Kategorie: Bremerhaven

Die Nachkriegszeit aus weiblicher Perspektive

Das His­to­ri­sche Muse­um Bre­mer­ha­ven lädt am Mitt­woch, den 9. Sep­tem­ber 2015 um 15.00 Uhr zu einer beson­de­ren Extra­Tour­Plus durch die Son­der­aus­stel­lung „Die Nach­kriegs­zeit auf Bre­mer­ha­ve­ner Pres­se­fo­tos“ ein.

Nachkriegszeit aus weiblicher Perspektive

Der All­tag von Frau­en steht im Mit­tel­punkt der Füh­rung, an die sich noch ein Erzähl­Ca­fé anschließt. Mar­ti­na Otto wird mit den Teil­neh­mer/-innen der Fra­ge nach­ge­hen, wie das Leben von Frau­en im Nach­kriegs-Bre­mer­ha­ven aus­sah. Auf den Foto­gra­fien von Georg Rog­ge sind immer wie­der Frau­en zu sehen — ob als Rot-Kreuz-Schwes­ter im Flücht­lings­heim, als Aus­wan­de­re­rin oder als Arbei­te­rin in der Fisch­in­dus­trie. Der All­tag von Frau­en war in den ers­ten Jah­ren nach Kriegs­en­de oft müh­sam. Vie­le Frau­en muss­ten allein für sich und ihre Fami­li­en sor­gen und behaup­te­ten sich erfolg­reich. Mit­te der 1950er Jah­re wur­de die Frau wie­der ver­stärkt in ihre tra­di­tio­nel­le Rol­le gedrängt. Die Wer­bung ent­deck­te sie als Kon­su­men­tin und umschmei­chel­te sie.

Der Aus­stel­lungs­rund­gang zeigt unter­schied­li­che Aspek­te von Frau­en­le­ben in der Zeit von 1945 bis Ende der 1950er Jah­re auf. Auch poli­ti­sches Enga­ge­ment von Frau­en wird thematisiert.

Im Anschluss an die Füh­rung besteht bei Kaf­fee, Tee und Kuchen die Mög­lich­keit, sich über das Gese­he­ne aus­zu­tau­schen und über eige­ne Erfah­run­gen zu spre­chen. Für die Teil­nah­me an die­ser Extra­Tour­Plus ist eine vor­he­ri­ge Anmel­dung unter 0471/308160 erfor­der­lich. Die Kos­ten betra­gen 7 Euro pro Per­son, Kaf­fee und Kuchen sowie Ein­tritt inklu­si­ve. Treff­punkt ist das Muse­ums­foy­er.
Quel­le:
His­to­ri­sche Muse­um Bre­mer­ha­ven: „HMB aktu­ell 47/15 – 01.09.2015″

Eine BrotBar am Theoder-Heuss-Platz

Seit der Sail 2015 lädt am Bre­mer­ha­ve­ner Theo­dor-Heuss-Platz eine neue Brot­Bar zum Früh­stück ein. Immer auf der Suche nach einer neu­en Mög­lich­keit, mei­nen Gau­men ver­wöh­nen zu las­sen, bin ich ein­ge­kehrt und habe an einem Fens­ter Platz genommen.

BrotBar am Theodor-Heuss_Platz

Die Brot­bar, das ist eine Sym­bio­se aus Café, Bis­tro, Restau­rant und Ver­kauf von Back­wa­ren aller Art. Man fin­det sie im west­li­chen Gebäu­de­trakt des kürz­lich neu eröff­ne­ten Nordsee-Hotels.

Ich trat ein, nahm Platz und ver­tief­te mich zunächst in die umfang­rei­che Spei­se- und Geträn­ke­kar­te, die hier “Brot­Bar-Depe­sche” genannt wird. Da ich früh­stü­cken woll­te, inter­es­sier­te mich in ers­ter Linie die Rubrik “Brot­Bar – Das Früh­stück”. Von der süßen Num­mer für 5,50 € über ein Her­ren­ge­deck für 5,00 € und  einer Damen­run­de für 5,00 € bis zum vol­len Paket für 6,50 € hat die Brot­Bar eine gute Aus­wahl vorrätig.

BrotBar-Depesche

Ich ent­schied mich für das vol­le Paket und run­de­te das Gan­ze ab mit Rühr­ei und Bacon zu 1,85 €. Zur Ein­stim­mung geneh­mig­te ich mir ein klei­nes Gläs­chen Pro­sec­co, das mir mit 3,90 € in Rech­nung gestellt wur­de. Die Tas­se Kaf­fee für das Her­ren­ge­deck muss mit 1,70 € extra bezahlt wer­den. Dafür ist der Kaf­fee aber auch sehr lecker. Und ich möch­te beto­nen, dass die Bröt­chen “echt” sind, kei­ne Auf­back­wa­re aus Chi­na oder was weiß ich woher. Alles wur­de ser­viert von einer freund­li­chen und sehr auf­merk­sa­men Bedienung.

BrotBar

Ich order­te noch eine zwei­te Tas­se Kaf­fee und ließ mir die Rech­nung präsentieren: 
Vol­les Paket            6,50 €
Rühr­ei mit Bacon   1,85 €
1 Glas Pro­sec­co      3,90 €
2 Tas­sen Kaf­fee       3,40 €
Gesamt                   15,65 €
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Innenraum der BrotBar

Gut, das Früh­stück war nicht bil­lig, aber für das tol­le Ambi­en­te in die­ser Top-Lage durch­aus ange­mes­sen. Und natür­lich bekommt man hier nicht nur sein Früh­stück. Wer möch­te bleibt halt noch zum Mit­tag­essen. Da wird dann Baguette ser­viert oder man nimmt Zwie­bel­ku­chen oder ent­schei­det sich für Pan­ca­kes. Dazu kann man sich einen wei­ßen Bur­gun­der ser­vie­ren las­sen. Auch Riva­ner und Würt­tem­ber­ger Lem­ber­ger wird für 4,50 € je Glas ausgeschenkt.

Naja, die Brot­Bar wird sicher nicht zu mei­nen Stamm­re­stau­rants zäh­len. Aber ich habe den Besuch auch nicht bereut.

Auf­grund vie­ler Rück­fra­gen füge ich hier einen Nach­trag ein:

Nein, zum “Vol­len Paket” gibt es kei­nen Kaf­fee. Ich habe bei der Brot­Bar extra noch ein­mal nach­ge­fragt. Als Begrün­dung wur­de mir das 0,1 l Glas Oran­gen­saft genannt, dass zum Früh­stück ser­viert wird. Wer also Kaf­fee möch­te, der muss die­sen extra zahlen.

Nein, ich konn­te nir­gends auf  der “Brot­Bar-Depe­sche” eine Tele­fon­num­mer oder ande­re Kom­mu­ni­ka­ti­ons­da­ten fin­den, um mit der Brot­Bar Kon­takt auf­neh­men zu kön­nen. So habe ich beim Haven­bä­cker nach­ge­fragt. Dort wur­de mir als Tele­fon­an­schluss für die Brot­Bar fol­gen­de Num­mer genannt: 0471/30946675.

