Kategorie: Bremerhaven damals und heute
Vom Hotel zur Schifferklause
Vom Hotel zur Schifferklause
In einer jungen Stadt wie Bremerhaven ist ein 150-jähriges Jubiläum schon etwas ganz Besonderes. 1862 kaufte Hans-Joachim Lehrke am Geestemünder Altmarkt, der 1847 als Herz des jungen Hafenortes angelegt worden war, Kontorräume und baute sie 1862 zu einem Hotel mit zehn Fremdenzimmern um. Der Altmarkt erhielt 1959 seinen heutigen Namen “Berliner Platz“. 1907 stirbt Hans-Joachim Lehrke, und sein Sohn Johann übernimmt das Hotel. Bis zum 75-jährigen Jubiläum gilt es als das älteste Hotel in Wesermünde. 1937 erwähnt ein Reiseführer, dass das Hotel der Neuzeit entsprechend eingerichtet sei: zentral beheizt und mit elektrischem Licht. Bierhalle und ein Frühstückslokal inklusive. Als besonderen Service werden die Koffer der Hotelgäste mit einem Handkarren vom Bahnhof abgeholt. Man reiste damals natürlich noch vorwiegend mit der Bahn.1944 zerstörte ein großer Luftangriff auf Bremerhaven das Hotel, und es wurde nicht wieder aufgebaut. Der Eigentümer wollte sich nach dem Krieg verkleinern und eröffnete an der Geeste das Restaurant “Schifferklause Lehrke”. Leider gab es auch hier einen Rückschlag, als 1962 die große Sturmflut alles unter Wasser setzte und zerstörte.
Noch bis Oktober 1973 blieb die Schifferklause in Familienhand. Dann wurde sie verkauft. Aber auch noch heute werden dort “die leckersten Bratkartoffeln in Bremerhaven” angeboten. So konnte das Restaurant an der Geeste am 1. August 2012 das große Firmenjubiläum feiern, und die Gäste und alle Bremerhavener auf ein großes Stück Familiengeschichte zurückblicken. Doch die Zukunft ist schon vorbei...
Quelle:
NORDSEE-ZEITUNG vom 1. August 2012
Flieg, Bürgermeister, flieg
In Görlitz wird Bürgermeister Gottlob Ludwig Demiani als großer Sohn der Stadt verehrt, hier in Bremerhaven ist es Bürgermeister Johann Smidt 1773 — 1857).
Johann Smidt wurde 1821 Bremer Bürgermeister, und er blieb in diesem Amt bis zu seinem Tod, ausgenommen in der Zeit der Revolution von 1849 bis 1852. Unbestritten sind seine Verdienste um die Stadt – wenn Johann Smidt nicht so clever verhandelt hätte, gäbe es Bremen heute als eigenständiges Bundesland nicht mehr. Und es gäbe Bremerhaven nicht. Und so wurde beiden Bürgermeistern ein Denkmal gesetzt, auf dass sie auf ewige Zeit in unserer Erinnerung bleiben sollen.
Das ist auch gut so, dass an sie erinnert wird. Aber nur dann, wenn nicht nur an die “ruhmreiche” Vergangenheit erinnert wird. Denn zumindest Johann Smidt hatte auch eine andere Vergangenheit. Er war vieles, aber ein aufrechter Demokrat war er nicht. Sein Credo war: “Was schert mich die Rechtslage, das lösen wir bremisch!” Und seine Judenverachtung fand furchtbaren Eingang in die damalige nationale Gesetzgebung. So schöpfte er alle Möglichkeiten aus, die Juden aus Bremen zu vertreiben. Seit 1821 betrieb er die “völlige Austreibung der Kinder Israels” als eine “angelegentliche Staatssorge” und hielt die jüdischen Mitbürger als “Fremdkörper in einem christlichen Staatswesen.”
