Als in Lehe noch Kaffee geröstet wurde — Die Kaffeerösterei Emil Schütz

Am 14. Juli 1914 erschien der am 15. April 1891 in West­fa­len gebo­re­ne Emil Schütz auf dem Gewer­be­amt der Stadt Lehe und mel­de­te an, dass er in der Hafen­stra­ße 220 ein Fach­ge­schäft für Kaf­fee, Tee und Kon­fi­tü­ren eröff­net hat.

Kaffeerösterei Emil Schütz

Sei­ne Kennt­nis­se über Kaf­fee­boh­nen hat er sich zuvor in der Bre­mer Fir­ma “Johann Jacobs” ange­eig­net. Nun woll­te er sein eige­nes Geschäft auf­bau­en. Doch das Schick­sal woll­te es zunächst anders. Der 1. Welt­krieg brach aus, und Emil Schütz muss­te, wie vie­le ande­re sei­ner Gene­ra­ti­on auch, den Waf­fen­rock anzie­hen. Erst 1918 soll­te er aus dem Krieg zurückkehren.

Nach Kriegs­en­de konn­te Emil Schütz sich end­lich dem Auf­bau sei­nes Geschäf­tes in der Hafen­stra­ße 220 wid­men und den Kaf­fee-Röst­be­trieb erheb­lich ver­grö­ßern. 1923 besaß er bereits 23 Filia­len in Bre­mer­ha­ven, Wuls­dorf, Nor­den­ham und Cux­ha­ven. Zwar wur­den in Emil Schütz Geschäf­ten auch Lebens­mit­tel ver­kauft, aber Kaf­fee, Tee und Kakao mach­ten den Haupt­um­satz aus.

Kaffeerösterei Emil Schütz

Im Jah­re 1923 kauf­te Emil Schütz für sei­nen expan­die­ren­den Röst­be­trieb den leer­ste­hen­den alten Leher Güter­bahn­hof in der Molt­ke­stra­ße 11 – 24. Hier absol­vier­te Wal­ter Thür­mer, spä­te­rer Mit­in­ha­ber und Geschäfts­füh­rer der Dres­de­ner “Kaf­fee­rös­te­rei und Kaf­fee-Ersatz­fa­brik Max Thür­mer”, in den Jah­ren 1923 und 1924 ein Praktikum.

Kaffeerösterei Emil Schütz

Emil Schütz bau­te den ehe­ma­li­gen Güter­bahn­hof zu einer Groß­rös­te­rei um und schloss in den nächs­ten Jah­ren nach und nach sei­ne Filia­len. Er woll­te sei­ne Kun­den nun direkt belie­fern. Neben Bre­mer­ha­ven und Nie­der­sach­sen waren sei­ne Ver­tre­ter bald auch in Sach­sen, Schle­si­en und sogar Ost­preu­ßen unter­wegs, um den mitt­ler­wei­le deutsch­land­weit bekannt gewor­de­nen “Schütz-Kaf­fee” an Ein­zel­händ­ler und Groß­ver­brau­cher aus­zu­lie­fern. In den Jah­ren 1926 und 1927 ver­ar­bei­te­te die Groß­rös­te­rei jähr­lich bis zu 7.000 Sack Kaffee.

Kaffeerösterei Emil Schütz

Mit Aus­bruch des 2. Welt­krie­ges wur­den kei­ne Kaf­fee­boh­nen mehr impor­tiert. Um den Geschäfts­be­trieb auf­recht erhal­ten zu kön­nen, stell­te Emil Schütz sei­ne Rös­te­rei auf die Pro­duk­ti­on von Ersatz­kaf­fee um. In gro­ßem Umfang wur­den nun Getrei­de und Zucker­rü­ben­schnit­zel gerös­tet und dar­aus Mucke­fuck hergestellt.

Kaffeerösterei Emil Schütz

Zwar gab es ein paar Schä­den durch Brand­bom­ben, aber im Gro­ßen und Gan­zen über­leb­te der Betrieb den Krieg unbe­scha­det. Ein gro­ßer Ver­lust für die Fir­ma war jedoch, dass beim Bom­ben­an­griff fünf Wohn- und Geschäfts­häu­ser zer­stört wur­den. Und als Deutsch­land nach Kriegs­en­de geteilt wur­de, konn­te Emil Schütz sei­ne ange­stamm­ten Kun­den im Osten nicht mehr beliefern.

Kaffeerösterei Emil Schütz

End­lich, im Jah­re 1948, tra­fen in Ham­burg und Bre­men wie­der die ers­ten Kaf­fee-Impor­te ein. Ein Segen, dass die Pro­duk­ti­ons­ge­bäu­de den Krieg über­lebt haben und der Röst­be­trieb sofort wie­der auf­ge­nom­men wer­den konn­te. Nun muss­te Ersatz für die ver­lo­ren gegan­ge­nen Absatz­märk­te geschaf­fen wer­den. Nicht nur im Elbe-Weser-Drei­eck konn­ten erfolg­reich Ein­zel­händ­ler für die Kaf­fee­sor­ten von der Schütz-Kaf­fee­rös­te­rei gewon­nen wer­den. Auch in West- und Süd­deutsch­land gelang es den Ver­tre­tern, neue Kun­den für den Qua­li­täts­kaf­fe aus Bre­mer­ha­ven zu begeistern.

Kaffeerösterei Emil Schütz

Die Rös­te­rei  wur­de moder­ni­siert, und schon nach weni­gen Jah­ren konn­te die Vor­kriegs­pro­duk­ti­on über­trof­fen wer­den. Anfang der 1960er Jah­re waren 15 Ver­tre­ter mit ihren brau­nen VW-Bul­lis für die Groß­rös­te­rei auf deut­schen Stra­ßen unter­wegs. 50 Frau­en waren damit beschäf­tigt, den Kaf­fee zu sor­tie­ren und zu ver­pa­cken. In den Büros ver­dien­ten 14 Leu­te ihr Geld, und 20 Mit­ar­bei­ter waren für das Lager und den Trans­port ein­ge­teilt. Bis 1964 wur­den wöchent­lich 48 Stun­den gear­bei­tet, am Sonn­abend bis 14 Uhr.

Kaffeerösterei Emil Schütz

Ab Mit­te der 1960er Jah­re wur­de in der Rös­te­rei vie­les auto­ma­ti­siert. Jetzt wur­de nicht mehr von Hand sor­tiert; eine Maschi­ne saug­te nun jede Boh­ne an und sor­tier­te die Fehl­far­ben aus. Auch ein neu­es Röst­ver­fah­ren wur­de ein­ge­setzt. Doch obwohl die Fir­ma Schütz ein her­vor­ra­gen­des eng­ma­schi­ges Ver­triebs­sys­tem mit Ver­kaufs­be­zir­ke in ganz West-Deutsch­land unter­hielt, obwohl auto­ma­ti­siert und moder­ni­siert wur­de: 1971 kam das Ende für Schütz-Kaf­fee. Das Unter­neh­men wur­de an die Bre­mer  Fir­ma Köl­le ver­kauft, die eini­ge Jah­re spä­ter von Kaf­fee Hag über­nom­men wur­de. Was blieb, war die lan­ge wei­ße Mau­er in der Molt­ke­stra­ße, auf der ein gro­ßer roter Kreis mit einem knien­den Bogen­schüt­zen prangte.
Quel­len:
Hup­ke & Schrö­ter: Geschich­ten aus Lehe —
Kaf­fee­rös­te­rei Emil Schütz, Sei­te 33
Dr. Georg Bes­sell: Hei­mat­chro­nik der Stadt Bre­mer­ha­ven, Sei­te 265
Rai­ner  Dons­bach: Vol­les Röst­aro­ma aus Lehe, Nord­see-Zei­tung vom 21.10.2011
Kaf­fee­tra­di­ti­on e.V., 38820 Halberstadt

Die Jugendherbergen in Görlitz ab 1946

Die Jugend­her­ber­gen in Gör­litz ab 1946

Ob einen öst­li­chen Blick zur Lau­sit­zer Nei­ße mit der Gör­lit­zer Alt­stadt­brü­cke oder einen nord­öst­li­chen Blick auf die Peters­kir­che mit ihren zwei weit­hin erkenn­ba­ren Tür­men: Seit dem Jah­re 2011 bie­tet die Euro­pa-Jugend­her­ber­ge Gör­litz-Alt­stadt bei­des. Das Gör­lit­zer Monats­jour­nal Stadt­BILD hat in sei­ner Aus­ga­be Nr. 207 vom Okto­ber 2020 einen Auf­satz von Herrn Wolf­gang Stil­ler über die Jugend­her­ber­gen in Gör­litz ab 1946 veröffentlicht:

Die Jugendherbergen in Görlitz ab 1946

Vom “Loensche Gut” in den Schönhof

Das “Loen­sche Gut” auf der Kas­ta­ni­en­al­lee mit sei­nen Fel­dern wur­de im Jah­re 1833 von der Stadt Gör­litz erwor­ben. Es ent­stand ein Stadt­gut. Zunächst wur­de die­ses Objekt als Haus­halts­chu­le genutzt, und danach waren Ein­rich­tun­gen der SA und der NSDAP in die­sem Objekt. Zwi­schen 1945 und 1946 wur­de das Gut als Kin­der­heim und Flücht­lings­la­ger genutzt.

In den Jah­ren von 1946 bis 1951 dien­te das “Loen­sche Gut” als Jugend­her­ber­ge. Danach befand sich im Her­ren­haus das Lehr­lings­wohn­heim und die Berufs­schu­le des VEG Obst­pro­duk­ti­on Kun­ner­witz. Damit ent­stand das Erfor­der­nis, ein neu­es Objekt für eine Jugend­her­ber­ge in Gör­litz zu suchen.

Die Wahl fiel auf den Gör­lit­zer Schön­hof auf der Brü­der­stra­ße. In die­sem Objekt befand sich die Jugend­her­ber­ge ab etwa 1951 bis etwa 1978 mit ca. 60 Plät­zen. Danach erfolg­te Lehr­stand und die Sanie­rung und Umbau zum Schle­si­schen Muse­um, wel­ches 2006 ein­ge­weiht wurde.

Die Jugendherbergen in Görlitz ab 1946

In der Fol­ge­zeit zeig­ten sich jedoch Ände­run­gen der Nut­zungs­be­dürf­nis­se an einer sol­chen Ein­rich­tung. In und an die­sem Objekt auf der Brü­der­stra­ße gab es kei­ne Spiel- und Sport­mög­lich­kei­ten für die Kin­der und Jugend­li­chen. Hin­zu kam, dass die Aus­stat­tung die­ser Ein­rich­tung nicht mehr den gel­ten­den Anfor­de­run­gen ent­sprach. In allen Zim­mern gab es nur Ofen­hei­zun­gen, die mit einem erheb­li­chen Per­so­nal­auf­wand zu bedie­nen waren. Hin­zu kam ein erheb­li­cher Instand­set­zungs­auf­wand am Dach und in den Zimmern.

Die Ephraim Villa in Görlitz nach der Fertigstellung 1910

Es bestand somit die Auf­ga­be, ein Objekt zu suchen mit genü­gen­den Frei­flä­chen für Spiel- und Sport­mög­lich­kei­ten sowie die Ein­rich­tung von Grill­plät­zen. Außer­dem soll­te das neue Objekt an das öffent­li­che Nah­ver­kehrs­netz ange­schlos­sen sein, um den Bahn­hof und die his­to­ri­sche Innen­stadt zu erreichen.