 

Protestbewegungen in der Nachkriegszeit

Das His­to­ri­sche Muse­um Bre­mer­ha­ven lädt am Don­ners­tag, den 3. Sep­tem­ber 2015 um 15.30 Uhr zu einer Extra­Tour­Spe­zi­al zum The­ma “Pro­test­be­we­gun­gen” durch die Son­der­aus­stel­lung “Die Nach­kriegs­zeit auf Bre­mer­ha­ve­ner Pres­se­fo­tos” ein.

Protestbewegungen in der Nachkriegszeit

Die bei­den His­to­ri­ker Nina Becker und Hen­ning Priet erläu­tern den Besu­cher/-innen, wie der Bre­mer­ha­ve­ner Jour­na­list und Pres­se­fo­to­graf Georg Rog­ge in der Nach­kriegs­zeit sowohl Pro­tes­te gegen die alli­ier­ten Besat­zungs­mäch­te als auch gegen die deut­sche Regie­rung öffent­lich machte.

Im ers­ten Teil der Füh­rung wer­den Georg Rog­ges Fotos zum “Kampf um Hel­go­land” vor­ge­stellt. Hel­go­land dien­te der bri­ti­schen Armee als Bom­ben­ab­wurf­platz. Zu den ver­schie­de­nen Initia­ti­ven zur Rück­ga­be und Wie­der­be­sied­lung der Insel zähl­te eine spek­ta­ku­lä­re Beset­zung der Insel durch zwei Hei­del­ber­ger Stu­den­ten von Dezem­ber 1950 bis Janu­ar 1951. Rog­ge war als Chef­re­por­ter der Nord­see-Zei­tung meh­re­re Tage auf Hel­go­land. Er berich­te­te jedoch nicht nur über die Beset­zung — er wur­de selbst zu einem Aktivisten.

Einen wei­te­ren Schwer­punkt der Füh­rung bil­det die “Blink-Affä­re”. 1954 wehr­ten sich die Bewoh­ner Am Blink mit Unter­stüt­zung von 1500 Werft­ar­bei­tern gegen die Beschlag­nah­mung ihrer Grund­stü­cke und Häu­ser. Auf ihren Grund­stü­cken soll­ten Woh­nun­gen für US-Sol­da­ten ent­ste­hen. Georg Rog­ge doku­men­tier­te unter dem auf­se­hen­er­re­gen­den Titel “Revo­lu­ti­on in Bre­mer­ha­ven” die Demons­tra­tio­nen, die Poli­zei­ge­walt und den Auf­marsch der Werft­ar­bei­ter aus nächs­ter Nähe. Bei­de Pro­test­be­we­gun­gen bil­de­ten die jour­na­lis­ti­schen Höhe­punk­te in Rog­ges Karriere.

Wei­te­re The­men der Füh­rung sind die Kund­ge­bun­gen zum 1. Mai, Pro­tes­te gegen die Wie­der­be­waff­nung der Bun­des­re­pu­blik, der Ein­satz für sozia­len Woh­nungs­bau und die Ent­schä­di­gun­gen für Heimatvertriebene.

Die Kos­ten für die Teil­nah­me an der Extra­Tour­Spe­zi­al sind im Muse­ums­ein­tritt ent­hal­ten. Start­punkt der Füh­rung ist am Don­ners­tag, den 3. Sep­tem­ber 201um 15.30 Uhr im Muse­ums­foy­er.
Quel­le:
His­to­ri­sche Muse­um Bre­mer­ha­ven: “HMB aktu­ell 46/15 — 26.08.2015”

Die vergessene Jugendstilvilla in Bremerhavens Kurfürstenstraße 3

Im Jah­re 1902 errich­te­te die Bau­ge­sell­schaft W. Rog­ge im Leher Frei­ge­biet neben zwei wei­te­ren im Jugend­stil gehal­te­nen Ein­fa­mi­li­en­häu­sern auch die Jugend­stil­vil­la Kur­fürs­ten­stra­ße Nr. 3. 

Bremerhavens Jugendstilvilla in der Kurfürstenstraße 3

Das einst für ein Ehe­paar namens Rahusen erstell­te Wohn­haus ist voll unter­kel­lert, hat ein aus­ge­bau­tes Dach­ge­schoss und soll eine Wohn­flä­che von etwa 327 Qua­drat­me­ter aufweisen.

Beson­ders die Fas­sa­den­ge­stal­tung mit einem Huf­ei­sen­bo­gen als Rah­mung der Fens­ter­grup­pe im Erd­ge­schoss soll im Land Bre­men als ein­ma­lig gel­ten. Man ver­mu­tet, dass der Archi­tekt Gus­tav Rog­ge das Haus gezeich­net hat und sich dabei von einem eng­li­schen Land­haus­stil inspi­rie­ren ließ.

Der Salon mit der bemal­ten Decke führt zum Gar­ten. Er dien­te einst als “Damen­zim­mer”. Neben einem Spei­se­auf­zug, der den Salon mit der Küche im Sou­ter­rain ver­bin­det, sind noch vie­le wei­te­re ori­gi­na­le Ein­rich­tungs­ge­gen­stän­de vor­han­den: So gibt es ein Intar­si­en­par­kett, Kachel­öfen mit geschmie­de­ten Git­tern, Stuck an den Zim­mer­de­cken und Terrazzofußböden.

Lei­der zählt die über 110 Jah­re alte Vil­la zu Bre­mer­ha­vens Schrott­im­mo­bi­li­en. Der Lebens­lauf des seit vier Jah­ren leer­ste­hen­den denk­mal­ge­schütz­ten Hau­ses berich­tet über einen erheb­li­chen Was­ser­scha­den und einer “Tätig­keit” als Bor­dell. Auch über eine dro­hen­de Zwangs­ver­stei­ge­rung soll das Grund­buch berich­ten. Der Ter­min war für den 9. März 2015 anbe­raumt, der Ver­kehrs­wert auf 700 Euro festgesetzt.

Die Stadt, die das Gebäu­de ret­ten möch­te, hat sich von den Eigen­tü­mern ein ein Vor­kaufs­recht  ein­räu­men las­sen. Nun sucht sie in deren Auf­trag einen Käu­fer, der bereit ist, die Vil­la für etwa einer hal­ben Mil­li­on Euro zu sanie­ren. Spe­ku­lan­ten sol­len kei­ne Chan­ce bekom­men.
Quel­len:
Thors­ten Brock­mann: “
Zu scha­de für den Abriss­bag­ger”, NZ v. 1.7.15

Die Windjammer kommen — Teil 3

Die Wind­jam­mer kom­men — Teil 3

Schon die Ein­lauf­pa­ra­de mit rund 300 Schif­fen soll am 12. August 2015 ein gro­ßes Spek­ta­kel wer­den. Bun­des­prä­si­dent Joa­chim Gauck, der die Schirm­herr­schaft für die Sail 2015 über­nom­men hat, wird sich auf die Nor­di­sche Jagt “Grön­land” ein­schif­fen und die Para­de abnehmen. 