Und gerade deshalb ist es keine Lösung, seinen Namen aus den Erinnerungen zu löschen. Aus heutiger Sicht waren die Ansichten von Bürgermeister Johann Smidt auf jeden Fall rückschrittlich und judenfeindlich. Dennoch sollte man sich davor hüten, politische Urteile und Entscheidungen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit den heutigen Maßstäben zu messen. Man muss auch den damaligen Zeitgeist betrachten. Smidt war nicht der einzige Antisemit unter den Hanseaten. Neben Bremen haben auch Lübeck und Hamburg die Juden aus der Stadt gejagt. Der Hintergrund: Napoleon hatte Norddeutschland besetzt, für ein paar Jahre hat das der jüdischen Bevölkerung Freizügigkeit und Bürgerrechte beschert. Nach der Niederlage von Napoleon 1814 war damit Schluss – viele große Städte kassierten die Bürgerrechte ihrer jüdischen Bevölkerung.
Johann Smidt starb 1857, und viele werden wohl nicht um ihn getrauert haben. 1973
Sein Denkmal aber steht seit nunmehr 124 Jahren in Bremerhaven auf dem Theodor-Heuss-Platz. Durch die jahrelangen Umwelteinflüsse hat die Bronzestatue arg gelitten und muss nun saniert werden. Den Auftrag hat ein Berliner Metallrestaurierungsbetrieb übernommen. Vergangenen Dienstag lernte der tonnenschwere Bürgermeister dann das Fliegen. An einem Autokran schwebte er von seinem Sockel, um in die Hauptstadt zu reisen. Aber nicht wie zu seinen Lebzeiten mit der Kutsche oder Lokomotive sondern mit einem Transporter. Doch der Bürgermeister reist nicht allein, er wird von seinem “Stab” begleitet: Der Kaufmann und der afrikanische Junge mit Baumwollballen und Fässchen, die zu seinem rechten Fuß saßen und der in Ölzeug gekleidete Seemann mit seinem Anker sowie ein weiterer Bub, die ihren Platz vor seinem linken Fuß hatten.
Das Denkmal ist nach einem Entwurf des Leipziger Bildhauers Werner Stein in Dresden gegossen und erst 31 Jahre nach dem Tod von Smidt aufgestellt worden. Das Denkmal trägt in goldfarbenen Lettern die Inschrift: “Dem Bürgermeister der Freien Hansestadt Bremen, Dr. Johann Smith, dem Gründer Bremerhavens.” Ich hoffe, dass das Denkmal nach seiner Rückkehr einen Zusatz enthält, in dem auch auf seine Vertreibung der Juden aus Bremen erinnert wird. Denn nur, wenn man an Rühmliches und an Unrühmliches insgesamt erinnert, nur dann wird man der Vergangenheit gerecht.
1973 wurde der damalige Hamburger Bürgermeister Herbert Weichmann gebeten, zu Ehren von Smith eine Rede zu halten. Der Jude Herbert Weichmann weigerte sich damals mit den Worten: “Das hätte Smith nicht gewollt.”
Quelle:
NORDSEE-ZEITUNG.de
150 Jahre Geestemünder Turnverein
Der Geestemünder Turnverein (GTV) ist ein Exot unter den Vereinen der Stadt und der gesamten Republik. Er ist nämlich kein eingetragener Verein sondern erhielt die Rechte einer juristischen Person 1885 per “Kaiserschlag”. Der Erlass hat heute noch Gültigkeit.
Die Gründungsväter des Vereins sind leider nicht dokumentiert, auch nicht das genaue Gründungsdatum. Als der Verein 1862 gegründet wurde, war der Sport noch reine Männersache. Erst 34 Jahre später wurde der Sportbetrieb auch für Frauen geöffnet.
Bereits vier Jahre nach seiner Gründung schloss sich der GTV mit dem „Männer-Turnverein zu Geestendorf“ zum GGTV zusammen, dem „Geestendorf Geestemünder Turnverein“. Für ihre Übungen trafen sich die Sportler im Sommer unter freiem Himmel, während der Wintermonate turnten sie im Bremermannschen Saal in der Mühlenstraße 11. Die erste Turnhalle konnte 1882 am Holzhafen eingeweiht werden. 1890 nennt sich der Verein in GTV um, und 1896 nahm der Verein auch Mädchen und Frauen auf.