Vom Schönhof  in die Ephraim Villa

Die Wahl fiel auf die Ephra­im Vil­la auf der Goe­the­stra­ße Nr. 17. Im Jah­re 1905 wur­de das Grund­stück Goe­the­stra­ße durch den Groß­kauf­mann Mar­tin Ephra­im erwor­ben und eine Vil­la nach den Plä­nen des Archi­tek­ten Pro­fes­sor Hugo Bär errich­tet und 1909 fer­tig­ge­stellt. Nach zwi­schen­zeit­li­cher Ver­pach­tung kauf­te die Vil­la 1922 der Kauf­mann Gus­tav Gla­ser. Nach sei­nem Tod im Jah­re 1950 gelang­te die­se Vil­la in den Besitz einer Erbengemeinschaft.

Im Grund­stück befan­den sich Miet­woh­nun­gen. Im Jah­re 1975 erwarb das Grund­stück die Stadt. Der Kauf war jedoch mit Pro­ble­men behaf­tet. Der Rechts­an­walt Dr Schwi­tal war Bevoll­mäch­tig­ter der Eigen­tü­mer (Erben­ge­mein­schaft) der Goe­the­stra­ße Nr. 17 und 17a und gleich­zei­tig Voll­zugs­be­auf­trag­ter für das Tes­ta­ment. Das Pro­blem bestand dar­in, dass im Tes­ta­ment ein Ver­mächt­nis ein­ge­tra­gen war mit dem Ver­merk, dass das Haus Goe­the­stra­ße Nr. 17a (frü­her Haus des Chauf­feurs der Fir­ma) an die­sen zu über­tra­gen sei.

Die Pro­ble­ma­tik bestand dar­in: Im Rechts­ver­hält­nis der DDR gab es den Pas­sus Ver­mächt­nis­se nicht. Die­ser Sach­ver­halt konn­te fol­gen­der­ma­ßen geklärt wer­den: Die Erben beka­men die Nr. 17a Goe­the­stra­ße zuge­spro­chen, und das Objekt der Vil­la wur­de recht­mä­ßig mit Notar- und Kauf­ver­trag für ca. 250.000,- Mark der DDR durch die Stadt erwor­ben. Damit konn­te durch die Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung der Beschluss zum Aus­bau einer Jugend­her­ber­ge beschlos­sen wer­den. Den Mie­tern in die­sem Grund­stück wur­den ande­re Woh­nun­gen in der Stadt angeboten.

Villa wird zur Jugendherberge umgebaut

Im Jah­re 1975 erfolg­te die Pla­nung und Pro­jek­tie­rung in Eigen­leis­tung der eige­nen Abtei­lung Sport­bau­ten des Rats­be­rei­ches Jugend­fra­gen und Sport unter der Lei­tung des Stadt­ra­tes Klaus Hoff­mann. Die Pla­nungs- und Aus­füh­rungs­kos­ten erfolg­ten aus Mit­teln der Stadt­ver­wal­tung und Zuschüs­sen des Son­der­fonds Jugend- und Sport des Rates des Bezir­kes Dres­den (Die­ser Son­der­fond wur­de gespeist aus Mit­teln von Lot­to und Toto Gewinnen).

Die Kos­ten der Bau­leis­tun­gen und Pro­jek­tie­rung belie­fen sich auf ca. 600.000,- Mark der DDR. Damit betru­gen die Gesamt­kos­ten für die Errich­tung der Jugend­her­ber­ge auf der Goe­the­stra­ße für den Kauf des Grund­stü­ckes, Bau- und Pro­jek­tie­rungs­kos­ten­kos­ten sowie Aus­stat­tung ca. 1 Mil­li­on Mark der DDR. Aus­füh­rungs­be­trie­be waren: Pro­duk­ti­ons­ge­nos­sen­schaft des Hand­werks (PGH) Vor­wärts Gör­litz, Eigen­leis­tung der Bau­bri­ga­de der Fach­ab­tei­lung Jugend- und Sport sowie durch wei­te­re ehren­amt­li­che Helfer.

Einbruch in die Villa

Die Ephraim Villa in Görlitz als Jugendherberge 1978

Im Foy­er der Vil­la befand sich ein gro­ßer Gobe­lin-Tep­pich, der für das Kul­tur­his­to­ri­sche Muse­um vor­ge­se­hen war. Eben­so wur­de ein ca. 2,20 x 2,40 Meter gro­ßer blei­ver­glas­ter Fens­ter­flü­gel aus­ge­baut und zur Vor­be­rei­tung einer Restau­ra­ti­on in einem Kel­ler­raum der Vil­la ein­ge­la­gert. In die­sen ver­schlos­se­nen Kel­ler­raum wur­de ein­ge­bro­chen und der Fens­ter­flü­gel gestoh­len. Hier muss­ten meh­re­re Leu­te mit Fahr­zeug zu Wer­ke gegan­gen sein, da das Fens­ter in die­ser Grö­ße und Gewicht nur mit 4 bis 6 Per­so­nen trans­por­tiert wer­den konn­te. Glei­cher­ma­ßen wur­de in dem Kel­ler ein Feu­er gelegt, bei dem der Gobe­lin-Tep­pich ver­sengt wur­de und somit für das Kul­tur­his­to­ri­sche Muse­um wert­los gewor­den war.

Bei der Kri­mi­nal­po­li­zei wur­de vom Stadt­rat Hoff­mann wegen Ein­bruch, Dieb­stahl und Brand­stif­tung Anzei­ge erstat­tet. Die Ermitt­lun­gen blie­ben bis heu­te ergeb­nis­los, und der Fall konn­te nicht auf­ge­klärt wer­den. Der Ver­bleib des blei­ver­glas­ten Fens­ters wur­de glei­cher­ma­ßen nicht auf­ge­klärt. Im Jah­re 1978 wur­de der Autor die­ses Arti­kels zum Stadt­rat für Jugend­fra­gen und Sport beru­fen. Ich war somit für die Fer­tig­stel­lung die­ses Objek­tes zustän­dig und verantwortlich.

Mein Vor­teil war es, dass die finan­zi­el­len Mit­tel sowie die Bau­ka­pa­zi­tä­ten im Haus­halt ein­ge­stellt und die Mate­ri­al­ka­pa­zi­tä­ten bilan­ziert und geplant waren. Der Bau zur Jugend­her­ber­ge konn­te zügig abge­schlos­sen wer­den. Im Sep­tem­ber 1978 war der Um- und Aus­bau zur Jugend­her­ber­ge been­det, und ich plan­te in der Stadt­hal­le ein gro­ßes Ban­kett mit allen am Bau betei­lig­ten Per­so­nen. Ein­la­dun­gen waren geschrie­ben, das Menü bestellt, Wim­pel gedruckt.

Bauabnahme wurde verweigert

Ausstattung in der Jugendherberge Ephraim Villa 1978

Eine Woche vor dem Ter­min die­ser Dan­kes­ver­an­stal­tung soll­te die Bau­ab­nah­me der Jugend­her­ber­ge erfol­gen. Die­se fand auch statt, aber die Frei­ga­be der Jugend­her­ber­ge wur­de nicht geneh­migt. Als Grund wur­de der nicht vor­han­de­ne zwei­te Ret­tungs­weg ange­ge­ben. Es lag mir aber eine gül­ti­ge mit grü­nem Stem­pel ver­se­he­ne Bau­ge­neh­mi­gung vor, und auf die­ser wur­de kein zwei­ter Ret­tungs­weg gefor­dert. Nun war guter Rat teuer.

Inner­halb des Objek­tes konn­te kei­ne Trep­pe rea­li­siert wer­den, da die Hal­le im Ein­gangs­be­reich bis in die 1. Eta­ge reich­te und unter Denk­mals­schutz stand. Eine Feu­er­lei­ter am Objekt wur­de auch nicht geneh­migt, da es sich um eine Kin­der­ein­rich­tung han­del­te. Die hin­zu gezo­ge­nen Fach­leu­te einig­ten sich dann dar­über, aus der ers­ten Eta­ge eine Stahl­trep­pe über den Bal­kon und dann wei­ter in den Hof zu bau­en. Wer macht das aber.

Wir hat­ten in unse­ren Ein­rich­tun­gen eine gut orga­ni­sier­te Fei­er­abend Arbeits­bri­ga­de aus dem Wag­gon­bau Gör­litz im Ein­satz. Des­sen Lei­ter war Herr Lau­er. Die­ser erklär­te sich bereit die Trep­pe zu bau­en. Mei­ne Bau­hand­wer­ker liqui­dier­ten in den obe­ren 2 Stock­wer­ken jeweils ein Zim­mer, besei­tig­ten die Fuß­bo­den­de­cken und bau­ten eine mono­li­thi­sche Trep­pe ein.

Zweiter Fluchtweg über neue Treppe

Görlitz Ephraim Villa im Jahre 2020

Von der ers­ten Eta­ge wur­de zum Bal­kon im Par­terre eine Stahl­trep­pe ein­ge­baut. Somit gab es den zwei­ten Ret­tungs­weg. Das hat­te jedoch zur Fol­ge, dass durch den Weg­fall von 2 Zim­mern für die Trep­pe wir nicht mehr die geplan­ten 100 Plät­ze rea­li­sie­ren konn­ten. Denn erst ab 100 Her­berg­splät­ze durf­ten wir eine zusätz­li­che Haus­halts­tel­le schaffen.

Nach dem Ein­bau der Trep­pe bestell­te ich erneut die Abnah­me­kom­mis­si­on und die Her­ber­ge wur­de im Kom­plex abge­nom­men. Das Ein­wei­hungs- und Eröff­nungs­da­tum konn­te ich somit belas­sen. Da mir bei der ers­ten Bau­ab­nah­me geneh­migt wur­de, nur die ers­te Eta­ge der Jugend­her­ber­ge zu bele­gen. Am 11. Sep­tem­ber 1978 zogen die ers­ten Gäs­te ein.

Görlitzer Jugendherberge Görlitz-Altstadt

Um die 100 Plät­ze wie­der zu errei­chen ent­schlos­sen wir uns, im Gelän­de der Her­ber­ge einen Dop­pel­bun­ga­low zu errich­ten. Die­sen boten wir dann Leh­rern und unse­ren Part­nern im Bezirk Dres­den im Aus­tausch als Urlaubs­do­mi­zil an. Somit konn­ten wie­der 100 Beher­ber­gungs­plät­ze geschaf­fen wer­den und die zusätz­li­che Haus­halts­tel­le durch das Jugend­her­bergs­we­sen Dres­den geneh­migt werden.

Die Jugend­her­ber­ge war damit in einer der schöns­ten Jugend­stil­vil­len von Gör­litz unter­ge­bracht. Sie ver­füg­te über 92 Bet­ten in Ein- bis Acht­bett­zim­mern in der Vil­la plus 8 Bet­ten im Dop­pel­bun­ga­low (gesamt 100 Bet­ten). Die Jugend­her­ber­ge auf der Goe­the­stra­ße wur­de dann spä­ter mit dem Titel “Schöns­te Jugend­her­ber­ge der DDR” geehrt.

Probleme nach der Wiedervereinigung

Jugendherberge Görlitz-Altstadt

Im Jah­re 1990 mit der deut­schen Wie­der­ver­ei­ni­gung wur­den die Struk­tu­ren im Jugend­her­bergs­we­sen völ­lig ver­än­dert. Die Über­nach­tungs­prei­se stie­gen über Nacht um das 36-fache. Im Jah­re 1994 stell­ten die eins­ti­gen Besit­zer der Ephra­im Vil­la einen Antrag auf Rück­über­tra­gung des Hau­ses, was zur Fol­ge hat­te, dass Inves­ti­tio­nen aller Art gestoppt wer­den muss­ten bis zur Klä­rung der Eigen­tums­ver­hält­nis­se. Im Jah­re 1996 wur­de der Antrag auf Rück­über­tra­gung an die frü­he­ren Eigen­tü­mer zurück­ge­wie­sen, da ja der Grund­stücks­er­werb durch die Stadt mit Notar­ver­trag rechts­gül­tig abge­schlos­sen war.