Windjammer Nordische Jagt "Groenland"

Die Nor­di­sche Jagt “Grön­land” wur­de 1867 in Nor­we­gen als Rob­ben­fän­ger gebaut. Kapi­tän Carl Kol­dew­ey kauf­te das Schiff im Jah­re 1868 und tauf­te es auf den Namen “Grön­land” um. Am 24. Mai 1868 brach er mit dem Schiff zur ers­ten deut­schen Polar­ex­pe­di­ti­on auf und erreich­te 81°45′ nörd­li­che Brei­te. Kein Segel­schiff ohne Hilfs­an­trieb hat jemals einen nörd­li­che­ren Punkt erreicht. Am 10. Okto­ber 1868 lief die “Grön­land” zum ers­ten Mal in Bre­mer­ha­ven ein.

Mit Kauf­ver­trag vom 26. Janu­ar 1973 hat das Deut­sche Schif­fahrts­mu­se­um das Schiff zu einem Kauf­preis von 120.000 DM erwor­ben. Die heu­te 147 Jah­re alte “Grön­land” gilt als eines der am bes­ten restau­rier­ten Segel­schif­fe in Euro­pa und ist als Bot­schaf­te­rin Bre­mer­ha­vens in Nord- und Ost­see unter­wegs. Um die nöti­ge Pfle­ge des wert­vol­len Tra­di­ti­ons­seg­lers küm­mert sich eine ehren­amt­li­che Stammcrew.
Quel­len:
Deut­sches Schiffahrtsmuseum
wiki­pe­dia
Schiff­s­por­trait in “Sail Bre­mer­ha­ven 2015”, Sei­te 91

Die Geschichte des Hauses Hafenstraße 153

Es ist das Jahr, in dem Fer­di­nand Braun den Nobel­preis für Phy­sik bekommt. Es ist das Jahr, in dem die Deut­sche Reichs­post den bar­geld­lo­sen Post­scheck­ver­kehr ein­führt. Es ist das Jahr, in dem sich der Möbel­händ­ler Hein­rich Wal­ler an der Hafen­stra­ße 64 ein fünf­ge­schos­si­ges Wohn- und Geschäfts­haus mit einer reich ver­zier­ten Fas­sa­de erbau­en lässt. Es ist das Jahr 1909.

Hafenstraße 153

1879: Wil­helm I. ist König von Preu­ßen und ers­ter Deut­scher Kai­ser. Tho­mas A. Edi­son bringt zum ers­ten Mal eine Glüh­bir­ne dau­er­haft zum Leuch­ten. Im glei­chen Jahr grün­det der 1856 gebo­re­ne Hein­rich Wal­ler sein Möbel- und Deko­ra­ti­ons­ge­schäft. Am 6. Febru­ar 1883 wird Sohn Karl geboren.

1888 wird Wil­helm II. Deut­scher Kai­ser, und Hein­rich Wal­ler  steht 1890 in den Ver­kaufs­räu­men sei­nes “Leher Hau­ses” in der Hafen­stra­ße 64 und ver­kauft Möbel.

1890 Wohnhaus Waller

1905: Fünf Jah­ren zuvor hat der Deut­sche Kai­ser in Bre­mer­ha­ven sei­ne “Hun­nen­re­de” gehal­ten. In die­sem Jahr ist der von einer deut­schen Welt­macht träu­men­de Kai­ser schon wie­der vor Ort und besich­tigt den Lloyd­schnell­damp­fer “Kai­ser Wil­helm II”. In Ber­lin wird der Dom ein­ge­weiht, und die Geest­e­mün­der kön­nen über 320 Tele­fon­an­schlüs­se mit­ein­an­der plaudern.

Hein­rich Wal­ler lässt im Hin­ter­hof ein Lager­haus bau­en. Als Bäcker­meis­ter Brüg­ge­mannn das Nach­bar­haus Hafen­stra­ße 66 zum Ver­kauf stellt, greift Hein­rich Wal­ler zu und beauf­tragt das Leher Archi­tek­tur­bü­ro Adolf Fischer mit dem Neu­bau eines Wohn- und Geschäftshauses.

Werbeanzeige Architekt Adolf Fischer

1909: In Wien wird Franz Lehárs Ope­ret­te “Der Graf von Luxem­burg” urauf­ge­führt, in Bre­mer­ha­ven wir der Kai­ser­ha­fen III in Dienst gestellt und am Fische­rei­ha­fen wird die “Ers­te Deut­sche Stock- und Klipp­fisch­wer­ke GmbH” gegrün­det. Ja, im August wer­den die “Bür­ger”, die Lloyd- und die Kai­ser­stra­ße zum ers­ten Mal mit elek­tri­schen Bogen­lam­pen beleuchtet.

Am 24. Janu­ar 1909 gibt Hein­rich Wal­ler in der Pro­vin­zi­al-Zei­tung sei­ner wer­ten Kund­schaft zur gefäl­li­gen Nach­richt, “dass wäh­rend des Neu­bau­es der Möbel-Ver­kauf zu äußerst bil­li­gen Prei­sen” wei­ter­geht. Der Möbel­ver­kauf fin­det wäh­rend der Bau­zeit im Lager­haus im Hin­ter­hof statt.

1909 Zeitungsanzeige Heinrich Waller

1911: Die Reichs­ver­si­che­rungs­ord­nung wird ver­ab­schie­det. In Dres­den wird die Oper “Der Rosen­ka­va­lier” von Richard Strauss urauf­ge­führt. In Ham­burg wird der alte Elb­tun­nel ein­ge­weiht, in Eng­land läuft die “Tita­nic” vom Sta­pel und in Bre­mer­ha­ven läuft die Bark “Deutsch­land” zur 2. deut­schen Süd­po­lar­ex­pe­di­ti­on aus. Und – alles schon dage­we­sen – die Orts­grup­pe Lehe des Arbei­ter-Abs­ti­nen­ten-Bun­des for­dert, die Prei­se für alko­hol­freie Geträn­ke auf die Höhe der Bier­prei­se zu senken.

Unter­des­sen ver­kau­fen in Lehe Hein­rich Wal­ler und sei­ne Ehe­frau Gesi­ne ihre Möbel nun in dem fer­ti­gen Wohn- und Geschäftshaus.

1911 Postkarte Hafenstrasse

Hein­rich Wal­ler bezeich­net sein Möbel­haus jetzt als “größ­tes Möbel­la­ger am Plat­ze” und hat eine eige­ne Tisch­ler- und Pols­ter­stät­te. Kom­plet­te Woh­nungs­ein­rich­tun­gen kann man bei Wal­ler kau­fen. Gelie­fert wird frei Haus, und man ist modern und nun auch unter der Leher Tele­phon­num­mer 1237 fern­münd­lich erreichbar.

Zeitungsanzeige Möbelhaus Waller

Es ist wirk­lich ein prunk­vol­les Haus gewor­den, das der Möbel­händ­ler Hein­rich Wal­ler sich hat bau­en las­sen. Im ers­ten Ober­ge­schoss befin­det sich die Bel­eta­ge. Der Zugang zur Woh­nung führ durch ein reprä­sen­ta­ti­ves Treppenhaus.

