Kategorie: Bremerhaven damals und heute

Erich Sturk: Erinnerungen an die Humboldtschule in Geestemünde

Erin­ne­run­gen an die Hum­boldt­schu­le in Geest­e­mün­de” – das ist eine Chro­nik des Auf­bau­zu­ges der Hum­boldt­schu­le des Jahr­gan­ges 1943 – 1947 aus der Feder des ehe­ma­li­gen Schü­lers Erich Sturk. Zunächst erin­nert Erich Sturk an die Pla­nung und an den Bau der Hum­boldt­schu­le in Geest­e­mün­de. Anschlie­ßend erzählt er in beein­dru­cken­der und oft­mals in bedrü­cken­der Wei­se, was er dort als Schü­ler erlebt hat. 

Die Humboldtschule in Geestemünde

Im Jah­re 1924 wur­de von der soge­nann­ten Volks­schul­de­pu­ta­ti­on der Stadt Geest­e­mün­de der Bau einer Volks­schu­le in der Schil­ler­stra­ße in Geest­e­mün­de beschlos­sen. Die­sem Beschluss ging eine Pla­nungs­pha­se vor­aus, die sich bis in die Zeit vor dem 1. Welt­krieg zurück erstreckt. Der Plan begrün­de­te sich auf der Not­wen­dig­keit, die Klas­sen­fre­quenz in den vor­han­de­nen Schu­len Geest­e­mün­des zu sen­ken und gleich­zei­tig das Bil­dungs­an­ge­bot zu erhöhen.

Die lan­ge Pla­nungs­pha­se erklärt sich aus dem Aus­bruch des 1. Welt­krie­ges und der nach­fol­gen­den Infla­ti­on, die den Bau­be­ginn wie­der­um ver­zö­ger­te. Unter der Lei­tung von Stadt­bau­rat Dr. Wil­helm Kunz ent­stan­den die Vor­ent­wür­fe und die Kos­ten­schät­zun­gen. Im Jah­re 1928 konn­te mit den Vor­ar­bei­ten begon­nen wer­den. Die ein­set­zen­de Wirt­schafts­kri­se Ende der zwan­zi­ger Jah­re ver­zö­ger­te den Bau­be­ginn erneut, da die erfor­der­li­chen Gel­der für den Bau der Schu­le von der Stadt nicht auf­ge­bracht wer­den konnten.

Die Humboldtschule in Geestemünde

Dank der Bewil­li­gung einer bean­trag­ten Staats­hil­fe konn­te die Schu­le im April 1930 durch den dama­li­gen Ober­bür­ger­meis­ter Wal­ter Deli­us der Öffent­lich­keit über­ge­ben wer­den. Unter der Lei­tung von Rek­tor Graue ent­schloss sich das dama­li­ge Schul­kol­le­gi­um, der neu­en Schu­le den Namen Hum­boldt­schu­le zu geben.

Es war von vorn­her­ein beab­sich­tigt, der Volks­schu­le geho­be­ne Bil­dungs­klas­sen für einen mitt­le­ren Bil­dungs­gang anzu­glie­dern. So ent­stan­den 1933 vier geho­be­ne Klas­sen, die soge­nann­ten G‑Klassen. Die Auf­nah­me­be­din­gun­gen für den G‑Zweig und die Leis­tungs­an­for­de­run­gen waren schon damals sehr hoch. Die Wie­der­ho­lung eines Schul­jah­res war aus­ge­schlos­sen, wer die Anfor­de­run­gen nicht erfüll­te, muss­te den Zweig ver­las­sen und zur Volks­schu­le zurückkehren.

Die Humboldtschule in Geestemünde

In der dama­li­gen Stadt Weser­mün­de gab es in den drei­ßi­ger Jah­ren drei Schu­len mit dem G‑Zweig. Die­ses waren in Geest­e­mün­de die Hum­boldt­schu­le, in Mit­te die Pes­ta­loz­zi­schu­le und in Lehe die Kör­ner­schu­le. Die Schü­ler­schaft für die­sen Zweig kam bei der Hum­boldt­schu­le aus den bestehen­den Geest­e­mün­der Volks­schu­len, der Her­mann-Löns-Schu­le, der Alt­geest­e­mün­der Mäd­chen­schu­le, der Neu­markt­schu­le, der All­mers­schu­le und aus dem Volks­schul­zweig der Hum­boldt­schu­le. Gleich­zei­tig stand der Zweig begab­ten Schü­lern aus den Wuls­dor­fer Schu­len und den Schu­len des süd­li­chen Land­krei­ses offen.

Am 15. Dez. 1939 wur­de auf Anord­nung des Reichs­mi­nis­ters für Wis­sen­schaft, Erzie­hung und Volks­bil­dung der G‑Zweig in den soge­nann­ten Auf­bau­zug umge­wan­delt. Das Ziel die­ser Schul­re­form war es, eine Alter­na­ti­ve zu den Ober­schu­len und Gym­na­si­en zu bil­den und den Schul­ab­gän­gern damit bes­se­re Berufs­chan­cen zu bie­ten. Die Vor­aus­set­zun­gen für die­se Plä­ne war ein hoch­qua­li­fi­zier­ter Lehr­kör­per und ein Lehr­plan, der erhöh­te Anfor­de­run­gen an die Fächer Deutsch, Lei­bes­er­zie­hung, Lebens­kun­de , Geschich­te und Musik beinhal­te­te. Im Zuge des dama­li­gen Zeit­geis­tes kam die poli­ti­sche Erzie­hung hinzu.

Die Humboldtschule in Geestemünde

Für uns Schü­ler der Gebur­ten­jahr­gän­ge 1930/31 waren die Vor­aus­set­zun­gen für die Auf­nah­me in den Auf­bau­zug ein guter Noten­quer­schnitt und sowie eine Emp­feh­lung des Schul­lei­ters als Ver­merk im letz­ten Schul­zeug­nis der Volks­schu­le. Gleich­zei­tig muss­te der Nach­weis über die erfolg­rei­che Teil­nah­me an einem zwei­jäh­ri­gem vor­be­rei­ten­den Eng­lisch­un­ter­richts­kur­sus an der Volks­schu­le erbracht werden.

Im Auf­bau­zug wur­de als Erzie­hungs­form die Koedu­ka­ti­on prak­ti­ziert, d. h. Jun­gen und Mäd­chen wur­den gemein­sam unter­rich­tet. Die­se Form war für uns neu, da die Volks­schu­le nur eine nach Geschlech­tern getrenn­te Erzie­hung kann­te. Der Anteil an Jun­gen und Mäd­chen hielt sich die Waa­ge, die Sitz­plät­ze waren jedoch durch einen Gang getrennt.

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Der Lehr­kör­per des Jah­res 1943 bestand unter der Lei­tung von Rek­tor Graue aus den Damen Rothe (Zwie­bel), Beck­mann (Isa­bel­la), von Zobel (Zo — obel), die Eng­lisch­un­ter­richt erteil­ten, den Damen Mül­ler für Turn­un­ter­richt der Mäd­chen und Pas­sier für Musik, sowie den Her­ren Hage­mann (Ferd) als Klas­sen­leh­rer und Fach­leh­rer für Deutsch, Geschich­te und Erd­kun­de, Bra­se für Raum- und Natur­leh­re und Gabrich als Lei­ter der Leibeserziehung.

Die Humboldtschule in Geestemünde

Die vor­ste­hend genann­ten Fächer­be­zeich­nun­gen waren neu und stell­ten eine Ein­deut­schung der Begrif­fe wie Mathe­ma­tik, Phy­sik und Bio­lo­gie usw. dar. Beson­de­rer Wert wur­de auf die Lei­bes­er­zie­hung gelegt, die para­mi­li­tä­ri­schen Cha­rak­ter hat­te. Zu Beginn des Unter­richts muss­te die Klas­se antre­ten und der Klas­sen­äl­tes­te mach­te dem Leh­rer Mel­dung über die Zahl der ange­tre­te­nen Schü­ler und die Begrün­dung der Krank­mel­dun­gen. Ent­spre­chend hart war der Umgangs­ton. Wur­de ein Schü­ler beim Spre­chen mit dem Nach­barn oder bei einer ande­ren Unauf­merk­sam­keit erwischt, muss­te er mit der Auf­for­de­rung “Du robbst, Du Schwein, Du Sau­pe­sel.….” drei Ehren­run­den auf dem Bauch rob­bend um die Turn­hal­le dre­hen. Die glei­che stren­ge Erzie­hung herrsch­te beim Schwimm­un­ter­richt im dama­li­gen Mari­en­bad. Nach dem vor­an­ge­hen­den Duschen wur­de ange­tre­ten und der Kör­per auf Sau­ber­keit kon­trol­liert. Waren die Kri­te­ri­en nicht aus­rei­chend erfüllt, lau­te­te der Spruch “Du hast Dich wohl seit Dei­ner Geburt nicht gewa­schen. Zurück unter die Dusche, marsch, marsch… .”

Musik­un­ter­richt hat­ten wir bei Frau Pas­sier, die sich sehr enga­gier­te. Er fand im Musik­zim­mer der Schu­le statt, wo ein gro­ßer schwar­zer Flü­gel stand. Wenn wir kei­ne Lust zum Sin­gen hat­ten, baten wir Frau Pas­sier, uns den Erl­kö­nig vor­zu­tra­gen. Sie setz­te sich dann an den Flü­gel und sang und spiel­te, und ich habe es als wun­der­vol­le Inter­pre­ta­ti­on in Erinnerung.

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Die Unter­richts­zeit betrug an fünf Tagen der Woche jeweils sechs Ein­hei­ten á 45 Minu­ten und ging von 8.00 — 13.45 Uhr. Bei nächt­li­chen Flie­ger­alarm nach 22.00 Uhr begann der Unter­richt um 9.30 Uhr und die Ein­hei­ten wur­den in Kurz­stun­den umge­wan­delt, wobei die Fächer­kom­bi­na­ti­on bestehen blieb. Aber auch tags­über wur­de der Unter­richt oft durch alli­ier­te Bom­ber­ver­bän­de, die über die Deut­sche Bucht ein­flo­gen, unter­bro­chen, und der Luft­schutz­kel­ler der Schu­le muss­te auf­ge­sucht wer­den. Die Klas­sen­fre­quenz schwank­te dau­ernd, da eini­ge Klas­sen­ver­bän­de der Volks­schu­len erst Ende des Jah­res 1943 bzw. Anfang des Jah­res 1944 aus der Kin­der­land­ver­schi­ckung und den besetz­ten Ost­ge­bie­ten zurück­kehr­ten. Hin­zu kamen Sude­ten­deut­sche und Sie­ben­bür­ger Sach­sen, die dem Ruf “Heim ins Reich” gefolgt waren.

Die schu­li­schen Leis­tun­gen lit­ten auch unter den außer­schu­li­schen Belas­tun­gen durch den Dienst im Jung­volk bzw. im Jung­mä­del­bund mit vie­len Auf­ga­ben wie Spinnstoff‑, Alt­ma­te­ri­al- und Heil­kräu­ter­samm­lun­gen, Stra­ßen­samm­lun­gen für das Win­ter­hilfs­werk, zusätz­li­chen Füh­rer­dienst, Aus­bil­dung im Luft­schutz und Ein­be­ru­fun­gen zu Lehr­gän­gen in die Gebiets­füh­rer­schu­len Dib­ber­sen und Han­kens­büt­tel. In der Vor­weih­nachts­zeit wur­de Spiel­zeug gebas­telt, das an die Kin­der ver­teilt wur­de, deren Väter im Fel­de standen.

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Hin­zu kam ein Dienst als Brand­wa­che in der Schu­le, die tags­über nach Schul­schluss von den jün­ge­ren und nachts von den älte­ren Jahr­gän­gen gestellt wur­de, für mich ein Flug­mo­dell­bau­lehr­gang der Flie­ger-HJ bei dem Modell­bau­leh­rer Ernst Olter­mann in der Mit­tel­stras­se, ein Lehr­gang im Mor­sen, der in der Her­mann-Löns-Schu­le von der Nach­rich­ten-HJ unter Lei­tung eines Offi­ziers des Flug­ha­fens Wed­de­war­den erteilt wur­de und der Hilfs­ein­satz bei den Bom­ben­an­grif­fen in den Jah­ren 1943 und 1944.

Eine beson­de­re Leis­tung stell­te für mich der Dienst als Luft­schutz­mel­der in den Räu­men der Orts­grup­pe Neu­markt dar, zu dem ich abkom­man­diert war. Ich bekam einen Stahl­helm und eine Gas­mas­ke gestellt und muss­te mich bei Flie­ger­alarm auf der Dienst­stel­le der Orts­grup­pe in der Max-Diet­rich-Stra­ße ein­fin­den. Ein Aus­weis erlaub­te mir den Auf­ent­halt auf den Stra­ßen bei Flie­ger­alarm. Den Flä­chen­an­griff mit Spreng­bom­ben auf Geest­e­mün­de am 15. Juni 1944 erleb­te ich in der Dienst­stel­le, und ich muss­te gleich nach dem Angriff los­lau­fen und alle Schä­den im Bereich der Orts­grup­pe fest­stel­len und mel­den. Dabei kam ich mir natür­lich sehr wich­tig und unent­behr­lich vor.

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Das Flä­chen­bom­bar­de­ment wur­de im Juni fort­ge­setzt. Am 17. Juni erfolg­te der Angriff auf den Fische­rei­ha­fen und am 18. Juni der Angriff auf den Stadt­teil Lehe. Nach die­sen Angrif­fen wur­de ich zur Nach­rich­ten-HJ abkom­man­diert, und wir erhiel­ten die Auf­ga­be, das zer­stör­te Tele­fon­netz, das damals noch ein Frei­lei­tungs­netz war, durch Feld­te­le­fo­ne zu erset­zen, damit die Ein­satz­lei­tun­gen mit­ein­an­der kom­mu­ni­zie­ren konn­ten. Das Mate­ri­al hier­für hol­ten wir mit einem Hand­wa­gen vom Flug­platz Wed­de­war­den und von der Mari­ne­schu­le. Mit Lei­tern, Steig­ei­sen und Kabel­trom­meln aus­ge­stat­tet, ver­leg­ten wir ein pro­vi­so­ri­sches Frei­lei­tungs­netz auf den Stra­ßen, das alle wich­ti­gen Stel­len mit­ein­an­der ver­band. Die Ver­mitt­lung wur­de auf der Bann­dienst­stel­le in der Köper­stra­ße und im HJ-Heim im Saar­park ein­ge­rich­tet, und ich muss­te hier zusam­men mit ande­ren Kame­ra­den Ver­mitt­lungs­diens­te leisten.

Die außer­schu­li­sche Belas­tung, die natür­lich Aus­wir­kun­gen auf die schu­li­schen Leis­tun­gen hat­te, wur­de nicht von allen Kräf­ten des Lehr­kör­pers akzep­tiert. Ich erin­ne­re mich, dass sich unse­re dama­li­ge Eng­lisch­leh­re­rin, Fräu­lein von Zobel, von der Klas­se mit den Wor­ten ver­ab­schie­de­te: “Ich habe mich auf­grund der Faul­heit, die in den Klas­sen des Auf­bau­zu­ges herrscht, zur Volks­schu­le zurück­ver­set­zen lassen.”

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Eine Zäsur in der dama­li­gen Schul­zeit stellt der Beginn der Som­mer­fe­ri­en 1944 dar. Durch die Gefahr der sich meh­ren­den Flie­ger­an­grif­fe ent­schloss sich die Schul­ver­wal­tung, alle Schu­len im dama­li­gen Weser­mün­de zu schlie­ßen und die Kin­der aufs Land zu eva­ku­ie­ren. Für die Klas­sen der Hum­boldt­schu­le war der Raum Schee­ßel — Roten­burg vor­ge­se­hen. Wir ver­lie­ßen Bre­mer­ha­ven in einem Sam­mel­zug unter der Lei­tung unse­res Klas­sen­leh­rers Herrn Hage­mann und der HJ-Zug­be­glei­tung, Stamm­füh­rer Erich Boh­ling, in Rich­tung Roten­burg. Die Fahrt ging über Bre­mer­vör­de — Zeven, und ab Bre­mer­vör­de wur­den die ers­ten Klas­sen an den Bahn­hö­fen ausgesetzt.

