Willkommen Jahr 2015
Nun hat auch im letzten Winkel der Erde, dem Inselstaat Kiribati im Pazifik, das Jahr 2015 Einzug gehalten. Die rauschenden Feste sind vorüber, die riesigen Feuerwerke erloschen. Was bleibt ist die Hoffnung, dass das Jahr 2015 für die Menschheit auf diesem Planeten besser wird als das vergangene Jahr.
Wenn ich das Jahr 2014 Revue passieren lasse, stimmt mich nicht sehr froh. Obwohl ich ein unverbesserlicher Optimist bin, erinnere ich mich kaum an fröhliche Begebenheiten.
Die gewonnene Fußballweltmeisterschaft war sicher ein positives und sehr schönes Ereignis. Aber was bleibt sonst?
Da besetzten die Russen die Krim und stellen sich abseits der Staatengemeinschaft. Israel wird mit Raketen beschossen, und Israel fällt dazu nichts anderes ein, als den Gaza-Streifen mit Raketen zuzupflastern. Tausende Frauen, Kinder, Greise, kranke und unschuldige Menschen verlieren ihre Bleibe.
Am 2. Dezember 2013 stirbt in Westafrika ein zweijähriges Kind. Nur wenige Tage später sterben auch Mutter und Schwester. Die Großmutter erlebt Silvester nicht mehr. Bei ihrer Beerdigung stecken sich die Angehörigen an, und die Epidemie ist nicht mehr aufzuhalten und breitet sich rasch aus. Das Ebolavirus wütet in Guinea, Liberia und Sierra Leone und fordert täglich unzählige Todesopfer.
Flugzeuge sind vom Himmel gestürzt, mal gezielt abgeschossen, mal durch ein Gewitter fluguntauglich geworden, mal nie mehr wiedergefunden. Fähren sind in Brand geraten oder gesunken. Reisebusse standen ausgebrannt an den Straßenrändern dieser Welt.
Als ob das alles nicht entsetzlich genug wäre, gibt es überall auf der Welt so genannte “Hinrichtungen”. In Teilen Syriens und des Irak ist eine Truppe unterwegs, die sich “Islamischer Staat” nennt. Sie wirbt für sich durch das Abschneiden der Köpfe unschuldiger Menschen. Den ganzen Horror filmen sie und stellen die Videos ins Internet. Bisher konnte oder wollte niemand diese Bande, die im Namen Gottes unterwegs sein will, stoppen.
Im letzten Jahr gab es aber auch wieder staatlich verordnete “Hinrichtungen”. Per Gerichtsurteil werden Menschen erschossen, aufgehängt, erschlagen, gesteinigt oder mit eine Giftspritze ins Jenseits befördert. Manchmal funktioniert das “humane” Gift nicht, dann muss sich der Delinquent eben etwas länger aus seinem Leben quälen. Anschließend betet die jeweilige Hinrichtungsgemeinde zu ihrem jeweiligen Gott, dass er die arme Seele aufnehmen möge.
Vor all diesen Gräueltaten, vor Hunger und Verfolgung, vor Angst und aus Verzweiflung begaben sich Millionen von Menschen auf die Flucht. Sie ließen ihre Heimat hinter sich um ihr nacktes Leben zu retten. Sie wohnen in Camps zu Hunderttausenden, sie überqueren das Mittelmeer in überfüllten Booten, sie wollen einfach nur weg. Und so fanden im letzten Jahr 200.000 Menschen auch den Weg nach Deutschland.
“Das Boot ist voll”, schreien hier viele, die gar nicht wissen, wie gut es ihnen geht. Sie sollten sich mit ihren Eltern und Großeltern unterhalten. Sie sollten zuhören, wenn sie erzählen, wie die Deutschen auf der Flucht waren. Wie sie aus Ostpreußen und Pommern, aus Schlesien und dem Sudetenland vertrieben wurden oder geflüchtet sind.
Sie sollten die Ballade “Wagen an Wagen” von Agnes Miegel aus dem Jahre 1949 lesen: “…Und wir ziehen im Traum verwehte Pfade, Wagen an Wagen, endloser Zug, Der ein Volk von der Heimat trug! Von Norden, von Osten kamen wir, Über Heide und Ströme zogen wir…”.
Im strengen Winter 1944/1945 flohen über 2 Millionen Menschen vor der “Roten Armee” zu Fuß oder mit Pferdefuhrwerken aus Ostpreußen Richtung Westen. Auf diesem “großen Treck” kamen die armen Menschen zu Tausenden ums Leben. Wer überlebte, suchte sich im Westen eine neue Heimat. Sie landeten in Niedersachsen, in Bayern, in Bremen und überall in Westdeutschland. Niemand sagte: “Das Boot ist voll!” Man rückte zusammen, auch hier in Bremerhaven, baute Notunterkünfte und krempelte die Ärmel hoch. Und als in den 1950er Jahren Massen von Menschen die Ostzone verließen, fanden auch sie im Westen eine neue Heimat.
Nun gilt es für uns “Wohlstandsdeutschen”, uns mit neuen Konflikten, mit Nöten und Ungerechtigkeiten hier und auf der ganzen Welt zu befassen. Nun heißt es, die Demokratie in unserem Lande zu bewahren und nicht denen anheimfallen zu lassen, die glauben, unseren Wohlstand vor den Hungernden beschützen zu müssen. Nun gilt es, die Flüchtlinge beherzt aufzunehmen und ihnen behilflich zu sein, ihre Traumata zu überwinden.
Lasst uns mit Zuversicht das Jahr 2015 beginnen. Lasst uns im Rahmen unserer Möglichkeiten dabei sein, unsere Demokratie zu bewahren, den Hilfesuchenden zu helfen, “Hinrichtungen” zu verhindern, Ebola zu besiegen. Hoffen wir gemeinsam, dass unser Land nicht von egoistischen Politikern regiert wird sondern von Menschen, die mit Bedacht und Besonnenheit, mit Geduld und Beharrlichkeit aber ohne Aggressivität unser Land durch die klippenreichen Gewässer dieser Tage steuern.
Ich jedenfalls bin zuversichtlich. Zuversichtlich, das die schwierigen Probleme dieser Welt lösbar sind. Das wir alle bereit sind, von unserem Wohlstand etwas abzugeben. Zuversichtlich, dass es auch in diesem Jahr die fremdenfeindlichen Demonstranten nicht schaffen, ihre böse Saat aufgehen zu lassen. Zuversichtlich, dass immer mehr Deutsche bereit sein werden, etwas abzugeben für die vielen Flüchtlinge, die bei uns Schutz suchen.
Lasst uns gemeinsam zuversichtlich auf das vor uns liegende Jahr 2015 schauen.