Ehemalige Görlitzer Tuchfabrik Krause und Söhne

Die Monats­zeit­schrift Stadt­BILD hat in ihrer Aus­ga­be Nr.  87 vom Sep­tem­ber 2010 einen Auf­satz von Herrn Wolf­gang Stil­ler über die ehe­ma­li­ge Gör­lit­zer Tuch­fa­brik Krau­se & Söh­ne veröffentlicht. 

Die im Jah­re 1863 und 1864 gebrach­ten gewal­ti­gen Umwäl­zun­gen erfor­der­ten auch den Umbau der Pul­ver­müh­le. Es Görlitzer Tuchfabrik Krause & Söhneent­stand am Grü­nen Gra­ben ein gro­ßes Weber­ei­ge­bäu­de mit Erd­ge­schoss, 3 Stock­wer­ken und einem turm­ar­ti­gen Trep­pen­haus. Die bis­he­ri­gen Kraft­quel­len genüg­ten nun bei wei­tem nicht mehr. Es wur­de ein Dampf­kes­sel auf 6 Atmo­sphä­ren Über­druck ange­schafft, der für Stein­koh­len-Feue­rung auf Plan­rost ein­ge­rich­tet war und bei dem als moderns­te Errun­gen­schaft eine mög­lichst voll­stän­di­ge Rauch­ver­bren­nung berück­sich­tigt war. Der Erbau­er war der Gör­lit­zer Mecha­ni­ker Con­rad Schiedt. (Hin­zu kam auch 1863 eine neue Dampf­ma­schi­ne). So war dann die Fabrik mit allen Neue­run­gen der Zeit ausgerüstet.

Die Fol­ge­zeit ent­sprach nicht den Hoff­nun­gen, die man sich mit der Moder­ni­sie­rung des Betrie­bes gemacht hat­te. DieGörlitzer Tuchfabrik Kriegs­jah­re 1864, 1866 und 1870/71 brach­ten der Fir­ma schwe­re Sor­gen. Zahl­rei­che Ange­stell­te und Arbei­ter wur­den zu den Fah­nen geru­fen, und wich­ti­ge Absatz­ge­bie­te waren ver­sperrt. Beson­ders schwer traf in die­ser Zeit auch der Tod des letz­ten Mit­be­grün­ders der Fir­ma Carl Fried­rich Krau­se am 7. August 1866. Am 17. Febru­ar 1872 ver­starb im bes­ten Man­nes­al­ter sein Sohn Emil Krau­se. Da Edmund Krau­se dau­ernd krank war und sich dem Geschäft nicht so wid­men konn­te, wie es der Umfang des­sel­ben erfor­der­te, wur­de zu Beginn des Jah­res 1872 Herr Okar Meiß­ner beru­fen, in die Füh­rung der Tuch­fa­brik ein­zu­tre­ten. Ein­mal ver­ban­den ihn nahe ver­wandt­schaft­li­che Bezie­hun­gen zur Fami­lie Krau­se, und dann aber ließ ihn sei­ne fach­li­che Vor­bil­dung bei Jer. Sig. Foers­ter in Grün­berg beson­ders geeig­net erschei­nen, in die Bre­sche zu tre­ten, die der Tod und Krank­heit in die Lei­tung des Unter­neh­mens geris­sen hatten.

Mit Beginn der Blü­te­zeit des neu gegrün­de­ten deut­schen Kai­ser­reichs begann auch in der Fir­ma Krau­se & Söh­ne neu­es Leben. Durch ziel­be­wuss­te, rast­lo­se Arbeit führ­te Herr Meiß­ner das Unter­neh­men zu neu­er Blüte.

Nach­dem im Dezem­ber des Jah­res 1876 auch Otto Krau­se, der Görlitzer Tuchfabrikjün­ge­re Sohn des Mit­be­grün­ders Carl Fried­rich Krau­se, gestor­ben war, gewann Herr Meiß­ner als kauf­män­ni­scher Mit­ar­bei­ter am 1.4.1877 Herrn Rudolf Scheu­ner. Nach­dem die­ser anfäng­lich als Pro­ku­rist tätig war, wur­de er bald als Teil­ha­ber in das Geschäft auf­ge­nom­men. Herr Scheu­ner, der sich als außer­or­dent­lich begab­ter und tüch­ti­ger Geschäfts­mann erwies, wid­me­te 20 Jah­re hin­durch der Fir­ma sei­ne gan­ze Arbeits­kraft. Gera­de er war es, der es ver­stand, sowohl auf dem inlän­di­schen als auch auf dem sich erschlie­ßen­den aus­län­di­schen Absatz­ge­biet die Fein­tu­che Krau­se und Söh­ne immer mehr ein­zu­füh­ren. Frank­reich, Spa­ni­en, Skan­di­na­vi­en und bald auch Ame­ri­ka zähl­ten zu den bes­ten Abneh­mern. In die­sen Jah­ren glück­li­chen und erfolg­rei­chen Zusam­men­wir­kens erwie­sen sich die bestehen­den Ein­rich­tun­gen bald als unzulänglich.