Unser Fahrt­ziel war der Ort Lau­en­brück in der Nähe von Schee­ßel am Ran­de der Lüne­bur­ger Hei­de. Hier stand ein Acker­wa­gen bereit, auf den wir unser Gepäck ver­lu­den, und dann mar­schier­ten wir zum 4 km ent­fern­ten Ort Stem­men, einem klei­nen Bau­ern­dorf. Unter der Dorf­lin­de muss­ten wir uns auf­stel­len, und die Bau­ern, die uns auf­neh­men soll­ten, such­ten sich aus unse­ren Rei­hen ihr Pfle­ge­kind aus. Dass sie im Hin­ter­kopf den Gedan­ken an eine Arbeits­kraft hat­ten, wird die Ent­schei­dun­gen bei der Aus­wahl sicher­lich beein­flusst haben.

Ich kam auf einen Hof etwas außer­halb des Ortes, nahe der dama­li­gen Reichs­stra­ße 75. Mein “Zim­mer” war eine klei­ne Kam­mer, in der ein Bett stand und ein Stuhl Platz hat­te, auf den ich mei­nen Kof­fer stel­len konn­te. Nachts hör­te ich die Mäu­se unter mei­nem Bett knab­bern und die alli­ier­ten Bom­ber­ver­bän­de nach Ham­burg flie­gen. Wenn es gar zu sehr brumm­te, weck­te mich der Bau­er, und ich muss­te mich anzie­hen. Waschen konn­te ich mich drau­ßen unter der Pum­pe, der ein­zi­gen Was­ser­stel­le des Hofes, die Toi­let­te war ein Plumps­klo drau­ßen neben dem Schweinestall.

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Sonn­abends ging es abends zusam­men mit den fran­zö­si­schen Kriegs­ge­fan­ge­nen nach Wüm­me­tal, wo die Wüm­me eine Furt bil­de­te und man im seich­ten Was­ser ein Voll­bad neh­men konn­te. Mei­ne Haus­ge­nos­sen waren der Bau­er und sei­ne Frau, eine mir gleich­alt­ri­ge Toch­ter und drei pol­ni­sche Zivil­ar­bei­ter, die ihre Mahl­zei­ten an einem geson­der­ten Tisch ein­neh­men mussten.

Der Schul­un­ter­richt wur­de wie­der auf­ge­nom­men. Das Dorf besaß eine ein­klas­si­ge Volks­schu­le, und wir teil­ten uns die vor­han­de­nen zwei Klas­sen­räu­me mit der Dorf­ju­gend, die von dem Leh­rer Selig unter­rich­tet wur­de. Turn­un­ter­richt hat­ten wir gemein­sam in Form einer Art Schlacht­ball­spiel, das wir mit einem Medi­zin­ball aus­tru­gen. Herr Hage­mann unter­rich­te­te uns sou­ve­rän in allen Fächern bis auf Eng­lisch. Er fand bewun­derns­wer­ter Wei­se sogar noch die Zeit, uns Unter­richt in Ste­no­gra­phie zu geben. Zum Eng­lisch­un­ter­richt mar­schier­ten wir gemein­sam nach Lau­en­brück, wo Fräu­lein Beck­mann mit ihrer Klas­se unter­ge­bracht war und sie die Mög­lich­keit hat­te, uns nach­mit­tags zu unterrichten.

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Das Dorf lag in der Ein­flug­schnei­se der alli­ier­ten Flie­ger nach Ham­burg und Ber­lin, und wenn tags­über die Bom­ber­ver­bän­de in gro­ßer Höhe mit lan­gen Kon­dens­strei­fen hin­ter sich her­zie­hend das Dorf über­flo­gen, muss­ten wir den im Schul­hof befind­li­chen Split­ter­bun­ker auf­su­chen, wo der Unter­richt fort­ge­setzt wur­de. Meh­re­re Male erleb­ten wir, dass eine von den vier­mo­to­ri­gen Boing Fort­ress abstürz­te und die Besat­zun­gen gefan­gen genom­men wur­den. Anschlie­ßend durch­stö­ber­ten wir die Maschi­nen, schau­ten uns alles an und nah­men ver­bo­te­ner Wei­se Leucht­spur­mu­ni­ti­on der Bord­ka­no­nen an uns. Gott sei Dank ist damit nie etwas ernst­haf­tes pas­siert, obwohl ein­mal bei einem Bau­ern wun­der­sa­mer Wei­se der Koh­le­ofen explodierte.

Neben dem Unter­richt mach­ten wir Ern­te­ein­satz bei den Bau­ern oder wur­den gemein­sam zum Suchen von Kar­tof­fel­kä­fern oder zum Sam­meln von Buch­eckern ein­ge­setzt. Auch such­ten wir in den Wäl­dern nach Reser­ve­ka­nis­tern, die von den neu­er­dings ein­ge­setz­ten Focke Wulf 200, den ers­ten Düsen­jä­gern, bei ihren Abfang­ein­sät­zen abge­wor­fen wurden.

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Der Dienst im Jung­volk trat in den Hin­ter­grund. Wir wur­den zwar dem bestehen­den Jung­zug im Ort ein­ge­glie­dert, aber ein regel­mä­ßi­ger Dienst fand nicht statt. Die Bau­ern­jun­gen, deren Väter meis­tens ein­ge­zo­gen waren, hat­ten genug mit der Ern­te und der Arbeit auf dem Hof zu tun. Nur wenn grö­ße­re Ver­an­stal­tung geplant waren, muss­ten wir in Uni­form teil­neh­men. Ich erin­ne­re mich an einen Bann­ap­pell in Schee­ßel, bei dem der Bann­füh­rer in glü­hen­den Wor­ten den nahe bevor­ste­hen­den End­sieg ankün­dig­te und uns, die Jahr­gän­ge 1930/31 zu einer frei­wil­li­gen Mel­dung zum Dienst in der Waf­fen-SS, Divi­si­on Hit­ler­ju­gend auf­for­der­te. Es muss­te jedoch eine Ein­ver­ständ­nis­er­klä­rung der Eltern bei­gebracht wer­den, die kei­ner von uns erhielt.

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Um die Herbst­fe­ri­en gab es einen Kampf. Die Bau­ern woll­ten uns zur Kar­tof­fel­ern­te dabe­hal­ten, aber wir woll­ten natür­lich nach Hau­se zu unse­ren Eltern. Nach lan­gem Hin — und Her durf­ten wir am 16. Sep­tem­ber nach Weser­mün­de fah­ren. Es gab noch ein Hin­der­nis mit der Bahn, denn am Schal­ter durf­ten kei­ne Fahr­kar­ten aus­ge­ge­ben wer­den, wenn die Fahr­stre­cke mehr als 100 km betrug. Wir umgin­gen die­ses Pro­blem, lös­ten eine Fahr­kar­te bis Roten­burg, fuh­ren dort­hin und lös­ten dort eine Fahr­kar­te nach Weser­mün­de. Die Züge hat­ten einen fla­chen Güter­wa­gen mit einem dar­auf mon­tier­ten leich­ten Flak­ge­schütz hin­ter dem Ten­der und am Ende des Zuges — zur Abwehr feind­li­cher Tief­flie­ger, die oft und ger­ne die fah­ren­den Züge angrif­fen. Nach­dem ich glück­lich zu Hau­se ange­kom­men war, erfolg­te zwei Tage spä­ter, am 18. Sep­tem­ber 1944 der Groß­an­griff alli­ier­ter Bom­ber auf Bre­mer­ha­ven. Unser Haus brann­te nie­der, ich ver­brach­te die Nacht, im Split­ter­gra­ben vor dem Feu­er­sturm geschützt, auf dem Geest­e­mün­der Neumarkt.

Mit Been­di­gung der Herbst­fe­ri­en muss­ten wir nach Stem­men zurück, wenn wir in der Klas­se ver­blei­ben woll­ten. Der Platz auf dem Hof wur­de enger, aus­ge­bomb­te Fami­li­en aus Ham­burg, Bre­men und Weser­mün­de muss­ten auf­ge­nom­men wer­den, und im Janu­ar 1945 erreich­ten die ers­ten Flücht­lings­trecks aus Ost- und West­preu­ßen das Dorf.

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Die Schul­räu­me wur­den beschlag­nahmt und dien­ten nun­mehr einer flä­mi­schen Waf­fen- SS-Ein­heit als Unter­kunft. Herr Hage­mann bewirk­te, dass uns der Club­raum des Dorf­kru­ges vor­mit­tags zur Ver­fü­gung gestellt wur­de, und so fand der Unter­richt nun­mehr bei “Schul­ten Johann” statt. Drau­ßen mar­schier­ten schnei­dig und laut sin­gend die Fla­men vor­bei. Im Saal des Dorf­kru­ges waren die fran­zö­si­schen Kriegs­ge­fan­ge­nen unter­ge­bracht, die tags­über bei den Bau­ern arbei­te­ten und nachts von einem Volks­sturm­mann im Saal ein­ge­schlos­sen wur­den. Anschlie­ßend kamen sie durch die Fens­ter wie­der her­aus und tra­fen sich im Dorf.

Der Krieg kam näher, und Herr Hage­mann erhielt eine Ein­be­ru­fung zum Volks­sturm. Es gelang ihm jedoch, eine Frei­stel­lung zu erwir­ken. So konn­te der Unter­richt bis zu den Oster­fe­ri­en 1945 fort­ge­setzt wer­den. Neben all den erns­ten Ereig­nis­sen, die die Zeit und die Umstän­de mit sich brach­ten, gab es aber auch schö­ne Erleb­nis­se, an die ich mich ger­ne erinnere.

Zum einen war die­ses das haut­na­he Erle­ben der Natur, das für mich als Stadt­kind ein völ­lig neu­es Gefühl bedeu­te­te. Zum ande­ren war es das Gefühl der Not­ge­mein­schaft, das uns zusam­men­hal­ten ließ.

Die Humboldtschule in Geestemünde

In schöns­ter Erin­ne­rung sind mir die win­ter­li­chen Sonn­tag­nach­mit­ta­ge auf der Die­le beim Bau­ern Hoops. Hier kamen wir beim Schein der Petro­le­um­lam­pe mit der Dorf­ju­gend zusam­men. Anne­gret Bäss­mann spiel­te auf dem Akkor­de­on, und wir tanz­ten dazu, wäh­rend die Kühe in den Ver­schlä­gen mit den Ket­ten ras­sel­ten und brumm­ten. Unser schöns­tes Lied war das Lied der KLV, das wohl von Mil­lio­nen Schul­kin­dern in allen Land­ver­schi­ckungs­la­gern des Deut­schen Rei­ches und der angren­zen­den Ost­ge­bie­te gesun­gen wur­de und mit dem ers­ten Vers begann:

 Abends am Lager­feu­er sit­zen wir,
geden­ken der Hei­mat und plau­dern von ihr.
Zu Vater und Mut­ter daheim
kehr’n die Gedan­ken ins Eltern­haus ein. 

Nach den Oster­fe­ri­en wur­de der Schul­un­ter­richt nicht wie­der auf­ge­nom­men. Die Front der eng­li­schen Trup­pen waren unse­rem Auf­ent­halts­ort bedenk­lich nahe gerückt. So ent­schloss sich unser Klas­sen­leh­rer, Herr Hage­mann, mit Unter­stüt­zung von einem ange­reis­ten Vater eines Mit­schü­lers zu einer aben­teu­er­li­chen Heim­rei­se mit drei ver­blie­be­nen Schü­lern. Sein Plan war, mit dem Fahr­rad Bre­mer­vör­de zu errei­chen und dort eine Fahr­ge­le­gen­heit mit dem Zug nach Weser­mün­de zu ergat­tern. Unse­re Polen auf dem Hof hat­ten heim­lich am Radio feind­li­che Pro­pa­gan­da­sen­der abge­hört und dabei ver­nom­men, dass um Bre­mer­vör­de schon Kämp­fe statt­fan­den. Trotz ihrer War­nun­gen schloss ich mich der Grup­pe an.

Die Humboldtschule in Geestemünde

Wir star­te­ten gegen Mit­tag in Stem­men und fuh­ren über die Land­stra­ßen, die voll­ge­stopft waren mit Pan­zern, Last­wa­gen und Sturm­ge­schüt­zen und den dazu­ge­hö­ri­gen Land­sern. Durch eine Pan­ne am Fahr­rad blieb ich zurück und ver­lor den Anschluss an die Grup­pe. Land­ser hal­fen mir beim Fli­cken des Rades, es wur­de spät, und ich hat­te den Mut ver­lo­ren, Bre­mer­vör­de bei Tages­licht zu errei­chen So ent­schloss ich mich, nach Zeven zu fah­ren. Alle Augen­bli­cke muss­te ich anhal­ten und vom Rad sprin­gen, da Tief­flie­ger in nied­ri­ger Höhe die Land­stra­ßen abflo­gen und auf alles schos­sen, was sich bewegte.

Ich erreich­te jedoch den Bahn­hof von Zeven vor Ein­bruch der Dun­kel­heit und muss­te dort den Luft­schutz­kel­ler auf­su­chen, da Flie­ger­alarm herrsch­te. Plötz­lich ging ein Rau­nen durch den Luft­schutz­raum: “Der Zug kommt!” Alles stürm­te nach drau­ßen, und es gelang mir, einen Platz im Zug zu fin­den. Bei der Ein­fahrt in Bre­mer­vör­de schau­te ich aus dem Fens­ter und sah die Grup­pe mit Herrn Hage­mann auf dem Bahn­steig ste­hen. Um Mit­ter­nacht erreich­te der Zug tat­säch­lich den Haupt­bahn­hof von Wesermünde.

Die Humboldtschule in Geestemünde

Am 8. Mai 1945 war mit der Kapi­tu­la­ti­on und mit dem Ein­marsch der High­land Divi­si­on in das Stadt­ge­biet der Krieg zu Ende. Die Wirr­nis­se der Zwi­schen­zeit stel­len eine Geschich­te für sich dar und gehö­ren nicht in die­se Chro­nik. Dazu gehört jedoch der Tod unse­res Rek­tors Graue in den letz­ten Kriegs­ta­gen: Er hat­te sich nach Kühr­stedt eva­ku­iert, um dort das Kriegs­en­de abzu­war­ten. Beim Beschuss des Dor­fes durch die Eng­län­der von Beder­ke­sa aus ver­ließ er das schüt­zen­de Haus und wur­de von einer kre­pie­ren­den Gra­na­te töd­lich verletzt.

Das Kriegs­en­de mit dem unglück­li­chen Aus­gang stellt erneut eine Zäsur für die Ent­wick­lung der Schu­le dar. Die Besat­zungs­macht setzt eine Mili­tär­re­gie­rung ein, die wie­der­um kom­mis­sa­risch eine Stadt­ver­wal­tung aus poli­tisch unbe­las­te­ten Leu­ten zusam­men­stellt. Die ers­ten Auf­ga­ben die­ser Ver­wal­tung sind die Rück­füh­rung und Unter­brin­gung der eva­ku­ier­ten Bevöl­ke­rung und deren Ver­sor­gung. Die Ver­wal­tung wird in die Pes­ta­loz­zi­schu­le ein­quar­tiert und nimmt hier ihre Arbeit auf. Die Schu­len blei­ben auf unbe­stimm­te Zeit geschlos­sen, da die Leh­rer­schaft durch die von der Mili­tär­re­gie­rung ein­ge­setz­ten soge­nann­ten Spruch­kam­mern erst auf ihre poli­ti­sche Unbe­denk­lich­keit geprüft wird. Außer­dem sind kei­ne Räum­lich­kei­ten vor­han­den, da die meis­ten Schu­len der Stadt zer­stört sind. Die Aus­sich­ten auf die Zukunft sind unge­wiss, da noch immer die Fest­set­zun­gen des Mor­genthau­pla­nes über die zukünf­ti­ge Neu­ord­nung Deutsch­lands Gül­tig­keit besit­zen. Das Deut­sche Reich ist in Besat­zungs­zo­nen auf­ge­teilt, und die zustän­di­gen Mili­tär­re­gie­run­gen haben hier die Bildungshoheit.

Die Ame­ri­ka­ner begin­nen mit der Umer­zie­hung der deut­schen Jugend, der “Ree­du­ca­ti­on” durch den GYA, den Ger­man Youth Akti­vi­ties und durch die Ein­rich­tung der soge­nann­ten Ame­ri­ka­häu­ser. In die­sen Insti­tu­tio­nen soll bei den Jugend­li­chen ein neu­es Demo­kra­tie­ver­ständ­nis auf­ge­baut werden.