Inzwi­schen aber hat­ten sich die Nut­zungs­an­sprü­che der Jugend­li­chen für den Auf­ent­halt in Jugend­her­ber­gen erneut geän­dert. Der Trend ging wie­der in die Zen­tren der Städ­te. Daher wur­den Unter­su­chun­gen ange­stellt, ob sich in der his­to­ri­schen Alt­stadt ein geeig­ne­tes Objekt fin­den lie­ße. In der his­to­ri­schen Alt­stadt Peter­stra­ße 15 und Hain­wald 1 und 2 wur­den ent­spre­chen­de Objek­te gefunden.

Gera­de das unter Denk­mal­schutz ste­hen­de Gebäu­de Peter­stra­ße 15 war erheb­lich gefähr­det. Bereits im Dezem­ber 2005 war die rück­sei­ti­ge Fas­sa­de ein­ge­stürzt. Im Hin­ter­haus (Hain­wald 2) befand sich die ehe­ma­li­ge Fein­kost­fa­brik der Fir­ma Rei­be­tanz und im Haus Hain­wald 1 Ecke Neiß­stra­ße ein lan­ge leer ste­hen­des Inter­nat der Medi­zi­ni­schen Fach­schu­le. Für die­se Objek­te gab es kei­ne Nutzungsvorschläge.

Erneuter Umzug der Jugendherberge

Es war ein Glücks­um­stand, dass der Inves­tor Dr. Hans Peter Schlörb und Inge­borg Schlörb im Jah­re 2010 die Grund­stü­cke erwar­ben. Nun­mehr wur­den unter Lei­tung des Archi­tek­ten Wolf­gang Kück und unter der Bau­lei­tung des Archi­tek­ten Chris­ti­an Wei­se die­se Objek­te zur Jugend­her­ber­ge Gör­litz-Alt­stadt umge­baut. Dies war auch dadurch mög­lich, dass der Umbau die­ses Objek­tes durch die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land und den Frei­staat Sach­sen sowie durch die Gör­lit­zer Alt­stadt­stif­tung und durch die Deut­sche Stif­tung Denk­mal­schutz geför­dert wur­den. Die Inves­ti­ti­on betrug 4,5 Mil­lio­nen Euro.

Am 1.10.2009 wur­de Richt­fest gefei­ert und am 4.3.2011 wur­de das Objekt fei­er­lich über­ge­ben. Durch den Inves­tor wur­de das Objekt an das säch­si­sche jugend­her­bergs­we­sen ver­mie­tet. Im Objekt befin­den sich 47 Ein- und Mehr­bett­zim­mer mit hoch­wer­ti­ger Aus­stat­tung. Im Haus Peter­stra­ße 15 und Hain­wald 1 befin­den sich die Gäs­te­zim­mer und im Haus Hain­wald 2 (ehe­mals Rei­be­tanz) befin­den sich der Spei­se­saal sowie Veranstaltungsräume.

Moderne Ausstattung in der Görlitzer Ephraim Villa

Die ehe­ma­li­ge Jugend­her­ber­ge auf der Goe­the­stra­ße wur­de der WBG (jetzt Komm­woh­nen) über­ge­ben. Im Okto­ber 2010 wur­de der Geschäfts­be­trieb als Jugend­her­ber­ge ein­ge­stellt und es began­nen hoch­wer­ti­ge Sanie­rungs­ar­bei­ten unter Füh­rung der WBG Sanie­rungs- und Ent­wick­lungs­ge­sell­schaft Gör­litz mbH. Seit Mai des Jah­res 2011 wird der Geschäfts­be­trieb des Hau­ses Goe­the­stra­ße nun­mehr unter dem Namen ‚“Alte Her­ber­ge” für Über­nach­tun­gen, Tagun­gen, Fei­ern und wei­te­rer Ver­an­stal­tun­gen ein­schließ­lich Gas­tro­no­mie weitergeführt.

Im Jah­re 2015 wur­de der Name des Hau­ses erwei­tert und nann­te sich nun Alte Her­ber­ge “Vil­la Ephra­im”. Seit dem Jah­re 2018 nennt sich das Haus nur noch “Vil­la Ephra­im”. Damit soll zugleich an die Geschich­te des Hau­ses erin­nert wer­den. Der alte Dop­pel­bun­ga­low wur­de abge­bro­chen und an die­ser Stel­le ein moder­nes Gebäu­de mit Appar­te­ments errich­tet. Die “Ephra­im Vil­la” bie­tet wei­ter­hin preis­güns­ti­ge Beher­ber­gun­gen an und wird viel­fäl­tig für Fami­li­en­fei­ern genutzt.

Nach­druck über die Gör­lit­zer Altstadtbrücke
Text und Bil­der mit freund­li­cher Geneh­mi­gung des Stadt­BILD-Ver­la­ges Gör­litz und Herrn Wolf­gang Stiller

Bremerhavens Kultkneipe Krohn’s Eck

Bre­mer­ha­vens Kult­knei­pe Krohn’s Eck

Bre­mer­ha­vens Kult­knei­pe Krohn’s Eck zählt wohl zu den ältes­ten Gast­stät­ten Bre­mer­ha­vens. Vie­le Bars und Knei­pen, von denen es in den 1950er und 1960er Jah­ren in der See­stadt nur so wim­mel­te, gibt es längst nicht mehr. Aber die bereits im Jah­re 1917 eröff­ne­te Trink­hal­le Krohn’s Eck hat alle Zei­ten über­dau­ert und ist zu einer Kult­knei­pe geworden.

Bremerhavens Kultkneipe Krohn's Eck

Trinkhalle Krohn’s Eck

Krohn’s Eck wur­de im Jah­re 1917 als Trink­hal­le gegrün­det. Schnell wur­de die Trink­hal­le im Fische­rei­ha­fen ein belieb­ter Treff­punkt für die Seeleute.

Aus dem klei­nen Anbau wur­de in den 1950er Jah­ren ein Kiosk mit Bier­stu­be, in der alte Fäs­ser den See­leu­ten als Tische dienten.

Bremerhavens Kultkneipe Krohn's Eck

Erst im Jah­re 1992 ist aus der eins­ti­gen Trink­hal­le das heu­ti­ge Kult­lo­kal gewor­den. Der Name Krohn’s Eck hat sich seit 1917 aber nie geändert.

Maritimes Interieur von der “Aquila Marina”

Die Nähe zum Fische­rei­ha­fen lässt sich nicht leug­nen. Das Ambi­en­te von Bre­mer­ha­vens Kult­knei­pe Krohn’s Eck ist sehr mari­tim. Über­all im Schank­raum sind Tei­le eines Schif­fes ver­baut. Sie sol­len von dem gesun­ke­nen Drei­mast­seg­ler “Aqui­la Mari­na” des ehe­ma­li­gen Renn­fah­rers Jochen Mass stam­men. Die “Aqui­la Mari­na” wur­de 1920 als Fracht­seg­ler auf der däni­schen Insel As vom Sta­pel gelas­sen. Der Topp­se­gel­scho­ner war 38 Meter lang und 7,60 Meter breit, die Segel­flä­che betrug 560 Quadratmeter. 

Den Seg­ler hat­te Renn­fah­rer Jochen Mass, der ursprüng­lich Kapi­tän wer­den woll­te und als jun­ger Mann bei der Han­dels­ma­ri­ne war, im Jah­re 1974 für 15 000 Pfund in Liver­pool gekauft. Anschlie­ßend steck­te er ein Ver­mö­gen in den her­un­ter­ge­kom­me­nen Drei­mas­ter, um das Schiff ori­gi­nal­ge­treu zu restaurieren.

Bremerhavens Kultkneipe Krohn's Eck

Im Som­mer 1990 soll­te der Scho­ner an der Wind­jam­mer­pa­ra­de in Bre­mer­ha­ven teil­neh­men. Also mach­te sich der Seg­ler auf den Weg über den Atlan­tik, durch­quer­te die Bis­ka­ya und erreich­te ohne Zwi­schen­fäl­le das fran­zö­si­sche Brest. Nun noch die letz­ten 1 000 Kilo­me­ter nach Bremerhaven.

In der Nacht vom 8. zum 9. August ver­wech­sel­te der Boots­füh­rer die Ansteue­rung der Jade mit der Ansteue­rung der Weser. Der Skip­per hat­te nur einen süd­afri­ka­ni­schen Sport­boot­füh­rer­schein und kann­te sich mit den hie­si­gen Strom- und Gezei­ten­ver­hält­nis­sen nicht aus. Trotz Kurs­kor­rek­tur ver­setz­te der ein­set­zen­de Flut­strom die “Aqui­la Mari­na” nach Süden. Sechs See­mei­len öst­lich von Wan­ger­oo­ge bohr­te sich der Kiel in den Sand der Mellumplate.

Bremerhavens Kultkneipe Krohn's Eck

Es dau­er­te nur zehn Minu­ten, dann muss­te der Skip­per sein Schiff auf­ge­ben. Der Flut­strom trieb die “Aqui­la Mari­na” höher auf die Sand­bank, und die Bran­dung zer­schmet­ter­te das stol­ze Schiff inner­halb weni­ger Tage zu Klein­holz. Gebro­che­ne Mas­ten, ein zer­stör­tes Decks­haus und zer­schla­ge­ne Plan­ken zier­ten als Treib­gut den Strand.

Seemanns-Flair in der Raucherkneipe

Schumm­rich ist es in Krohn’s Eck, das wie ein Schiff ein­ge­rich­tet ist. Und der Besuch ist fast wie eine Rei­se in die Ver­gan­gen­heit: Steu­er­rä­der, Fischer­net­ze, Schiffs­glo­cke und die rus­ti­ka­len Bän­ke geben Bre­mer­ha­vens Kult­knei­pe Krohn’s Eck ein Seemanns-Flair.

Schankraum Kultkneipe Krohn's Eck

Hier tref­fen sich Men­schen, jung und alt, aus allen Gesell­schafts­schich­ten. Bre­mer­ha­ve­ner und Tou­ris­ten von nah und fern fei­ern hier und trin­ken ihr frisch gezapf­tes Hols­ten oder ihr Becks aus Fla­schen. Ande­re Gäs­te zie­hen Mix­ge­trän­ke wie Bacar­di Cola oder Likö­re vor. Alle Geträn­ke wer­den zu fai­ren Prei­sen ausgeschenkt.

Eini­ge Gäs­te spie­len am Tisch Kar­ten, ande­re rau­chen ihre Ziga­ret­te und kom­men mit­ein­an­der ins Gespräch. Oder sie hören ein­fach schwei­gend der Musik zu. Frü­her ertön­ten die Lie­der von Hans Albers aus der Musik­box, heu­te sind es die Hits von Hele­ne Fischer. Es ist eine sehr fami­liä­re Atmo­sphä­re, die das Knei­pen-Team mit den Gäs­ten von Krohn’s Eck verbindet.

Schankraum Krohn's Eck

Im Sommer in den Biergarten

Beson­ders am Wochen­en­de benö­tigt man oft­mals eine gewis­se Zeit, um die Toi­let­te zu errei­chen, weil vor dem Tre­sen so ein Gedrän­ge ist. Und wenn der Platz auch noch so knapp ist — manch­mal wird trotz­dem getanzt zu den See­manns­lie­dern, Schla­gern oder Oldies. Wer Lust hat, der sitzt im Som­mer im Bier­gar­ten und genießt sein frisch gezapf­tes Bier mit Blick über den Fischereihafen.

Beson­ders nach den Kon­zer­ten im Musik­som­mer ist es bre­chend voll in Bre­mer­ha­vens Kult­knei­pe Krohn’s Eck. Dann wird hier wei­ter­ge­fei­ert bis in den frü­hen Morgen.

Bremerhavens Kultkneipe Krohn's Eck

Fei­er­abend kennt die schö­ne urge­müt­li­che Knei­pe mit ihrem nor­di­schen Charme im Fische­rei­ha­fen An der Pack­hal­le IV nicht. Jeden­falls nicht vor 3 Uhr morgens. 