Wohnungseingangstür

Auch die Woh­nun­gen in den höher gele­ge­nen Stock­wer­ken haben eine Aus­stat­tung, die weit über dem Stan­dard lie­gen. Jede Woh­nung hatt ein Bade­zim­mer und ein Spül-WC. Die zur dama­li­gen Zeit übli­chen Gemein­schafts­toi­let­ten gibt es in die­sem Hau­se nicht. So ist es nicht ver­wun­der­lich, dass hier Bank­di­rek­to­ren, Ärz­te und ande­re wohl­ha­ben­de Leu­te wohnen.

Waller-Haus

Dem Zeit­geist ent­spre­chend, zeigt Hein­rich Wal­ler was er hat. Er lässt die Fas­sa­de sei­nes Pracht­bau­es mit viel Stuck ver­zie­ren. Den konn­te man sich damals aus einen Kata­log bestel­len. Reich ver­zier­te Orna­ment­plat­ten und dick­bäu­chi­ge Balus­tra­den ste­hen zur Ver­fü­gung. Auch Köp­fe Figu­ren wer­den ange­bo­ten. Der Bau­herr wählt aus, und der Archi­tekt setzt alles wie ein Puz­zle zu einem Gesamt­bild zusammen.

1909 Wallers Büste

Hein­rich Wal­ler bestellt die Orna­men­te bei der Leher Fir­ma Brüg­ge­mann und hat sich als Büs­te über sei­nem Haus­ein­gang ver­ewi­gen las­sen. Links und rechts von ihm schau­en sei­ne Frau Gesi­ne und sei­ne Toch­ter Frie­da eben­falls auf den Ein­gang hinunter.

Was Johann und Her­mann Brüg­ge­mann alles so im Ange­bot haben, prei­sen sie an den Fas­sa­den ihres neu­en Fir­men­ge­bäu­des an – es ist die 1898 erstell­te Rudelsburg. 

1918 Karl Waller verstorben

1918: Im Novem­ber flieht der Deut­sche Kai­ser in die Nie­der­lan­de und dankt ab. Der Ers­te Welt­krieg ist ver­lo­ren und Fried­rich Ebert wird der ers­te Reichs­kanz­ler der Wei­ma­rer Repu­blik. Und auch in Bre­mer­ha­ven ist Schluss mit König und Kai­ser: An der Unter­we­ser bil­det sich ein Arbei­ter- und Sol­da­ten­rat. Durch die “Bür­ger” mar­schie­ren Sol­da­ten und Arbei­ter zum heu­ti­gen Theo­dor-Heuss-Platz und demons­trie­ren für Frie­den und Demo­kra­tie. In Lehe wird der “Kai­ser­park” nun fol­ge­rich­tig umbe­nannt. Er bekommt den unver­däch­ti­gen Namen “Deut­scher Garten”

Hein­rich Wal­lers Sohn Karl wird nicht mehr mit­er­le­ben, wie man ver­sucht, aus dem Kai­ser­reich eine Repu­blik zu gestal­ten, die dann doch nur 14 Jah­re hal­ten wird. Er stirbt am 24. Novem­ber 1918 in einem Laza­rett in Königs­berg. Er hin­ter­lässt sei­ne Wit­we Dora und drei klei­ne Kin­der. 1919 ver­kauft Hein­rich Wal­ler sein Möbel­ge­schäft samt Haus an den Kauf­mann Carl Kam­mer­scheidt, der den Wert des Objek­tes vom Zim­mer­mann und Kreis­schät­zer Wil­helm Speck­mann schät­zen lässt.

1919 Wertschätzung Hafenstraße 64

Wenn­gleich Hein­rich Wal­ler sein Geschäft nach dem Tode sei­nes Soh­nes Karl auf­ge­ge­ben hat, am gesell­schaft­li­chen Leben nimmt er wei­ter­hin teil. Aus­kunft dar­über geben uns die his­to­ri­schen Pro­to­kol­le des Schüt­zen­ver­ein zu Lehe von 1848 e. V. So ist im Pro­to­koll-Buch ver­merkt, dass Hein­rich Wal­ler am 27. März 1897 an der Schüt­zen-Gene­ral-Ver­samm­lung Ver­eins­lo­kal H Breyer’s Hotel “Stadt Lehe” teil­ge­nom­men hat.

Für den 2. Juli 1932 ver­merkt das Pro­to­koll, dass der Vor­sit­zen­de des Schüt­zen­ver­eins der am 5. Juni began­ge­nen “gol­de­nen Hoch­zeit unse­res Ehren­schüt­zen Hein­rich Wal­ler und sei­ner Gat­tin” gedach­te. Auch an der Jah­res­ver­samm­lung vom 7. März 1934 nimmt Hein­rich Wal­ler teil.

1936 Anzeigen

Gele­gent­lich der Bei­rats­sit­zung vom 30. Juli 1936 gibt der Ver­eins­füh­rer des Schüt­zen­ver­eins bekannt, dass Hein­rich Wal­ler im Lau­fe des Tages ver­stor­ben ist, und zwar kurz nach sei­nem 80. Geburts­tag. Aber da gibt es schon ein ande­res Deutsch­land. Kein Kai­ser­reich mehr und auch kei­ne Wei­ma­rer Repu­blik – Deutsch­land ist nun ein Tau­send­jäh­ri­ges Reich. Und da schaut auch der preu­ßi­sche Minis­ter­prä­si­dent Her­mann Göring mal vor­bei und legt den Grund­stein für das Hoch­see­fi­scher-Ehren­mal an der Geest­e­mo­le. Beim Grund­stein ist es dann auch geblie­ben, das Ehren­mal wur­de nie gebaut. Naja, sol­che klei­nen Pat­zer pas­sie­ren auch den heu­ti­gen Politikern.

1897 grün­det der aus Cel­le stam­men­der Mey­er Behr in Ham­burg ein Schuh­ge­schäft, die Fir­ma Gebrü­der Behr. Es wer­den meh­re­re Zweig­nie­der­las­sun­gen eröff­net, eine davon in Lehe.

Die Geschäfts­füh­rung für das Schuh- und Beklei­dungs­ge­schäft wird Hein­rich Behn­ke über­tra­gen.  1917 trennt er sich von der Fir­ma Gebrü­der Behr und eröff­net in der dama­li­gen Hafen­stra­ße 112 ein eige­nes Schuhgeschäft.

Gebrueder Behr

1920: Die Repu­blik ist in Auf­ruhr, radi­ka­le Rech­te und Lin­ke zet­teln Auf­stän­de an, und Mor­de an poli­ti­schen Geg­nern sind an der Tages­ord­nung. Die NSDAP wird gegrün­det. Im Deut­schen Reich tre­ten 12 Mil­lio­nen Men­schen in einen Gene­ral­streik.  Der ehe­ma­li­ge Bre­mer­ha­ve­ner Stadt­di­rek­tor Erich Koch-Weser wird Vize­kanz­ler, die Arbei­ter­wohl­fahrt wird gegrün­det und an der Kai­ser­schleu­se legt nach dem Krieg das ers­te Pas­sa­gier­schiff an. Es ist der frü­he­re Lloyd­damp­fer “Rhein”, der jetzt “Sus­queh­an­na” heißt.