Auf Ver­an­las­sung mei­nes Vaters begin­ne ich eine Tisch­ler­leh­re, aber da die Werk­statt zer­stört ist, ver­brin­ge ich mei­ne Lehr­zeit mit Trüm­mer­be­sei­ti­gung. Als im Herbst 1945 die Schu­len wie­der geöff­net wer­den, bre­che ich die Leh­re ab und keh­re zur Hum­boldt­schu­le zurück. Unse­re Leh­rer­schaft ist fast voll­stän­dig wie­der in alter Beset­zung anwe­send, die “Per­sil­schei­ne” sind erteilt. Hin­zu kom­men neue Lehr­kräf­te aus den ehe­ma­li­gen Mari­ne­schu­len und aus den Schu­len, die zer­stört sind.

Die Lei­tung der Schu­le wird Rek­tor Rabens anver­traut. Unse­re Klas­sen­leh­re­rin wird Frau Dr. Bohm vom Lyze­um Geest­e­mün­de mit dem Fach Deutsch. Geschich­te und Erd­kun­de unter­rich­tet Herr Hage­mann, Mathe­ma­tik Herr Karsch, Eng­lisch Fräu­lein Rothe, Phy­sik und Che­mie Herr Prenz­low und Zeich­nen und Musik das Leh­rer­ehe­paar Bier­mann. Die Klas­sen­fre­quenz schwankt zwi­schen 40 und 50 Schü­lern. Da die Pes­ta­loz­zi­schu­le durch die Stadt­ver­wal­tung und die Ame­ri­can High­school belegt ist, wer­den die Schü­ler die­ser Schu­le auf die Hum­boldt- und Kör­ner­schu­le ver­teilt. Das Kri­te­ri­um für die Umver­tei­lung, wer auf wel­che Schu­le kommt, stellt kurio­ser­wei­se das Vor­han­den­sein einer Stra­ßen­bahn­hal­te­stel­le in der Nähe der Woh­nung dar.

Der Unter­richt gestal­tet sich für den Lehr­kör­per sehr schwie­rig. Die alten Schul­bü­cher dür­fen aus poli­ti­schen Grün­den nicht benutzt wer­den, neue Schul­bü­cher gibt es nicht, Schreib­pa­pier ist eben­falls nicht zu bekom­men. So muss der Unter­richt aus dem Steg­reif gestal­tet wer­den. Die Über­be­le­gung der Schu­le erfor­dert die Ein­füh­rung des Schicht­un­ter­rich­tes, wobei sich die Klas­sen­ver­bän­de abwech­selnd den Unter­richts­raum tei­len. Die Kern­grup­pe unse­res Klas­sen­ver­ban­des erwei­tert sich um die zu uns gewech­sel­ten Schü­ler der Kör­ner- und Pes­ta­loz­zi­schu­le, um Flücht­lin­ge und ehe­ma­li­ge Flak­hel­fer und Militärdienstverpflichtete.

Wich­tigs­ter Teil der Schu­le für uns ist die Schul­spei­sung, die von der Besat­zungs­macht im Lau­fe des Jah­res 1946 ein­ge­führt wird. Aus Mit­teln der Hoo­ver­spei­sung wird in Groß­kü­chen abwech­selnd Erb­sen­sup­pe bezie­hungs­wei­se Milch­sup­pe berei­tet und in Ther­mos­kü­beln an die Schu­len gelie­fert. In der gro­ßen Pau­se erhält jeder Schü­ler hier­von einen soge­nann­ten Schlag. Die­ser Schlag stellt für vie­le Kin­der die Haupt­mahl­zeit des Tages dar. Grund dafür ist die knap­pe Ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung mit Lebens­mit­teln, die im stren­gen und lan­gen Win­ter 19946/47 ihren Tief­punkt erreicht. Ich bin oft mit ande­ren Klas­sen­ka­me­ra­den zum Schul­schluss nach­mit­tags um 16.30 Uhr erneut in der Hoff­nung zur Schu­le gegan­gen, um von den Res­ten des Tages einen Nach­schlag zu erhalten.

Die Humboldtschule in Geestemünde

Außer­schu­li­sche Ver­pflich­tun­gen gab es auch zu die­ser Zeit. Um einen Anspruch auf Lebens­mit­tel­kar­ten zu erwir­ken, muss­ten Pflicht­stun­den bei der Ent­trüm­me­rung der Stadt nach­ge­wie­sen wer­den. Die­se Pflicht­stun­den wur­den im Klas­sen­ver­band abge­ar­bei­tet. Pflicht war auch der gemein­sa­me Besuch einer Aus­stel­lung der Gräu­el­ta­ten in den KZ’s, die in der Aula der Wil­helm-Raa­be-Schu­le auf­ge­baut war und die mich sehr scho­ckiert hat, und der Besuch meh­re­rer Film­ver­an­stal­tun­gen, die der Ree­du­ca­ti­on die­nen soll­ten. Kei­ne Pflicht, aber all­ge­mein üblich war an Win­ter­aben­den in der Däm­mer­stun­de das Besor­gen von Bun­ker­koh­le von den Zügen am Fische­rei­ha­fen, um daheim ein war­mes Zim­mer zu haben. Die­ses “Besor­gen” galt zu der Zeit als Kava­liers­de­likt und dien­te dem Überleben.

Mit Beginn des neu­en Schul­jah­res 1946 wech­sel­te die Beset­zung unse­res Lehr­kör­pers. Herr Nord­hoff war aus der Kriegs­ge­fan­gen­schaft zurück­ge­kehrt, hat­te sein Spruch­kam­mer­ver­fah­ren hin­ter sich gebracht und wur­de nun unser Klas­sen­leh­rer, der uns in Deutsch, Eng­lisch und Musik unter­rich­te­te. Auch der Turn­un­ter­richt wur­de wie­der auf­ge­nom­men, aber nur im Som­mer, da unse­re Turn­hal­le zer­stört war. Wir muss­ten daher zum Turn­un­ter­richt den Städ­ti­schen Sport­platz im Bür­ger­park auf­su­chen. Da sich für eine Stun­de der lan­ge Anmarsch nicht lohn­te, wur­de der Unter­richt alle 14 Tage auf einen Mitt­woch­vor­mit­tag gelegt und für drei Klas­sen gleich­zei­tig erteilt. Herrn Gabrichs Lieb­lings­sport­art war nun Hand- und Fuß­ball­spiel. Die Asse in die­ser Sport­art, Bagen­da und Gul­bis, stell­ten ihre Mann­schaf­ten auf und spiel­ten, wobei Herr Gabrich schieds­rich­ter­te. Der Rest der Klas­sen wur­de zum Lang­lauf­trai­ning auf die Aschen­bahn rund um den Sport­platz geschickt. Nun weiß ich auch, war­um mir Sport immer ver­hasst war!

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Mit Anbruch der Weih­nachts­fe­ri­en setz­te der Win­ter mit star­kem Frost und Schnee­fall ein. Der Janu­ar brach­te kla­res Frost­wet­ter mit Ost­wind und Tiefst­tem­pe­ra­tu­ren bis zu ‑18°, das sich bis weit in den März hin­ein hin­zog. Die in der Schu­le vor­han­de­nen Koh­le­vor­rä­te waren auf­ge­braucht, Nach­schub gab es nicht und so konn­te die Schu­le nicht mehr geheizt wer­den. Nach Ablauf der Weih­nachts­fe­ri­en ruh­te der Schul­be­trieb bis auf wei­te­res. Die Ver­tei­lung der Schul­spei­se wur­de fort­ge­setzt, und so gin­gen wir mit unse­rem Blech­napf jeden Mor­gen um 9.30 Uhr auf den Schul­hof, um uns unse­ren Schlag Sup­pe abzuholen.Herr Nord­hoff enga­gier­te sich in selbst­auf­op­fern­der Wei­se und kam jeden Mor­gen mit der Stra­ßen­bahn von Alt­wuls­dorf aus zur Schu­le gefah­ren. Nach­dem wir die Schul­spei­sung emp­fan­gen hat­ten, gin­gen wir mit ihm gemein­sam in den Klas­sen­raum, der Tem­pe­ra­tu­ren unter dem Gefrier­punkt hat­te. In Hut und Man­tel mit auf­ge­schla­ge­nem Kra­gen stand er eine Stun­de an der Schul­ta­fel und gab uns Unter­richt und Haus­auf­ga­ben und berei­te­te uns so auf die bevor­ste­hen­de Abschluss­prü­fung vor, die mit Ablauf des Schul­jah­res im März 1947 statt­fin­den sollte.

Die Hoff­nung auf einen erneu­ten Unter­richts­be­ginn erfüll­te sich nicht. Der Dau­er­frost hielt an, und als Prü­fungs­ter­min wur­de nach meh­re­ren Ver­schie­bun­gen der 20. März 1947 fest­ge­setzt. Prü­fungs­ort soll­te die Zwing­lischu­le in der Lan­gen Stra­ße in Lehe sein, die als eine der ältes­ten Schu­len der Stadt zur Behei­zung noch Koh­le­öfen besaß und so ein Raum für uns geheizt wer­den konn­te. Wer die Koh­le besorgt hat, weiß ich nicht. Aus­ge­rech­net in die­sen Tagen hat­te Tau­wet­ter ein­ge­setzt und die ver­eis­ten Stra­ßen­bahn­schie­nen über­flu­tet, so dass die Stra­ßen­bah­nen nicht fah­ren konn­ten. So tra­fen wir Geest­e­mün­der uns recht­zei­tig am Haupt­bahn­hof und mar­schier­ten gemein­sam über die Stra­ße der Frei­heit, die heu­ti­ge Stre­se­mann­stra­ße, in Rich­tung Lehe.

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Wir kamen auf­grund der schlech­ten Fuß­be­klei­dung mit durch­näss­ten Schu­hen dort an und hin­gen unse­re Schu­he und Strümp­fe zum Trock­nen an den rie­si­gen eiser­nen Ofen. Der Prü­fungs­aus­schuss, dem es ähn­lich ergan­gen war, mach­te es eben­so. Als Prü­fungs­aus­schuss unter dem Vor­sitz des Beauf­trag­ten des Sena­tors für Schu­len und Erzie­hung, Schul­rat Zim­mer­mann zeich­ne­ten Rek­tor Rabens, Herr Nord­hoff, Herr Hage­mann, Fräu­lein Rothe, Frau Dr. Bohm und Herr Prenz­low verantwortlich.

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Die schrift­li­che Prü­fung begann unter Herrn Rek­tor Rabens in Mathe­ma­tik unter strengs­ter Klau­sur. Wer vor Auf­re­gung zur Toi­let­te muss­te, konn­te die­ses nur in Beglei­tung eines Leh­rers ver­rich­ten. Es folg­ten die ande­ren Prü­fungs­fä­cher. Wer bei einer spä­te­ren Begut­ach­tung durch den Prü­fungs­aus­schuss mit einer Zen­sur zum Guten oder Schlech­ten auf der Kip­pe stand, wur­de münd­lich nach­ge­prüft. Ich muss an die­ser Stel­le für ihr Ver­hal­ten in der münd­li­chen Prü­fung lobend Fräu­lein Rothe erwäh­nen, die sich uns gegen­über loy­al zeig­te und durch ihre Mimik und durch geschick­te Zwi­schen­fra­gen man­che gespann­te Situa­ti­on rettete.

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Zur Beloh­nung für die Anstren­gun­gen stand der Klas­se in der Pau­se ein gan­zer Kübel Schul­spei­sung zum Sat­tes­sen bereit. Ent­spannt und in gelo­cker­ter Atmo­sphä­re tra­ten wir in hel­lem Son­nen­schein den Rück­weg nach Hau­se über die Hafen­stras­se an. Die offi­zi­el­le Schul­ent­las­sungs­fei­er fand am 29. März 1947 vor­mit­tags um 11.00 Uhr im Musik­zim­mer der Schu­le statt. Nach­mit­tags tra­fen wir uns noch ein­mal in der Schu­le, um mit Heiß­ge­tränk die bestan­de­ne Prü­fung zu begießen.

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Rück­bli­ckend möch­te ich noch ein­mal unse­rer Leh­rer­schaft mei­ne Hoch­ach­tung aus­drü­cken, die uns unter wid­rigs­ten Umstän­den ein Bil­dungs­ni­veau ver­mit­telt hat, das den heu­ti­gen schu­li­schen Leis­tun­gen in kei­ner Wei­se nach­steht. Die­ses Wis­sen kam uns in den1950er Auf­bau­jah­ren allen zu Gute und bil­de­te die Basis für unse­re beruf­li­che Kar­rie­re und stell­te für vie­le auch den Grund­stock für den zwei­ten Bil­dungs­weg dar. Ohne jeman­den zurück­zu­stel­len, möch­te ich die ruhi­ge, beson­ne­ne und väter­li­che Art des Herrn Hage­mann erwäh­nen, der uns durch all die schwe­ren Jah­re beglei­te­te und der mit sei­nem ver­steck­ten Humor man­che Eska­la­ti­on ver­mei­den half. Bei Herrn Rek­tor Rabens bewun­de­re ich die Art sei­ner Päd­ago­gik und Dia­lek­tik, mit der er den Unter­richt führ­te und sei­ne Auto­ri­tät zum Aus­druck brach­te. Ich mei­ne, dass er mit die­ser Art auch bei der heu­ti­gen Schul­ju­gend mit Erfolg bestehen könn­te!
Bre­mer­ha­ven, im Juli 1997 | Erich Sturk
Vie­len Dank an Herrn Erich Sturk, dass er die Leser des Deich­SPIE­GELS an sei­nen Erin­ne­run­gen an die Hum­boldt­schu­le teil­ha­ben lässt. 

Deutsche Auswanderer auf dem Weg nach Lateinamerika im 19. und 20. Jahrhundert

Am Sonn­tag, 15. Mai 2016, bie­tet das Deut­sche Aus­wan­der­er­haus Bre­mer­ha­ven um 10.30 Uhr eine the­ma­ti­sche Füh­rung durch Dau­er­aus­stel­lung “Gober­nar es Poblar – Deut­sche Aus­wan­de­rer auf dem Weg nach Latein­ame­ri­ka im 19. und 20. Jahr­hun­dert” an.

Deutsche Auswanderer auf dem Weg nach Lateinamerika

Regie­ren heißt Bevöl­kern. Dies war das Mot­to der Ein­wan­de­rungs­po­li­tik in Argen­ti­ni­en und Bra­si­li­en. Nicht nur die USA waren im 19. und 20. Jahr­hun­dert Ziel deut­scher Aus­wan­de­rer, son­dern auch Süd­ame­ri­ka zog zahl­rei­che Men­schen aus Deutsch­land an. Bis heu­te zeu­gen Fach­werk­häu­ser und Okto­ber­fes­te in bestimm­ten Regio­nen Bra­si­li­ens, Chi­les und Argen­ti­ni­ens von der deut­schen Besiedlung.

Die the­ma­ti­sche Füh­rung durch die Dau­er­aus­stel­lung erläu­tert die Beweg­grün­de der deut­schen Süd­ame­ri­ka-Aus­wan­de­rer und beleuch­tet dabei auch die Rol­le staat­li­cher Anwerbeprogramme.

Der Rund­gang beginnt um 10.30 Uhr im Foy­er des Deut­schen Aus­wan­der­er­hau­ses, Colum­bus­stra­ße 65, 27568 Bre­mer­ha­ven. Eine Anmel­dung ist erwünscht unter der Ruf­num­mer 0471/90 22 0–0 oder an der Kasse.

Preis: Ein­tritt in die Dau­er­aus­stel­lung zzgl. 3,00 €.
Wei­te­re Infor­ma­tio­nen:
www.dah-bremerhaven.de
Deut­sches Aus­wan­der­er­haus
Colum­bus­stra­ße 65
27568 Bre­mer­ha­ven

Erich Sturk: Meine Schulzeit in der Allmersschule

In “Mei­ne Schul­zeit in der All­mers­schu­le” beschreibt der Geest­e­mün­der Erich Sturk sei­nen ers­ten Schul­tag in der All­mers­schu­le und sei­ne Erin­ne­run­gen an die ers­ten Schul­jah­re. Die Gebur­ten­jahr­gän­ge 1930/31, die auf­grund ihres Wohn­sit­zes zum Schul­be­zirk der All­mers­schu­le in Geest­e­mün­de gehör­ten, wur­den Ostern 1937 eingeschult. 

