Nun ist auch er dahin, der Oktober, der in diesem Jahr ganz gewiss wieder ein goldener war. Jetzt lässt die Kraft der Sonne merklich nach, und das Jahr neigt sich dem Ende zu. Und nach katholischer und evangelischer Tradition endet am Abend vor dem ersten Adventsonntag auch das Kirchenjahr. Und zwei Sonntage vor dem ersten Adventsonntag begehen wir in Deutschland seit 1952 den Volkstrauertag.
Der Volkstrauertag gehört zu den “Stillen Tagen”, an dem der Toten zweier Weltkriege an den Fronten und in der Heimat” gedacht wird. Das ist auch immer ein Tag für die Politiker, die in ihren Reden allgemein zur Versöhnung aufrufen und um Völkerverständigung und zum Erhalt des Friedens mahnen.
Leider fallen die Mahnungen zu selten auf fruchtbaren Boden. Bereits im Jahre 1926, so schrieb der Historiker Dr. Ernst Kretschmar in der StadtBILD Nr. 77 vom November 2009, versammelten sich am Sonntag, dem 5. September, in Rauschwalde Einwohner und Ehrengäste, um ein Ehrenmal für die im Weltkrieg 1914 – 1918 gefallenen Soldaten einzuweihen. Zahlreiche private und militärische Vereine nahmen am Festzug teil.
Dr. Kretschmar gab in seinem Aufsatz auch die heroische Weiherede wieder, die Pfarrer Bernewitz an dem Sonntag im Jahre 1926 hielt: “Mehr als zehn Jahre sind vergangen seit dem Tage, an dem deutsche Helden hinauszogen, um für ihr Vaterland zu kämpfen und ihre Heimat vor dem Feinde zu schützen. Sie haben es erreicht in hartem todesmutigem Kampf, dass der Krieg nicht auf die deutschen Fluren getragen wurde… Es ist geblieben der Glaube an die deutsche Zukunft…Und an uns ist die Pflicht des Dankes, solcher zu gedenken, die im Tode das Vermächtnis hinterlassen haben, die Liebe zur deutschen Heimat über alles zu stellen und solche Liebe ein einigendes Band für alle werden zu lassen.”
Natürlich musste auch der damalige Stadtschulrat Dr. Mayrhofer einige Worte sagen: “ Ein Symbol der Eintracht soll diese Denkmal sein, und wenn der Drache Zwietracht sein Haupt zu hoch erhebt, dann wollen wir unsere Blicke auf dieses Mal richten und wollen seine Mahnung befolgen.”
Landrat Schröter hob in seiner Rede hervor, “dass alle, die sich zur Weihe eingefunden haben, das Gefühl des Dankes vereint und in tiefer Ergriffenheit aller Gedanken bei jenen weilen, die ihr Leben für das Vaterland, für die Heimat und auch für die Angehörigen… hingegeben haben. Ein Unrecht ist es daher, im Bruderzwist einander zu bekämpfen, nur weil der andere eine abweichende Meinung vertritt…”
Dr. Kretschmar berichtet weiter, dass auch der sozialdemokratische Abgeordnete Hugo Eberle anwesend gewesen sei. Er unterstützte die “Mahnung, ehrend und in Dankbarkeit der Toten zu gedenken und diesen Dank auch dadurch zum Ausdruck zu bringen, dass wir uns den Lebenden zuwenden und den Hinterbliebenen mit der Tat der Hilfe, soweit es möglich ist, den Dank abzustatten, den wir den Toten schulden. Wohl sollen wir bereit sein, das Vaterland mit unserem Leben zu schützen, aber unser Streben soll sein, die Schrecken eines neuen Brudermordes zu verhüten.”
Ein Jahr vorher, am 26. April 1925, wurde Paul von Hindenburg im Alter von 77 Jahren zum Reichspräsidenten gewählt. Und in jenen Jahren wurden überall in Deutschland Mahnmale und Kriegergedenkstätten errichtet, enthüllt und eingeweiht. Auch wenn sich die politischen Parteien bis aufs Messer bekämpften, bewahrten sie doch Anstand und Ehrfurcht vor den Toten.
Gleichwohl haben die Mahnungen bekanntlich nichts bewirkt. 1933 berief Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler. Die benannten den Volkstrauertag schon ein Jahr später in Heldengedenktag um und veränderten seinen Charakter. Nicht mehr der Toten wurde gedacht, dieser Tag galt jetzt der Heldenverehrung. Und damit nahmen die schrecklichen Ereignisse ihren Lauf, und nur 25 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges fielen die Nationalsozialisten wieder über unsere Nachbarländer her.
Zum diesjährigen Volkstrauertag blickt der Präsident des Volksbundes, Markus Meckel, auf den vor hundert Jahren beginnenden Ersten Weltkrieg zurück und bestätigt, dass der Krieg “zu Recht die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts genannt wird. Die zivilisierte Welt fiel in Abgründe. Doch damit nicht genug: Vor 75 Jahren begann nach dem Hitler-Stalin-Pakt der Zweite Weltkrieg, der Schrecken und Gewalt ins Unfassbare steigerte.”
Markus Meckel mahnt auch, “dass der Blick zurück unsere Aufmerksam schärfen kann und uns warnen, was kommen kann, wenn wir unachtsam werden… Bald aber wird es kaum noch Zeitzeugen und Angehörige geben. Die Friedhöfe werden mehr und mehr Orte des Gedenkens und Lernens und können auch so ihre gesellschaftliche Bedeutung bewahren. Damit das aber möglich ist, müssen wir sie besser erklären, die historischen Zusammenhänge benennen, die verschiedenen Opfer und ihre Situation stärker in den Blick nehmen.”
Vor dem Hintergrund der zwei Weltkriege sollten die Kritiker des Euro doch einmal bedenken, dass Europäische Union mehr ist als eine Währungsgemeinschaft. Was mit der Montanunion begann, führte zur Aussöhnung mit Frankreich und zu einem dauerhaften und bis heute anhaltenden Frieden. Die Europäische Union ist ein Friedens- und Versöhnungswerk, das erhalten werden muss. Gerade im Angesicht der Krisen in der Ukraine, in Palästina und in Syrien muss uns bewusst sein und bewusst bleiben, dass jeder von uns mit seinen Möglichkeiten für einen Frieden eintreten muss, der uns Freiheit und Unabhängigkeit sichert.
Quellen:
Dr. Ernst Kretschmar, StadtBILD Nr. 77 vom November 2009, Seiten 12 — 19