Carl Kam­mer­scheidt trennt sich von sei­nem gera­de ein Jahr zuvor erwor­be­nen Haus Hafen­stra­ße 64. Sein Möbel­ge­schäft aber betreibt er im Hin­ter­hof noch eine Wei­le weiter.

1920 Kammerscheidt

Käu­fer des Hau­ses Hafen­stra­ße 64 ist Hein­rich Behn­ke, der hier jetzt sei­ne Schu­he ver­kau­fen will. Kurz vor dem Umzug von der Hafen­stra­ße 112 a in die Hafen­stra­ße 64 for­dert sein Schuh­haus “Roland” die Kund­schaft auf, jetzt “zu außer­ge­wöhn­lich bil­li­gen Prei­sen” zu kau­fen, denn “die Prei­se für Schuh­wa­ren stei­gen ganz gewaltig”.

Am 30. Novem­ber 1920 ist es soweit: Das Schuh­haus Hein­rich Behn­ke eröff­net und ver­kauft im Allein­ver­trieb die Schuh­mar­ke “Sala­man­der”. Bis zum 3. Dezem­ber erhal­ten alle Kun­den 3 %Rabatt, Kriegs­be­schä­dig­te und Krie­ger­wit­wen erhal­ten dau­er­haft 5 % Rabatt.

1920 Schuhhaus Behnke

Hein­rich Behn­ke schal­tet regel­mä­ßig Inse­ra­te in der Nord­west­deut­schen Zei­tung. So erfährt der Zei­tungs­le­ser am 22. Dezem­ber 1920, dass wie­der eine gro­ße Schuh­wa­ren­sen­dung ein­ge­trof­fen ist, die nun zu äußerst güns­ti­gen Prei­sen ange­bo­ten wer­den kann. Auch ist “eine Besich­ti­gung ohne Kauf­zwang gern gestat­tet”. Man weist dar­auf hin, dass man sich “neben Dro­ge­rie Rog­ge” befindet.

1920 Hafenstrasse

1924: In die­sem Jahr diri­giert Richard Strauß im Bre­mer­ha­ve­ner Stadt­thea­ter sei­ne Oper “Salo­me” und Max Sieg­hold grün­det eine Werk­statt für Schiffs­re­pa­ra­tu­ren, wor­aus spä­ter die Schiffs­werft und Maschi­nen­fa­brik Max Sieg­hold wird. Und die Städ­te Lehe und Geest­e­mün­de ver­ei­ni­gen sich. 73.000 Ein­woh­ner hat die neue preu­ßi­schen Stadt Wesermünde.

1935 Hafenstrasse 153

Nun müs­sen vie­le Stra­ßen umbe­nannt wer­den, um Dop­pel­ben­en­nun­gen zu ver­mei­den. Die Hafen­stra­ße wird ver­län­gert und reicht nun vom Frei­ge­biet bis hin­auf zum Markt. Bei die­ser Gele­gen­heit wer­den auch die Haus­num­mern neu zuge­wie­sen. Aus der Hafen­stra­ße 64 wird die Hafen­stra­ße 153.

1936 Hafenstrasse

1944: Seit 1933 bestimmt der GröFaZ (Größ­te Füh­rer aller Zei­ten) die Geschi­cke des Groß­deut­schen Rei­ches. Anfang des Jah­res 1943 befiehlt er  16jährige Schü­ler an die Flug­ab­wehr­ka­no­nen, um den Weser­mün­der Luft­raum zu schützen.

An der Ost­front beginnt die Früh­jahrs­of­fen­si­ve der Roten Armee, und in Ber­lin wird der Film “Die Feu­er­zan­gen­bow­le” uraufgeführt.

1935 Hafenstrasse 153 und 155

Am 15. und am 18. Juni 1944 wird das Gebiet um die Pau­lus­kir­che bom­bar­diert. Eine Bom­be fällt auf das Rame­low-Gebäu­de, das Haus brennt aus. Die Brand­mau­er zum süd­lich angren­zen­den “Rog­ge­haus”, Hafen­stra­ße 155, mit der Dro­ge­rie im Erd­ge­schoss, wird so warm, dass auch die Bewoh­ner des Hau­ses 153 (Schuh­haus Behn­ke) ihren Luft­schutz­kel­ler ver­las­sen. Glück­li­cher­wei­se kann der Brand gelöscht wer­den, und nie­mand ist zu Scha­den gekommen.

1950 Hafenstraße

1945: Der GröFaZ hat sich erschos­sen, die Wehr­macht hat kapi­tu­liert. Die alli­ier­ten Sie­ger­mäch­te füh­ren nun die Hoheits­ge­walt in ihren Besat­zungs­zo­nen aus. Für Deutsch­land gilt ein abso­lu­tes Schiffs­bau­ver­bot, die noch vor­han­de­ne Han­dels­flot­te wird beschlag­nahmt. Statt Fisch­fang gibt es jetzt etwas für die Ohren: Der ame­ri­ka­ni­sche Sol­da­ten­sen­der “AFN Bre­mer­ha­ven” geht am 28. Juli auf Sendung.

Die Ame­ri­ka­ner haben sich das Haus Hafen­stra­ße 153 aus­ge­schaut und beschlag­nah­men es. Alle Bewoh­ner müs­sen das Haus ver­las­sen. Fami­lie Behn­ke zieht ins Lager­haus um. Der Schuh­la­den wird in eine Biblio­thek für die GI’s umfunktioniert.

1954 Belegschaft Schuhhaus Behnke

1949 wer­den zwei deut­sche Staa­ten gegrün­det, und in Ham­burg nimmt der Nord­west­deut­sche Rund­funk den ers­ten Fern­seh­sen­der in Betrieb. Die Ame­ri­ka­ner geben das Haus Hafen­stra­ße 153 an die Fami­lie Behn­ke zurück, die ein Jahr spä­ter die Laden­front umbau­en las­sen. Das Schuh­haus wird auch mit einem moder­nen Pedo­skop ausgestattet.

1952 Schuhhaus Behnke

Mitt­ler­wei­le ist Kon­rad Ade­nau­er Bun­des­kanz­ler, in Bre­mer­ha­ven arbei­ten nur noch 7.600 Beschäf­tig­te in der Schiff­bau­in­dus­trie, und das Schuh­haus Behn­ke bekommt eine Sport­ab­tei­lung. Das ist auch nötig, weil Bre­mer­ha­ven 1962 einen Deut­schen Meis­ter im 100-Meter-Schmet­ter­lings­schwim­men bekom­men hat – es ist Wer­ner Freitag.

