Am 14. Juli 1914 erschien der am 15. April 1891 in Westfalen geborene Emil Schütz auf dem Gewerbeamt der Stadt Lehe und meldete an, dass er in der Hafenstraße 220 ein Fachgeschäft für Kaffee, Tee und Konfitüren eröffnet hat.
Seine Kenntnisse über Kaffeebohnen hat er sich zuvor in der Bremer Firma “Johann Jacobs” angeeignet. Nun wollte er sein eigenes Geschäft aufbauen. Doch das Schicksal wollte es zunächst anders. Der 1. Weltkrieg brach aus, und Emil Schütz musste, wie viele andere seiner Generation auch, den Waffenrock anziehen. Erst 1918 sollte er aus dem Krieg zurückkehren.
Nach Kriegsende konnte Emil Schütz sich endlich dem Aufbau seines Geschäftes in der Hafenstraße 220 widmen und den Kaffee-Röstbetrieb erheblich vergrößern. 1923 besaß er bereits 23 Filialen in Bremerhaven, Wulsdorf, Nordenham und Cuxhaven. Zwar wurden in Emil Schütz Geschäften auch Lebensmittel verkauft, aber Kaffee, Tee und Kakao machten den Hauptumsatz aus.
Im Jahre 1923 kaufte Emil Schütz für seinen expandierenden Röstbetrieb den leerstehenden alten Leher Güterbahnhof in der Moltkestraße 11 – 24. Hier absolvierte Walter Thürmer, späterer Mitinhaber und Geschäftsführer der Dresdener “Kaffeerösterei und Kaffee-Ersatzfabrik Max Thürmer”, in den Jahren 1923 und 1924 ein Praktikum.
Emil Schütz baute den ehemaligen Güterbahnhof zu einer Großrösterei um und schloss in den nächsten Jahren nach und nach seine Filialen. Er wollte seine Kunden nun direkt beliefern. Neben Bremerhaven und Niedersachsen waren seine Vertreter bald auch in Sachsen, Schlesien und sogar Ostpreußen unterwegs, um den mittlerweile deutschlandweit bekannt gewordenen “Schütz-Kaffee” an Einzelhändler und Großverbraucher auszuliefern. In den Jahren 1926 und 1927 verarbeitete die Großrösterei jährlich bis zu 7.000 Sack Kaffee.
Mit Ausbruch des 2. Weltkrieges wurden keine Kaffeebohnen mehr importiert. Um den Geschäftsbetrieb aufrecht erhalten zu können, stellte Emil Schütz seine Rösterei auf die Produktion von Ersatzkaffee um. In großem Umfang wurden nun Getreide und Zuckerrübenschnitzel geröstet und daraus Muckefuck hergestellt.
Zwar gab es ein paar Schäden durch Brandbomben, aber im Großen und Ganzen überlebte der Betrieb den Krieg unbeschadet. Ein großer Verlust für die Firma war jedoch, dass beim Bombenangriff fünf Wohn- und Geschäftshäuser zerstört wurden. Und als Deutschland nach Kriegsende geteilt wurde, konnte Emil Schütz seine angestammten Kunden im Osten nicht mehr beliefern.
Endlich, im Jahre 1948, trafen in Hamburg und Bremen wieder die ersten Kaffee-Importe ein. Ein Segen, dass die Produktionsgebäude den Krieg überlebt haben und der Röstbetrieb sofort wieder aufgenommen werden konnte. Nun musste Ersatz für die verloren gegangenen Absatzmärkte geschaffen werden. Nicht nur im Elbe-Weser-Dreieck konnten erfolgreich Einzelhändler für die Kaffeesorten von der Schütz-Kaffeerösterei gewonnen werden. Auch in West- und Süddeutschland gelang es den Vertretern, neue Kunden für den Qualitätskaffe aus Bremerhaven zu begeistern.
Die Rösterei wurde modernisiert, und schon nach wenigen Jahren konnte die Vorkriegsproduktion übertroffen werden. Anfang der 1960er Jahre waren 15 Vertreter mit ihren braunen VW-Bullis für die Großrösterei auf deutschen Straßen unterwegs. 50 Frauen waren damit beschäftigt, den Kaffee zu sortieren und zu verpacken. In den Büros verdienten 14 Leute ihr Geld, und 20 Mitarbeiter waren für das Lager und den Transport eingeteilt. Bis 1964 wurden wöchentlich 48 Stunden gearbeitet, am Sonnabend bis 14 Uhr.
Ab Mitte der 1960er Jahre wurde in der Rösterei vieles automatisiert. Jetzt wurde nicht mehr von Hand sortiert; eine Maschine saugte nun jede Bohne an und sortierte die Fehlfarben aus. Auch ein neues Röstverfahren wurde eingesetzt. Doch obwohl die Firma Schütz ein hervorragendes engmaschiges Vertriebssystem mit Verkaufsbezirke in ganz West-Deutschland unterhielt, obwohl automatisiert und modernisiert wurde: 1971 kam das Ende für Schütz-Kaffee. Das Unternehmen wurde an die Bremer Firma Kölle verkauft, die einige Jahre später von Kaffee Hag übernommen wurde. Was blieb, war die lange weiße Mauer in der Moltkestraße, auf der ein großer roter Kreis mit einem knienden Bogenschützen prangte.
Quellen:
Hupke & Schröter: Geschichten aus Lehe — Kaffeerösterei Emil Schütz, Seite 33
Dr. Georg Bessell: Heimatchronik der Stadt Bremerhaven, Seite 265
Rainer Donsbach: Volles Röstaroma aus Lehe, Nordsee-Zeitung vom 21.10.2011
Kaffeetradition e.V., 38820 Halberstadt