Im Jah­re 2014 hat Dag­mar Jan­ßen das Ruder im Krohn’s Eck über­nom­men. Vor­her arbei­te­te sie hier bereits zwölf Jah­re als Ange­stell­te. Die Kult­knei­pe Krohn’s Eck ist nicht nur ihr Arbeits­platz — sie ist auch ihr Zuhause. 
Quel­len:
Ernst Hess: “Ein see­tüch­ti­ger Traum aus däni­scher Eiche”, ZEIT vom 15.05.1981
Peter Sand­mey­er: “Immer schön Schiss haben”, MARE Nr. 80 vom Juni/Juli 2010
P. Over­schmidt: “Dar­um ist Krohns Eck im Fische­rei­ha­fen abso­lu­ter Kult”, www.nord24.de vom 1.4.2018
P. Over­schmidt: “101 Jah­re Kult in der See­stadt”, Nord­see-Zei­tung vom 10.4.2018
L. M. Lan­gen: “Die­se Bre­mer­ha­ve­ner Kult­knei­pen soll­tet Ihr ken­nen”, www.norderlesen.de vom 23.8.2021
C. Lind­ner: “Der Kult von Krohns Eck”, Nord­see-Zei­tung vom 5.11.2021

Die Görlitzer Altstadtbrücke

Die Gör­lit­zer Altstadtbrücke

Gör­litz, an der wich­ti­gen Han­dels­stra­ße Via Regia, der Königs­stra­ße, gele­gen, war ein wich­ti­ger Schnitt­punkt von West nach Ost und von Nord nach Süd. Das Gör­lit­zer Monats­jour­nal Stadt­BILD hat in sei­nen Aus­ga­ben Nr. 56 vom Febru­ar 2008 und Nr. 57 vom März 2008 einen Auf­satz von Herrn Wolf­gang Stil­ler über die Gör­lit­zer Alt­stadt­brü­cke veröffentlicht:

Die Görlitzer Altstadtbrücke

Die Via Regia und die Görlitzer Altstadtbrücke (Neißebrücke)

Der Über­gang über die Nei­ße war nicht nur ein stra­te­gi­scher son­dern auch ein wirt­schaft­li­cher Fak­tor für die Stadt Gör­litz. Die Gör­lit­zer Alt­stadt­brü­cke (Nei­ße­brü­cke) hat ohne Zwei­fel schon vor der Grün­dung der Stadt bestan­den. Mit der Anla­ge der Stadt mögen das Wehr und die bei­den Müh­len (rechts an der Nei­ße die Drei­ra­den- und links die Vier­raden­müh­le) erbaut sein.

Die Brü­cke war aus Holz und erfor­der­te für den Nah- und Fern­ver­kehr fort­dau­ern­de Erneue­run­gen. Hoch­was­ser, Eis­gang und Feu­ers­brüns­te und star­ke Abnüt­zung zwan­gen zu dau­ern­der Für­sor­ge und Auf­wen­dung hoher Kos­ten. Mehr als ein­mal muss­te das gan­ze Brü­cken­bau­werk neu auf­ge­baut werden.

Um sie mög­lichst vor Wit­te­rungs­ein­flüs­sen zu schüt­zen, war die­se in ver­schie­de­nen Zei­ten mit einem Schin­del­dach bedeckt, wel­ches dann aber auch die Brü­cke stark belas­te­te. Ähn­lich war es mit dem Pflas­ter auf der Brü­cke, wel­ches anstel­le des Boh­len­be­la­ges ver­legt wurde.

Viele Aufzeichnungen über die Görlitzer Altstadtbrücke

Die Nach­rich­ten über die Brü­cke sind in den ver­schie­dens­ten Quel­len seit 1376 sehr reich­lich. Hier eini­ge Beispiele:

Mehr­mals fiel die Brü­cke gro­ßen Was­ser­flu­ten zum Opfer. Als man 1434 ziem­lich mit dem Neu­bau fer­tig war, kamen ein Eis­gang im Febru­ar und eine Hoch­flut am 30. Juli und zer­stör­ten die Brü­cke von neu­em. Ein gebau­ter Prahm und ein Not­steg auf Fäs­sern hiel­ten den Ver­kehr aufrecht.

1441 leg­te man die Brü­cke höher.

In der gro­ßen Feu­ers­brunst vom 12. Juni 1525 brann­ten nicht nur die nahe gele­ge­nen Gebäu­de son­dern auch die Brü­cke bis aufs Was­ser ab. Nach dem Bran­de wur­de sie inner­halb von 14 Tagen not­dürf­tig wie­der hergestellt.

Jetzt beschloss man, die Brü­cke in Stein zu bau­en, aber erst 1536 ließ man in Pen­zig (Pien­sk) Stei­ne dafür bre­chen. Man konn­te sich aber mit dem Werk­meis­ter Wen­del Roskopf nicht einig wer­den, wel­che Stel­le für den Brü­cken­bau geeig­net sei. Favo­ri­siert wur­de schon damals die Lage, wo die spä­te­re Alt­stadt­brü­cke ab 1906 gebaut wur­de. Der stei­ner­ne Bau unter­blieb jedoch damals.

Die Görlitzer Altstadtbrücke

Immer wieder Reparaturen

1545 hat man an der Brü­cke ange­fan­gen zu bau­en und die­sel­be zu fas­sen, drei Joche wur­den erneu­ert. Der Bau zog sich bis 1547 hin. Die Brü­cke erhielt ein Dach, und die Sei­ten blie­ben offen. Auch wur­de die Fahr­bahn gepflas­tert. Das Pflas­ter wur­de jedoch 1576 wie­der abge­ris­sen, und es wur­den Holz­boh­len verlegt.

Am 18. Juli 1622 ist das mit­tel­ste Joch der Brü­cke ein­ge­bro­chen und in die Nei­ße gefal­len, wobei acht Men­schen in gro­ße Gefahr gekom­men sind. Auch Jacob Böh­me, der den Unfall mit ange­se­hen hat, erwähnt ihn im 66. Send­schrei­ben. Erst am 17. Sep­tem­ber 1622 konn­te man wie­der über die Nei­ße­brü­cke fahren.

Wei­ter­hin Schlim­mes hat­te die Brü­cke bei der Bela­ge­rung 1641 erfah­ren. Erst wur­de ver­sucht, sie durch schwe­res Geschütz­feu­er unbrauch­bar zu machen, und schließ­lich wur­de sie durch Feu­er­werk angezündet…

Am 17. Dezem­ber 1642 war die Alt­stadt­brü­cke wie­der voll­stän­dig befahr­bar. 1659 wur­de die Brü­cke ganz neu gebaut und mit einem Schin­del­dach ver­se­hen, das Glei­che geschah noch­mals 1777.

1813 wur­de nach der Schlacht bei Baut­zen von den zurück­wei­chen­den Preu­ßen und Rus­sen früh am 23. Mai die Nei­ße­brü­cke ange­zün­det. Erst am 3. Juni 1813 war die­se wie­der befahrbar.

Am Abend des 1. Sep­tem­ber 1913 ver­such­ten die flüch­ten­den Trup­pen erneut, die Brü­cke durch Feu­er zu zer­stö­ren, jedoch blieb ein Teil der Brü­cke unver­sehrt. Bei einem neu­en Vor­stoß am 6. bis 9. Novem­ber arbei­te­ten die Fran­zo­sen rast­los an der Fer­tig­stel­lung der Brü­cke. Erst am 6. Okto­ber war sie leid­lich wie­der­her­ge­stellt, doch an ihrer end­gül­ti­gen Instand­set­zung wur­de noch wochen­lang gearbeitet.

Abriss und Neuaufbau

Die Stadt Gör­litz, die der Brü­cke einen Groß­teil ihres wirt­schaft­li­chen Empor­kom­mens ver­dank­te, muss­te natür­lich für ihre Unter­hal­tung sor­gen und bedeu­ten­de Kos­ten fort­lau­fend dafür auf­brin­gen. Da war es ein Segen für die Stadt und eine bedeu­ten­de Erleich­te­rung für die Stadt­kas­se, dass Ende 1830 die Brü­cke in den Besitz der Pro­vinz Schle­si­en überging.

Jetzt erfüll­te sich auch der Traum, an den man schon 1536 geglaubt hat­te, eine mas­si­ve Brü­cke zu erbau­en. Die Pro­vinz Schle­si­en erteil­te auch den Auf­trag, im Jah­re 1906/1907 eine neue Bogen­brü­cke aus Stahl zu errichten.

Die Görlitzer Altstadtbrücke

Im Neu­en Gör­lit­zer Anzei­ger vom 18. Juli 1907 ist nach­zu­le­sen: Gör­litz den 17. Juli 1907: Der letz­te Wagen hat heut früh 1/2 8 Uhr die alte Nei­ße­brü­cke pas­siert. Es war ein bela­de­ner Wagen der Vier­raden­müh­le, der die letz­te Fahrt über die­sen alt­his­to­ri­schen Ver­kehrs­weg aus­führ­te. Die alte Brü­cke ist jetzt für den Ver­kehr gesperrt wor­den, und man hat mit ihrem Abbruch begonnen.

Als Ersatz für die höl­zer­ne Brü­cke hat die Pro­vin­zi­al­ver­wal­tung Schle­si­ens bekannt­lich eine neue eiser­ne Brü­cke erbaut, die heu­te (Mitt­woch) dem Ver­kehr über­ge­ben wor­den ist. Nach­dem im Herbst 1905 die ent­spre­chen­den Vor­ar­bei­ten, Errich­tung des zum Bau not­wen­di­gen umfang­rei­chen Bau­zau­nes usw. aus­ge­führt wor­den waren, wur­de am 29. Janu­ar 1906 mit dem Bau einer neu­en Brü­cke begon­nen und nach ca. 18 Mona­ten Bau­ar­beit der impo­san­te Brü­cken­bau beendet.

640 Tonnen Eisen für die Görlitzer Altstadtbrücke

Die Pfei­ler wur­den nach dem Pro­jekt der Brü­cken­bau­an­stalt in Grün­berg auf pneu­ma­ti­scher Grün­dung gebaut. Die Eisen­kon­struk­ti­on nach dem Pro­jekt der Pro­vin­zi­al­ver­wal­tung ist eben­falls von der Fir­ma Beu­chelt erbaut worden.

Die Licht­wei­te der Brü­cke beträgt zwi­schen den Gelän­dern 14 1/2 Meter, die Stütz­wei­te 84 Meter. Die zu bei­den Seiten
der neu­en Nei­ße­brü­cke ange­bau­ten Fuß­we­ge sind jeder 3,75 Meter breit; die Fahr­bahn zwi­schen den Bord­stei­nen misst sie­ben Meter.

Das Sys­tem der Haupt­trä­ger sind die Fach­werk­bö­gen mit Spann­gurt. Die respek­ta­ble Zahl von 640 Ton­nen beträgt das Eisen­ge­wicht der Nei­ße­brü­cke. Die Bau­kos­ten der neu­en Nei­ße­brü­cke betra­gen unge­fähr 450 000,- Mark.

Die neue Brü­cke liegt 90 cm höher als die dane­ben ste­hen­de alte Brü­cke. Es ist dabei berück­sich­tigt wor­den, dass selbst bei einem höhe­ren Was­ser­stand, als er bei dem Hoch­was­ser im Jah­re 1897 zu ver­zeich­nen war, die neue Brü­cke hoch­was­ser­frei ist. An der alten Brü­cke muss­ten schon wie­der­holt grö­ße­re Repa­ra­tu­ren aus­ge­führt werden.