Eine Erwei­te­rung der maschi­nel­len Anla­ge und damit auch der Fabrik­ge­bäu­de wur­den unum­gäng­lich not­wen­dig. Hier­mitGörlitzer Tuchfabrik ver­bun­den war natür­lich auch die Ver­grö­ße­rung der für jede Tuch­fa­brik beson­ders wich­ti­gen Was­ser­ver­sor­gung. In den Jah­ren 1885 bis 1892 führ­te mit weit­schau­en­dem Blick die­se erfor­der­li­chen Arbei­ten Herr Meiß­ner durch. Beson­ders beach­tens­wert ist dabei die Was­ser­ver­sor­gung. Teil­wei­se wur­de das Was­ser aus der Nei­ße ent­nom­men, teil­wei­se aber einem Brun­nen, der in der Nähe des Kran­ken­hau­ses an der Ber­li­ner Bahn­stre­cke ange­legt wur­de und des­sen Was­ser in ein gro­ßes Reser­voir gelei­tet wur­de, das gegen­über dem Fabrik­ge­bäu­de auf der ande­ren Sei­te des Grü­nen Gra­bens errich­tet wor­den war.

Als Herr Scheu­ner am 1.4.1897 wegen schwe­rer Krank­heit sei­ne Mit­ar­beit auf­ge­ben muss­te, wur­de Herr Rudolf Krau­se, der Sohn Emil Krau­ses, der bereits seit Novem­ber 1894 in der Fir­ma tätig war, zur füh­ren­den Mit­ar­beit beru­fen. Die­ser brach­te eine gründ­li­che tech­ni­sche und kauf­män­ni­sche Aus­bil­dung für sei­ne Stel­lung mit.

Im März 1899 nahm das Unter­neh­men die Form einer Gesell­schaft mit beschränk­ter Haf­tung (GmbH) an, als deren Geschäfts­füh­rer Kom­mer­zi­en­rat Oskar Meiß­ner und Herr Rudolf Krau­se zeich­ne­ten. Der jün­ge­re Bru­der des letz­te­ren, Herr Richard Krau­se, hat­te sich eben­falls dem Tuch­ma­cher­be­ruf gewid­met und eine lang­jäh­ri­ge Fach­aus­bil­dung genos­sen. Die­ser wur­de zur Pro­ku­ra-Zeich­nung betraut und rück­te im Sep­tem­ber des Jah­res 1912 zum Geschäfts­füh­rer auf.

Im Jah­re 1913 konn­ten 400.000 Stück Tuch her­ge­stellt wer­den, was einer Län­ge von etwa 2O Mil­lio­nen Meter ent­spricht. Der begin­nen­de 1. Welt­krieg fand die Fir­ma auf einer ange­se­he­nen Höhe, und ihre Fach­kräf­te hat­ten im In- und Aus­land einen guten Klang und erfreu­ten sich einer guten Nachfrage.

Der Krieg, die Revo­lu­ti­on und die fol­gen- den Infla­ti­ons­jah­re gin­gen nicht spur­los an der Fir­ma Krau­se & Söh­ne vor­über. Wie in jedem Unter­neh­men mach­ten sich auch hier die unheil­vol­len Aus­wir­kun­gen der Jah­re 1914 bis 1923 bemerk­bar. Den­noch aber begann dann die Fir­ma, wenn auch noch gehemmt durch die wirt­schaft­li­chen und poli­ti­schen Schwie­rig­kei­ten der Nach­kriegs­zeit, sich von neu­em zu ent­wi­ckeln. Obgleich der bejahr­te Seni­or­chef, Gehei­mer Kom­mer­zi­en­rat Oskar Meiß­ner, sich von der akti­ven Füh­rung der Geschäf­te zurück­zie­hen muss­te, bleibt er noch bis in die jüngs­te Zeit der treue Rat­ge­ber der bei­den ande­ren Geschäfts­füh­rer Rudolf und Richard Krause.

1931 wer­den von dem Unter­neh­men etwa 250 Arbei­ter und etwa 30 kauf­män­ni­sche und tech­ni­sche Ange­stell­te beschäf­tigt. Die Art der Erzeu­gung ent­spricht der der Ober­lau­sit­zer über­haupt, d. h. es wer­den fei­ne Her­ren­tu­che für Gesell­schafts- und Stra­ßen­be­klei­dung ange­fer­tigt. Das Absatz­ge­biet ist in der Haupt­sa­che Deutsch­land, indes wird auch die Aus­fuhr nach allen Län­dern der Welt, in denen Deutsch­land nach den han­dels­po­li­ti­schen Ver­hält­nis­sen über­haupt Ein­gang zu fin­den ver­mag, gepflegt.