1944 wurde die Turnhalle am Holzhafen durch Bomben zerstört, das Vereinsleben kam zum Stillstand – bis zur „Wiedergeburt“ 1948. Nachdem der GTV sich zunächst auf fremden Plätzen einmieten musste, zog der Verein 1954 auf den neuen Sportplatz im Bürgerpark. Das Geld aus dem Verkauf des Vereinsgrundstücks am Holzhafen floss in den Vereinsheimbau, der 1957 eingeweiht wurde.
Ein Empfang am 30. Juni im Vereinsheim mit anschließendem Spiele-
und Sportfest auf dem GTV-Platz im Bürgerpark sowie im Herbst ein Fest für die Mitglieder sind die Geburtstags-Highlights.
Quelle: NORDSEE-ZEITUNG vom 01.02.2012
Von der Seebeck-Villa zum Café
Der aus Brake stammende Werftbesitzer Georg Dietrich Seebeck (1845–1928) ließ die Villa im Jahr 1908 in einer Mischung von Neubarock und Jugendstil errichten. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Villa stark beschädigt und erhielt danach ein im Vergleich zu vorher schlichtes Dach.
Seit 2007 steht das markante Gebäude neben der alten Geestbrücke schon leer. Die Fenster im Erdgeschoß zugenagelt, bot die Villa einen erbärmlichen Anblick. Aber damit soll es schon bald vorbei sein. Die unter Denkmalschutz stehende Seebeck-Villa wird umgebaut. Das Erdgeschoss wird in ein Café mit Wintergarten umgewandelt, und in der ersten Etage und im Dachgeschoss sollen Ferienwohnungen entstehen.
Der einst aufwendige Dachaufbau wurde im Krieg zerstört und später durch ein schlichtes Dach ersetzt worden. Im Rahmen der jetzigen Umbaumaßnahmen soll auch das Dach wieder soweit wie möglich in den Ursprungszustand zurückversetzt werden. Aus Kostengründen wird das Dach aber keine Gauben zurückerhalten. Doch die Kugel, die ursprünglich einmal den Dachfirst zierte, soll nachgebildet werden.
Quelle:
NORDSEE-ZEITUNG vom 30.06.2009, 23.04.2010, 22.06.2011 und 14.04.2012
Statt in die Cocktailbar ging es in die Milchbar
Mitte der 1960er Jahre öffnete auch in Uelzen die erste Milchbar ihre Pforten. Und sobald Schulschluss war, liefen wir in die Lüneburger Straße und trafen uns dort. Ich mag 15 Jahre alt gewesen sein, und für mich gab es nichts, was mich vom Besuch der Milchbar abhalten mochte.
Hier fühlten wir jungen Leute uns erwachsen, und hier lernte ich auch meine erste Freundin kennen. Die Mädchen hatten ihre Haare hochtoupiert, und wir Jungens trugen eine Elvis-Tolle. Zu Klängen aus der Musikbox tranken wir unsere Milchshakes oder Coca Cola, oder wir aßen Eis. Und regten uns über wichtige Dinge auf, die mir heute nicht mal mehr in Erinnerung kommen wollen. Es war eine schöne Zeit!
Heute gibt es wohl kaum noch Milchbars. Auch aus “unserer” Milchbar in Uelzen wurde irgendwann gegen Ende der 1960er Jahre das italienische Eiscafé “Florenz”, wir nannten es alle nur “Flo”, gingen immer noch hin aber tranken nun Bier. Schließlich waren wir mittlerweile zwanzig Jahre alt, aber wir waren noch nicht volljährig.
Auch in Bremerhaven eröffnete 1957 eine Milchbar, das “Milchbar Café”. Vierzig lange Jahre boten die Inhaber ihren Gästen selbst gemachte Milchshakes, Kuchen und Eiscremes an. 2009 aber wurde das unter Denkmalschutz gestellte Kult-Café geschlossen. Irgendjemand hat irgendwann die Fenster mit Packpapier zugeklebt. Mittlerweile hat sich das Papier, der Schwerkraft folgend, nach unten bewegt und den Blick durch die Fenster wieder freigegeben.
Der verdreckte Eingangsbereich befindet sich in einem desolaten Zustand. An der Tür aber kann man noch nachlesen, was 2009 auf der Karte stand. So kostete z. B. ein “Milchbar-Frühstück” 7,90 Euro, für einen Euro mehr gab es ein Glas frischgepressten Orangensaft dazu.