Jetzt gibt es in Bre­mer­ha­ven zwei Sport­ge­schäf­te: Schuh­haus Fuss in Geest­e­mün­de und Schuh­haus Behn­ke in Lehe. Bei Behn­ke kann man Wurf­spee­re, Ten­nis­schlä­ger von Dun­lop und Bäl­le jeder Grö­ße und für jede Sport­art kau­fen. 1962 wird der Schuh­la­den erneut umge­baut. Vor dem Ein­gang ent­steht eine klei­ne Pas­sa­ge mit einer Schuhvitrine.

1978: Das Kabi­nett Hel­mut Schmidt regiert, und in der Hafen­stra­ße 153 wird gefei­ert: Die Inha­ber Fritz und Edith Behn­ke gra­tu­lie­ren Frau Anne Haren­berg zu ihrem 25-jäh­ri­gen Betriebs­ju­bi­lä­um. Das Schuh­ge­schäft wird seit 1975 von Kurt Kro­nen­ber­ger geführt. Ab 1989 führt Toch­ter Hei­ke das Geschäft als Schuh­ge­schäft Kro­nen­ber­ger, bis sie es im Jah­re 1993 aufgibt.

1979 Waller-Haus

1994: Hel­mut Kohl ist schon lan­ge Bun­des­kanz­ler, die Eisen­bahn wird pri­va­ti­siert, Bra­si­li­en wird Fuß­ball­welt­meis­ter, und nach 73 Jah­ren wer­den in der Hafen­stra­ße 153 kei­ne Schu­he mehr ver­kauft. Die Volks­bank Unter­we­ser eG kauft das Haus und zieht nun in das denk­mal­ge­schütz­te Haus ein. Vor­her wird das Gebäu­de saniert und in sei­nen ursprüng­li­chen Zustand zurück ver­setzt. Die 1962 errich­te­te Laden­pas­sa­ge ver­schwin­det. Auch das rie­si­ge Vor­dach mit den über­di­men­sio­na­len Wer­be­an­la­gen wird ent­fernt. Im Inne­ren ent­steht eine groß­zü­gi­ge Schalterhalle.

2015 Wallerhaus

2014: Deutsch­land wird mal wie­der Fuß­ball­welt­meis­ter, Opel schraubt sein letz­tes Fahr­zeug in Bochum zusam­men, und gut zwan­zig Jah­re nach der letz­ten Umbau­maß­nah­me muss die Fas­sa­de des ehe­ma­li­gen Wal­ler-Hau­ses erneut saniert wer­den. Rund 500.000 Euro nimmt die Volks­bank eG Bre­mer­ha­ven-Cux­land für die Erhal­tungs­maß­nah­men in die Hand.  Der Auf­wand hat sich gelohnt: In enger Zusam­men­ar­beit mit dem Denk­mal­schutz konn­te die Fas­sa­de mit­samt den alten Orna­men­ten in den ursprüng­li­chen Zustand ver­setzt wer­den. Die Woh­nun­gen wur­den mit Gäs­te-WC und zeit­ge­mä­ße Küchen auf den moderns­ten Stand gebracht. Die zwei Woh­nun­gen im vier­ten Ober­ge­schoss wur­den zu einer zusammengefasst.

1909 bis 2015 – das sind 106 lan­ge Jah­re. Das Haus hat vie­le Her­ren kom­men und gehen sehen. Ich habe die Geschich­te des Hau­ses mit der deut­schen Geschich­te ein wenig ver­knüpft um auf­zu­zei­gen, was das Haus in der Hafen­stra­ße 153 alles “erlebt” hat. 

Mein ganz beson­de­rer Dank gilt Herrn Andre­as Siems, Lei­ter der Abtei­lung Orga­ni­sa­ti­on und Unter­neh­mens­ser­vice von der Volks­bank eG Bre­mer­ha­ven-Cux­land. Herr Siems hat die Sanie­rung des Gebäu­des Hafen­stra­ße 153 beglei­tet. Ohne sein Wis­sen über die Sanie­rungs­ab­läu­fe und ohne sei­ne müh­sam zusam­men­ge­tra­ge­nen Infor­ma­tio­nen und Bil­der über das Haus hät­te ich die­sen Arti­kel für mei­ne inter­es­sier­ten Leser sicher­lich nicht schrei­ben kön­nen. Auch an Herrn  Behn­ke ein ganz gro­ßes Dan­ke­schön dafür, dass er sein Pri­vat­ar­chiv geöff­net und die his­to­ri­schen Bil­der her­vor­ge­holt hat. 
Quel­len:
Volks­bank eG Bremerhaven-Cuxland
stolpersteine-hamburg.de
Har­ry Gab­cke: „Bre­mer­ha­ven in zwei Jahr­hun­der­ten – 1827–1918
Har­ry Gab­cke: „Bre­mer­ha­ven in zwei Jahr­hun­der­ten – 1919–1947
Har­ry Gab­cke: „Bre­mer­ha­ven in zwei Jahr­hun­der­ten – 1948–1991

Nordsee-Hotel öffnet rechtzeitig zur Sail 2015

Bis­her schien es, als wür­de das Nord­see-Hotel zur Sail 2015 kei­ne noch Gäs­te emp­fan­gen kön­nen. Jeden­falls waren auf der Inter­net­sei­te Buchun­gen erst ab 1. Sep­tem­ber mög­lich. Das hat sich nun geändert.

Nordsee-Hotel

Wie die Nord­see-Zei­tung am 23. Juli berich­te­te, soll das Nord­see-Hotel zwei Tage vor der Sail 2015 neu eröff­nen. Zwar wer­den bis dahin nicht alle Zim­mer her­ge­rich­tet sein, aber man ist sich sicher, dass dem für den 10. August geplan­ten “Soft Ope­ning” nichts im Wege steht. Ich habe es heu­te pro­biert: Online kann man bereits buchen – aber erst ab 16. August ste­hen freie Zim­mer zur Ver­fü­gung. Zur Sail scheint schon alles aus­ge­bucht zu sein. Wie das denn? Vor einer Woche konn­te man doch noch gar nicht buchen!

Das Drei-Ster­ne-Plus-Hotel wird von der SNW Hotel­ge­sell­schaft betrie­ben. Die glei­che Gesell­schaft führt bereits das Com­fort-Hotel und das Best Wes­tern Hotel im Fische­rei­ha­fen sowie das Atlan­tic-Hotel am Flö­ten­kiel betreibt.

Die Geschichte des Nordsee-Hotel in Bremerhaven

Wer etwas über die Anfän­ge des “Nord­see-Hotel” in Bre­mer­ha­ven wis­sen möch­te, muss im Geschichts­buch des Hotels weit zurück­blät­tern. Der Hotel­um­bau hat mich dazu bewo­gen, die in Bre­mer­ha­ven zur Ver­fü­gung ste­hen­de Lite­ra­tur zu durch­fors­ten.1864 Beermanns-Hotel, heute Nordsee-HotelDer Mau­rer und Bau­meis­ter Johann Hin­rich Eits war der sieb­te Ansied­ler, der der “obrig­keit­li­che Bekannt­ma­chung” des Bre­mer Senats vom 7. Juni 1830 gefolgt ist. Er kauf­te den Bau­platz Nr. 76, der sich an der Nord­sei­te des Markt­plat­zes an der Ecke der Leher Chaus­see befand. Hier ließ er sich 1831 ein zwei­stö­cki­ges Haus mit einem Gast­haus bau­en. Auf­grund sei­ner zahl­rei­chen poli­ti­schen und ehren­amt­li­chen Ver­pflich­tun­gen über­gab er den Gast­hof  schließ­lich an sei­ne Ehe­frau Meta, die ihn sehr erfolg­reich bewirt­schaf­te­te. Rei­sen­de aus Bre­men stie­gen hier ab um sich nach der etwa neun­stün­di­gen stra­pa­ziö­sen Fahrt mit der Schnell­drosch­ke zu erfri­schen und zu erholen.