Allmersschule

Der dama­li­gen Klas­sen­fre­quenz ent­spre­chend wur­den zwei Klas­sen gebil­det, die Selek­ti­on wur­de ent­spre­chend den Anfangs­buch­sta­ben der Nach­na­men vor­ge­nom­men. Die Schü­ler mit den Anfangs­buch­sta­ben A — L kamen in die Klas­se 8 a zu Herrn Tin­ne­mey­er, der Rest in die Klas­se 8 b zu Herrn Lan­ge. Lei­ter der All­mers­schu­le war der­zeit Rek­tor Stelljes.

Zur Ein­schu­lung Ostern 1937 bekam ich eine Schul­tü­te, gefüllt mit Süßig­kei­ten, die mir den Ein­tritt in den Ernst des Lebens ver­sü­ßen soll­te. Ich bekam sie aber erst zu Hau­se über­reicht, damit, Zitat mei­ner Eltern, “den armen Kin­dern, die kei­ne bekom­men, nicht das Herz blutet.”

Die Ein­schu­lung begann mit einem Flag­gen­ap­pell, zu dem die gesam­te Schü­ler­schaft auf dem Schul­hof ange­tre­ten war und Rek­tor Stell­jes die Flag­ge hiss­te, wobei das Deutsch­land­lied und das Horst-Wes­sel-Lied gesun­gen wurde.

Der Schul­ran­zen, genannt “Tor­nis­ter”, wur­de auf dem Rücken getra­gen, um die Kör­per­hal­tung zu scho­nen. Er ent­hielt die Schul­fi­bel, (“Oh Hei­ni, bist Du dumm, rührst mit dem gan­zen Fin­ger im Tin­ten­fass her­um…“ und “Feri­en und lesen? Nein, wir sehen SA und SS…“), ein Rechen­buch, den Grif­fel­kas­ten mit ver­schie­de­nen Schie­fer­grif­feln und als Haupt­re­qui­sit die Schie­fer­ta­fel mit Schwamm­do­se und Tafel­lap­pen zum Säu­bern der Schie­fer­ta­fel. Alter­na­ti­ve Mit­schü­ler, die es auch damals schon gab, spuck­ten zu die­sem Zweck auf die Tafel und wisch­ten sie mit dem Ärmel ab.

Erinnerungsfoto

Die Unter­rich­tung wäh­rend der ers­ten vier Grund­schul­jah­re er- folg­te in allen Fächern durch den Klas­sen­leh­rer, in mei­nem Fall durch den Herrn Lan­ge. Ledig­lich der Turn­un­ter­richt erfolg­te zusam­men mit der Par­al­lel­klas­se durch den Herrn Tin­ne­mey­er, spä­ter durch Herrn Schos­sig. Haupt­fä­cher waren Schrei­ben, Lesen, Rech­nen, wobei das Üben der Schön­schrift in Süt­ter­lin erst auf Schie­fer­ta­feln, spä­ter mit Tin­te in Schul­hef­ten ein beson­de­res Ste­cken­pferd des Herrn Lan­ge war.

Neben­fä­cher waren Hei­mat­kun­de, Hei­mat­ge­schich­te und Reli­gi­on, wobei die Flüs­se des Har­zes, auf­ge­zählt in Ost- und West­rich­tung eine beson­de­re Bedeu­tung hat­ten, da Herr Lan­ge hier sei­ne Urlaubs­zeit ver­brach­te. Zur Hei­mat­ge­schich­te zähl­ten die Hei­mat­sa­gen des Hein­rich Mahler, sei­ner­zeit Rek­tor an der Her­mann-Löns-Schu­le. Ich erin­ne­re mich an den Dra­chen­stein in Don­nern und die Zwer­ge von Dünen­fähr, Orte, die ich sonn­tags mit mei­nen Eltern auf dem Fahr­rad auf­such­te, um mir ein Bild zu machen. Die Reli­gi­ons­stun­de lag am Schluss des Unter­rich­tes, wobei die “Gott­lo­sen” (Zitat Wil­helm Lan­ge) und die Katho­li­ken und Juden nach Hau­se gehen durften.

1937 Allmersschule Klassenfoto

Die All­mers­schu­le war eine acht­klas­si­ge Grund­schu­le für Jun­gen. Wer die ent­spre­chen­den Leis­tun­gen brach­te und des­sen Eltern das nöti­ge Schul­geld besa­ßen, konn­te nach der vier­ten Klas­se zur Ober­schu­le für Jun­gen, der heu­ti­gen Wil­helm-Raa­be-Schu­le, über­wech­seln. Die zwei­te Mög­lich­keit der Wei­ter­bil­dung bestand im Wech­sel nach der sechs­ten Klas­se zum Auf­bau­zug der Hum­boldt­schu­le, einer Ein­rich­tung der Reich­mi­nis­ters für Erzie­hung und Wis­sen­schaft als Alter­na­ti­ve zur Ober­schu­le. Zu die­sem Über­gang wur­den ent­spre­chen­de Schul­no­ten, eine Emp­feh­lung des Klas­sen­leh­rers und die erfolg­reich Teil­nah­me an einem zwei­jäh­ri­gen Eng­lisch­kur­sus, zusam­men mit den gleich­alt­ri­gen Mäd­chen der Neu­markt­schu­le, verlangt.

Die Erzie­hung war preu­ßisch streng. Mor­gens bei Schul­be­ginn betrat Herr Lan­ge die Klas­se und auf sei­nen Ruf hin “Zock, drei, vier” muss­ten wir alle gera­de und still mit gekreuz­ten Armen auf unse­rem Platz sit­zen. Das Leh­rer­pult stand auf einem erhöh­ten Podest, dane­ben ein Spuck­napf und ein Stahl­ge­stell mit Wasch­schüs­sel und Sei­fe. Bei­des wur­de vom Haus­meis­ter, dem Herrn Göld­ner, täg­lich gesäu­bert und frisch gefüllt. Über dem Pult hing an der Wand ein Füh­rer­bild, auf das bei ent­spre­chen­den Gele­gen­hei­ten mit den Wor­ten: “… und das im Ange­sich­te eures Füh­rers! Pfui, schämt Euch!“, hin­ge­wie­sen wurde.

Auf dem Klas­sen­schrank lag ein wich­ti­ges Requi­sit, näm­lich ein Rohr­stock, genannt “der Gel­be”. Er dien­te als Zei­ge­stock und zur kör­per­li­chen Züch­ti­gung. War er durch zu häu­fi­ge Benut­zung ver­schlis­sen, wur­de ein Schü­ler zum Eisen­wa­ren­ge­schäft Daetz in die Georg­stra­ße geschickt, um einen neu­en “Gel­ben” zu besor­gen. Neben dem stän­dig gebrauch­tem “Zock drei vier” war es eine Eigen­art unse­res Kas­sen­leh­rers, bei schrift­li­chen Arbei­ten mit dem “Gel­ben” auf die Schü­ler­pul­te zu stei­gen und so, von Pult zu Pult schrei­tend, die Arbei­ten des Ein­zel­nen zu kon­trol­lie­ren und zu korrigieren.

Zuechtigung

Die Päd­ago­gik des Herrn Lan­ge bestand vor­wie­gend aus der “Pauk­me­tho­de”. Aus­wen­dig ler­nen von Gedich­ten und Pro­sa stand an ers­ter Stel­le und soll­te das Gedächt­nis schu­len. Bis jeder in der Klas­se das Gedicht “Die alte Wasch­frau” feh­ler­frei auf­sa­gen konn­te, muss­ten wir es rück­wärts üben und von hin­ten her auf­sa­gen. Die­se Metho­de, die sicher­lich bei jedem zeit­ge­mäß aus­ge­bil­de­ten Päd­ago­gen Kopf­schüt­teln her­vor­ruft, hat­te aber für das prak­ti­sche Leben auch ihre Vor­tei­le. So kann ich heu­te noch alle Prä­po­si­tio­nen und Kon­junk­tio­nen der Rei­he nach im Schlaf auf­sa­gen, die Qua­drat­wur­zel ohne Hil­fe eines Rechen­schie­bers oder eines Taschen­rech­ners zie­hen und Sät­ze “Dro­ben ste­het die Kapel­le, schaut ins tie­fe Tal hin­ab.…” nach Satz­ge­gen­stand und Satz­aus­sa­ge zergliedern.

Mit Kriegs­be­ginn am 1. Sep­tem­ber 1939 änder­te sich auch eini­ges im täg­li­chen Schul­ab­lauf. Im Kel­ler der Schu­le wur­de ein Luft­schutz­raum ein­ge­rich­tet, den wir bei den zuneh­men­den Flie­ger­alar­men auf­su­chen muss­ten, und 1941 fie­len die ers­ten Bom­ben in der Nähe der Schu­le in der Schil­ler- und Klop­stock­stra­ße. Genau gegen­über der Schu­le, in der All­mers­stra­ße, wur­de mit dem Bau eines Hoch­bun­kers begon­nen, der nach dem Krie­ge gesprengt wurde.

Jungvolk

Zum Unter­richt trat das Fach “Luft­schutz­übung” unter der Lei­tung des Leh­rers und stell­ver­tre­ten­den Rek­tors, Herrn Mey­er, hin­zu. Auf dem Schul­hof wur­de der Blind­gän­ger einer Stab­brand­bom­be gezün­det, und Herr Mey­er demons­trier­te, wie man die­se im Anfangs­sta­di­um anfas­sen und fort­wer­fen kann, tauch­te sie in einen Was­ser­ei­mer, ohne dass sie erlosch und deck­te sie dann mit Lösch­sand ab.

Bei nächt­li­chem Flie­ger­alarm nach 22.00 Uhr wur­de der Unter­richts­be­ginn auf 9.30 Uhr ver­legt und der Stun­den­plan in Kurz­stun­den umge­wan­delt. Ab 1943 wur­den die älte­ren Schü­ler zu einer so genann­ten Brand­wa­che ein­ge­teilt, die den Nach­mit­tag in der Schu­le ver­brin­gen muss­te. Die Milch- und Kakao­lie­fe­rung der Mol­ke­rei wur­de ein­ge­stellt, dafür wur­den Knä­cke­brot und Vit­amin­ta­blet­ten ver­teilt, letz­te­re abge­zählt in einer aus­ge­dien­ten Schulkreideverpackung.

Neben der Ein­gangs­trep­pe wur­de ein altes Ölfass auf­ge­stellt und dien­te der Kno­chen­samm­lung für das Win­ter­hilfs­werk, hin­zu kamen Samm­lun­gen von Sta­ni­ol (Sil­ber­pa­pier und alte Zahn­pas­ta­tu­ben) und Heil­kräu­tern. Mit Geld­samm­lun­gen soll­te dem VDA (Ver­ein für das Deutsch­tum im Aus­land) gehol­fen wer­den. Für 20 Pfg. bekam man eine VDA-Pla­ket­te mit den Wap­pen der Städ­te im Sude­ten­land, in Sie­ben­bür­gen, im Banat und in Böh­men und Mähren.

Zur Weih­nachts­zeit wur­de zu dem glei­chen Zweck eine VDA-Ker­ze ange­bo­ten, gro­ße blaue Wachs­ker­zen in einem hand­ge­schnitz­ten Holz­stän­der aus dem Erz­ge­bir­ge, die zu mor­gend­li­chen Fei­er­stun­den auf die Schul­bän­ke gestellt und ange­zün­det wur­den. Dazu wur­den Geschich­ten von Peter Ros­seg­ger (“Als ich das ers­te Mal auf dem Dampf­wa­gen fuhr…”) gele­sen, Gedich­te (Bana­ter Schwa­ben­lied “Es brennt ein Weh’ wie Kin­der­trä­nen bren­nen…”) auf­ge­sagt und Lie­der (“Hohe Nacht der kla­ren Ster­ne…”) gesun­gen. Es war sehr fei­er­lich, und die­se Stun­den sind mir in guter Erinnerung.

Hitlerjugend

Das Schul­ge­bäu­de dien­te nun nicht mehr allein dem schu­li­schen Unter­richt. Im Alter von zehn Jah­ren wur­de ich in das “Deut­sche Jung­volk” auf­ge­nom­men und kam in das Fähn­lein 8, das zur Orts­grup­pe Neu­markt gehör­te und sei­nen Dienst im Bereich der All­mers­schu­le abhielt. Auf dem Schul­hof wur­de exer­ziert, in der Turn­hal­le geturnt und in den Klas­sen­räu­men wur­den die Heima­ben­de abge­hal­ten. Hier­bei kam es oft zu Dif­fe­ren­zen mit dem Haus­meis­ter, der uns für die ihm ange­las­te­te Mehr­ar­beit aus ver­ständ­li­chen Grün­den nicht immer gut geson­nen war.

Auf­grund der sich häu­fen­den Flie­ger­alar­me und gele­gent­li­chen Bom­ben­ab­wür­fen alli­ier­ter Bom­ber begann 1942/43 das Pro­gramm der KLV, der Kin­der­land­ver­schi­ckung. Für mei­ne Klas­se war als Ziel der Kur­ort Zakop­a­ne im süd­li­chen Polen vor­ge­se­hen, und zusam­men mit der Par­al­lel­klas­se ging die Fahrt unter Lei­tung von Rek­tor Stell­jes dort­hin. Damit ging mei­ne Zeit in der All­mers­schu­le dem Ende zu. Ich soll­te auf Wunsch mei­ner Eltern in den Auf­bau­zug der Hum­boldt­schu­le über­wech­seln und erhielt im letz­ten Zeug­nis den gefor­der­ten Eig­nungs­ver­merk dazu.

Allmersschule

Am 18. Sep­tem­ber 1944 wur­de das Gebäu­de der All­mers­schu­le durch den Angriff alli­ier­ter Bom­ber zer­stört und brann­te voll­stän­dig aus. Die erhal­te­ne Rui­ne wur­de erst nach Ende des Krie­ges restau­riert und aus­ge­baut und dient seit dem wie­der der schu­li­schen Erzie­hung.
Bre­mer­ha­ven, im Janu­ar 2001 | Erich Sturk
Vie­len Dank an Herrn Erich Sturk, dass er die Leser des Deich­SPIE­GELS an sei­nen Erin­ne­run­gen an die All­mers­schu­le teil­ha­ben lässt.

Das Kraftverkehrsunternehmen Lunte & Sauer

Das Deut­sche Reich hat­te noch einen Kai­ser, als am 1. Juli 1907 die Geschich­te des Kraft­ver­kehrs­un­ter­neh­men Lun­te & Sau­er begann. An jenem Tag nahm der am 7. Juli 1867 gebo­re­ne Johann Carl Niko­laus Lun­te das Kon­fir­ma­ti­ons­geld sei­nes zwei­ten Soh­nes Hein­rich in die Hand, kauf­te davon ein Pferd und grün­de­te sein Fuhr­un­ter­neh­men.Das Kraftverkehrsunternehmen Lunte & SauerWohn- und Fir­men­sitz der Ehe­leu­te Johann und Anna Lun­te war das Haus Num­mer 31 in der Kist­ner­stra­ße. Die Kist­ner­stra­ße liegt auf der alten Leher Flur “Die Mei­de”. Das Wort kommt aus dem Ost­frie­si­schen und bedeu­tet Grün­land, Gras­land oder Heuland.

1907 Adressbuch

Es waren arbeits- und ent­beh­rungs­rei­che Jah­re für das Ehe­paar Lun­te. Nicht nur das neu gegrün­de­te Fuhr­un­ter­neh­men, dem das Kai­ser­li­che Post­amt die Leher Fern­ruf­num­mer 1479 zuteil­te, ver­lang­te den bei­den viel Kraft ab. Es galt auch, sie­ben Kin­der zu ver­sor­gen und eine klei­ne Neben­er­werbs­land­wirt­schaft, bestehend aus einem Feld und ein paar Schwei­ne und Kühe, zu betreiben.

1912 Fuhrunternehmen Lunte

In der Fir­men­ge­schich­te spielt die Kist­ner­stra­ße aber kei­ne gro­ße Rol­le. Im Jah­re 1912, also nur fünf Jah­re nach der Fir­men­grün­dung, kauf­te Johann Lun­te das Haus Num­mer 18 a in der August­stra­ße und ver­leg­te sei­nen Wohn­sitz und sei­nen Betrieb dorthin.

Dann kam der Ers­te Welt­krieg. Hun­dert­tau­sen­de Pfer­de wur­den requi­riert und muss­ten unge­heu­re Rüs­tungs­men­gen zu den Fron­ten schlep­pen. Die meis­ten Pfer­de wur­den den Bau­ern weg­ge­nom­men, aber mög­li­cher­wei­se muss­te auch Johann Carl Niko­laus Lun­te ein oder meh­re­re Pfer­de sei­nes Fuhr­un­ter­neh­mens für den Kriegs­dienst hergeben.

