geheiß der SED-Füh­rung errich­tet – ent­ge­gen den Beteue­run­gen des Staats­rats­vor­sit­zen­den der DDR, Wal­ter Ulb­richt, am 15. Juni 1961. Eine Jour­na­lis­tin hat­te damals gefragt, ob die Bil­dung einer frei­en Stadt bedeu­tet, dass die Staats­gren­ze am Bran­den­bur­ger Tor errich­tet wird.

Dar­auf ant­wor­te­te Wal­ter Ulbricht:

Ich ver­ste­he Ihre Fra­ge so, dass es Men­schen in West­deutsch­land gibt, die wün­schen, dass wir die Bau­ar­bei­ter der Haupt­stadt der DDR mobi­li­sie­ren, um eine Mau­er auf­zu­rich­ten, ja? Mir ist nicht bekannt, dass [eine] sol­che Absicht besteht, da sich die Bau­ar­bei­ter in der Haupt­stadt haupt­säch­lich mit Woh­nungs­bau beschäf­ti­gen und ihre Arbeits­kraft dafür voll aus­ge­nutzt wird, voll ein­ge­setzt wird. Nie­mand hat die Absicht, eine Mau­er zu errichten.“

Ulb­richt war damit der ers­te, der den Begriff „Mau­er“ in die­sem Bezug öffent­lich ver­wen­de­te – zwei Mona­te, bevor sie über­haupt stand. Über den Bau der Mau­er war zu jenem Zeit­punkt jedoch noch nicht entschieden.

Quel­le Bil­der und Text:
wikipedia.org

Flieg, Bürgermeister, flieg

Bürgermeister John Smith

In Gör­litz wird Bür­ger­meis­ter Gott­lob Lud­wig Demia­ni als gro­ßer Sohn der Stadt ver­ehrt, hier in Bre­mer­ha­ven ist es Bür­ger­meis­ter Johann Smidt 1773 — 1857).

Johann Smidt wur­de 1821 Bre­mer Bür­ger­meis­ter, und er blieb in die­sem Amt bis zu sei­nem Tod, aus­ge­nom­men in der Zeit der Revo­lu­ti­on von 1849 bis 1852. Unbe­strit­ten sind sei­ne Ver­diens­te um die Stadt – wenn Johann Smidt nicht so cle­ver ver­han­delt hät­te, gäbe es Bre­men heu­te als eigen­stän­di­ges Bun­des­land nicht mehr. Und es gäbe Bre­mer­ha­ven nicht. Und so wur­de bei­den Bür­ger­meis­tern ein Denk­mal gesetzt, auf dass sie auf ewi­ge Zeit in unse­rer Erin­ne­rung blei­ben sollen.

Das ist auch gut so, dass an sie erin­nert wird. Aber nur dann, wenn nicht nur an die “ruhm­rei­che” Ver­gan­gen­heit erin­nert wird. Denn zumin­dest  Johann Smidt hat­te auch eine ande­re Ver­gan­gen­heit. Er war vie­les, aber ein auf­rech­ter Demo­krat war er nicht. Sein Cre­do war: “Was schert mich die Rechts­la­ge, das lösen wir bre­misch!” Und sei­ne  Juden­ver­ach­tung fand furcht­ba­ren Ein­gang in die dama­li­ge natio­na­le Gesetz­ge­bung. So schöpf­te er alle Mög­lich­kei­ten aus, die Juden aus Bre­men zu ver­trei­ben.  Seit 1821 betrieb er die “völ­li­ge Aus­trei­bung der Kin­der Isra­els” als eine “ange­le­gent­li­che Staats­sor­ge” und hielt die jüdi­schen Mit­bür­ger als “Fremd­kör­per in einem christ­li­chen Staatswesen.”