Sei­ner alten Tra­di­ti­on getreu wird das Unter­neh­men auch in den künf­ti­gen Jah­ren zur Grund­la­ge sei­ner Ent­wick­lung den Gedan­ken machen, der die Grün­der vor einem Jahr­hun­dert lei­te­te. Ehr­ba­ren Bür­ger­sinn zu ver­bin­den mit uner­müd­li­chem rast­lo­sem Fortschritt.

Aus der Fir­ma Krau­se & Söh­ne ist die Ober­lau­sit­zer Voll­tuch­fa­brik mit ihren dann 6 Wer­ken her­vor­ge­gan­gen, die die­se bewähr­te Tuch­ma­cher-Tra­di­ti­on bis zu ihrer Abwick­lung mit der Wen­de ab dem Jah­re 1989 fort­ge­schrie­ben hat. Auch ihre Pro­duk­te waren als Export­ar­ti­kel aner­kannt und begehrt.

Wolf­gang Stiller

Die Fotos zei­gen die ehe­ma­li­ge Teich­müh­le, Rothen­bur­ger Stra­ße (Teil­an­sich­ten). In die­sem Objekt wur­de im Jah­re 1837 die ers­te Gör­lit­zer Dampf­ma­schi­ne mit 10 PS in der Fir­ma Gebrü­der Berg­mann und Krau­se instal­liert. Herr Wolf­gang Stil­ler wür­de sich freu­en, wenn ihm jemand (leih­wei­se) wei­te­re Fotos oder ande­re Doku­men­te über die Tuch­fa­brik zur Ver­fü­gung stel­len kann.
Anmer­kung zur Teich­müh­le:
bis 1956 befand sich ın der Teich­müh­le die Spin­ne­rei der Ober­lau­sit­zer Voll­tuch­fa­brık. 1956 gab es einen Tausch. Die Ober­lau­sit­zer Voll­tuch erwarb das Grund­stück auf der Ufer­stra­ße als Werk IV (Mas­sa­ge­län­de), und der dor­ti­ge Holz­ver­ar­bei­tungs­be­trieb zog in die Teich­müh­le Rothen­bur­ger Straße/Ecke Niko­lai­gra­ben. Bis zur poli­ti­schen Wen­de befand sich in die­sem Objekt eine Möbel­fa­brik.
Quel­len:
Aus dem Nach­lass eines ehe­ma­li­gen Web­meis­ters der Ober­lau­sit­zer Voll­tuch Gör­litz, der um 1935/36 bei Krau­se und Söh­ne gelernt hat.
Sie­he auch R. Jecht: Topo­gra­phie der Stadt Gör­litz | Pul­ver­müh­le Sei­ten 726 — 727 l Teich­müh­le Sei­ten 725 – 726 | Tages­zei­tun­gen von 1931
Mit freund­li­cher Geneh­mi­gung des Stadt­BILD-Ver­la­ges Görlitz

Über den mitt­ler­wei­le erfolg­ten Abriss der Tuch­fa­brik berich­te­te die “Säch­si­sche Zei­tung” am 19.2.2013 und am 4.4.2013.

Alte Tuchfabrik verschwindet

Alte Tuchfabrik verschwindet

4 Antworten

  1. Notburga Hannemann sagt:

    Mein Vater half nach dem Krieg 1946 die Tuch­fa­brik am Grü­nen Gra­ben wie­der mit­auf­zu­bau­en. Unter­la­gen lie­gen vor.

    • Wir recher­chie­ren aktu­ell die vie­len Sei­ten der Geschich­te des Are­als, wür­den ger­ne einen Ein­blick neh­men. Gern via Kon­takt per E‑Mail. Wir sind ein Ver­ein der der­art Doku­ment und Hin­ter­las­sen­schaf­ten sammelt.

  2. Detlef Golombowsky sagt:

    .. wenn es noch Inter­es­se an der Gör­lit­zer Tuch­fa­brik ( oder Ufer­stra­ße ) gibt, viel­leicht kann ich was beisteuern

  3. Ian Macmillan sagt:

    Seit Mai die­ses Jahr woh­ne ich hier in die­ser Stadt. Man ent­deckt immer wie­der klei­nen Ecken wo die Blu­te der Grün­der­zeit in Rui­ne erschei­nen. Dass sie der Zeit nimmt und die Geschich­te raus picken und ver­öf­fent­li­chen, fin­de ich wunderschön.

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