Die Görlitzer Altstadtbrücke

Bereicherung des Landschaftsbildes

Wenn die nach dem Hoch­was­ser im Jah­re 1897 noch mehr gestütz­ten Pfei­ler der alten Brü­cke abge­bro­chen sein wer­den, wird sich das groß­ar­ti­ge Bau­werk von den dane­ben gele­ge­nen Stra­ßen und den in der Nähe den Lauf der Nei­ße über­brü­cken­den Fuß­ste­gen noch vor­teil­haf­ter präsentieren.

An der neu­en Nei­ße­brü­cke wur­de beim Bau an der Bres­lau­er Stra­ße (Sei­te an der Drei­ra­den­müh­le, pol­ni­sche Sei­te) errich­te­ten Pfei­ler (rechts) ein ca. 1 Meter hohes Reli­ef­bild in Bron­ze ein­ge­las­sen. Das künst­le­risch aus­ge­führ­te Bild stell­te die Kir­che zum Hei­li­gen Geist und das dar­an gebau­te Wohn­haus, wie zwei ande­re Gebäu­de, die wegen des Brü­cken­bau­es abge­bro­chen wur­den, dar.

Fer­ner waren dar­auf das zur Drei­ra­den­müh­le gehö­ri­ge Betriebs­ge­bäu­de mit ver­zier­tem Gie­bel  sowie ein Teil der alten Nei­ße­brü­cke mit Gelän­der auf­ge­nom­men. Das Reli­ef­bild soll­te für alle Zei­ten die Pas­san­ten der Brü­cke an das ver­schwun­de­ne Stück Alt-Gör­litz erin­nern. Besit­zer der Brü­cke blieb bis 1913 die Pro­vin­zi­al­ver­wal­tung Schle­si­en, die die­se danach wie­der­um an die Stadt Gör­litz abgab.

Richard Jecht schreibt in sei­ner Topo­gra­phie über die neu erbau­te Brü­cke: „Die Ent­fer­nung der alten Holz­brü­cke mag eine Not­wen­dig­keit gewe­sen sein, das beschau­li­che, male­ri­sche Geprä­ge, das die Brü­cke dem Gelän­de an der Nei­ße gab, hat frei­lich arg gelit­ten. Man hät­te stei­ner­ne Bögen anwen­den sol­len und hät­te dadurch die alte Schön­heit erhal­ten und viel­leicht ver­stär­ken können.“

Sprengung und später Wiederaufbau

Im Mai 1945 wur­de die Brü­cke gesprengt und hin­ter­ließ an den umlie­gen­den Gebäu­den sowie an der Peters­kir­che erheb­li­che Schäden.

59 Jah­re soll­ten ver­ge­hen, bis ein neu­es Bau­werk an glei­cher Stel­le wie­der errich­tet wer­den konn­te. Wenn auch wie­der­um von der Pla­nung bis deren Rea­li­sie­rung vie­le Jah­re ins Land gegan­gen sind, so konn­te in den Jah­ren Mai 2003 bis Okto­ber 2004 die neue Alt­stadt­brü­cke errich­tet werden. 

Die Brü­cken­kon­struk­ti­on wur­de von der Stahl- und Brü­cken­bau Nies­ky GmbH gefer­tigt. Die Erd- und Beton­ar­bei­ten hat die Alpi­ne Bau Deutsch­land GmbH ausgeführt.

Die Stütz­wei­te beträgt 79,99 Meter. Da sich die Brü­cken­kon­struk­ti­on in deren Mit­te ver­jüngt, erge­ben sich unter­schied­li­che Brei­ten für ihre lich­te Brei­te. Die lich­te Wei­te zwi­schen den Gelän­dern beträgt an den Brü­cken­la­gern 10 Meter und in ihrem Schei­tel 8,50 Meter. Die Brei­ten der Bür­ger­stei­ge betra­gen an den Brü­cken­la­gern 3,25 Meter und in deren Schei­tel 2,52 Meter. Die Fahr­bahn ist durch­gän­gig 4,75 Meter breit. Das Gewicht der Brü­cke beträgt 410 Tonnen.

Die Bau­kos­ten betru­gen 3.061.722, 52 € davon 1.141.896,44 € För­de­rung aus dem Pro­gramm Inter­reg und 1.530.861,26 € durch das Land Sach­sen (Gesamt­för­der­mit­tel 2.672.757,60 €). Damit ver­blie­ben bei der Stadt Gör­litz 388.964,90 € Eigen­mit­tel­an­teil. Bau­herr, Eigen­tü­mer und Bau­last­trä­ger der Alt­stadt­brü­cke ist die Stadt Görlitz. 

Die Görlitzer Altstadtbrücke

Nun erfüll­te sich der Wunsch von Richard Jecht, indem die neue Brü­cke im fla­chen küh­nen Bogen die Nei­ße über­brückt und den herr­li­chen Blick auf die Kulis­se der Alt­stadt mit der Peters­kir­che wie­der unver­baut zulässt. Möge sie für alle Zei­ten als Sym­bol des Frie­dens und der Völ­ker­ver­stän­di­gung dienen.

Nach­druck über die Gör­lit­zer Altstadtbrücke
Text und Bil­der mit freund­li­cher Geneh­mi­gung des Stadt­BILD-Ver­la­ges Gör­litz und Herrn Wolf­gang Stiller

W. und F. Ziegfeld

W. und F. Ziegfeld

Heu­te erin­nert in Bre­mer­ha­ven kaum noch etwas an das ehe­ma­li­ge Waren­haus W. und F. Zieg­feld. In der Bür­ger­meis­ter-Smidt-Stra­ße prangt noch der Schrift­zug “Zieg­feld” an einer Fas­sa­de. Aber vie­le Bre­mer­ha­ve­ner wis­sen nicht, an was das Schild erin­nert. Der Bre­mer­ha­ve­ner Rechts­an­walt Dr. Man­fred Ernst hat in sei­nem 1988 im Dit­zen-Ver­lag erschie­ne­nen Buch “Der Markt­platz. Stadt­ge­schich­te im Zen­trum Bre­mer­ha­vens seit 1827” einen Auf­satz über die Fir­ma Zieg­feld veröffentlicht.

W. und F. Ziegfeld um 1910

W. und F. Ziegfeld ehemalige Marktplatz heute

Ereignisse der Jahre 1948/1949

Im März 1848 brach im Deut­schen Bund die Revo­lu­ti­on 1848/49 aus. Im Mai 1848 tag­te in der Frank­fur­ter Pauls­kir­che das ers­te gesamt­deut­sche Par­la­ment, um über eine frei­heit­li­che Ver­fas­sung und die Bil­dung eines deut­schen Natio­nal­staats zu bera­ten. Die Groß­mäch­te Preu­ßen und Öster­reich lehn­ten die im Jah­re 1949 ver­ab­schie­de­te  Ver­fas­sung ab, im Som­mer 1949 war die Revo­lu­ti­on end­gül­tig gescheitert.

Im Jah­re 1849 ließ der Aus­wan­de­rungs­mak­ler  Johann Georg Clau­sen in Bre­mer­ha­ven das Aus­wan­der­er­haus errich­ten. Das war eine gro­ße Her­ber­ge, in der die Aus­wan­de­rer, die auf das Aus­lau­fen ihrer Schif­fe war­te­ten, ver­sorgt wur­den. Bre­mer­ha­ven hat zu die­ser Zeit etwa 4000 Einwohner.

W. und F. Ziegfeld

Und im Jahr 1849 ver­kauf­te J. C. Teck­len­borg sein Grund­stück am Markt 12 an den aus Emden stam­men­den Kauf­mann Wil­helm Andre­as Zieg­feld. Dort, wo heu­te an der Ecke Bür­ger­meis­ter-Smidt-Stra­ße zur Lin­zer Stra­ße ein gro­ßes Wohn- und Geschäfts­haus (ehe­ma­li­ge Geschäfts­räu­me Fir­ma War­rings) steht, befand sich bis zum 18. Sep­tem­ber 1944 das Haus Am Markt 12. Es war ein älte­res mehr­stö­cki­ges Haus, das in der ers­ten Hälf­te des 19. Jahr­hun­derts im schlich­ten klas­si­zis­ti­schen Stil errich­tet wurde.

 

Wilhelm Andreas Ziegfeld zieht um

W. und F. Ziegfeld um 1864

Wil­helm Andre­as Zieg­feld betrieb mit einem Teil­ha­ber Anfang 1840er Jah­ren in der Mit­tel­stra­ße ein Eisenwaren‑, Kolo­ni­al­wa­ren- und Aus­rüs­tungs­ge­schäft. Im Jah­re 1851 ver­ließ der Teil­ha­ber die Fir­ma, und Wil­helm Andre­as Zieg­feld sie­del­te mit sei­nem Geschäft in das Haus Am Markt 12 um. Im Jah­re 1864 grün­de­ten Bre­mer­ha­ve­ner Bür­ger eine pri­va­te Spar­kas­se. In der “Pro­vin­zi­al-Zei­tung” vom 6. Janu­ar 1866 gab die “Pri­vat-Spar­kas­se” bekannt, daß sie im Geschäft der Fir­ma W. A. Zieg­feld eine Annah­me­stel­le ein­ge­rich­tet hat. 

Im Jah­re 1877 starb der Fir­men­grün­der Wil­helm Andre­as Ziegfeld.

Die Söhne übernehmen das Geschäft

wilhelm ziegfeld (1849 - 1914)

Am 2. Mai 1877 über­nah­men die Söh­ne Wil­helm (gebo­ren 1849) und Flo­renz (gebo­ren 1851) das Geschäft. Sie trenn­ten sich von dem Aus­rüs­tungs­ge­schäft und auch von dem Kolo­ni­al­wa­ren­la­den. Nur den Eisen­han­del führ­ten sie wei­ter. Frau Bet­ty Zieg­feld (Ehe­frau von Flo­renz) und Frau Ade­le Zieg­feld (Ehe­frau von Wil­helm) küm­mer­ten sich um den Haushalt. 

florenz ziegfeld (1851-1933) und seine ehefrau betty ziegfeld (1856-1938)

Im Jah­re 1885 erwei­ter­ten die Brü­der Zieg­feld den Betrieb um ein Küchen- und Haus­hal­tungs­ge­schäft. Bald konn­te man in der Eisen­wa­ren­hand­lung Zieg­feld auch Wäsche­man­geln kau­fen. Im His­to­ri­schen Muse­um Bre­mer­ha­ven steht eine Wäsche­man­gel von 1900 aus der Eisen­wa­ren­hand­lung Ziegfeld. 

w. und f. ziegfeld wäschemangel um 1900

Die Geschäf­te lie­fen so gut, daß die Geschäfts­in­ha­ber drei Jah­re spä­ter auf dem rück­wär­ti­gen Gelän­de ein gro­ßes Pack­haus bauten.

Vertretung für Fahrräder

w. und f. ziegfeld um 1910

Man konn­te bei W. und F. Zieg­feld schon in den 1890er Jah­ren auch Velo­zi­peds kau­fen. Die Eisen­wa­ren­hand­lung hat­te die Werks­ver­tre­tung der Adler-Fahr­rad­wer­ke über­nom­men. Fahr­rä­der waren damals sehr teu­er, sie kos­te­ten etwa 350 Gold­mark. Das waren für einen Hand­wer­ker oder Indus­trie­ar­bei­ter meh­re­re Monatslöhne.

w. und f. ziegfeld werbeplakat

Fahr­rä­der blie­ben den Men­schen der Ober­schicht vor­be­hal­ten, die sie zu ihrem Ver­gnü­gen oder für den Renn­sport kauf­ten. Erst gegen Ende des Jahr­hun­derts san­ken die Prei­se, da die Räder nun indus­tri­ell her­ge­stellt wer­den konn­ten. Außer­dem stie­gen die Löh­ne, so daß die Käu­fer­schicht ste­tig grö­ßer wurde. 

w. und f. ziegfeld radler fahr adler

Natür­lich mach­te auch die Fir­ma W. und F. Zieg­feld auf ihre Fahr­rad­ver­tre­tung auf­merk­sam. Sie bau­ten zwi­schen dem Alten Hafen und dem Weser­deich eine “Fahr­rad­lehr­bahn”. Dort brach­ten sie inter­es­sier­ten Leu­ten das Rad­fah­ren bei. Am Zaun der “Fahr­rad­lehr­bahn” wie­sen Pla­ka­te auf Fahr­rä­der von Zieg­feld hin: “Rad­ler fahr Adler” hieß der Slogan.