Meta Eits starb 1847, und Johann Hin­rich Eits ver­pach­te­te sei­nen Gast­hof für die nächs­ten Jah­re. 1858 wur­de der Gast­hof umbe­nannt in “Twiet­mey­ers Hotel”. Albrecht Hein Twiet­mey­er kauf­te das Grund­stück dann auch im Jah­re 1864 sei­nem Ver­päch­ter Eits ab. Es soll­te aber nicht lan­ge sein Eigen­tum blei­ben, denn schon ein paar Jah­re spä­ter hieß das Haus “Beer­manns Hotel”.

1900_Beermanns-Hotel

Die Che­fin Johan­na Auro­ra Beer­mann mach­te den ehe­ma­li­gen Gast­hof zum ers­ten Hotel am Plat­ze. Hier logier­ten Ange­hö­ri­ge der sozia­len Ober­schicht. Sogar Gene­rä­le und Admi­rä­le quar­tier­ten sich in “Beer­manns Hotel” ein.

Im ers­ten Stock befand sich ein Ball­saal, in dem manch gro­ße Fes­te gefei­ert wur­den. Dar­un­ter natür­lich auch jeweils am 27. Janu­ar unter reger Betei­li­gung der Bre­mer­ha­ve­ner Reser­ve­of­fi­zie­re des Kai­sers Geburts­ta­ge. Die Spei­sen nahm man im maha­goni­ge­tä­fel­ten Spei­se­saal im Erd­ge­schoss zu sich, und zwar unter den Augen von Bür­ger­meis­ter Smidt. Der schau­te von einem Por­trät auf die Gäs­te hinab.

"Beermanns-Hotel" unter Leitung Blumenberger

Im Jah­re 1907 fand wie­der ein­mal ein Eigen­tü­mer­wech­sel statt. Die Ehe­leu­te Paul und Eli­sa­beth Blum­ber­ger über­nah­men das Haus für einen Kauf­preis von 300.000 Reichs­mark. Den Namen “Beer­manns Hotel” änder­ten sie nicht. Und die Rei­chen und Schö­nen kamen wei­ter­hin. Sta­pel­läu­fe wur­den hier gefei­ert und Schiffstau­fen, und ab 1911 kamen natür­lich auch die Künst­ler des neu­en Bre­mer­ha­ve­ner Stadt­thea­ters. Und die Thea­ter­lieb­ha­ber führ­ten nach der Vor­stel­lung ihre Beglei­te­rin­nen in das Restau­rant von “Beer­manns Hotel”.

"Beermanns-Hotel" unter Leitung Blumenberger

Ab 1912 mie­te­te “Zigar­ren Nie­mey­er” die an der Ecke zur “Bür­ger” gele­ge­nen Räu­me an und betrieb dar­in sein Tabak­wa­ren­ge­schäft. An der ande­ren Ende des Hau­ses gab es eine Schank­stu­be, in der sich fast nur Män­ner aufhielten.

Die nächs­te “Über­nah­me” gab es am 1. Sep­tem­ber 1942. Der erst 25 Jah­re alte Wer­ner Naber kauf­te das Hotel für 225.000 Reichs­mark. 1944 hei­ra­te­te er sei­ne Frau Ursu­la, und gemein­sam wur­den die Gäs­te bekös­tigt. Aller­dings konn­te – bedingt durch die Kriegs­zeit — nur noch ein­fa­che Kost ser­viert wer­den. Und am 18. Sep­tem­ber 1944 soll­te im Hotel das letz­te Mit­tags­es­sen ser­viert werden.

Beermanns Hotel

Als es Nacht wur­de, kamen die bri­ti­schen Bom­ber und war­fen 420.000 Brand­bom­ben auf die Stadt. Alles wur­de in Schutt und Asche gelegt. “Beer­manns Hotel” wur­de eben­so wenig von den Bom­ben ver­schont, wie die ande­ren gro­ßen Hotels im Zen­trum der Stadt: “Her­manns Hotel” am Markt­platz, “Goss­lers Hotel” in der Bür­ger, “Hotel Excel­si­or” an der Ecke Lloydstraße/Bürger und “Lehr­kes Hotel” am Geest­e­mün­der Altmarkt.

Hotel Naber

Wer­ner Naber ließ sich nicht ent­mu­ti­gen. Nach der Zer­stö­rung von “Beer­manns Hotel” zog er zunächst in ein Not­ho­tel in der Bis­marck­stra­ße um und bau­te dann ein gut geführ­tes Haus mit Restau­rant am Wal­ter-Rathen­au-Platz (frü­her Sedan­platz) auf.

Hotel Naber

Die­ses wur­de nach Kriegs­en­de aber von der Besat­zungs­macht beschlag­nahmt. Die Hotel­si­tua­ti­on in Bre­mer­ha­ven war kata­stro­phal. Es gab für Rei­sen­de kaum noch Übernachtungsmöglichkeiten.

Hotelschiff Naber

Doch Wer­ner Naber hat­te eine Idee. Er kauf­te einen ehe­ma­li­gen schwe­di­schen Küs­ten­fah­rer und ließ ihn umbau­en. Wo es frü­her Lade­räu­me gab, fand man nun Gäs­te­ka­bi­nen und ein Restau­rant vor. Das Hotel­schiff war­te­te am Geest­e­mün­der Haupt­ka­nal auf Gäs­te. Zwei wei­te­re Hotel­schif­fe lagen im Alten Hafen. Das eine trug den Namen “Alter Hafen” und lag im süd­li­chen Teil und das ande­re hieß “Hein Mück” und lag im nörd­li­chen Teil des Alten Hafen.

Das waren aber alles nur Not­lö­sun­gen. Die Stadt Bre­mer­ha­ven woll­te ihren Gäs­ten wie­der ein nobles Hotel bie­ten kön­nen. Auch die US-Besat­zer dräng­ten auf ein inter­na­tio­na­les Hotel. Als Stand­ort ent­schied man sich für den Theo­dor-Heuss-Platz (frü­her Thea­ter­platz), gut gele­gen gegen­über dem Stadt­thea­ter und direkt an der Hauptgeschäftsstraße.

