Hat das Goethequartier einen Liebhaber gefunden?
Wer durch das Leher Goethequartier spaziert, erkennt die Probleme sofort. Zugenagelte Fenster, zerbröckelnde Giebel, vom Absturz bedrohte Balkone und verdreckte Vorgärten verschandeln seit Jahren die Goethestraße und umzu. Wunderschöne Gründerzeitgebäude verwandelten sich mit den Jahren zu unbewohnbaren heruntergekommenen Häusern. Mieter wanderten ab, die Zeit der Spekulanten brach an.
Wer an einem Sommertag frühmorgens durch die noch schlafende Goethestraße schlendert, erlebt eine verträumte Straße im Dornröschenschlaf. Er kommt an behutsam restaurierte Häuser vorbei, die ihren 100. Geburtstag schon lange hinter sich haben. Der Spaziergänger sieht aber auch Häuser, die eine Schande für die Leher Altstadt sind: Schrottimmobilien, deren Eigentümer Spekulanten sind, die in ihre Häuser nichts mehr investieren wollen und sie verfallen lassen. Die verwahrlosten Immobilien stellen einerseits eine derartige Gefahr für die Verkehrssicherheit dar, dass die Stadt oftmals auf eigenen Kosten Sicherungsmaßnahmen in Auftrag geben muss. Andererseits haben die Eigentümer benachbarter Häuser einen enormen Wertverlust zu beklagen.
Schon viele Jahre kämpft die Stadt Bremerhaven verbissen und zäh gegen die Spekulanten. Sie verhandelt oft jahrelang mit den Eigentümern, um unrettbare und damit wertlose Immobilien in ihren Besitz zu bringen. Eine große Hilfe ist das von der Stadtverordnetenversammlung im Juni 2009 auf Basis der §§ 24ff Baugesetzbuch beschlossene “Vorkaufsortsgesetz”, das der Stadt bei bestimmten Grundstücken ein Vorkaufsrecht einräumt. Aufgrund des Vorkaufsrechtes hat die Stadt einen Rechtsanspruch, im Falle des Verkaufs eines Grundstückes an einen Dritten, in den Kaufvertrag einzusteigen, wenn das aus bauordnungsrechtlicher und städtebaulicher Sicht angezeigt ist.
Die Gebäude werden dann mit Mitteln aus dem Programm Stadtumbau-West abgerissen. Oder in Zusammenarbeit mit Wohnungsgesellschaften oder seriösen Privatinvestoren saniert – soweit eine Sanierung sinnvoll ist. und sind die Schrottimmobilien erst einmal verschwunden, verbessert sich auch der Wohnwert in der Nachbarschaft nachhaltig. Und das wiederum wirkt sich positiv auf den Wert eines Gebäudes aus.
Jetzt keimt neue Hoffnung auf. Der Berliner Investor Rolf Thörner, Vorstand der META AG, soll die Häuser Goethestraße 50a und Uhlandstraße 16 bereits erworbenen haben um sie zu sanieren. Und auch die bereits für einen Abriss vorgesehenen Häuser Lutherstraße 24 und Rickmersstraße 51 will der Investor wohl übernehmen und wieder auf Vordermann bringen. Das wird bestimmt viele ältere Bremerhavener sehr freuen, war doch das über 100 Jahre alte Eckhaus Rickmerstraße 51/Körnerstraße die erste Adresse für Jazz und Soulmusik. In dieses Haus zog am 1. April 1958 “Chico’s Place“ein, und der Jazz-Club blieb 30 Jahre der *“Garant für heißen Jazz und die neueste Soul-Musik”.
Insgesamt soll der Investor zwei Millionen Euro eingeplant haben, mehr als die Hälfte sollen in das Haus Lutherstraße 24 investiert werden. Auf der Homepage der META AG verweist Rolf Thörner auf 30-jährige Berufserfahrung und stellt eine Reihe sanierter Berliner Altbauten vor. Er freut sich schon darauf, später in das Haus Lutherstraße 24 einzuziehen um darin zu leben und zu arbeiten. Rolf Thörner ist davon überzeugt, dass durch seine Investitionen die Nachbarn ermuntert werden, ebenfalls etwas für den Werterhalt ihrer Gebäude zu tun.
Rolf Thörner soll sich schon darauf freuen, bei der Quartiersentwicklung in Bremerhaven dabei sein zu können. Er wolle versuchen, die Erdgeschosse an Gewerbetreibende zu vermieten. Vielleicht zieht ja in die Goethestraße 50a irgendwann einmal ein Backshop ein. Auf jeden Fall soll Rolf Thörner dazu beitragen wollen, dass das Goethequartier eine bessere Infrastruktur bekommt.
Stadtplaner Friedrich soll sich laut Nordsee-Zeitung positiv überrascht gezeigt haben, dass die Gebäude Lutherstraße 24 und Rickmersstraße 51 nun wohl doch erhalten werden können: “Wenn die Gebäude nicht abgerissen werden, sondern die Identität des Stadtteils erhalten bleibt, ist das natürlich toll.” Möglicherweise kann der Investor zumindest für diese Gebäude Fördermittel aus dem Städtebau-Förderungsprogramm West bekommen.
Wie ich bereits berichtet habe, soll auch die Städtische Wohnungsgesellschaft Bremerhaven (Stäwog) weitere Sanierungsmaßnahmen in der Goethestraße planen. Und die Nordsee-Zeitung zitiert den Bremerhavener Oberbürgermeister Granz: “Außerdem werden wir beim Kistnergelände angreifen, was ebenfalls eine Ausstrahlung auf das Goethequartier haben wird. Ich bin guter Dinge, dass ein richtiger Entwicklungsschub entsteht und hoffe, dass der Stadtteil das Tal der Tränen durchschritten hat.”
Quellen:
*deichklang.de, Chico’s Place — exquisit in Jazz ’n’ Soul
Ch. Heske, Verrückt nach Altbauten, Sonntagsjournal vom 15.05.2016
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Ich habe als nicht gebürtiger Bremerhavener einige Jahre in Lehe und gerade auch im Bereich der Goethestrasse/Uhlandstrasse, später auch Hafenstrasse gewohnt und hab den Verfall seit Ende der 80´ger Jahre leider selber erleben dürfen. Habe sogar einige Jahre einen Computerladen, auch unter der Flagge von Vobis, dort gehabt.
Mir hat es sehr weh getan, diesen Verfall miterleben zu müssen. Sollte dieser Teil der Stadt wirklich jemanden gefunden haben, der diese alte Bausubstanz wirklich schätzt, dann wäre das echt ein Gewinn. Aber ich habe da so meine Bedenken.…
Knappe 3 Jahre später muss man sagen, dass der Ehrgeiz von Herrn Thörner wirklich andere motiviert hat. Das Gebäude Goethe 50a ist fertig — Uhland 16 genauso — und alles ist richtig chic geworden. Die Stäwog hat die Goethe 45 saniert und auch hier eine Meisterleistung hingelegt. Viele Bauten sind derzeit noch in Arbeit — die Meidestraße 29 zum Beispiel, wo die oberen Etagen bereits fertig sind, und einige Studenten eingezogen sind. Aber auch in der Potsdamer Straße, Moltkestraße, Lutherstraße wurde Geld in die Hand genommen. Für das Quartier war das Ganze quasi ein Glücksgriff.