Ernst Hanke Bruns wird Teilhaber

w. und f. ziegfeld teilhaber bruns

Am 1. April 1900 begann der 1885 gebo­re­ne Ernst Han­ke Bruns sei­ne Leh­re bei W. und F. Zieg­feld, Am Markt 12. Ernst Han­ke Bruns bekam freie Kost und Logie. Für sein mit­ge­brach­tes Bett und sei­ne Kom­mo­de stand ihm eine klei­ne Kam­mer im Dach­ge­schoß zur Ver­fü­gung. Ernst Han­ke Bruns hat­te die Auf­ga­be, mor­gens pünkt­lich um 7 Uhr die Laden­tür zu öff­nen. Erst abends um 9 Uhr war Geschäfts­schluß. Der Unter­richt in der kauf­män­ni­schen Berufs­schu­le war frei­wil­lig, er fand abends von 9 bis 11 Uhr statt. 

w. und f. ziegfeld und löhr*s hotel

Im Jah­re 1902 konn­te die Fir­ma W. und F. Zieg­feld ihr 25-jäh­ri­ges Betriebs­ju­bi­lä­um bege­hen. Die Fei­er fand im gegen­über­lie­gen­den “Löhr’s Hotel” statt. Der Lehr­ling durf­te mit­fei­ern, er war jetzt 17 Jah­re alt. Nach Been­di­gung sei­ner Lehr­zeit muß­te Ernst Han­ke Bruns sei­nen Mili­tär­dienst ableis­ten. Im Deut­schen Kai­ser­reich bestand mit Voll­endung des 17. Lebens­jah­res für alle Män­ner Wehrpflicht.

Im Jah­re 1914 starb Wil­helm Ziegfeld.

ziegfeld werbung waschkessel

Als Flo­renz Zieg­feld im Jah­re 1919 erblin­de­te, bot er sei­nem ehe­ma­li­gen Lehr­ling Ernst Han­ke Bruns im Novem­ber 1919 die Teil­ha­ber­schaft an. Schon zwei Tage, nach­dem ihn das schrift­li­che Ange­bot erreich­te, stand Ernst Han­ke Bruns wie­der in sei­nem eins­ti­gen Lehr­be­trieb. 15 Jah­re waren seit dem Ende sei­ner Aus­bil­dungs­zeit vergangen. 

Im Jah­re 1933 starb Flo­renz Zieg­feld im Alter von 82  Jahren.

w. und f. ziegfeld

Kriegsjahre, Zerstörung und Wiederaufbau

In den Kriegs­jah­ren 1940 bis 1943 fan­den meh­re­re unge­ziel­te Bom­ben­ab­wür­fe auf Bre­mer­ha­ven statt. Es gab es Tote und Ver­letz­te und zer­stör­te Gebäu­de, aber nicht in einem der­ar­ti­gen Aus­maß, wie es ande­re deut­sche Städ­te getrof­fen hat. Doch ab Febru­ar 1944 wur­de es fürch­ter­lich, und ganz schlimm war der ver­hee­ren­de Luft­an­griff am 18. Sep­tem­ber 1944. Inner­halb von 20 Minu­ten hat die 5. Bom­ber­flot­te der Roy­al Air­force die heu­ti­gen Bre­mer­ha­ve­ner Stadt­tei­le Mit­te und Geest­e­mün­de fast kom­plett zerstört.

w. und f. ziegfeld 1944

Auch das Geschäfts­haus W. und F. Zieg­feld wur­de 1944 durch Bom­ben zer­stört. Ernst Han­ke Bruns orga­ni­sier­te inner­halb von zwei Tagen Behelfs­räu­me. Das Geschäft zog in eine Gara­ge der Bäcker-Ein­kaufs-Genos­sen­schaft. Spä­ter dien­te der rech­te Sei­ten­flü­gel des Stadt­thea­ters als Verkaufsraum. 

w. und f. ziegfeld im stadttheater

Das Dach wur­de not­dürf­tig abge­dich­tet, dann wur­den in der alten Kakao­s­tu­be und in den Räu­men des Kunst­ver­eins wie­der Waren ver­kauft. So konn­te die Fir­ma Zieg­ler an die aus­ge­bomb­te Bevöl­ke­rung Behelfs­heim­her­de für 73,50 Reichs­mark abge­ben. Der Herd dien­te gleich­zei­tig zum Kochen und zum Heizen.

behelfsheimherd

Umzug in die “Bürger”

Im Jah­re 1950 begann der Wie­der­auf­bau des Stadt­thea­ters. Bruns hat­te bereits in der Bür­ger­meis­ter-Smidt-Stra­ße das Grund­stück vom Deli­ka­tes­sen­ge­schäft Hein­rich Mer­tens gekauft. Auf die­sem Grund­stück bau­te Bruns das neue Ziegfeld-Geschäft.

ziegfeld

Spiel­sa­chen bot Zieg­feld im alten Stamm­haus nur in der Vor­weih­nachts­zeit an. Im neu­en Haus wur­de nun eine stän­di­ge Spiel­wa­ren­ab­tei­lung ein­ge­rich­tet. Und wie­der kamen in der Vor­weih­nachts­zeit die Kin­der und drück­ten sich an den Schau­fens­tern die Nase platt.

ziegfeld

In der Zeit zwi­schen den Welt­krie­gen waren es Dampf­ma­schi­nen, Pup­pen, Zinn­sol­da­ten, Rit­ter­bur­gen und Pup­pen­wa­gen, die in den Schau­fens­tern von W. und F. Zieg­feld Kin­der­wün­sche weck­ten. Nun in den 1950er Jah­ren fuh­ren elek­tri­sche Loko­mo­ti­ven durch lie­be­voll gestal­te­te Win­ter­land­schaf­ten, sie fuh­ren durch Tun­nel über Gebir­ge. Und an den geschlos­se­nen Schran­ken war­te­ten die Autos der Mar­ke Wiking und bis­wei­len auch der Mar­ke Siku.

Geschäftsaufgabe

Im Jah­re 1990 schloss die Eisen­wa­ren­hand­lung W. A. Zieg­ler für immer ihre Laden­tür. Geblie­ben ist der Schrift­zug an der Haus­fas­sa­de. Und die Erin­ne­run­gen vie­ler Bre­mer­ha­ve­ner Bür­ger. Sie streif­ten als Kin­der nach Schul­schluss durch die Spiel­wa­ren­ab­tei­lung. Oder sie setz­ten sich an die extra für Kin­der ein­ge­rich­te­ten Bas­tel­ti­sche, kleb­ten Flug­zeu­ge aus Modell­bau­sät­zen zusam­men und bemal­ten sie. Anschlie­ßend durf­ten sie die Flug­zeu­ge mit nach Hau­se nehmen. 

w. und f. ziegfeld

Ande­re Kin­der kauf­ten sich bei Zieg­feld ihre ers­te elek­tri­sche Eisen­bahn. Als Star­ter­set konn­te man für 99,00 DM ein Star­ter­set erwer­ben, bestehend aus einem Gleis­oval mit Abstell­gleis und einer klei­nen Loko­mo­ti­ve mit drei Wag­gons. 99,00 Deut­sche Mark muß­ten dafür den Besit­zer wechseln.

Aber auch Pis­to­len, Geweh­re, Rit­ter- und India­ner­fi­gu­ren brach­ten Kin­der­au­gen zum Leuch­ten. Ande­re freu­ten sich über Lego­stei­ne oder Fischer-Technik.

ziegfeld werbung

Erwach­se­ne deck­ten sich bei Zieg­feld mit Schrau­ben, Nägel usw. ein, die gab es noch stück­wei­se zu kau­fen. Oft­mals gab es kos­ten­los einen Zoll­stock dazu. Wer einen Haus­stand grün­den woll­te, fand bei Zieg­feld mit Sicher­heit die pas­sen­den Koch­töp­fe. Und was nicht vor­rä­tig war, das besorg­te Zieg­ler. Hier gab es wohl den ers­ten Raclette-Grill in Bre­mer­ha­ven. Zieg­feld hat es mög­lich gemacht.

ziegfeld quittung

Erinnerungen

Die ehe­ma­li­ge Beleg­schaft hat sich regel­mä­ßig zum Grün­kohl­es­sen getrof­fen. 2018 hat das 25. Tref­fen statt­ge­fun­den, 27 ehe­ma­li­ge Kol­le­gen waren gekom­men. Natür­lich wur­den Erin­ne­run­gen aus­ge­tauscht. Zum Bei­spiel wie Ernst Han­ke Bruns einem Aus­zu­bil­den­den den Füh­rer­schein bezahlt hat. Als Aner­ken­nung für sei­ne guten Leis­tun­gen. Oder wie er von einem Ver­käu­fer ver­lang­te zu hei­ra­ten, damit er die Woh­nung über dem Geschäft in der Bür­ger­meis­ter-Smidt-Stra­ße 16 — 18 mie­ten kann. 

ziegfeld laden

Die Nord­see-Zei­tung hat in einem Arti­kel vom 12. Febru­ar 2018 dar­über berich­tet: “Rechts Pöt­te und Pfan­nen, gegen­über die Gar­de­ro­ben, nach hin­ten durch die Eisen­wa­ren. Wer Spiel­wa­ren such­te, ging die Trep­pe hoch. In der „Bür­ger“ erin­nert heu­te nur noch der Schrift­zug „Zieg­feld“ an einer Fas­sa­de an das tra­di­ti­ons­rei­che Unter­neh­men. Aber die Beleg­schaft von einst hält die Erin­ne­run­gen lebendig”.

Die letz­te Che­fin der Fir­ma W. und F. Zieg­feld, Bruns Toch­ter Nan­na Sem­ken, starb Anfang 2018. 

Quel­len:
Har­ry Gab­cke: “Bre­mer­ha­ven in zwei Jahr­hun­der­ten 1827 – 1918”, Sei­te 86
Har­ry Gab­cke: “Bre­mer­ha­ven in zwei Jahr­hun­der­ten 1919 –1947”, Sei­ten 129 — 133
Man­fred Ernst: “Der Markt­platz”, Sei­ten 118 — 125
Man­fred Ernst: “Als die Stadt brann­te”, Der 18. Sep­tem­ber 1944 in Bremerhaven-Wesermünde
Erich Stur­ck: “Erin­ne­run­gen an den 18. Sep­tem­ber 1944 in Bre­mer­ha­ven”, in Deich­SPIE­GEL
Hen­ning Bie­le­feld: “Neu­er Auf­schwung nach der Depres­si­on”, nwzonline.de vom 01.07.2005
“Bei Zieg­feld waren die Kol­le­gen groß­ar­tig”, Nord­see-Zei­tung vom 12.02.2018

Einsiedlers Heiliger Abend

Fro­he Weihnachtszeit

Der Deich­SPIE­GEL wünscht allen Lesern ein fried­li­ches Weih­nachts­fest und ein fro­hes neu­es Jahr. Bleibt alle gesund und passt gut auf Euch auf. Und trinkt nicht soviel Bur­gun­der­wein. 🙂

Ein­sied­lers Hei­li­ger Abend

Ich hab’ in den Weihnachtstagen –
Ich weiß auch, warum –
Mir selbst einen Christ­baum geschlagen,
Der ist ganz ver­krüp­pelt und krumm.