Und gera­de des­halb ist es kei­ne Lösung, sei­nen Namen aus den Erin­ne­run­gen zu löschen.Das Bürgermeister-Smith-Denkmal in Bremerhaven Aus heu­ti­ger Sicht waren die Ansich­ten von Bür­ger­meis­ter Johann Smidt auf jeden Fall rück­schritt­lich und juden­feind­lich. Den­noch soll­te man sich davor hüten,  poli­ti­sche Urtei­le und Ent­schei­dun­gen aus der ers­ten Hälf­te des 19. Jahr­hun­derts mit den heu­ti­gen Maß­stä­ben zu mes­sen.  Man muss auch den dama­li­gen Zeit­geist betrach­ten. Smidt war nicht der ein­zi­ge Anti­se­mit unter den Han­sea­ten. Neben Bre­men haben auch Lübeck und Ham­burg die Juden aus der Stadt gejagt. Der Hin­ter­grund: Napo­le­on hat­te Nord­deutsch­land besetzt, für ein paar Jah­re hat das der jüdi­schen Bevöl­ke­rung Frei­zü­gig­keit und Bür­ger­rech­te beschert. Nach der Nie­der­la­ge von Napo­le­on 1814 war damit Schluss – vie­le gro­ße Städ­te kas­sier­ten die Bür­ger­rech­te ihrer jüdi­schen Bevölkerung.

Johann Smidt starb 1857, und vie­le wer­den wohl nicht um ihn getrau­ert haben. 1973

Sein Denk­mal aber steht seit nun­mehr 124 Jah­ren in Bre­mer­ha­ven auf dem Theo­dor-Heuss-Platz. Durch die jah­re­lan­gen Umwelt­ein­flüs­se hat die Bron­ze­sta­tue arg gelit­ten und muss nun saniert wer­den. Den Auf­trag hat ein Ber­li­ner Metall­re­stau­rie­rungs­be­trieb über­nom­men. Ver­gan­ge­nen Diens­tag lern­te der ton­nen­schwe­re Bür­ger­meis­ter dann das Bürgermeister Smith fliegt durch die LüfteFlie­gen. An einem Auto­kran schweb­te er von sei­nem Sockel, um in die Haupt­stadt zu rei­sen. Aber nicht wie zu sei­nen Leb­zei­ten mit der Kut­sche oder Loko­mo­ti­ve son­dern mit einem Trans­por­ter. Doch der Bür­ger­meis­ter reist nicht allein, er wird von sei­nem “Stab” beglei­tet: Der Kauf­mann und der afri­ka­ni­sche Jun­ge mit Baum­woll­bal­len undAuch die Seitenfiguren und der Granitsockel werden saniert. Fäss­chen, die zu sei­nem rech­ten Fuß saßen und der in Ölzeug geklei­de­te See­mann  mit sei­nem Anker sowie ein wei­te­rer Bub, die ihren Platz vor sei­nem lin­ken Fuß hatten.

Das Denk­mal ist nach einem Ent­wurf des Leip­zi­ger Bild­hau­ers Wer­ner Stein in Dres­den gegos­sen und erst 31 Jah­re nach dem Tod von Smidt auf­ge­stellt wor­den. Das Denk­mal trägt in gold­far­be­nen Let­tern die Inschrift: “Dem Bür­ger­meis­ter der Frei­en Han­se­stadt Bre­men, Dr. Johann Smith, dem Grün­der Bre­mer­ha­vens.”  Ich hof­fe, dass das Denk­mal nach sei­ner Rück­kehr einen Zusatz ent­hält, in dem auch auf sei­ne Ver­trei­bung der Juden aus Bre­men erin­nert wird. Denn nur, wenn man an Rühm­li­ches und an Unrühm­li­ches ins­ge­samt erin­nert, nur dann wird man der Ver­gan­gen­heit gerecht.

1973 wur­de der dama­li­ge Ham­bur­ger Bür­ger­meis­ter Her­bert Weich­mann gebe­ten, zu Ehren von Smith eine Rede zu hal­ten. Der Jude Her­bert Weich­mann wei­ger­te sich damals mit den Wor­ten: “Das hät­te Smith nicht gewollt.”

Quel­le:
NORDSEE-ZEITUNG.de