Für vie­le Ade­li­ge war es im Ers­ten Welt­krieg noch selbst­ver­ständ­lich, mit einem Pferd in die Schlacht zu zie­hen. Als der Krieg dann im Jah­re 1918 end­lich vor­über war, kam ein deut­scher Offi­zier mit sei­ner Stu­te von der Front zurück. Der Offi­zier bot sein Pferd zum Kauf an, und Johann Lun­te erwarb das Tier für sein Fuhrunternehmen.

1918 Fuhrunternehmen Lunte

Arthur Wil­helm, das fünf­te Kind von Johann und Anna Lun­te, hat beim Lloyd Elek­tri­ker gelernt. Als sich der Fir­men­grün­der mit 62 Jah­ren zur Ruhe setz­te, über­nahm Arthur Wil­helm am 1. Juli 1929 — 22 Jah­re nach der Fir­men­grün­dung — das Ruder des Fuhr­un­ter­neh­mens. Aber auch ihre gut lau­fen­de Koh­len­hand­lung führ­ten sie als Neben­be­schäf­ti­gung weiter.

Ehepaar Artur und Erna Lunte

Schon ein Jahr spä­ter – im Jah­re 1930 – wur­de das ers­te Auto ange­schafft. Und irgend­wann stand auch der ers­te Last­kraft­wa­gen auf dem Hof. Ein Hen­schel mit Nie­ren­küh­ler­mas­ke. “Arthur Lun­te – Eil­dienst” war auf der Bei­fah­rer­tür zu lesen. Die­se gro­ße Inves­ti­ti­on rief natür­lich noch ein­mal den Fir­men­grün­der Johann Lun­te auf den Plan. Klar, dass er es sich nicht neh­men ließ, auf dem Bei­fah­rer­sitz Platz zu nehmen.

1930 Das erste Auto

Selbst fah­ren durf­te er ver­mut­lich nicht. Es ist nicht anzu­neh­men, dass Johann Lun­te im Besitz einer Fahr­erlaub­nis war. Bereits am 3. Mai 1909 wur­de näm­lich die ers­te Reichs-Stra­ßen­ver­kehrs­ord­nung ein­ge­führt. Dar­in war fest­ge­legt, dass zum Füh­ren eines Kraft­fahr­zeu­ges mit einem Gesamt­ge­wicht von über 2,5 Ton­nen der Füh­rer­schein Klas­se II erfor­der­lich war. Und Rasen wur­de auch ver­bo­ten – inner­orts durf­te kein Fahr­zeug schnel­ler als 15 km/h unter­wegs sein. Erst im Jah­re 1923 wur­de das Tem­po­li­mit auf 30 km/h erhöht. Die zustän­di­ge Ver­wal­tungs­be­hör­de konn­te das Limit auf 40 km/h heraufsetzen.

Beifahrer Johann Lunte

Der Hen­schel muss­te wohl für eine lan­ge Zeit sei­nen Dienst ver­rich­tet haben. Eine Ersatz­be­schaf­fung war wäh­rend der Kriegs­jah­re ja unmög­lich. Ab 1939 durf­ten kei­ne Last­kraft­wa­gen von oder an pri­vat gekauft oder ver­kauft werden.

Arthur und Erna Lun­te hat­ten nur ein Kind – die Mar­got. Am 25. März 1943 leg­te Mar­got mit erst 17 Jah­ren erfolg­reich die Prü­fung für den Füh­rer­schein der Klas­se II ab. Das war für eine Frau sehr unüb­lich, konn­ten sie doch bis zum Jah­re 1958 nur mit Erlaub­nis des Ehe­man­nes oder Vaters einen Füh­rer­schein machen. Aber in den Kriegs­jah­ren – die Män­ner sind an der Front — ver­rich­ten vie­le Frau­en all die Arbei­ten, die sonst die Män­ner ver­rich­tet haben. Und das Fah­ren eines Last­wa­gens gehört nun mal dazu.

Aller­dings soll­ten Last­wa­gen mit zwei Anhän­gern bald der Ver­gan­gen­heit ange­hö­ren. In den 1950er Jah­ren schränk­te der dama­li­ge Ver­kehrs­mi­nis­ter Hans-Chris­toph See­bohm Län­ge und Gewicht für Last­wa­gen dras­tisch ein.

Margot Lunte

Vor dem Zwei­ten Welt­krieg wur­den vie­le Last­kraft­wa­gen mit einem Holz­ver­ga­ser aus­ge­lie­fert. Das natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Deutsch­land woll­te unab­hän­gig von Erd­öl­lie­fe­run­gen aus dem Aus­land sein. Und als der Treib­stoff wäh­rend des Krie­ges dau­er­haft knapp wur­de, blieb Ben­zin und Die­sel nur noch den Wehr­machts­fahr­zeu­gen vor­be­hal­ten. So muss­te auch der Fuhr­un­ter­neh­mer Lun­te sei­ne Fahrt immer wie­der unter­bre­chen, um den Ofen hin­ter sei­nem Füh­rer­haus mit fri­schem Holz zu befeuern.

1943 Tanken an der Bundesstrasse

Die Kes­sel für einen Holz­gas­ge­ne­ra­tor konn­ten mit etwa 150 Kilo Holz befüllt wer­den. Das reich­te bei einem Last­wa­gen für eine Stre­cke von unge­fähr 150 Kilo­me­ter. War die Trans­port­stre­cke län­ger, muss­te unter­wegs neu­er Brenn­stoff orga­ni­siert werden.

1943 Winter an der Bundesstrasse

Es war nicht immer ein­fach, einen Bau­ern zu fin­den, der Holz zu ver­kau­fen hat­te. Wenn das Holz dann aber erst ein­mal im Kes­sel brann­te, hat­ten sich nach unge­fähr fünf Minu­ten genü­gend Gase gebil­det, um den Motor wie­der anzu­trei­ben. Dann konn­te man sei­nem Ziel wei­ter ent­ge­gen­tu­ckern. Und an den Rän­dern der Land­stra­ßen blie­ben klei­ne Asche­hau­fen zurück.

Henschel-Lastkraftwagen

Mar­got Lun­te hei­ra­te­te am 24. Febru­ar 1945 den Kon­di­tor Heinz-Wil­helm Sau­er. Gut sie­ben Jah­re spä­ter, am 1. Okto­ber 1952, wur­de Heinz-Wil­helm Teil­ha­ber in der Fir­ma sei­nes Schwie­ger­va­ters. Vor dem Fir­men­tor steht jetzt ein Kaelble-Lastkraftwagen.

1951 Jungfernfahrt mit dem Kaelble

War­um der Fir­men­chef die Mar­ke gewech­selt hat, ist nicht bekannt. War es viel­leicht dem Umstand geschul­det, daß die Fir­ma Hen­schel auf­grund ihrer Kriegs­gü­ter­pro­duk­ti­on nach dem Krieg zunächst kei­ne Fahr­zeu­ge bau­en durfte?

Wie dem auch sei, mit dem Kaelb­le scheint der Fir­men­chef eine gute Wahl getrof­fen zu haben. Das Fahr­zeug hat mit einer Maschi­ne 300.000 Kilo­me­ter  abgespult.

1952 Heinz-Wilhelm Sauer

Es waren har­te Nach­kriegs­jah­re für Johann Lun­te und sei­nem Teil­ha­ber und Schwie­ger­sohn Heinz-Wil­helm Sau­er. Die ers­ten Auf­trä­ge bekam das Fuhr­un­ter­neh­men von der US-Armee. Die Güter für die ame­ri­ka­ni­schen Besat­zungs­sol­da­ten in Deutsch­land kamen per Schiff nach Bremerhaven.

1960 Kaelble-Gespann

In den Lager­hal­len am Roten Sand, dort wo heu­te das E‑Center steht, wur­de alles zwi­schen­ge­la­gert. Eini­ge der Hal­len ste­hen noch an der Rud­l­off­stra­ße. Von dort wur­de alles auf die US-Kaser­nen ver­teilt. Natür­lich Unmen­gen Coca-Cola! Und aus Ame­ri­ka ein­ge­führ­tes Kat­zen­streu für die deut­schen Kat­zen der GI’s. Und der damals noch uner­reich­ba­re Traum einer jeden deut­schen Haus­frau – Waschmaschinen!

Kaelble-Lastkraftwagen

Gela­den wur­de von Hand. Eine Palet­te nach der ande­ren wur­de ver­la­den. Und so ver­schwan­den auf den Lade­flä­chen der Last­wa­gen Kon­ser­ven und Becks Bier, Wasch­pul­ver und das besag­te Kat­zen­streu aus Ame­ri­ka, Ziga­ret­ten und Coca-Cola. Und oben­auf wur­den die Wasch­ma­schi­nen gehievt. Gut 2.200 Kar­tons pass­ten auf die Last­wa­gen. Das waren 23,5 Ton­nen Gewicht.

1960 Bananenpier

Wenn alles ver­la­den war, ging die Tour zu den US-Kaser­nen los. Mit drei Last­wa­gen trans­por­tier­te das Fuhr­un­ter­neh­men Lun­te & Sau­er die Lebens­mit­tel und Kon­sum­gü­ter von Bre­mer­ha­ven nach Kas­sel und Gie­ßen, nach Fried­berg, Karls­ru­he, Ulm und Darm­stadt. Und nach Ober­am­mer­gau und Gar­misch. Ins­ge­samt muss­ten 56 Abla­de­stel­len ange­fah­ren und die Kar­tons ein­zeln ent­la­den werden.

Jürgen Sauer

Für den im Jah­re 1946 gebo­re­nen Sohn von Heinz-Wil­helm Sau­er und sei­ner Ehe­frau Mar­got, gebo­re­ne Lun­te, gehör­ten die ame­ri­ka­ni­schen Last­wa­gen eben­so zum All­tag, wie für Wil­fried Lun­te, ein Enkel des Fir­men­grün­ders. Die gro­ßen Armee-Sat­tel­schlep­per stan­den immer am Leher Stadt­park. Dort hat Wil­fried Lun­te auch ein­mal ver­sucht, Scho­ko­la­de aus einem Füh­rer­haus zu mop­sen. Das ging aber schief, ein GI hat ihn erwischt und hoch­kan­tig aus den Last­wa­gen geschmissen.

Da hat­te Jür­gen Sau­er spä­ter mehr Glück. Als 4‑Jähriger bekam er von einem im Hau­se Sau­er ein­quar­tier­ten Mili­tär­po­li­zis­ten ein Stück Scho­ko­la­de geschenkt. Klar dass der klei­ne Jür­gen mit dem Sol­da­ten gleich ewi­ge Freund­schaft schloss!

Jürgen Sauer auf dem Lkw

So hat Jür­gen Lun­te den Die­sel­ge­ruch sozu­sa­gen bereits mit der Mut­ter­milch auf­ge­so­gen. Da war es nur natür­lich, dass er sei­nen Vater Heinz-Wil­helm Sau­er schon als Kind so oft wie mög­lich auf Fern­fahr­ten beglei­te­te. Und als Jugend­li­cher muss­te er kräf­tig mit anpa­cken. Eine uner­war­te­te Begeg­nung in Fried­berg soll­te für den damals 13-jäh­ri­gen Jür­gen eine tol­le Beloh­nung sein: Wie aus dem Nichts stand der uni­for­mier­te Elvis Pres­ley plötz­lich am Lastwagen.

Aber auch Zuhau­se gab es immer viel zu tun. Egal, ob ein Num­mern­schild neue Far­be brauch­te oder ob ein defek­ter Motor aus­ge­tauscht wer­den muss­te — vie­le Arbei­ten wur­den in der eige­nen Werk­statt selbst erledigt.

Fahrzeugpflege

Gewiss ahn­te Jür­gen Sau­er in jenen Jah­ren noch nicht, dass er ein­mal in die Fuß­stap­fen sei­ner Eltern tre­ten wür­de. Zunächst deu­te­te auch nichts dar­auf hin: Nach der Schu­le absol­vier­te er eine Leh­re als Groß­han­dels­kauf­mann. Und danach rief die Bun­des­wehr, und Jür­gen Sau­er leis­te­te sei­ne Wehr­pflicht ab. Als Sol­dat erwarb er den Füh­rer­schein Klas­se 2.

1969 Sattelzug

Irgend­wann ab Anfang der 1970er Jah­re saß Jür­gen dann doch hin­ter dem Lenk­rad eines Lkw. In jener Zeit führ­te ihn eine Tour ins Badi­sche. Die Stra­ße war spie­gel­glatt, und in der Nähe von Brett­en ging es in Ser­pen­ti­nen abwärts. Mit jedem Brems­vor­gang droh­te der Last­wa­gen von der Stra­ße zu rut­schen. Also wur­de mög­lichst wenig gebremst – oder gar nicht. Auch nicht, als im Tal die blin­ken­den roten Lich­ter eines Bahn­über­gan­ges auf­tauch­ten. “Augen zu und rüber über die Glei­se”, war die Devi­se. Jür­gen Sau­er hat es auch gera­de noch so geschafft. Kaum waren die Bahn­glei­se über­quert, da rausch­te hin­ter dem Last­wa­gen der Zug vor­bei. Der Schreck war so groß, dass die Fahrt am nächs­ten Gast­hof unter­bro­chen wurde.

1970 Frontlenker

Wur­den anfangs nur Lebens­mit­tel trans­por­tiert, muss­te spä­ter auch der Haus­rat der US-Sol­da­ten, die alle paar Jah­re zu einem ande­ren Stand­ort wech­sel­ten, ver­la­den wer­den. Der Haus­rat wur­de in Möbel­kis­ten ver­packt. Die hat­ten so gro­ße Aus­ma­ße, dass die Plan­ge­stel­le auf den 38-Ton­ner erhöht wer­den muss­ten. Damit erreich­ten die Fahr­zeu­ge eine Höhe von vier Meter – und pass­ten nun nicht mehr durch die Toreinfahrt.

Im Jah­re 1976 mach­te sich der 78 Jah­re alte Arthur Lun­te an die Arbeit. Er riss die schö­ne alte Ein­fahrt ab, um die Hof­ein­fahrt zu ver­grö­ßern. Den größ­ten Teil der Umbau­ar­bei­ten  erle­dig­te Arthur Lun­te trotz sei­nes Alters selbst.

Hofdurchfahrt

Es ging nicht nur berg­auf mit dem Fuhr­un­ter­neh­men Lun­te & Sau­er. Natür­lich gab es auch Rück­schlä­ge zu ver­kraf­ten – wie wohl in vie­len ande­ren Unter­neh­men auch.

Manch­mal hat­te der Betrieb ein gutes Jahr hin­ter sich gebracht, und alle blick­ten hoff­nungs­voll in die Zukunft. Dann ver­un­glück­te ein Last­wa­gen und die gan­ze Freu­de war dahin. So riss der Unfall vom 15. Febru­ar 1966 bei Kas­sel ein gro­ßes Loch in die Fir­men­kas­se. Und gut zehn Jah­re spä­ter gab es am 18. Febru­ar 1977 auf der Sau­er­land­li­nie einen Total­scha­den an der Mer­ce­des-Zug­ma­schi­ne zu ver­kraf­ten. Die letz­te Rate war gera­de mal vier Wochen vor­her bezahlt worden.

Unfall auf der Sauerlandlinie

Oft­mals fuhr aber auch das Glück auf der Bei­fah­rer­sei­te mit. Wer jemals mit einem Kraft­fahr­zeug auf Eng­lands Stra­ßen unter­wegs war, hat die Situa­ti­on bestimmt selbst erlebt: Man passt höl­lisch gut auf, dass man immer auf der lin­ken Stra­ßen­sei­te fährt. Dann geht es hin­ein in einen Kreis­ver­kehr, von denen es in Eng­land reich­lich vie­le gibt. Man fährt also links­her­um in den Kreis hin­ein und lan­det bei her­aus­fah­ren plötz­lich auf der rech­ten Stra­ßen­sei­te. Oder es gibt die hart­ge­sot­te­nen Fah­rer, die fah­ren – wie sie es auf dem Kon­ti­nent gewohnt sind – gleich rechts in den Kreis­ver­kehr hin­ein. So einen uner­fah­re­nen Fah­rer gab es auch beim Fuhr­un­ter­neh­men Lun­te & Sau­er. Es ist alles gut gegan­gen, das Glück saß ja auf der Beifahrerseite.