Ich bohr­te ein Loch in die Diele
Und steck­te ihn da hinein
Und stell­te rings um ihn viele
Fla­schen Burgunderwein.

Und zier­te, um Baum­schmuck und Lichter
Zu spa­ren, ihn abend noch spät
Mit Löf­feln, Gabeln und Trichter
Und ande­rem blan­ken Gerät.

Ich koch­te zur hei­li­gen Stunde
Mir Erb­senup­pe und Speck
Und gab mei­nem fröh­li­chen Hunde
Gulasch und litt sei­nen Dreck.

Und sang aus bur­gun­dern­der Kehle
Das Pfannenflickerlied.
Und pries mit bewun­dern­der Seele
Alles das, was ich mied.

Es glimm­te petroleumbetrunken
Spä­ter der Lampendocht.
Ich saß in Gedan­ken versunken.
Da hat’s an der Tür gepocht.

Und poch­te wie­der und wieder.
Es konn­te das Christ­kind sein.
Und klang’s nicht wie Weihnachtslieder?
Ich aber rief nicht: “Her­ein!”

Ich zog mich aus und ging leise
Zu Bett, ohne Angst, ohne Spott,
Und dank­te auf krum­me Weise
Lal­lend dem lie­ben Gott.

 (Joa­chim Ringelnatz)

Das Wohn- und Geschäftshaus Hafenstraße 186

Das Wohn- und Geschäfts­haus Hafen­stra­ße 186

Die Chaus­see Lehe-Bre­mer­ha­ven wur­de bereits im Jah­re 1829 ange­legt. In den Jah­ren 1886 bis 1889 wur­de sie in eine städ­ti­sche Stra­ße mit brei­ten Bür­ger­stei­gen umge­wan­delt. Die Chaus­see bekam den Namen Hafen­stra­ße. Um 1890 war sie fast voll­stän­dig aus­ge­baut. Beid­sei­tig war die Hafen­stra­ße mit Ulmen bepflanzt. Die brei­ten Bür­ger­stei­ge, die moder­nen Schau­fens­ter und die Fahr­bahn mit der elek­tri­schen Stra­ßen­bahn und den Wagen- und Auto­ver­kehr mach­ten sei­ner­zeit einen groß­städ­ti­schen Eindruck.

Das Wohn- und Geschäftshaus Hafenstraße 186

Einst standen stolze Häuser in der Hafenstraße

Die Bre­mer­ha­ve­ner Häfen boom­ten. Die Werf­ten, der Nord­deut­sche Lloyd und der Hafen­um­schlag benö­tig­te immer mehr Arbeits­kräf­te. So sie­del­ten sich vie­le Fami­li­en im benach­bar­ten Lehe an. Im Jah­re 1900 hat­te Lehe 24.593 Ein­woh­ner.  

Um die­se Zeit wur­de das Wohn- und Geschäfts­haus Hafen­stra­ße 186 erstellt. Es war ein sehr schö­nes reprä­sen­ta­ti­ves Haus, das sich in die Grün­der­zeit­häu­ser mit ihren Erkern, Orna­men­ten und klei­nen Bal­ko­nen wun­der­bar ein­reih­te. Vie­le von den so schön gestal­te­ten Häu­sern haben den Zwei­ten Welt­krieg nicht überstanden.

Das Wohn- und Geschäfts­haus Hafen­stra­ße 186 aber hat den Krieg über­lebt. Es war im Besitz von Eli­sa­beth Ernst. Sie betrieb mit ihrem Ehe­mann Wal­ter auf der lin­ken Sei­te des Erd­ge­schos­ses den Fri­seur­sa­lon Ernst. Hel­mut, der Groß­nef­fe der Ehe­leu­te Ernst, leb­te mit sei­nen Eltern und sei­ner älte­ren Schwes­ter bis etwa 1957 in einer Eta­gen­woh­nung im 3. Stock die­ses Hau­ses. 1955 oder 1956 zog ein Kar­ne­vals­um­zug durch die Hafen­stra­ße. Den konn­te Hel­mut als Kind aus dem Wohn­zim­mer­fens­ter beob­ach­ten. Auch das Quiet­schen der Stra­ßen­bah­nen (Lini­en 2 und 3), wenn die­se in die Lan­ge Stra­ße ein­bo­gen, hat Hel­mut noch in guter Erinnerung. 

Das Wohn- und Geschäftshaus Hafenstraße 186

In der rech­ten Erd­ge­schoß­hälf­te befand sich die klei­ne Gast­stät­te „Bei Kit­ty“. Rechts neben dem Haus befin­det sich das Eck­grund­stück zur Fels­stra­ße. Die­ses Grund­stück war schon immer unbe­baut geblie­ben. Vie­le Jah­re stand hier ein aus­ge­mus­ter­ter Wohn­wa­gen, in dem ein Han­del für gebrauch­te Lie­bes- und ähn­li­che Roma­ne betrie­ben wurde.

Dem Verfall preisgegeben

Im Jah­re 1977 ver­starb die Haus­ei­gen­tü­me­rin Eli­sa­beth Ernst durch einen Unfall. Das Wohn- und Geschäfts­haus Hafen­stra­ße 186 wur­de ver­kauft. Damit begann der Ver­fall des einst so stol­zen Jugend­stil­ge­bäu­des, daß schon vie­le Jah­re unbe­wohnt ist. Die Stadt Bre­mer­ha­ven hat gegen her­ab­fal­len­de Erker­stü­cke und Glas­scher­ben Siche­rungs­maß­nah­men ergrei­fen müs­sen. Bei­de Haus­hälf­ten wur­den durch ein Gerüst not­dürf­tig gesichert

Schon häu­fig hat die Nord­see-Zei­tung über den deso­la­ten Zustand des Wohn- und Geschäfts­hau­ses Hafen­stra­ße 186 berich­tet. Anwoh­ner und Pas­san­ten haben sich über das ver­rot­te­te und zuge­müll­te Haus an der Hafen­stra­ße 186 immer wie­der beschwert. Das zuge­na­gel­te Fens­ter, die teil­wei­se her­un­ter­ge­rutsch­ten Plas­tik­pla­nen in den Erd­ge­schoß­fens­tern und der Müll im Haus­ein­gang bie­ten wirk­li­chen kei­nen schö­nen Anblick. 

Das Wohn- und Geschäftshaus Hafenstraße 186

Der pri­va­te Eigen­tü­mer soll ver­spro­chen haben, daß das Objekt saniert wird. Doch bis­her ist davon nichts zu sehen. Obwohl das Wohn- und Geschäfts­haus Hafen­stra­ße 186 weder denk­mal­ge­schützt ist noch auf der Lis­te der Schrott­im­mo­bi­li­en steht, muß­te das Stadt­bau­amt kürz­lich ein­schrei­ten. Der der­zei­ti­ge Eigen­tü­mer soll mit der Innen­sa­nie­rung begon­nen haben. Dabei woll­te er offen­sicht­lich tra­gen­de Decken­bal­ken ohne Bau­ge­neh­mi­gung austauschen.
Quel­len:
Her­mann Schrö­der: “Geschich­ten der Stadt Lehe”, 1927 erschie­nen im Ernst-Bruns-Ver­lag Weser­mün­de-Lehe, Sei­te 226 und 228
Hel­mut Gaw­ron: “Auf dem Prop­pen”, 2020 erschie­nen im Band 3 “Geschich­ten aus Lehe”. Sei­te 115, Hrsg. Burk­hard Hergesell
Hel­mut Gaw­ron: Schrift­ver­kehr per Email im August 2021
Susan­ne Schwan: “Bre­mer­ha­vens Gam­mel­häu­ser…”, www.noderlesen.de vom 26.03.2020
Susan­ne Schwan: “Was geschieht mit Bre­mer­ha­vens Gam­mel­häu­ser?”, www.nord24.de vom 26.03.2020
Susan­ne Schwan: “Jugend­stil-Juwe­len ver­fal­len”, Nord­see-Zei­tung vom 14.04.2020
Susan­nen Schwan: Anwoh­ner ent­setzt über gam­me­li­ge Immo­bi­lie”, Nord­see-Zei­tung vom 13.07.2019

Ein Mädchen (eine Frau) aus Bremerhaven-Lehe

Ein Mäd­chen (eine Frau) aus Bremerhaven-Lehe

 Ruth Sander

Das Bild zeigt Ruth San­der im Jah­re 1933

Ruth San­der wur­de 1933 in Bre­mer­ha­ven-Lehe in der Muschel­stra­ße 16 gebo­ren. Sie war das als ältes­te von 8 Kindern.

Ruth und ihre Oma (wohn­te in der Les­sing­stra­ße 7) im Jah­re 1935

Die Muschel­stra­ße ist eine Rei­hen­haus­sied­lung an der Rick­mers­stra­ße. Es war zu dama­li­ger Zeit eine gute Wohn­ge­gend. Doch die Kin­der aus der par­al­lel ver­lau­fen­den See­stra­ße, die eben­falls von Rei­hen­häu­sern geprägt ist, mein­ten, sie sei­en etwas Bes­se­res. So dul­de­ten sie es nicht, wenn jemand aus der Muschel­stra­ße eine Abkür­zung durch “ihre” See­stra­ße neh­men wollte.

ruthundrolf

Ruth und Rolf, etwa 1936

Ruth, Rolf, Gise­la und Hilde

Die Kind­heit war bis zum Beginn des 2. Welt­kriegs weit­ge­hend unbe­schwert. Dann muss­te der Vater mit der Mari­ne zur See. Lebens­mit­tel wur­den immer knapper.

ruth auf der schaukel

Ruth vor einem Erfri­schungs­haus in den Schre­ber­gär­ten — eine noch unbe­schwer­te Kindheit?

1943 trat ein neu­er Mann in das Leben von Ruths Mut­ter. Als der Vater von der Front zurück­kehr­te, muss­te Ruth ihren eige­nen Vater wegschicken.

ruth sander

Das Bild zeigt ein Kin­der­por­trait von Ruth Sander

Den neu­en “Vater” konn­te sie nie akzep­tie­ren. Hin­zu kamen Luft­an­grif­fe auf Bre­mer­ha­ven, bei denen auch die Muschel­stra­ße nicht ver­schont blieb. Ruth erzählt von einem Ein­schlag, der in dem 3‑stöckigen Haus das Wohn­zim­mer im EG zer­stör­te. Die Fami­lie, die im Kel­ler aus­harr­te, blieb unversehrt.

Ruth Sander im Garten

Das Bild zeigt Ruth San­der mit ihren Geschwistern

Durch die Zwangs­mit­glied­schaft beim BDM muss­te Ruth bei Auf­mär­schen an der Rick­mer­stra­ße mit aus­ge­streck­tem rech­ten Arm eine gefühl­te Ewig­keit stramm ste­hen. Wenn sie auch nur ver­such­te, den rech­ten Arm abzu­stüt­zen, wur­de sie hef­tig beschimpft, manch­mal sogar geschla­gen. Auch in der Schu­le war kör­per­li­che Züch­ti­gung und ein dik­ta­to­ri­scher Ton an der Tagesordnung.

Ruth mit Familie

Ruth in Brokel

Die Groß­el­tern hat sie als nicht beson­ders kin­der­lieb in Erin­ne­rung. Vom Lebens­ge­fähr­ten der Groß­mutter wur­den sie und ihre Geschwis­ter mit den Wor­ten „was wollt ihr denn schon wie­der“ begrüßt.

Im Jah­re 1943 wur­de Ruth von ihrer Fami­lie getrennt. Sie wur­de im Rah­men der Über­land­ver­schi­ckung nach Brockel ver­schickt. Ihre Geschwis­ter waren noch zu klein und muß­ten zuhau­se blei­ben. Ruth fühl­te sich von ihrer Fami­lie abge­scho­ben und litt sehr dar­un­ter – eigent­lich zeitlebens.

