In Bremerhavens Körnerstraße wird nicht mehr gemangelt
In Bremerhavens Körnerstraße wird nicht mehr gemangelt
Das genaue Alter der Heißmangel in Bremerhavens Körnerstraße kennt wohl niemand genau. Eigentlich stand sie ja auch schon immer dort in dem Eckhaus an der Körnerstraße und Eupener Straße 44. Und schon immer verbreitete sie diesen Geruch frisch gemangelter Wäsche, den die Besitzerin Karin Lupo seit ihrer Kindheit so liebt.
Nur ein Schriftzug auf einem großen Zahnrad verrät die Herkunft der Heißmangel: “Gebr. Stute, Hannover”. Seit 1895 richtete die “Erste Deutsche Bauanstalt für vollständige Wäscherei-Einrichtungen Stute & Blumenthal” Dampfwäschereien ein.
Die Fabrik von Karl Stute und Louis Blumenthal befand sich in Hannover Linden am Bahnhof Fischerhof. Die Fabrik nannte sich später “Maschinenbauges. m. b. H. vormals Stute und Blumenthal. Und um 1928 gab es eine Gebr. Stute Wäschereimaschinenfabrik an der Hildesheimer Straße 173 in Hannover-Döhren. Aus dieser Zeit muss auch die Heißmangel aus der Körnerstraße stammen.
Karin Lupo ist mit der Heißmangel aufgewachsen. Ihre alleinerziehende Mutter, Lieselotte Scheidemann, hatte bereits im zweiten Weltkrieg eine Mangel in der Ludwigstraße. Dort verbrachte Karin Lupo ihre Kindheit. Am Ende des Krieges wurde die Mangel vollständig zerstört.
Ungefähr acht Jahre war Karin Lupo alt, als ihre Mutter im Jahre 1955 die Heißmangel an der Körnerstraße Ecke Eupener Straße von einer Familie Böttcher übernahm. Die kleine Karin hatte schon damals gerne bei Mutti in der Heißmangel mit angefasst. Die Mutter führte die Heißmangel bis zu ihrem 75. Lebensjahr. Zu der Zeit war das Geschäft noch den ganzen Tag geöffnet. Mehrere Helferinnen sorgten dafür, dass die viele Arbeit bewältigt werden konnte.
Die Heißmangel ist eine absolute Seltenheit. Die große Trommel ist aus Gusseisen und damit viel schwerer als die heutigen Rollen. Beheizt wurde die Trommel mit Gas. Hunderte kleiner Flämmchen sorgten unter der Trommel für eine gleichmäßige Hitze. Morgens dauert es fast eine Stunde, bis die Trommel die Betriebstemperatur erreicht hat. Während die große und schwere Rolle mit Gas betrieben wurde, trieb ein fast ebenso alter Elektromotor den großen fast 8 m langen Riemen an, der die große Walze drehte.
Die Heißmangel könnte noch weiter arbeiten — wenn in Bremerhaven nicht das Gas umgestellt werden würde. Davon sind rund 28.000 Haushalte und Betriebe betroffen. Etwa 2,5 Prozent der Gasgeräte müssen stillgelegt werden. Auch die Heißmangel in der Körnerstraße gehört dazu.
Für die Menschen in Lehe war es eine Überraschung, dass ihre beliebte Heißmangel schließen musste. Hier traf man sich jahrzehntelang. Ärzte, Kaufleute, Lehrer, Beamte und Unternehmer brachten ihre Tischdecken und Bettwäsche zum Mangeln in die Körnerstraße. Für jeden hatte Karin Ludwig ein nettes Wort übrig. Manchmal wurden es auch längere Gespräche. Und im Winter gab es schon mal ein Gläschen Glühwein zum Aufwärmen. Auch die kleinen Kinder liebten ihre “Frau Heißmangel”.
Karin Ludwig hat bei Karstadt Schuhverkäuferin gelernt. Aber immer hat sie auch Mutti in der Heißmangel geholfen. Und Anfang der 1980er Jahre hat Karin Ludwig die Heißmangel von ihrer Mutter übernommen. Neue Textilien haben dazu geführt, dass die Mangel nur noch vormittags geöffnet war. So konnte Karin Lupo die Arbeit alleine erledigen.
50 Jahre stand sie jeden Vormittag im Geschäft. Nie hat sie gefehlt. Doch nun ist es vorbei: In Bremerhavens Körnerstraße wird nicht mehr gemangelt.
Das Schild “Heißmangel” über der Eingangstür ist mittlerweile abgeschraubt. eine Restauratorin hat die Maschine ist zerlegt. Karin Ludwig ist wehmütig, aber sie freut sich, dass die Heißmangel nicht verschrottet werden muss. Sie wurde ins Historische Museum Bremerhaven gebracht. Dort kann man sie im kommenden Januar im Foyer besichtigen.
Quellen:
T- Melchers: “Die älteste Heißmangel steht nun still”, Nordsee-Zeitung vom 16.10.2020
“Mit Liebe an der Mangel”, Leher Blatt Nummer 2
T- Melchers: “Bremerhaven: Heißmangel kommt ins Museum”, nord24.de vom 16.10.2020
Sehr geehrte Damen und Herren, mit viel Interesse habe ich den Bericht über die alte Heißmangel gelesen. In diesem Zusammenhang wollte ich Ihnen gerne mitteilen, dass die baugleiche Heißmangel in Halle an der Saale noch immer in Betrieb ist. Diese wurde vor circa 30 Jahren umgebaut. Sie läuft seitdem elektrisch und war in dieser Zeit ohne Störungen in Betrieb. Das Getriebe wurde vor fünf Jahren generalüberholt und schnurrt wie ein Kätzchen. Vielen Dank für diesen schönen historischen Bericht. Eine schöne Weihnachtszeit, bleiben Sie gesund und beste Grüße aus Halle an der Saale, Detlef Klutz.
Sehr geehrter Herr Klutz,
vielen Dank für Ihren interessanten Beitrag. Es ist immer wieder schön zu sehen, wie viele Menschen meinen “DeichSPIEGEL” lesen. Und über die Kommentare freue ich mich besonders. Grundsätzlich schreibe ich nur über Bremerhaven, aber ich habe auch einige Artikel über Görlitz veröffentlicht. Vielleicht interessieren Sie sich ja auch für die schöne alte schlesische Stadt an der Neiße: https://www.schwiebert.lima-city.de/Kategorie/goerlitz/
Ich wünsche Ihnen ebenfalls eine schöne Weihnachtszeit und einen guten Start im neuen Jahr.
Liebe Grüße aus Bremen, Hermann Schwiebert