Am 1. Juli 1979 mag auch Arthur Lun­te ein paar Glücks­trä­nen ver­gos­sen haben. An die­sem Tag konn­te er sein 50-jäh­ri­ges Fir­men­ju­bi­lä­um fei­ern. Gleich­wohl wird ihm nicht so recht zum Fei­ern zumu­te gewe­sen sein, ist doch sei­ne lie­be Ehe­frau Erna sie­ben Mona­te zuvor verstorben.

Winter 1979

Erna Lun­te fehl­te über­all im Betrieb. Im Novem­ber 2013 tra­fen sich noch ein­mal ein Dut­zend frü­he­rer Kol­le­gen auf dem Betriebs­ge­län­de des ehe­ma­li­gen Leher Tra­di­ti­ons­un­ter­neh­mens. Erin­ne­run­gen an das tol­le Betriebs­kli­ma wur­den wach, und Dönt­jes wur­den aus­ge­tauscht: Ja, der Seni­or­chef Arthur und sei­ne Frau Erna waren schon die See­len des Betrie­bes. Alles war sehr fami­li­är, sehr kol­le­gi­al. Jeder kann­te jeden. Und wenn sonn­abends die Las­ter im Hof stan­den und fer­tig geputzt und repa­riert waren, dann haben sich alle zusam­men­ge­setzt und es wur­de gemein­sam gefrüh­stückt. Dabei wur­den Pro­ble­me bespro­chen, und es wur­de auch viel gelacht. Etwa über den Kol­le­gen, der ein Pfer­de­narr war. Eigent­lich soll­te er Bana­nen nach Stutt­gart brin­gen. Aber im Hes­si­schen zog ein Pfer­de­trans­por­ter sei­ne Auf­merk­sam­keit auf sich. Dem fuhr er bis zum Stall hin­ter­her und bewun­der­te dort das Pferd – und in Stutt­gart kamen die Bana­nen nicht pünkt­lich an!

neuer Lkw

Am 1. Okto­ber 1981 über­nahm Jür­gen Sau­er, der schon als Kind sei­nen Vater Heinz Wil­helm Sau­er auf Fern­fahr­ten beglei­te­te, von sei­nem Groß­va­ter Arthur Lun­te den Betrieb. Ob es für die­ses Datum einen beson­de­ren Anlass gab, ist nicht über­lie­fert. Wer nun nach­zählt kommt zu dem Ergeb­nis,  dass nach dem Fir­men­grün­der Johann Lun­te, sei­nem Sohn und Nach­fol­ger Arthur Lun­te und Johanns Enkel­toch­ter Mar­git Sau­er (gebo­re­ne Lun­te) mit Jür­gen Sau­er nun die vier­te Gene­ra­ti­on das Fir­men­ru­der übernahm.

1982 Fuhrpark Lunte & Sauer

Wenn es schwie­rig wur­de im Betrieb, hol­te sich Jür­gen von sei­nem Groß­va­ter ger­ne einen Rat. Aber nur für kur­ze Zeit soll­te er auf den lang­jäh­ri­gen Erfah­rungs­schatz sei­nes Groß­va­ters zurück­grei­fen kön­nen. Nur weni­ge Wochen nach der Betriebs­über­ga­be stürz­te Arthur Lun­te am 27. Novem­ber 1981 im Trep­pen­haus und brach sich einen Ober­schen­kel. Trotz einer Ope­ra­ti­on starb am 5. Dezem­ber 1981 – nur drei Tage vor sei­nem 83. Geburts­tag.FirmenjubilaeumIm Jah­re 1982 konn­te das 75-Jäh­ri­ge Fir­men­ju­bi­lä­um gefei­ert wer­den. Ob sich da schon abzeich­ne­te, dass es zum 80. Geburts­tag kei­ne Fei­er mehr geben wird? Lun­te & Sau­er hat all die Jah­re für die Ame­ri­ka­ner trans­por­tiert und gut an ihnen ver­dient. Gleich­wohl wur­de in den 1980er Jah­ren das Geschäft immer schwie­ri­ger. Mit den Dum­ping­prei­sen der Kon­kur­renz aus Ost­eu­ro­pa konn­ten die drei Last­wa­gen der Spe­di­ti­on Lun­te & Sau­er nicht mithalten.

Vie­le Näch­te beriet sich Jür­gen Sau­er mit sei­ner Frau Bar­ba­ra – es gab kei­nen Aus­weg. Im Jah­re 1986 fiel die Ent­schei­dung die Spe­di­ti­on zu schlie­ßen. Ein Jahr spä­ter wur­den die Trans­port­kon­zes­sio­nen ver­kauft und der Tra­di­ti­ons­be­trieb schloss für immer sei­ne Tore. Jür­gen Sau­er ver­dien­te sei­nen Lebens­un­ter­halt fort­an als Fah­rer bei einem ande­ren Fuhr­un­ter­neh­men.Auguststrasse 18 a, BremerhavenGeblie­ben ist aber das Betriebs­grund­stück mit dem Haus Num­mer 18a in der August­stra­ße in Lehe. An der  Fas­sa­de prangt noch immer das Schild:FirmenschildQuel­len:
Fest­schrift: “75 Jah­re Kraft­ver­kehr Lun­te & Sau­er, 1907 — 1982
W. Ehr­ecke: “In Eng­land falsch abge­bo­gen”, Nord­see-Zei­tung vom 4.11.2013
W. Ehr­ecke: “Cola, Becks und die Wasch­ma­schi­nen”, Nord­see-Ztg. v. 23.1.2015
hansebubeforum.de

Das “Städtische Waisen- und Armenhaus Lehe” an der Wurster Straße wird abgerissen

Geplant war es schon vor vie­len Jah­ren. Doch jetzt wird es ernst: Der unge­nutz­te Alt­bau des his­to­ri­schen Marie-von-Seg­gern-Heim an der Wurs­ter Stra­ße wird abge­ris­sen. Damit ver­schwin­det wie­der ein Stück Leher Stadtgeschichte.

"Städtische Waisen- und Armenhaus Lehe"

Am 1. Novem­ber 1866 wur­de in Lehe die kirch­li­che und bür­ger­li­che Armen­pfle­ge getrennt. Die bür­ger­li­che Armen­pfle­ge gab sich am 22. Sep­tem­ber 1866 unter ande­rem den Grund­satz: “Es soll der Noth der ein­hei­mi­schen Armen nach Kräf­ten abge­hol­fen und den aus­wär­ti­gen Armen, wel­che nach den gesetz­li­chen Bestim­mun­gen der Fle­ckens­ge­mein­de anheim­fal­len, die erfor­der­li­che Für­sor­ge und Pfle­ge zu Theil werden.”

Das ers­te Armen­haus des Fle­ckens Lehe wur­de bereits in den Jah­ren 1868/1869 am Leher Alt­markt gebaut. Am 1. Mai 1869 trat der ers­te Armen­haus­ver­wal­ter sei­nen Dienst an – der Beginn der geschlos­se­nen Armen­pfle­ge in Lehe. Doch schon bald wur­de das Gebäu­de an den Mili­tär­fis­kus ver­mie­tet, der es als Kaser­ne nutz­te. Spä­ter wur­de das Gebäu­de dann zum Leher Rat­haus umgebaut.

Um 1900 Armen- und Waisenhaus Lehe

Die Armen wur­den vor­über­ge­hend in einem ange­mie­te­ten Pri­vat­haus unter­ge­bracht, bis am 2. Dezem­ber 1872 für 50.000 Gold­mark das neue Armen­haus an der Wurs­ter Stra­ße (damals Rit­ze­bütt­ler Chaus­see) bezo­gen wer­den konn­te. Für 15 Gro­schen am Tag durf­ten sich die Ärms­ten des Fle­ckens Lehe dort auf­wär­men und Obdach und Pfle­ge fin­den. Dem Armen­haus war ein Hos­pi­tal ange­glie­dert. Das war damals eine Pfle­ge­ein­rich­tung, die für ärme­re Bevöl­ke­rungs­krei­se eine begrenz­te medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung dar­stell­te. Wohl­ha­ben­de­re Bür­ger gin­gen zu ihrem Hausarzt.

Die Nut­zung des Armen­hau­ses änder­te sich im Lau­fe der Jah­re. So wur­de es auch als Wai­sen­haus und Hos­pi­tal ver­wen­det. Und bis vor eini­gen Jah­ren pfleg­te das Marie-von Seg­gern-Heim in die­sem Haus alte und pfle­ge­be­dürf­ti­ge Menschen.

Städtisches Armen- und Waisenhaus Lehe

Aber auch das ist längst Geschich­te. Hin­ter dem alten Gemäu­er wur­de ein neu­es Pfle­ge­heim gebaut, es trägt eben­falls den Namen Marie-von Seg­gern-Heim. Der Alt­bau wur­de dem Ver­fall preis­ge­ge­ben. Obdach­lo­se wär­men sich hier auf und Jugend­li­che sol­len dabei beob­ach­tet wor­den sein, wie sie Türen und Fens­ter ein­ge­schla­gen haben sol­len. Nun will der der­zei­ti­ge Eigen­tü­mer ab April oder Mai das Gebäu­de abrei­ßen las­sen. Auf dem dann frei gewor­de­nen Grund­stück soll ein Zen­trum für demen­zi­ell erkrank­te Men­schen gebaut wer­den.
Quel­len:
August Mey­er: Armen­haus wur­de Rat­haus, Nie­der­deut­sches Hei­mat­blatt Nr. 271 vom Juli 1972
August Mey­er: Hil­fe für Arme, Kran­ke und Kin­der in Lehe, Nie­der­deut­sches Hei­mat­blatt  Nr. 276 vom Dezem­ber 1972
Susan­ne Schwan: Letz­te Tage fürs Armen­haus, Nord­see-Zei­tung vom 21.3.2016
Obdach und Pfle­ge für 15 Gro­schen am Tag, Nord­see-Zei­tung vom 29.2.2016

Erinnerungen an die Georgstraße

Erin­ne­run­gen an die Georg­stra­ße – das sind Geschich­ten, die die drei Geest­e­mün­der Jun­gen Wal­ter Abbes, Erich Sturk und der im Jah­re 2013 lei­der ver­stor­be­ne Her­bert Ehlers in ihrer Jugend­zeit in den 1930er Jah­ren erlebt haben. Sie hat­ten die Idee, ihre Erin­ne­run­gen für die Nach­kom­men schrift­lich fest­zu­hal­ten. Hier sind die Erin­ne­run­gen von Erich Sturk:

Erinnerungen an die Georgstraße

Anhand einer Flur­kar­te der Georg­stra­ße ver­such­ten sie, die Häu­ser und Geschäf­te der Rei­he nach zu loka­li­sie­ren. Was der eine nicht mehr wuss­te, wuss­te der ande­re, und so kam die anlie­gen­de Lis­te zusam­men, die weit­ge­hend der dama­li­gen Loka­li­tät ent­spricht. Im Jah­re 2014 stell­ten Wal­ter Abbes und Erich Sturk die Auf­zeich­nun­gen der neu gegrün­de­ten Geschichts­werk­statt Geest­e­mün­de zur Verfügung.

Ples­se­eck

An der west­li­chen Sei­te der Georg­stra­ße befand sich ein keil­för­mi­ges Grund­stück, das durch den Ver­lauf der Par­al­lel­stra­ße (heu­te Ulmen­stra­ße) begrenzt wur­de. Es gehör­te zu der Spi­ri­tuo­sen­fa­brik Ples­se, die sich in Wuls­dorf in der Weser­stra­ße befand und haupt­säch­lich Liqueu­re herstellte.

Im Erd­ge­schoss befand sich ein Laden, der von Ger­hard Loop geführt wur­de und der die Erzeug­nis­se der Fir­ma Ples­se ver­kauf­te. Er war mit mei­nen Eltern befreun­det und wur­de von mir “Onkel Ger­hard” genannt. Mei­ne Mut­ter schick­te mich oft dort­hin, um eine Fla­sche Apfel­most zu kau­fen. Er hat­te eine ele­gan­te Art, sei­ne Ware anzu­prei­sen, hob die Fla­sche hoch, um das Eti­kett zu prä­sen­tie­ren, leg­te sie auf den Tre­sen und roll­te sie geschickt in Ein­kaufs­pa­pier und über­reich­te sie mir, als hät­te ich eine wert­vol­le Fla­sche Sekt gekauft. Herr Ples­se war übri­gens ein Meis­ter im Her­stel­len von Liqueu­ren. Er hat­te einen so genann­ten “Klos­ter­li­queur” in sei­nem Ange­bot, der im Geschmack einem Coint­reau nicht nach­ste­hen sollte.

Erinnerungen an die Georgstraße

An der Spit­ze des Hau­ses befand sich eine Filia­le des Buch­händ­lers Mem­min­ger, die von Fräu­lein Müg­ge geführt wur­de. Hier kauf­te ich mei­ne Jugend­bü­cher, meis­tens vom Schneider–Verlag, der nach dem Krieg wegen sei­ner Ten­den­zen sehr ange­fein­det wur­de. Mir ist der für mich ange­neh­me Geruch nach Büchern noch heu­te in Erinnerung.

Das Ples­se­eck wur­de nach dem Krie­ge wie­der auf­ge­baut und hat heu­te noch sei­nen Namen. Im Erd­ge­schoss wur­de der Spi­ri­tuo­sen­la­den wie­der ein­ge­rich­tet, dies­mal von den Söh­nen des Herrn Loop geführt, und im Ober­ge­schoss ent­stand ein Café, in dem an Wochen­en­den getanzt wurde.

Eis-Becker

Dem Ples­se­eck nörd­lich gegen­über stand ein klei­nes Haus aus roten Zie­gel­stei­nen, das der Reichs­bahn gehör­te. An die­ser Stel­le über­quer­ten die Eisen­bahn­schie­nen die Stra­ße Am Quai. Die Güter­zü­ge pas­sier­ten mehr­mals am Tage die Stra­ße und brach­ten Koh­le zu dem Gas­werk an der Elbe­stra­ße und kehr­ten abends mit Koks bela­den zurück. Beim Über­que­ren der Stra­ße kam ein Eisen­bah­ner aus dem Haus und sperr­te die Stra­ße mit­tels einer roten Fah­ne, die er in der Hand schwenk­te, ab. Die Bahn­li­nie führ­te vom Gas­werk aus noch wei­ter über die Geest­hel­le zur Rick­mers­werft, die auch durch Güter­zü­ge mit Mate­ri­al ver­sorgt wurde.

Eis-Becker Plesseeck

Das Gebäu­de beinhal­te­te außer­dem noch eine öffent­li­che Toi­let­te, eine Tele­fon­zel­le und einen Kiosk, der von der Fami­lie Becker geführt wur­de. Hier gab es im Som­mer das bes­te Eis in Geest­e­mün­de, und wenn im Mai die Sai­son eröff­net wur­de, sprach sich das unter uns Kin­dern schnell her­um. Mit­tags tra­fen sich dort die Schü­ler des Real­gym­na­si­ums mit den Schü­le­rin­nen der höhe­ren Töch­ter­schu­le aus der Stra­ße “Am Rat­haus” (heu­te Klus­smann­stra­ße) zum Eis­essen und Pous­sie­ren. Die Spitz­waf­fel mit einer Kugel kos­te­te 5 Pfen­nig, die Becher­waf­fel mit 2 Kugeln 10 Pfennig.

Loh­ren­gel und Hesse

Im nörd­li­chen Teil der Ost­sei­te der Georg­stra­ße befand sich die Fir­ma Loh­ren­gel und Hes­se, ein soge­nann­tes Eisen­wa­ren­ge­schäft. Im Gegen­satz zur Fir­ma Becken, deren Kund­schaft haupt­säch­lich aus Pri­vat­kun­den bestand, kauf­ten hier vor­wie­gend die Hand­wer­ker ihren Bedarf ein. Das Haupt­ge­schäft bestand aus Tür- und Fens­ter­be­schlä­gen und Klein­ei­sen­ma­te­ri­al, aber auch Her­de und Öfen wur­den ange­bo­ten. Der Laden war dun­kel und hat­te einen lan­gen Tre­sen, hin­ter dem der Geschäfts­füh­rer, Herr Witt­schen, die Ware anbot. Mein Vater kauf­te hier für sei­ne Tisch­le­rei sein gesam­tes Mate­ri­al ein, und ich beglei­te­te ihn oft bei sei­nen Ein­käu­fen. Nach der Aus­bom­bung bestand das Geschäft noch lan­ge im ehe­ma­li­gen Lager in der Paschstraße.