Auf­grund sei­ner Erfah­run­gen bat man Wer­ner Naber, die Füh­rung für das neue Hotel zu über­neh­men. Am 6. März 1957 fand die fei­er­li­che Eröff­nung des “Nord­see-Hotel” statt. Der Zweck­bau mit dem Charme der 1950er Jah­re erstreckt sich über die gesam­te Nord­sei­te des Plat­zes. Die Gäs­te wur­den in einer impo­san­ten Lob­by an einer teak­holz­ver­tä­fel­ten Rezep­ti­on empfangen.

1960_Nordsee-Hotel

Die Gäs­te­lis­te für das neue “Nord­see-Hotel” kann sich sehen las­sen. Poli­ti­ker, Star und Künst­ler stie­gen hier ab: Der spa­ni­sche König Juan Car­los, Bun­des­prä­si­dent Richard von Weiz­sä­cker, der  bay­ri­sche Minis­ter­prä­si­dent Franz Josef Strauß, Show­mas­ter Tho­mas Gott­schalk oder Film­stars wie Mari­ka Röck – sie alle lie­ßen sich im “Nord­see-Hotel” ver­wöh­nen. Auch Her­bert Weh­ner und Hel­mut Schmidt wur­den hier gese­hen, und Howard Car­penda­le, der im wei­ßen Bade­man­tel die Hotel­bar betrat um einen Absa­cker zu trin­ken. Und – natür­lich – der wohl­be­leib­te König von Ton­ga schau­te auch vor­bei, sei­ne Entou­ra­ge im Schlepptau.

"Nordsee-Hotel" Bremerhaven

Fast 60 lan­ge Jah­re war das Nord­see-Hotel, das die Bre­mer­ha­ve­ner immer nur das “Naber” nann­ten, das ers­te Haus am Plat­ze. Schon von wei­tem erkann­te man es an den Leucht­re­kla­men der Nach­kriegs­jah­re: Asbach Uralt und 4711. Wohl jeder Ver­ein und jeder Gesell­schafts­club fei­er­te hier sei­nen Ball und ließ sich in dem fei­nen Restau­rant mit Sil­ber­hau­ben ver­hüll­te Spei­sen servieren.

Aber die Zei­ten waren irgend­wann vor­bei. Um eine Insol­venz des Tra­di­ti­ons­ho­tels zu ver­hin­dern, kauf­te die Stadt Bre­mer­ha­ven im Jah­re 2003 der Betrei­ber­fa­mi­lie Naber das Hotel für 3,6 Mil­lio­nen Euro ab.  Sie woll­te den Betrieb bis zur Eröff­nung des Atlan­tik Hotel Sail City wei­ter­füh­ren. Und dann lief das Sail City dem “Nord­see-Hotel” den Rang ab, und das Tra­di­ti­ons­ho­tel ver­sank in einen Dorn­rös­chen­schlaf. Seit 2007 ist die Rezep­ti­on verwaist.

2010 tauch­ten neue Ideen für den gro­ßen Gebäu­de­kom­plex auf. Die Dieckell Ver­wal­tungs GmbH woll­te das “Nord­see-Hotel” für 780.000 Euro erwer­ben, es abrei­ßen und Platz für einen Neu­bau schaf­fen. Im Erd­ge­schoss soll­ten Läden und Restau­rants ent­ste­hen, dar­über drei Eta­gen Büros und zwei Geschos­se mit Miet­woh­nun­gen. Aus ver­schie­de­nen Grün­den wur­den die­se Plä­ne aber nicht realisiert.

2012 "Nordsee-Hotel"

Aber ein­mal noch soll­te das alt­ehr­wür­di­ge Haus im alten Glanz erstrah­len, ein­mal noch soll­ten sich hier Film­stars und Stern­chen ver­sam­meln. Im Spät­som­mer 2013 dreh­te hier der Regis­seur Ingo Haeb einen Kino­film mit dem Arbeits­ti­tel “Das Zim­mer­mäd­chen”, und das alte Gebäu­de erleb­te einen Hauch von Hol­ly­wood. Eini­ge Wochen spä­ter wur­de das Gebäu­de mit einem Bau­zaun abgesperrt.

2015 "Nordsee-Hotel"

Der Bre­mer­ha­ve­ner Bau­un­ter­neh­mer Horst Wüb­ben hat der Stadt Bre­mer­ha­ven das Grund­stück für 650.000 Euro abge­kauft – die Stadt hat­te es für 3,6 Mil­lio­nen Euro erwor­ben. Nun wird das Haus, das bis zu sei­ner Schlie­ßung 95 Zim­mer offe­rier­te, seit einem Jahr für rund 10 Mil­lio­nen Euro umge­baut, saniert und zu einem 3‑S­ter­ne-Hotel hergerichtet.

Nordsee-Hotel

Die Außen­fas­sa­de aus den 1950er Jah­ren wur­de nicht ver­än­dert. Aller­dings wur­de statt des ehe­mals gel­ben Farb­tons nun ein grau­er gewählt. Von innen wur­de das Gebäu­de kom­plett ent­kernt und moder­ni­siert. Die ehe­ma­li­gen Ball­sä­le und der Küchen­trakt an der Rück­sei­te des Hau­ses wur­den abge­ris­sen, um Platz für Hotel­park­plät­ze zu schaf­fen. Da das Hotel zukünf­tig ein Gar­ni-Hotel sein wird, ist die Groß­kü­che über­flüs­sig geworden.

Der Zeit­plan, pünkt­lich zur Sail 2015 neu zu eröff­nen, konn­te nicht ein­ge­hal­ten wer­den. Aber auf der Home­page des neu­en Nord­see-Hotels sind ab sofort Reser­vie­run­gen für die 102 Zim­mer mit Wir­kung vom 1. Sep­tem­ber 2015 möglich.
Quel­len:
Har­ry Gab­cke: “Bre­mer­ha­ven in zwei Jahr­hun­der­ten – 1827–1918”, Sei­te 20
Har­ry Gab­cke: “Bre­mer­ha­ven in zwei Jahr­hun­der­ten – 1948–1991”, Sei­te 56
Har­ry Gab­cke: “150 Jah­re Bre­mer­ha­ven, 1827–1977”, Sei­te 89
Man­fred Ernst: “Der Markt­platz”, Sei­ten 53–59
Rai­ner Dons­bach: “Visi­on für den Heuss­platz”, Nord­see-Zei­tung v. 27.11.2010
Rai­ner Dons­bach: “Es soll ein Hotel blei­ben”, NZ vom 12.07.2012
Rai­ner Dons­bach: “Kalbs­steak Sin­ga­pur u der König …”, NZ v 11.6.2013
Gert-Die­ter Mei­er: “Hauch von Hol­ly­wood im Naber”, NZ v. 20.8.2013
Rai­ner Dons­bach: “So kehrt hier das Leben zurück”, NZ v. 15.02.2014
Auf Kera­mik­fas­sa­de beim Umbau ver­zich­tet”, NZ v. 13.12.2014
Wolf­gang Naber: “Nabers Gäs­te­buch – His­to­ri­sches aus der Hotel­le­rie der Fami­lie Naber”, Vor­trag im His­to­ri­schen Muse­um am 6.3.2007