Die Fährstraße in alten und neuen Ansichten
Die Fährstraße in alten und neuen Ansichten
1827 kaufte Bremen von Hannover ein Gebiet an der Wesermündung, das Bremerhaven genannt wurde. Die wichtigste Verbindung nach Geestendorf war die Fährstraße. Die Straße bekam ihren Namen zur Erinnerung an die einstige Prahmfähre, mit der man bis 1857 das andere Ufer der Geeste erreichen konnte.Als 1857 die erste Geestebrücke gebaut wurde, verschwand die Fähre aus der Flusslandschaft. Der Name Fährstraße jedoch wurde beibehalten.
Wer vom Theodor-Heuss-Platz (ehemaliger Marktplatz) nach Geestemünde gelangen will, benutzt noch heute diese uralte Verkehrsverbindung über die Fährstraße und die im Jahre 1904 gebaute Geestebrücke.
Die Fährstraße ist nicht sehr lang und präsentiert sich dem heutigen Besucher als unscheinbare Straße. Von der Gründerzeit bis mindestens zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert herrschte hier aber ein besonders lebhaftes Geschäftsleben. Noch 1906 soll es in jedem der 26 Häuser, die die Fährstraße besäumten, ein oder mehrere Geschäfte, Gastwirtschaften, Handwerksbetriebe und Warenhäuser gegeben haben.
Diese Postkartenidylle endete jäh in der Bombennacht des 18. September 1944. Es war ein strahlend schöner und warmer Sommertag, der für eine Weile alles Kriegerische vergessen zu machen schien. Niemand ahnte, dass die kommende Nacht zum Schicksal für Geestemünde und Alt-Bremerhaven werden sollte. Eigentlich blieb als einzige größere Straße nur die Kaiserstraße von der Vernichtung verschont. Auch in der Fährstraße blieb kein Stein auf dem anderen.
Den Flüchtlingen aus Geestemünde war der Weg über die Geeste versperrt. Niemand konnte die Brücke betreten, da sogar der Bodenbelag voll in Flammen stand. Und auch sämtliche Häuserzeilen an der Fährstraße und am Torfplatz brannten lichterloh. Selbst die unmittelbar an der Brücke gelegene Direktions-Villa der Seebeckwerft und auch die daran anschließenden umfangreichen Dockanlagen der Werft blieben nicht verschont.
Auch auf der Geestemünder Seite bildeten die langgestreckten Schuppen flussabwärts ein einziges Flammenmeer. Selbst die am Ufer in langer Reihe liegenden Fischkutter und sonstigen Fahrzeuge, einschließlich des Fährdampfers und des Fährhauses wurden ein Raub der Flammen. Als die Bremerhavener und die Geestemünder mit dem Aufräumen begannen, rissen sie viele alte Häuser gleich mit ab, um für Neubauten Platz zu schaffen.
Die Wohnungsnot ließ wohl auch keine andere Wahl. Bis in die Kaiserstraße strömten die ihres Obdach beraubten Bürger, um dort irgendeinen Unterschlupf zu finden. Es begann die Zeit, an der sich viele ältere Mitbürger sicherlich noch erinnern können. Es war eine Zeit, in der man an den Wohnungstüren 3, 4 oder gar 5 Namensschilder und den Zusatz „3mal“ oder „4mal klingeln“ fand.
Das beengte Zusammenleben in den Altbauwohnungen brachte große Schwierigkeiten und lockerte sich erst allmählich nach dem Wiederaufbau in den 50er Jahren.
Der Schutt wurde weggeräumt, die Straßenbahn einige Jahre später gleich mit. Groß und hell aber mit kalter austauschbarer Architektur empfängt die Fährstraße die vielen Autos und die wenigen Passanten. Nichts erinnert mehr an die Schrecken des Krieges. Und an die Straßenbahn und die schönen Häuser aus der Gründerzeit auch nicht. Es ist ein neues Zeitalter!
Quellen:
P. Raap: Die Bremerhavener Stadtmitte aus der Luft, Niederd. Heimatblatt Nr. 745 01/2012
H. Kloppenburg: Die Katastrophen-Nacht von Bremerhaven
E. Sjövall: Die Kaiserstraße- Eine Straße erzählt
juwi’s welt: Ein stählernes Baudenkmal in Aktion
Moin Hermann, danke für den Hinweis auf deinen Artikel. Ich habe meinem Beitrag über die Geestebrücke einen Link auf diese Seite hinzugefügt.
Wenn man die alten Ansichten aus dem damaligen Wesermünde mit den vielen prächtigen Gründerzeitfassaden sieht und sich dabei vor Augen hält, der Krieg ein gutes halbes Jahr nach all der Zerstörung, dem ganzen Leid und den vielen Toten zu Ende war, dann können einem schon die Augen tränen.
Ja, besonders hier in Bremerhaven, in Geestemünde, wird deutlich, wie stark die Zerstörungskraft der Bomberverbände waren. Manchmal sieht man zwischen all den Bauten aus den 1950er Jahren ein Gründerzeithaus stehen und wundert sich, wie Gott die Hand wohl über dieses eine Haus gehalten haben musste.