Geestemünde, Georgstrasse, um 1895

Pho­to Müller

  • An der West­sei­te der Georg­stra­ße zwi­schen Ahron­heim und Ples­se lag das Pho­to­ge­schäft Mül­ler, ein Spe­zi­al­ge­schäft für Pho­to­ca­me­ras, Fil­me und Pho­to­ar­bei­ten. Mein größ­ter Wunsch als Kind war, so lan­ge ich den­ken konn­te, eine eige­ne Kame­ra zu besit­zen. Ich stand oft vor dem Schau­fens­ter und betrach­te­te die aus­ge­stell­ten Lei­cas, Con­tax und ande­re Kame­ras, deren Erwerb für mich uner­schwing­lich war.

Zu Beginn des Krie­ges 1939 tauch­ten auf­grund der Kriegs­be­wirt­schaf­tung in der Nord­west­deut­schen Zei­tung soge­nann­te Tausch­an­zei­gen auf. Durch Zufall las ich eine Anzei­ge mit dem Inhalt: “Suche Roll­schu­he, bie­te Foto.” Als Adres­se war der Sedan­platz ange­ge­ben. Ich putz­te also mei­ne Roll­schu­he, die ich schon lan­ge nicht mehr benutz­te, und zog damit zu der ange­ge­be­nen Adres­se. Mei­ne Roll­schu­he fan­den Anklang bei dem Tausch­wil­li­gen, und ich hielt eine 6 x 9 Box “Kod­ak Brow­nie”, unbe­nutzt mit Film in Ori­gi­nal­ver­pa­ckung. Ich war hoch­er­freut und mach­te unter dem Weih­nachts­baum mei­ne ers­ten Fotos mit dem “Seut­he­lin-Blitz­licht­pul­ver” am Besen­stiel. Die Fil­me ent­wi­ckel­te ich im Luft­schutz­kel­ler bei Rot­licht in einer Sei­fen­scha­le, nach­dem ich mir die ent­spre­chen­den Che­mi­ka­li­en bei Pho­to-Mül­ler gekauft hatte.

Nun wan­der­te mein Taschen­geld dort­hin, und ich erin­ne­re mich an die Atmo­sphä­re und an den Geruch im Laden nach Che­mie und Tech­nik, den ich als sehr ange­nehm und geheim­nis­voll emp­fand. Ich kauf­te dort regel­mä­ßig die monat­lich erschei­nen­den “Agfa Pho­to­blät­ter” und Bro­schü­ren aus der Rei­he “Der Pho­to­rat” vom Knapp­ver­lag Hal­le an der Saa­le für 75 Pfen­nig, die wert­vol­le Tipps und Anre­gun­gen zu ver­schie­de­nen Pho­to­the­men ent­hiel­ten. Lei­der gin­gen die­se beim Luft­an­griff ver­lo­ren, aber ich konn­te sie kürz­lich anti­qua­risch im Inter­net erwer­ben, sogar jahr­gangs­wei­se in Buch­form gebunden.

Die Box hat mich jah­re­lang in mei­ner Kind­heit und Jugend­zeit beglei­tet und steht heu­te noch in mei­ner Kame­ra­samm­lung. Sie beglei­te­te mich bei der Kin­der­land­ver­schi­ckung und über­leb­te zusam­men mit mei­nem Nega­tiv­ar­chiv die Brand­nacht vom 18. Sep­tem­ber 1944 im Luftschutzkeller.

Durch die heu­ti­ge Mög­lich­keit der digi­ta­len Bild­be­ar­bei­tung mit dem Com­pu­ter kann ich die Fotos in einer vor­her nicht erziel­ba­ren Qua­li­tät aus­dru­cken, und ich besit­ze damit unwie­der­bring­li­che Auf­nah­men aus alten Zeiten.

Metro­pol-Kino

An der Ein­mün­dung der Bucht­stra­ße in die Georg­stra­ße befand sich an der Nord­ost­ecke das Gebäu­de des Metro­pol­ki­nos. Im Erd­ge­schoss befand sich im Eck­la­den eine Nie­der­las­sung der Nord­west­deut­schen Zei­tung. Nach­mit­tags um 15.00 Uhr wur­de dort die Zei­tung ange­lie­fert, und es ver­sam­mel­ten sich dort die Zei­tungs­bo­ten zum Emp­fang und zur Aus­tra­gung. Im 1. Ober­ge­schoss lag die Gast­wirt­schaft Dam­mann mit Ein­gang von der Bucht­stra­ße her.

Kino Metropol

Zur Georg­stra­ße hin befand sich der Ein­gang zum Kino­saal, der tags­über mit einer Git­ter­tür ver­schlos­sen war. Neben dem Ein­gang befan­den sich ver­glas­te Schau­käs­ten mit Fotos von den aktu­el­len Fil­men, und über dem Ein­gang spann­te sich ein gro­ßes Trans­pa­rent mit Wer­bung für den Film. Zur Nach­mit­tags­vor­stel­lung wur­de das Git­ter des Ein­gan­ges von Herrn Ado­meit geöff­net. Herr Ado­meit war von Beruf Musi­ker, erteil­te Kla­vier­un­ter­richt und stand neben­bei hin­ter der Kas­se und riss die gekauf­ten Ein­lass­kar­ten ab.

Es gab jugend­freie Fil­me und Fil­me, die ab 14 bezie­hungs­wei­se 18 Jah­ren erlaubt waren. Herr Ado­meit ach­te­te streng dar­auf, dass die­se Vor­schrif­ten ein­ge­hal­ten wur­den. Der Besit­zer des Kinos war ein Herr Ada­mi, der noch ein zwei­tes Kino, das Atri­um, in der Stra­ße An der Müh­le betrieb.

Es gab nur eine Rol­le mit Auf­nah­men der Wochen­schau, die im Wech­sel zwi­schen bei­den Kinos hin- und her­ge­tra­gen wur­de. Für den Trans­port hat­te er Jugend­li­che ange­stellt, die um ihren Job von uns Kin­dern sehr benei­det wur­den, da sie sich alle Fil­me umsonst anschau­en konn­ten. Sonn­tags nach­mit­tags um 15.00 Uhr gab es eine Jugend­vor­stel­lung, in der Micky­maus­fil­me oder ähn­li­ches lie­fen. Die Ein­tritts­ge­bühr betrug 30 Pfen­nig, und es ver­sam­mel­te sich schon lan­ge vor­her eine gro­ße Men­ge Kin­der vor dem Ein­gang. Der Kino­saal befand sich ent­lang der Bucht­stra­ße, und dort waren auch die zwei Aus­gän­ge und die Toi­let­ten­fens­ter. Die Kin­der, die das Geld für den Ein­tritt nicht besa­ßen, ver­such­ten, durch die­se Fens­ter in den Saal zu klet­tern, was ihnen auch oft gelang.

Über den Aus­gangs­tü­ren waren Laut­spre­cher ange­bracht, über die Musik aus dem Kino­saal über­tra­gen wur­de, bevor der Film begann. Unser Haus in der Bucht­stra­ße lag dem Kino­saal direkt gegen­über, und an war­men Som­mer­aben­den, wenn wir noch auf unse­rem Hof spie­len durf­ten, tanz­ten wir zur Musik. Die­se Aben­de sind mir noch in guter Erinnerung.

Hirsch­apo­the­ke

An der Süd­west­ecke der Georgstraße/Grabenstraße (heu­te Ram­sau­er Stra­ße) befand sich die Hirsch­apo­the­ke von Herrn Ger­lach. Hier kauf­ten mei­ne Eltern und mein Groß­va­ter, der mit Herrn Ger­lach befreun­det war, Medi­ka­men­te und Ver­bands­stof­fe ein. Ich erin­ne­re mich beson­ders an ein Medi­ka­ment “Pan­fla­vin”. Das waren Tablet­ten, die ich bei Hals­schmer­zen schlu­cken muss­te, was mir nicht schwer fiel, weil sie nach Scho­ko­la­de schmeckten.

1944-2015 Hirschapotheke

In einem gewis­sen Alter beschäf­tig­te ich mich mit che­mi­schen Expe­ri­men­ten und benö­tig­te hier­für Che­mi­ka­li­en, die nor­ma­ler­wei­se nicht an Kin­der ver­kauft wer­den durf­ten. Kali­um Chlo­r­at — wofür brauchst du das? — zum Gur­geln. Oder Salmiak/Ammoniak – für unse­re Klin­gel­ele­men­te usw.

Ein­mal kam auch die Zeit der Ent­wick­lungs­pe­ri­ode, wo man rau­chen woll­te. Bei uns zu Hau­se wur­de nicht geraucht, also war dort nichts zu besor­gen. Eine Zeit lang ver­such­ten wir es im Freun­des­kreis mit Kamil­len­tee in der Ton­pfei­fe, die oft den “Wun­der­tü­ten”, die man für 10 Pfen­nig kau­fen konn­te, bei­gefügt waren. Mei­ne Freun­de sti­chel­ten: “Dein Opa kennt doch den Apo­the­ker gut, ver­such doch mal, Asth­ma­zi­ga­ret­ten zu kau­fen!” Ich lies mich über­re­den und ging in die Apo­the­ke und ver­lang­te die­se. Herrn Ger­lach war das wohl nicht ganz geheu­er und er frag­te mich, wofür ich sie haben woll­te. Ich ant­wor­te­te in mei­ner Nai­vi­tät: “Ach, ich bin so erkäl­tet.” Dar­auf­hin jag­te er mich aus dem Laden.

Hirschapotheke

Bei dem gro­ßen Angriff auf Bre­mer­ha­ven brann­te auch die Apo­the­ke aus, jedoch die Grund­mau­ern blie­ben erhal­ten. So steht sie auch heu­te noch fast unver­än­dert da. Beim Wie­der­auf­bau nach dem Krie­ge bekam mein Vater für sei­ne Tisch­le­rei den Auf­trag für die Anfer­ti­gung der Haus- und Laden­ein­gangs­tür. Ich war inzwi­schen Lehr­ling im väter­li­chen Betrieb und muss­te die­se Türen anfer­ti­gen. Es waren mei­ne ers­ten Außen­tü­ren, die ich anfer­tig­te, aus Eichen­holz mit Kreuz­spros­sen und Seg­ment­bö­gen und damit eine schwie­ri­ge Auf­ga­be. Sie haben lan­ge gehal­ten und wur­den irgend­wann durch Alu­mi­ni­um­tü­ren ersetzt.

Knob­lauch | Georg­stra­ße 43

Neben dem Kino Metro­pol lag das Haus von Uhr­ma­cher und Opti­ker Knob­lauch mit einer wun­der­schö­nen Fas­sa­de. Der Haus­ein­gang lag in der Mit­te des Hau­ses, links und rechts dane­ben die Schau­fens­ter. Die Knob­lauchs waren alte Leu­te und hat­ten sich schon zur Ruhe gesetzt. Sie bewohn­ten das 1. Ober­ge­schoss, das einen Erker besaß. Von hier­aus konn­te man die gesam­te Georg­stra­ße über­se­hen, zusätz­lich waren noch Spie­gel – so genann­te Spio­ne – ange­bracht und die bei­den Senio­ren saßen dort den gan­zen Tag und beob­ach­te­ten das Gesche­hen auf der Stra­ße. Soweit ich weiß, sind bei­de beim Bom­ben­an­griff im Sep­tem­ber 1944 ums Leben gekommen.

Geestemünde, Georgstraße 43, im Jahre 1904

Das Geschäft im Erd­ge­schoss wur­de von dem Schwie­ger­sohn, Herrn Franz Kelch gelei­tet. Es gab auch eine Toch­ter mei­nes Alters, Oda Kelch, mit der ich oft gespielt habe. Die Fami­lie Kelch besaß schon früh in den drei­ßi­ger Jah­ren ein Radio­ge­rät, das mit­tels eines ange­schlos­se­nen Auto­ak­kus betrie­ben wur­de. Dar­um habe ich sie sehr benei­det, denn bei uns zu Hau­se gab es zu der Zeit nur ein Grammophon.

Im Erd­ge­schoss war noch ein klei­ner Laden abge­teilt, wo ein Herr Hüb­ner einen Fri­seur­sa­lon betrieb. Dort­hin muss­te ich zum Haar­schnei­den gehen. Neben mir saßen in den Stüh­len, die mit einem Pedal hoch- und nie­der­ge­fah­ren wur­den, älte­re Her­ren, die ein­ge­seift und dann mit einem lan­gen Mes­ser rasiert wur­den. An den Wän­den hin­gen Wer­be­pla­ka­te für Dr. Dral­les Bir­ken­was­ser und Fromm’s. Es war mir immer sehr unan­ge­nehm, wenn mir der Nacken aus­ge­schnit­ten wur­de, denn ich war sehr kitzelig.

Auf dem Hof des Hau­ses stand das Gebäu­de der “Weser­dru­cke­rei Lüdecke & Gras­see”, bei der mein Vater sei­ne Geschäfts­pa­pie­re dru­cken lies.

Scho­cken | Merkur

Das Haus von Schocken/Merkur grenz­te in der Neu­markt­stra­ße direkt an das Wohn­haus mei­ner Eltern in der Bucht­stra­ße 8 – 10 und war mir von Kind an wohl­be­kannt. Ich schau­te oft aus unse­rem Wohn­zim­mer­fens­ter in der Neu­markt­stra­ße und beob­ach­te­te die Pfer­de­fuhr­wer­ke, die dort ihre Ware anlie­fer­ten. Beson­ders gefie­len mir die Wagen vom Gemü­se­groß­händ­ler Veh­mei­er — wegen der Pfer­de. Die Platt­wa­gen waren immer zwei­spän­nig und wur­den paar­wei­se jeweils von 2 Apfel­schim­meln oder Rap­pen gezo­gen. Als ich grös­ser war, ging ich schon mal hin­un­ter und gab ihnen ein Stück Zucker und strei­chel­te sie.

Mei­ne Eltern kauf­ten als selbst­stän­di­ge Geschäfts­leu­te im Ein­zel­han­del und nicht in Waren­häu­sern ein. Die Ein­zel­händ­ler waren ja auch Kun­den mei­ner Eltern und erwar­te­ten von ihnen das­sel­be. So erga­ben sich Kurio­si­tä­ten: Fleisch wur­de beim Schlach­ter Mül­ler in der Bucht­stra­ße, Leber­wurst beim Schlach­ter Selt­mann in der Johan­nes­stra­ße, gekoch­ter Schin­ken beim Schlach­ter Tost­mann in der Fried­rich­stra­ße und Rot­wurst beim Schlach­ter Gärt­ner in der Georg­stra­ße gekauft. Das Glei­che galt für den Brot­e­in­kauf: Voll­korn­brot beim Bäcker Gers in der Rosen­stra­ße, Bröt­chen lie­fer­te der Bäcker Schr­a­der aus der Pasch­stra­ße, und auch bei den Bäckern Bull­win­kel in der Schil­ler­stra­ße und Eden in der Nel­ken­stra­ße wur­de eingekauft.

1905 Bäckerei Mehl

In das Geschäft von Scho­cken kam ich nur mal in Beglei­tung mei­ner Spiel­ka­me­ra­den aus dem Pasch­vier­tel, wenn sie hier­her zu Ein­kau­fen geschickt wur­den. Es war für mich inter­es­sant, durch den Laden zu bum­meln und die gro­ße Aus­wahl an Waren zu betrach­ten. Spä­ter wäh­rend des Krie­ges ging ich öfter mal in die Schall­plat­ten­ab­tei­lung des Kauf­hau­ses, das nun unter dem Namen Mer­kur fir­mier­te und spä­ter dem Hor­ten­kon­zern ein­ver­leibt wur­de. Hier konn­te man Schall­plat­ten mit den neu­es­ten Sol­da­ten­lie­dern erwer­ben, wenn man eine alte Schel­lack­plat­te dafür abgab. Außer­dem konn­te man zeit­wei­se Bat­te­rien für die Taschen­lam­pen erwer­ben, die es sonst nir­gend­wo mehr gab.