Dieser Tage berichtete die NORDSEE-Zeitung, dass das Lokal renoviert und zum Jahresbeginn neu eröffnet werden soll. Mal sehen, was dann zu welchen Preisen angeboten wird.
Bremerhavener “Café National” öffnet wieder
Wie sich die Nachrichten und Bilder doch gleichen! In Görlitz hat das Café “Central” neu eröffnet, und die Bremerhavener werden demnächst wieder in ihrem Café “National” sitzen können.
Das Traditionscafé National in Bremerhaven befindet sich im Erdgeschoss des in den 50er Jahren erstellten siebengeschossigen Hauses Lloydstraße 34. Am 18. Dezember letzten Jahres musste das Cafè am Ende der Fußgängerzone schließen. Die verkehrsreiche Kreuzung erlaubte keine Bewirtung draußen vor dem Lokal. So blieben trotz leckerer Torten immer mehr Stammgäste aus, bis die Betreiber schließlich aufgeben mussten.
Doch nun, ein knappes halbes Jahr später, tut sich wieder etwas in und vor dem Lokal. Es gibt eine neue Pächterin, und alles wird geputzt. Der Eigentümer lässt die Fassade mit dem rundumlaufenden Fenstervorbau originalgetreu sanieren. Sogar den alten Neonschriftzug aus den fünfziger Jahren er von einem Spezialisten originalgetreu nachbauen.
Am 6. Juni soll mit neuem Schwung und zehn neuen gut ausgebildeten Mitarbeitern eröffnet werden. Ein Konditormeister übernimmt die Verantwortung für Torten, Elsässer Flammkuchen und Crêpes.
Quelle:
Nordsee-Zeitung vom 9.12.2011 und 30.5.2012
Alte Privilegierte Apotheke Bremerhaven
Alte Privilegierte Apotheke Bremerhaven
Seit über 320 Jahren ist die Alte Privilegierte Apotheke Bremerhaven ununterbrochen an gleicher Stelle im “Dienst”. Am 8. Dezember 1680 stellte der Gouverneur des schwedischen Königs in Stade ein Privileg aus für den Betrieb einer Apotheke zum Wohle der Bevölkerung in Lehe und den umliegenden Orten sowie nicht zuletzt der Besatzung der Karlsburg.
Die Alte Apotheke in Lehe ist sicher der älteste Betrieb in einem der ältesten Gebäude der heutigen Stadt Bremerhaven. Sie ist schon vor1680 errichtet worden. Die Fundamente, die Kellergewölbe und andere Bauelemente stammen aus der Schwedenzeit, auch der Grundriss ist erhalten geblieben.
Einige Veränderungen gab es nach dem großen Brand Lehes im Jahre 1801, dem neben der Apotheke auch die Dionysiuskirche (Alte Kirche) und weitere 53 Häuser in Lehe zum Opfer fielen. Aus dieser Zeit stammen der Treppenaufgang von 1802, die Kräuterkammer und die hölzerne Rückwand in der Apotheke.
Schon vor 1675 wurde ein Schutzbrief für eine Apotheke in Lehe ausgestellt, bei der es sich wohl nur um die Alte Apotheke gehandelt haben kann. Historisch völlig gesichert ist der 8. Dezember 1680 als Geburtstag der Alten Privilegierten Apotheke. Mit diesem Tag erhielt der Apotheker Petrus Schombart ein Apothekenprivileg von dem Gouverneur des schwedischen Königs in Stade, für das sich nicht zuletzt auch der Kommandant der schwedischen Festung Carlsburg eingesetzt hatte. Seit diesem Tag ist eine kontinuierliche Entwicklung der Alten Apotheke belegt.
Quelle: Homepage der Apotheke
Anfang dieses Jahres hat die NORDSEE-ZEITUNG das Bild oben links veröffentlicht. Ich bin gleich in die Lange Straße marschiert und habe das rechte Bild fotografiert. Der Standort dürfte nahezu identisch sein. Der Fotograf des alten Bildes mag aber mehr Muße zum Fotografieren gehabt haben. Ich musste mich beeilen, einen autofreien Moment zu erwischen.