Ruth und Freundin

Ruth und Freundin

Am Bahn­hof von Brockel war­te­ten bereits die Bau­ern aus dem Kreis Roten­burg, die sich ein oder meh­re­re Mäd­chen aus­such­ten konn­ten. Ruth kam zur Fami­lie Mer­tens, denen eine Obst­ver­wer­tungs­fa­brik und ande­re land­wirt­schaft­li­che Güter gehör­ten. Ruth erin­nert sich an einen gro­ßen Hüh­ner­stall mit aus­schließ­lich wei­ßen Hüh­nern, aber auch Enten und Gän­sen. Aber auch an die Ern­te der Bick­bee­ren und an einen rie­si­gen Wal­nuss­baum. Mit den bei­den Schä­fer­hun­den muss­te sie oft spa­zie­ren gehen.

Von Brockel muss­te sie oft, zusam­men mit den ande­ren Kin­dern, nach Roten­burg lau­fen, wo sie vor Sol­da­ten san­gen. Vie­le der Sol­da­ten wein­ten bei dem Gesang und Anblick der Kin­der. Sie ver­mu­tet, dass die Män­ner ihre eige­nen Kin­der ver­miss­ten und des­halb ihre Emo­tio­nen und Trä­nen nicht unter­drü­cken konn­ten. Fami­lie Mer­tens und ihre bei­den Kin­der hat sie in guter Erinnerung.

Überlandverschickung

Hier ver­brach­te Ruth eini­ge Zeit

Nach Kriegs­en­de wur­den die meis­ten lebens­wich­ti­gen Din­ge durch Tausch­ge­schäf­te beschafft. Die bes­te Tausch­wäh­rung waren Ziga­ret­ten und Kaf­fee, die Ruth manch­mal mit etwas Glück bei den Ame­ri­ka­nern ergat­tern konn­te. Sie muss­te auch öfters mit dem Zug nach Essen fah­ren, der Hei­mat­stadt ihres Stief­va­ters, um Salz­he­rin­ge gegen Kar­tof­feln und Koh­le zu tauschen.

Bei Hanewinkel hinter dem Thresen

Im Jah­re 1948 begann Ruth eine Leh­re zur Flei­sche­rei­fach­ver­käu­fe­rin in der Flei­sche­rei Hane­win­kel in der Goethestraße.

1948 begann Ruth eine Aus­bil­dung als Flei­sche­rei­fach­ver­käu­fe­rin bei Flei­scher­meis­ter Hane­win­kel in der Goethestraße.

bei Hanewinkel

Ruth bei Hane­win­kel 1951

Alles ande­re als ihr Traum­be­ruf, denn sie war sehr schüch­tern und wäre viel lie­ber Schnei­de­rin geworden.

Ruth Sander

Berufs­schü­ler

Aber zu die­ser Zeit muss­te man über eine sol­chen Arbeits­platz froh sein, denn Aus­bil­dungs­plät­ze waren rar.

Berufsschule

Berufs­schul­klas­se

Berufsschule

Unter­richt in der Berufsschule

Die Erin­ne­run­gen an die Fami­lie Hane­win­kel sind nicht sehr posi­tiv, des­halb bewarb sie sich nach der bestan­de­nen Leh­re auf eine Stel­len­an­zei­ge in einer Metz­ge­rei im hes­si­schen Bad Hom­burg. 1951 oder 1952 pack­te Ruth ihre Kof­fer und ging nach Bad Homburg.

Ruth Sander

Ruth mit Freundin

In Bad Hom­burg lern­te sie ihren Mann ken­nen, der als Gesel­le in einer ande­ren Metz­ge­rei arbei­te­te und des­sen Vater ein eige­nes Geschäft im hes­si­schen Kraft­solms hat­te (einem Dorf mit nur 600 Ein­woh­nern). Als Ruth schwan­ger wur­de und ent­schied, mit ihm nach Kraft­solms zu gehen, wur­de sie aus­ge­lacht, weil sich nie­mand ein Stadt­mäd­chen wie Ruth in einem “Bau­ern­dorf” vor­stel­len konnte.

Ruth und ihr Mann Sieg­fried bau­ten das Geschäft in Kraft­solms erfolg­reich aus, aber es war ein stei­ni­ger Weg, von der Dorf­be­völ­ke­rung akzep­tiert zu wer­den. Sie sprach anders, klei­de­te sich anders und mal­te sich auch noch die Lip­pen an, was man in die­sem Dorf zu der Zeit gar nicht kann­te. Kin­der rie­fen “Ami­nut­te” und mein Vater wur­de abschät­zig gefragt “was willst du denn mit so einer”.

Es sind Wun­den, die nie ver­heilt sind. Ruth lebt heu­te in einem Pfle­ge­heim, wo sie ihr Mann täg­lich besucht. Sie kann sich zwar nicht dar­an erin­nern, was sie zu Mit­tag geges­sen hat, dafür aber an jedes Detail aus ihrer Kind­heit und Jugend.

Das Wohn- und Geschäftshaus Hafenstraße 42

Das Wohn- und Geschäfts­haus Hafen­stra­ße 42

Der Archi­tekt und Bau­un­ter­neh­mer Wil­helm Rog­ge errich­te­te im Jah­re 1903  das Wohn- und Geschäfts­haus Hafen­stra­ße 42. Bereits ein Jahr zuvor hat er im Jah­re 1902 die Jugend­stil­vil­la Kur­fürs­ten­stra­ße Nr. 3 fertiggestellt. 

wohn- und geschäftshaus hafenstraße 42

Mit weni­gen Aus­nah­men blieb die Bebau­ung der Ost­sei­te der Hafen­stra­ße zwi­schen Werft­stra­ße und Leher Tor gewerb­li­chen Zwe­cken vor­be­hal­ten. Die­ses änder­te sich kurz nach der Wen­de zum 20. Jahr­hun­dert. Durch die neu­en Häfen in Alt-Bre­mer­ha­ven wuchs Lehe sehr schnell, zunächst von Alt-Lehe nach Süden im Bereich der Leher Chaus­see (heu­ti­ge Hafenstraße).

Großfeuer in der Hafenstraße

Die wach­sen­de Bevöl­ke­rungs­zahl ließ auch den Wohn­raum­be­darf wach­sen. Das ermu­tig­te Wil­helm Rog­ge, an der reprä­sen­ta­ti­ven Hafen­stra­ße 42 auf sei­nem Betriebs­ge­län­de direkt neben dem Kon­tor-Gebäu­de in ein mehr­ge­schos­si­ges Wohn- und Geschäfts­haus für geho­be­ne Ansprü­che zu investieren.

wohn- und geschäftshaus hafenstraße 42

Am 24. August 1904 zer­stör­te ein Groß­feu­er inner­halb weni­ger Stun­den den gesam­ten Betrieb von Wil­helm Rog­ge. Nur das Kon­tor­haus und das Wohn- und Geschäfts­haus Hafen­stra­ße 42 blie­ben leicht beschä­digt erhal­ten. Wil­helm Rog­ge sie­del­te sei­nen Betrieb nach Bre­mer­ha­ven um. Das nörd­lich sein Haus Hafen­stra­ße 42 gren­zen­de Gelän­de ver­kauf­te er an den Bau­un­ter­neh­mer Kist­ner. Die­ser setz­te die Bebau­ung in den Jah­ren 1905 und 1906 bis an die Kist­ner-Vil­la fort. So ent­stand schließ­lich das reprä­sen­ta­ti­ve Ensem­ble Hafen­stra­ße 42 — 48.

wohn- und geschäftshaus hafenstraße 42

Die einst so pracht­vol­len Bau­ten aus der Jahr­hun­dert­wen­de ver­fal­len lang­sam. Auch das Wohn- und Geschäfts­haus Hafen­stra­ße 42 ist in einem sehr schlech­ten Zustand. Das unter Denk­mal­schutz ste­hen­de Grün­der­zeit­haus zählt zu Bre­mer­ha­vens Schrottimmobilien.

Investor saniert das Haus

Nun will ein Bre­mer­ha­ve­ner Bau­un­ter­neh­mer das Haus ret­ten und für zwei Mil­lio­nen Euro aus der Rui­ne  ein “Pracht­stück” machen. Noch die­sen Herbst soll es los­ge­hen. Etwa 18 Mona­te wird es dau­ern, bis die Sanie­rungs­maß­nah­men und der Innen­aus­bau der 1.100 Qua­drat­me­ter Wohn- und Nutz­flä­che abge­schlos­sen sein werden.

wohn- und geschäftshaus hafenstraße 42

Die Ent­rüm­pe­lung ist bereits seit Janu­ar abge­schlos­sen, alle undich­ten Fens­ter sind raus­ge­ris­sen und die neu­en Stür­ze gemau­ert. Der 118 Jah­re alte Dach­stuhl  wird kom­plett abge­ris­sen und neu errich­tet. Aus den klei­nen Dach­ge­schoß­woh­nun­gen sol­len zwei neue Woh­nun­gen mit Ter­ras­se ent­ste­hen. Aber auch die übri­gen Alt­bau­woh­nun­gen wer­den neu zuge­schnit­ten. Ins­ge­samt sind 15 Zwei- und Drei­zim­mer­woh­nun­gen geplant. Die Woh­nun­gen sol­len zwi­schen 35 und 75 Qua­drat­me­ter groß werden.

Der Inves­tor will das Haus ent­ker­nen und Dusch­bä­der, Hei­zun­gen, Fens­ter, Außen­wand­däm­mung, Elek­tro­lei­tun­gen und ande­re Ver­sor­gungs­lei­tun­gen erneu­ern. Mit Aus­nah­me der gut erhal­te­nen Ter­raz­zo-Flie­sen wer­den auch die Fuß­bö­den aus­ge­wech­selt. Die alten Toi­let­ten wer­den ent­fernt, in den Schacht wird ein Fahr­stuhl ein­ge­baut. Da die Bau­stof­fe der­zeit rasant stei­gen, wird es nicht ein­fach sein, den geplan­ten Miet­zins zu hal­ten. Der Bau­un­ter­neh­mer strebt eine hier übli­che Kalt­mie­te von sechs Euro pro Qua­drat­me­ter an. 

wohn- und geschäftshaus hafenstraße 42

Die bei­den jeweils 100 Qua­drat­me­ter gro­ßen Gewer­be­flä­chen im Erd­ge­schoß hat­ten schon vie­le Mie­ter. Seit Kriegs­en­de zogen hier Ände­rungs­schnei­de­rei, Fahr­schu­le, Gas­tro­no­mie und ein Fach­ge­schäft für Raum­aus­stat­tung ein. Und der Fri­seur­sa­lon “Don­ner” aus den 1960er Jah­ren ist wohl noch man­chen alt­ein­ge­ses­se­nen Leher bekannt.

Der Bau­un­ter­neh­mer arbei­tet eng mit der Bau­be­hör­de, dem Lan­des­amt für Denk­mal­schutz und den ande­ren zustän­di­gen Ämtern zusam­men. Seit 2017 steht das dem Ver­fall preis­ge­ge­be­ne Gebäu­de mit sei­nen präch­ti­gen Gie­beln auf Bre­mer­ha­vens Lis­te der Schrottimmobilien.

Quel­len:
Hart­mut Bickel­mann: “Zwi­schen Gewer­be­an­sied­lung und Woh­nungs­bau”, Bre­mer­ha­ve­ner Bei­trä­ge zur Stadt­ge­schich­te II, Sei­ten 145 ff.
Lili Maf­fiot­te: “Der Kampf gegen Schrott­im­mo­bi­li­en geht wei­ter”, Nord­see-Zei­tung vom 24.01.2017
Susan­ne Schwan: “Rui­ne soll Pracht­stück wer­den”, Nord­see-Zei­tung vom 19.07.2021