Eine schreck­li­che Erin­ne­rung für mich ist das Gesche­hen in der so genannten“Kristallnacht” am 9. Novem­ber 1938. Mein Schlaf­zim­mer lag zur Neu­markt­stra­ße hin, und ich wur­de durch das Schep­pern von Glas geweckt. Ich mach­te das Licht aus und schob das Ver­dun­ke­lungs­rol­lo ein Stück hoch, um hin­aus­zu­schau­en und sah im Schein der gegen­über­lie­gend Gas­la­ter­ne Gestal­ten auf der Stra­ße hin- und her­lau­fen, und es war ein gro­ßer Lärm dort unten. Als ich am nächs­ten Mor­gen zur Schu­le ging, kam ich auf mei­nem Wege in der Neu­markt­stra­ße an den Schau­fens­tern vor­bei und sah die zer­split­ter­ten Schei­ben und das Cha­os im Inne­ren des Geschäf­tes. Vor den Fens­tern stand ein Mann in SA-Uni­form als Wache gegen Plün­de­run­gen. Nach­mit­tags fuhr ein Last­wa­gen der NSV vor und die Lebens­mit­tel wur­den aus dem Laden getra­gen und auf­ge­la­den. Ich habe als Kind nicht begrif­fen, was in der Nacht vor­ge­gan­gen ist.

Radio Wapp­ler

Rechts neben dem Kauf­haus stand das Haus von Radio Wapp­ler. Hier kauf­te ich Klin­gel­draht und klei­ne Schal­ter für mei­ne elek­tri­schen Bas­te­lei­en, spä­ter mei­ne Schall­plat­ten. Mit dem Sohn der Fami­lie, Hans-Georg, habe ich des Öfte­ren gespielt. Das Haus wur­de auch total zer­stört, aber nach dem Krieg an glei­cher Stel­le wie­der aufgebaut.

1924 Musikhaus Birnbaum

Musik­haus Birnbaum

Im anschlie­ßen­den Haus wei­ter nach Süden befan­den sich zwei klei­ne Läden. Das Ehe­paar Birn­baum han­del­te mit Musik­in­stru­men­ten, und Herr Birn­baum kam ab und zu zum Kla­vier­stim­men in unser Haus. Wir kauf­ten bei ihm auch unser ers­tes Radio, und er ver­leg­te für den Anschluss die Anten­ne auf dem Dach, in dem er eine Kup­fer­lit­ze von Schorn­stein zu Schorn­stein spann­te. Nach dem Krie­ge betrieb Frau Birn­baum das Geschäft in der Hafen­stra­ße im Pavil­lon über der Aue.

Im rech­ten Teil des Hau­ses betrieb Frau Rook ein Spe­zi­al­ge­schäft für Scho­ko­la­de. Sie führ­te nur Mar­ken­wa­re, und ihre gefüll­ten Reli­ef­pra­li­nen sind mir in guter Erinnerung.

I.G. Schmidt

Die Lie­fer­wa­gen sind mir in beson­de­rer Erin­ne­rung. Es waren Last­wa­gen mit beson­de­ren Auf­bau­ten für den Trans­port von Bau­stahl, da sich die Bau­wei­se aus Beton durch­ge­setzt hat­te. Die Wagen hat­ten eine auf­fäl­li­ge Lackie­rung in einer Art“Mimikri”, die an den Anstrich von Kriegs­schif­fen erin­ner­te, nur das es grel­le Far­ben waren. Die Wagen stan­den immer in der Neu­markt­stra­ße vor dem Lagerplatz.

Franz­ke

An der West­sei­te zwi­schen der Max-Died­rich-Stra­ße und der Eins­war­der Stra­ße befand sich das Fahr­rad­haus Franz­ke. Im Gegen­satz zu dem “Bast­ler” im Nor­den der Georg­stra­ße führ­te Herr Sarah nur Mar­ken­rä­der in sei­nem Sor­ti­ment. Mit 8 Jah­ren bekam ich mein ers­tes Fahr­rad zum Geburts­tag. Es war ein Kna­ben­fahr­rad — eine Zwi­schen­grö­ße vom Kin­der­fahr­rad zum Her­ren­fahr­rad — und hat­te die Mar­ke “Rufran”.

Rad­fah­ren lern­te ich im Fische­rei­ha­fen in der Hal­le X. Mein Vater hat­te sich die­sen Platz aus­ge­sucht, da dort Sonn­tag­mor­gens kein Betrieb war und da der Beton­bo­den sehr eben war. Mein Vater schob mich an, und ich dreh­te mei­ne Run­den. Das Auf- und Abstei­gen war mein größ­tes Pro­blem, aber bald konn­te ich auch dieses.

Nun besaß die gan­ze Fami­lie Fahr­rä­der, und unse­re Sonn­tags­aus­flü­ge gin­gen über die Schiff­dor­fer Chaus­see nach Hoser­müh­len. Der Sonn­tags­ku­chen wur­de in einem so genann­ten “Stadt­kof­fer” auf dem Gepäck­hal­ter ver­staut. In Hoser­müh­len hat­te Herr von Hol­len einen “Som­mer­gar­ten”, und er ser­vier­te in wei­ßer Jacke den Kaf­fee und für mich eine “Oran­gea­de”. Nach dem Kaf­fee spann­ten mei­ne Eltern die mit­ge­brach­ten Hän­ge­mat­ten im Som­mer­gar­ten zwi­schen den Bäu­men auf und ruh­ten dort. Mei­ne Schwes­ter und ich spiel­ten im Gar­ten und an einem klei­nen Bach in der Nähe.

Dro­ge­rie Petrasch 

An der süd­öst­li­chen Ecke der Georg- und Max-Diet­rich-Stra­ße befand sich die Dro­ge­rie Petrasch, die auch Säme­rei­en führ­te. Mein Groß­va­ter besaß einen Schre­ber­gar­ten in der Hart­wig­stra­ße und kauf­te sei­ne Säme­rei­en bei Petrasch. Da er ein guter Kun­de war, bekam er am Anfang des Krie­ges noch ab und zu einen Roll­film für mei­ne Kod­ak-Box. Fil­me waren zu der Zeit schwer zu bekom­men, weil sie kriegs­wich­ti­ges Mate­ri­al darstellten.

Georg Ecke (damals Bahnhofstr.) jetzt Max-Dietrich

Kugel-Bake

Im Nach­bar­haus von Petrasch befand sich im links gele­ge­nen Laden die Fir­ma Kugel-Bake. Herr Bake han­del­te mit Berufs­be­klei­dung, vor­wie­gend für die Werf­ten und den Fische­rei­ha­fen. Als Blitz­licht taucht bei mir die Erin­ne­rung auf, dass Herr Bake mit sei­nem roten Bart oft vor der Laden­tür stand — den Ver­kehr beob­ach­tend oder im Gespräch mit Pas­san­ten. Sein Ange­stell­ter war ein Herr Becker, den ich als klei­nen schüch­ter­nen Mann in Erin­ne­rung habe. Er war nach dem Krie­ge als Kir­chen­die­ner an der Chris­tus­kir­che tätig.

Uhren-Stu­te

Im rech­ten Laden des vor­ge­nann­ten Hau­ses hat­te Robert Stu­te ein Uhren­fach­ge­schäft mit Werk­statt zum Hof hin. Sei­nen Sohn Wal­ter lern­te ich in der Schu­le ken­nen, und wir waren lan­ge Zeit eng befreun­det. Ich kam dadurch oft in das Haus und in den Laden. Wenn die Laden­tür geöff­net wur­de, erklang ein vier­tei­li­ger Gong. Wir mach­ten den Klang nach und san­gen dazu: “Schön — gu — ten – Tag/Auf – wie – der – sehn.”

Georgstrasse suedoestliche EckeMax-Dietrich

Hin­ten in der Werk­statt saß ein Herr Jakob mit der Lupe im Auge am Tisch und repa­rier­te die Uhren. Wal­ters Mut­ter war immer sehr nett zu mir, und sein Vater hat­te im Flur der im 1. Ober­ge­schoss lie­gen­den Woh­nung eine Reck­stan­ge aus Holz anbrin­gen las­sen, an der wir Auf­schwung, Knie­wel­le und Sitz­wel­le üben konn­ten. Lei­der ver­starb Wal­ters Vater kurz nach dem Bom­ben­an­griff am 18. Sep­tem­ber. Ursa­che war wohl die Auf­re­gung, denn die Fami­lie konn­te nur unter schwie­ri­gen Umstän­den das bren­nen­de Haus verlassen.

Sei­ne Mut­ter bau­te nach dem Krie­ge das Geschäft wie­der auf, erst in der Max-Diet­rich-Stra­ße, spä­ter an alter Stel­le in der Georg­stra­ße. Mein Vater bau­te in unse­rer Werk­statt die Laden­ein­rich­tun­gen für bei­de Läden, und ich war als Lehr­ling dar­an betei­ligt. — Lei­der ist auch Wal­ter im Jah­re 2013 verstorben.

Bau­ern­häu­ser

Ecke An der Mühle/Georgstraße stan­den zurück­lie­gend noch 2 alte Bau­ern­häu­ser. In einem wohn­te mein Klas­sen­ka­me­rad Gün­ter Sachs. Im ande­ren Haus mein Klas­sen­ka­me­rad Sep­pel Sel­grath. Es waren neben eini­gen Häu­sern am Bau­ern­wall und an der Tal­stra­ße die letz­ten Res­te vom alten Geest­en­dorf. Sie wur­den alle beim Bom­ben­an­griff am 18. Sep­tem­ber 1944 vernichtet.

Nie­der­sach­sen­hof

An der West­sei­te der Georg­stra­ße in Höhe der Stra­ße An der Müh­le befand sich im Erd­ge­schoß des Hau­ses eine Gast­stät­te mit dem Namen Nie­der­sach­sen­hof. Es war eine gut­bür­ger­li­che Gast­stät­te, in der auch mein Groß­va­ter ab und zu ver­kehr­te. Das Beson­de­re des Lokals war die Innen­ein­rich­tung. Ich weiß nicht, ob der Inha­ber ein­mal zur See gefah­ren oder ein Lieb­ha­ber von chi­ne­si­schem Inte­ri­eur war. Mein Groß­va­ter nahm mich ein­mal mit dort­hin und zeig­te mir die Rari­tä­ten. Der Raum stand vol­ler Pago­den, Bam­bus und an den Wän­den hin­gen chi­ne­si­sche Tusche­zeich­nun­gen. Dies war damals eine Rari­tät, denn es gab mei­nes Wis­sens nach sei­ner­zeit noch kei­ne Chi­na­re­stau­rants, wie sie heu­te üblich sind.

Fisch­brat­kü­che

Im glei­chen Hau­se oder gleich neben­an wur­de eine Fisch­brat­kü­che betrie­ben. Ich glau­be, daß es die ein­zi­ge in Geest­e­mün­de der­zeit war. Wenn bei uns zu Hau­se Fisch­tag war, bekam ich eine gro­ße Por­zel­lan­scha­le in die Hand gedrückt, die in Hand­tü­chern und alten Zei­tun­gen zum warm­hal­ten ein­ge­packt war. Ich hol­te immer gro­ße Por­tio­nen, da ich in einer Groß­fa­mi­lie auf­wuchs und die Haus­hal­tung zusam­men mit mei­nen Groß­el­tern erfolgte.

Plesseeck

Schmie­de

Ecke Georg- und Schmie­de­stra­ße war eine Huf­schmie­de, die sich dort bis zum Kriegs­en­de befand. In den drei­ßi­ger Jah­ren und auch wäh­rend des Krie­ges gab es kaum Autos, und der Last­ver­kehr erfolg­te mit Fuhr­wer­ken und Pfer­de­ge­span­nen. Die Pfer­de stan­den zum Beschla­gen auf dem Geh­weg der Stra­ße, und ich habe als Jun­ge oft dort gestan­den und zuge­schaut. Inter­es­sant war das Schmie­de­feu­er inner­halb der Schmie­de, das mit einem Bla­se­balg betrie­ben wur­de. Die Huf­ei­sen wur­den dort glü­hend erhitzt, auf dem Amboss mit dem Ham­mer bear­bei­tet und mit eine lan­gen Zan­ge nach drau­ßen gebracht. Einer der Schmie­de hielt ein Bein des Pfer­des in Hän­den und auf dem Knie und bear­bei­te­te den Huf mit einem schar­fen Mes­ser. Dann leg­te der ande­re mit der Zan­ge das glü­hen­de Eisen auf den Huf, wobei ein zischen­des Geräusch ent­stand und sich Qualm und Geruch nach ver­brann­tem Horn aus­brei­te­te. Nach der Abküh­lung wur­den die Huf­nä­gel ein­ge­schla­gen. Ein­mal bekam ich ein altes Huf­ei­sen und ein paar neue Huf­nä­gel geschenkt. Huf­ei­sen gal­ten damals als Glücks­brin­ger und wur­den zur Zier­de an die Wand gehängt.

Nach­satz

Es gäbe noch viel zu erzäh­len! Scha­de, dass Her­bert Ehlers nicht mehr unter uns weilt. Wir könn­ten beim Nach­den­ken bestimmt noch eine Fort­set­zung schreiben. 
Bre­mer­ha­ven, im Janu­ar 2014 | Erich Sturk

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Vom Stockfisch zum Limandesfilet Orly. Verpflegung auf Auswandererschiffen

Am Sonn­tag, 20. März 2016, bie­tet das Deut­sche Aus­wan­der­er­haus Bre­mer­ha­ven um 10.30 Uhr die the­ma­ti­sche Füh­rung „Vom Stock­fisch zum Liman­des­fi­let Orly. Ver­pfle­gung auf Aus­wan­de­rer­schif­fen“ an.

Verpflegung auf Auswandererschiffen

Die Teil­neh­mer des Rund­gangs durch die Dau­er­aus­stel­lung des Muse­ums erfah­ren dabei mehr über die Ver­pfle­gung der Aus­wan­de­rer an Bord der unter­schied­li­chen Schif­fe: Raue Men­gen Pökel­fleisch, Stock­fisch und Sau­er­kraut bestimm­ten die Mahl­zei­ten auf den Segel­schif­fen des 19. Jahr­hun­derts. In den 1920er-Jah­ren auf dem Oce­an Liner “Colum­bus” hin­ge­gen gab es einen abwechs­lungs­rei­chen und viel­sei­ti­gen Spei­se­plan. Lecke­rei­en wie gebra­te­ne Ente nach “Long Island Art” oder Liman­des­fi­let Orly waren nun normal.

Die the­ma­ti­sche Füh­rung beginnt um 10.30 Uhr im Foy­er des Deut­schen Aus­wan­der­er­hau­ses, Colum­bus­stra­ße 65, 27568 Bre­mer­ha­ven. Eine Anmel­dung ist erwünscht unter der Ruf­num­mer 0471/90 22 0–0 oder an der Kasse.

Preis: Ein­tritt in die Dau­er­aus­stel­lung zzgl. 3,00 €.
Wei­te­re Infor­ma­tio­nen:
www.dah-bremerhaven.de
Deut­sches Aus­wan­der­er­haus
Colum­bus­stra­ße 65
27568 Bre­mer­ha­ven

Neue Heimat Westdeutschland. Deutsche Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg

Am Sonn­tag, 21. Febru­ar 2016, bie­tet das Deut­sche Aus­wan­der­er­haus Bre­mer­ha­ven um 10.30 Uhr die the­ma­ti­sche Füh­rung “Neue Hei­mat West­deutsch­land. Deut­sche Flücht­lin­ge und Ver­trie­be­ne nach dem Zwei­ten Welt­krieg” an.

Neue Heimat Westdeutschland

Die­ser Krieg führ­te zu einer bei­spiel­los hohen Zahl von Zwangs­wan­de­run­gen, die ganz wesent­lich aus dem Erobe­rungs­krieg und spä­ter der Nie­der­la­ge des natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Deut­schen Rei­ches resul­tier­te. 12,5 Mil­lio­nen deut­sche Flücht­lin­ge und Ver­trie­be­ne gelang­ten bis 1950 in das geteil­te Deutsch­land, davon acht Mil­lio­nen in den Wes­ten. Teil­neh­mer des Rund­gangs durch die Dau­er­aus­stel­lung bekom­men Ein­bli­cke in die­ses beson­de­re Kapi­tel deut­scher Migrationsgeschichte.

Treff­punkt ist um 10.30 Uhr im Foy­er des Deut­schen Aus­wan­der­er­hau­ses, Colum­bus­stra­ße 65, 27568 Bre­mer­ha­ven. Eine Anmel­dung für die Fami­li­en­füh­rung ist erwünscht unter der Ruf­num­mer 0471/90220–0.

Preis: Ein­tritt in die Dau­er­aus­stel­lung zzgl. 3,00 €.
Wei­te­re Infor­ma­tio­nen:
www.dah-bremerhaven.de
Deut­sches Aus­wan­der­er­haus
Colum­bus­stra­ße 65
27568 Bre­mer­ha­ven
Pres­se­infor­ma­ti­on vom 15. Febru­ar 2016